Pátek 20. øíjna 1905

aller menschliche segensreiche Fortschritt vollzieht sich nicht sprungweise, sondern schritt-weise, und die Zulassung dieser Wählerklasse überhaupt in den Landtag ist doch gewiß ein anerkennenswerter Schritt nach vorwärts. Und ich glaube nicht, daß die Losung "Alles ober Nichts" wirklich Gemeingut aller derjenigen ist, welche draußen vor dem Eingange des Landtages warten. Das ist die Losung des waghalsigen Spielers. Sie kann aber kein vernünstig denkender und vernünstig handeln der Mann zur Richtschnur nehmen, Sondern dieser geht nur Schrittweise vor und wo er die Vorbedingungen sieht, für den Weiteren Erfolg, dort Scheut er auch den Vorwurf langsamen Borgehens nicht, denn auch er führt schließlich zum Ziele. Und abgesehen hievon halten wir uns gegenwärtig: Wie stehen denn die Aussichten aus die Aufnahme eines Entwurfes zu einem neuen Wahlgeseße aus Grund des allgemeinen, gleichen und direkten Wahlrechtes, und wie stehen die Aussichten aus den anderen Seite, nämlich mit der bloßen Erweiterung des Wahlrechtes? Wir sind doch hier eine Körperschaft, in welcher aderungen der Wahlordnung nur bei Anwesenheit von drei Vierteilen aller Mitglieder und Stimmenmehrheit von zwei Dritteilen beschlossen werden kann. Glaubt denn jemand ernstlich, daß eine Wahlordnung unter Zugrundelegung des allgemeinen, gleichen Wahlrechtes hier beschlossen werden kann, wo eine große Wählergruppe, die des Großgrundbesitzes, einfach abdizieren, einen politischen Selbstmord begehen mußte, dazu werden die Herren wahrscheinlich nicht zu haben sein. Aber zu einer Erweiterung des Wahlrechtes, zur Zulassung einer neuen Wählergruppe mit einer Anzahl von Mandaten, dazu haben Sie vielleicht schon Jahre Zustimmung erklärt.

Wenn also zwischen dem nahezu Erreichbaren und dem unerreichbaren Fantom gewählt werden Soll, so wählen wir doch ganz gewiß das Erstere und handeln mehr im Sinne derjenigen, denen wir entgegen zu kommen meinen, als andere.

Darum gestatten Sie mir einen Vorwurf, hochgeschätzte Herren!

Die Anträge, die hier im Hause eingebracht wurden, aus Reform der Wahlordnung unter Zugrundelegung des allgemeinen, gleichen und direkten Wahlrechtes sind etwas verdächtig und machen den Eindruck von Flunkerei, welche sich hier hervorwagt, weil sie von der Aussichtslosigkeit im Vorhinein überzeugt ist.

Aus solcher Weise kann man allerdings billig in Popularitätshascherei machen.

Unser weitaus bescheidener, aber ehrlicher Antrag ist anstandslos realisierbar, wenn nur etwas guter Wille vorhanden ist. Ich habe heute daher mit Freuden jenen Passus in der Regierungserklärung begrüßt, in welcher gesagt wird, daß die Regierung auch zu einer bloß partiellen Wahlreform gerade in diesem Sinne bereit ist.

Bei gutem Willen geht alles dieses!

Nun konnte allerdings an mich die Frage gestellt werden: Was soll nach Euerer Absicht mit den übrigen Bestandteilen der ganzen Wahlreformfrage geschehen ?

Coll die so dringend notwendige Änderung in der Zusammensetzung der Wahlbezirke, soll die Änderung der Geschäftsordnung des Landesausschusses, seiner Zusammensetzung, dann die Änderung des Wahlmodus in dieser oder jener Körperschaft, sollen alle diese Änderungen ad calendas Graecas verschoben bleiben?

Nein, gewiß nicht! Ich kann, hochgeehrte Herren, die notwendige Antwort darauf prompt erteilen und zwar in solcher Weise, wie wir diese Antwort schon jahrelang zu erteilen gewohnt sind und wovon abzugehen, wir keine Veranlassung haben.

Wir sind zu allen Änderungen der Landesordnung und Landtagswahlordnung im modernen, den Zeitverhältnissen rechnungstragendem Sinne anstandslos bereit, so.. bald wir gegen jede auch nur mögliche Überstimmung in bloß unsere Nationalität angehenden Fragen gesichert sind.

Diese Bedingung stellen wir und von dieser gehen wir unter keinen Umständen ab, und diese Garantie Verlangen wir nicht etwa aus Umwegen und in verschämter Form, wir verlangen sie durch ein ganz positives Institut, dessen Anwendung im Sinne des Gesetzes geschieht und nicht durch Mißbrauch des Gesetzes.

Wir verlangen mit dieser unserer Forderung den nationalen Schutz der Minoritäten, welche auch Sie, meine Herren von der tschechischen Seite, stets im Munde führen, welche auch nach dem heutigen Antrage die Kommission beschäftigen sollen.

Wir Deutsche in Böhmen sind allerdings eine große und der Ziffer nach bestehende Minorität und verlangen Schütz im Großen, nämlich gegen jede nur mögliche Überstimmung im Landtage in genau aufzuzählenden Fragen. Ihnen kann dieser Gedanke an sich unmöglich unsympatisch sein. Freilich bei Ihrem Minoritätenschutz denken Sie meist nur an ihre eigenen nationalen Minoritäten in Saaz, Trautenau. Bodenbach u. s. w., aber an uns denken Sie in den seltensten Fällen, und doch haben wir zweifellos ein Recht aus die Inschutznahme unseres Stammes im Großen, d. i. in der Landesvertretung selbst, und Sie werden sich damit jedenfalls schon befreunden müssen, und wir suchen, wie schon früher erklärt, diesen Schutz in einer ganz bestimmten Erscheinungsform, nämlich durch Errichtung nationaler Kurien mit Vetorecht. Mit der Erwähnung dessen befinden mir uns bereits bei dem Brennpunkte der ganzen diesmaligen Landtagssession.

Gestatten Sie mir bei diesem Begriffe einen Augenblick zu verweilen, er ist dessen wirklich wert.

Die Herren von der tschechischen Seite haben sich aus dem Veto ein Schreckbild konstruiert, vor welchem gewichen werden muß, und das sie unter keinen Umständen anerkennen zu dürfen vermeinen.

Es wird die Parole ausgegeben: Das ist der Ansang der Trennung des Landes, das ist die Vorbereitung der deutschen Gebietstei lung und Abgliederung vom Lande. Sie sagen ferner, daß darin ein Attentat gegen die Einheitlichkeit und Unveräußerlichkeit des Landes liege, kurz und gut, daß das mit ihrem Standpunkte gewiß auf feinen Fall vereinbar sei. Und doch, meine Herren, Sie haben nicht immer so gedacht, sondern es läßt sich an der Hand der Geschichte nachweisen, wie überhaupt dieser Begriff in unser öffentliches Leben gekommen ist und wie Sie ehemals ganz an» derer Ansicht darüber waren.

Ich bitte vor allem festzustellen, daß der Begriff "nationale Kurie" gar nicht deutsche Erfindung ist, sondern Gewächs Ihres eigenen Bodens. Die National-Kurie tritt das erstemal in Erscheinung wenigstens in greifbarer Gestalt und festen Umrissen in einem Elaborate, zu welchem Sie die Vaterschaft unmöglich ablehnen und uns etwa zuschreiben können.

Dieses Elaborat ist fein anderes als der vom böhmischen Landtage beschlossene Entwurf des Nationalitätengesetzes der Fundamentalartikel vom 9. Oktober 1871. Daß der Fundamentalartikel-Landtag etwa das Sprachrohr deutscher Wünsche und Bestrebungen gewesen wäre, wird gewiß niemand behaupten können, denn die Fundamentalartikel waren Ihr politisches Ideal Jahrzehnte hindurch, wegen welches Sie der Verfassung zähesten Widerstand entgegensetzten.

Und was sagen diese Fundamentalartikel zu dem fraglichen Gegenstande? Im § 11 des Gesetzenwurfes heißt es: "Zum Schütze der Unverletzlichkeit des gleichen Rechtes beider Nationen wird der Landtag in nationale Kurien eingeteilt. "

§ 12 sagt:

,, Jede nationale Kurie kann bei der jeweiligen Votierung des Budgets verlangen, daß der darin für Schul- und UnterrichtsZwecke überhaupt festgestellte Aufwand, soald er nicht für gemeinsame Anstalten Verwendung findet, im Verhältnisse des Steuerertrages aus den Bezirken ihrer Nationalität für die Bildungsanstalten ihrer Sprache verwendet wird. "

Das geht sogar zum Teile über das, was wir, wenigstens in der letzten Zeit verlangt haben, weit hinaus.

§ 13 sagt:

"Jede National-Kurie kann verlangen' daß jene Bestimmungen eines Gesetzentwurfes, welche den Gebrauch der Sprache im öffentlichen Leben, bei den öffentlichen Behörden und in solchen Bildungsanstalten, welche nicht ausschließlich der anderen Nation gewidmet sind, nach der zweiten Lesung im Landtage der Abstimmung nach den National-Kurien unterzogen wird. Nach einer solchen Abstimmung ist jene Bestimmung als abgelehnt zu betrachten, gegen welche die absolute Majorität der Kurien gestimmt hat, dies gilt ebenauch für die zur weiteren Ausführung dieses Gesetzes zu erlassenden Gesetze. "

Also darin liegt schon der Begriff, die Konstruktion der nationalen Kurien, darin liegt Ihr Anerkenntnis, daß gegen sie grundsätzlich überhaupt feine Einwendung besteht, daß im Gegenteil dies auch im Interesse der tschechischen Volksangehörigen wünschenswert sei.

Freilich könnten Sie einwenden: Das war einmal und ist heute nicht mehr. Ja, das ist schon richtig. Allein wir können eine weitere Wanderung nach vorwärts in der Geschichte unseres Heimatslandes machen. Wir brauchen nicht bei 1871 stehen bleiben, sondern wir gehen einfach weiter bis auf das Jahr 1890, Damals wurden bekanntlich die ersten Wiener Verständigungskonferenzen abgehalten und das, worüber sich die Herren Teilnehmer einigten, wurde protokollarisch fixiert, und das Protokoll über diese Verständigungskonferenzen die sogenannten bei Ihnen übrigens so anrüchigen Punktationen liegt vor. Es sagt im Absatz 11: "Durch ein weiteres Gesetz, welches zugleich mit der Wahlreform in Kraft tritt, wird jede der drei Kurien mit einem Vetorrechte ausgestattet für Beschlüsse der Aenderung der Landesordnung -- der Landtagswahlordnung sowie für Fragen, welche den Gebrauch der Sprache im öffentlichen Leben bei autonomen Behörden und solche Bildungsanstalten betreffen, welche nicht der anderen Nation gewidmet sind.

Nun also, der Begriff ist diesmal schon ausgeprägter und ist uns zeitlich nicht so entfernt.

Natürlich, Sie können sagen, die Männer Vom Jahre 1890 sind nicht wir, wir haben auch nicht deren Erbschaft angetreten und sind für ihre Verlassenschaftgschulden nicht hastbar.

Aber wir kommen noch weiter um zehn Jahre, bis zum Jahre 1900, und in diesem Jahre wurde bekanntlich auch eine neuerliche Verständigungskonferenz abgehalten. An dieser beteiligten sich von tschechischer Seite zum allergrößten Teile Herren, welche noch unter den Lebenden weilen, welche zum Teile, wie der Herr Kollega Dr. Herold - Pardon, er war nicht dabei - im Hause anwesend sind und tatsächlich leibhaftig vor uns stehen.

Das sind dieselben Herren, die jetzt noch die Führung ihres Volkes haben. Und wie Verhalten Sieh diese zu der Vorlage?

Ich kann Ihnen hier dienen mit dem Bericht des Subkomités der Verständigungskonferenz in Wahlreformvorlagen. In diesem Berichte heißt es unter Punkt VI.:

"Zu der von den deutschen Mitgliedern

des Subkomités aufgestellten Forderung nachstehenden Inhalts: - ""Die hier sub V. vorgesehenen zwei Kurien der tschechischen und deutschen Wahlbezirke werden als Nationalkurien mit einem Vetorechte ausgestattet gegenüber Beschlüssen des Landtages, deren taxative Aufzählung der Landesgesetzgebung vorbehalten bleibt. Auch die Stellung des Großgrundbesitzes zu diesen Nationalkurien bleibt vorbehalten''" - erklärten die Vertreter des konservativen Großgrundbesitzes und des tschechischen Volkes, daß sie eine grundsätzliche Einwendung nicht erheben, wohl aber ihre endgiltige Zustimmung von der Erzielung einer Einigung im ganzen Komplexe der der Konferenz vorliegenden Fragen abhängig machen, und die Errichtung solcher Kurien nur als Schlußstein und Krönung des gangen Verständigungswerkes gelten zu lassen in der Lage wären. "

Also auch hier ist, zwar verklausuliert und in das bekannte Junktim gebracht, aber doch prinzipiell anerkannt, daß gegen die Nationalkurien an sich eigentlich ein Einwand gar nicht vorliegt, daß daher gar nichts Nachteiliges oder den Volksrechten Abträgliches Wenigstens begrifflich - in diesem Institut enthalten wäre.

Wenn also drei Generationen von tschechischen Politikern und von Führern des tschechischen Volkes sich in dem Anerkenntnis dessen einigen, daß eigentlich gar kein Einwand besteht, so möchte man denn doch fragen: Woher dieser Sinneswandel im Verlaufe der letzten fünf Jahre? Warum ist, was früher gut diskutabel war (Abg. Dr. Hackl ruft: Grundsätzlich!) aus einmal ein Schreckgespenst geworden? Das hätten Sie früher auszuklären, meine Herren.

Nun, ich weiß wohl, welche Einwendungen Sie vorbringen. Aber ich kann auch hier von vornherein erklären, daß Sie früher auf richtigen Wegen waren, daß diese Eiwendungen, welche jetzt vorgebracht werden, ein bloßes Scheingesecht bedeuten.

Sie sagen nämlich, daß diese Vetokurien und das Vetorecht sich überhaupt nirgends recht bewährt hat und daß es eine veraltete Institution sei, auf welche wir nicht zurückgehen wollen.

Nun, meine Herren, Sie wissen, sehr wohl, daß dasjenige, was wir meinen, weder das Veto des römischen Volkstribunen, noch

das ominiöse Veto des polnischen Reichstages »Nie pozwolam« ist, sondern daß wir es in ganz guter Form zu präzisieren wissen werden.

Unser Veto soll nicht gegen jeden Beschluß des Landtages, nicht in jedem Stadium anwendbar sein, sondern nur gegen ganz festgestellte Fragen, gegen Fragen, deren Diskutierbarkeit Sie selbst zugegeben haben.

Sie sagen ferner, es gibt Staaten, wo das Veto eingeführt war und die Erfahrung nachträglich lehrte, daß es überflüssig war und daß kein Gebrauch davon gemacht wurde. Das erwarten wir Von unserem Veto auch, und wäre es dann geradezu eine ideale Institution und läge dann der Beweis vor, daß sie gerade jene Funktion, um welcher willen sie in's Leben gerufen wurde tatsächlich ausübt. Wie ein Schutzzoll Seinen Zweck verfehlt, wenn er wirklich und mit hohen Beträgen zur Einhebung gelangt, so verhält es sich mit dem Veto.

Es soll von vornherein abschrecken, der bloße Bestand desselben soll von dem Versuche abhalten, einen Eingriff in das gegnerische Gebiet zu unternehmen, weil eine Remedur aus gesetzlichem Wege erfolgen kann. So Verhält es sich mit der Abgebrauchtheit und angeblichen Unzweckmäßigkeit des Veto.

Sie sagen ferner und auch aus den heutigen Anführungen des Herrn Vorredners ging das hervor, insbesondere unter Hinweis auf Baron Chlumeky in Mähren, daß das Veto und die Gegenstände, welche ihm unterliegen sollen, so schwer zu definieren seien, daß man an der Lösung derselben gerade zu verzweifeln muß, daß man aus dem Hundertsten in das Tausendste hineinkommt. Und gewöhnlich wird dieser Einwand mit einem anderen Argumente ausgespickt, es wird gesagt: "nationale Fragen" das ist bei uns in Böhmen ein ungeheuer dehnbarer Begriff, eine nationale Seite kann man jeder Frage abgewinnen.

Ja, meine Herren, wer hatte auch nur einen Augenblick den leichtsinnigen Frevelmut, in die Definition der Beto-Gegenstände diesen Begriff hineinschmuggeln zu wollen?

Das war von allem Anfang an ausge. schlossen, das wußten auch die Herren bor 30 und 40 Jahren, die sich damit befaßt haben.

Solche Borschläge hat niemand gemacht, stets war eine taxative einzelnweise Aufstellung in Aussicht genommen und die Versuche, die damit gemacht wurden, führten nicht etwa zu abschreckenden Resultaten. Im Gegenteile, die Herren Teilnehmer an der Konferrenz von 1900 werden sich erinnern, daß man allgemein darüber erstaunt war, wie wenig Gegenstände schließlich erübrigten, bei denen sich die Unterstellung unter das Veto als zweckmäßig und durchführbar erweist. Und wenn sie wirklich nicht definierbar wären, dann hatten Sie gar keine Veranlassung, sich dagegen zu sträuben, dann könnten Sie die Situation ausnützen und uns aus die furchtbarste Weise blosstellen, dann könnten Sie uns in die Rotte des unartigen und verwöhnten Kindes drängen, dem der Vater zurufst: Nimm dir nur das Stückchen Holz, in dem du ein schönes Spielzeug zu sehen glaubst, du wirst bald selbst schon einsehen, daß damit nichts anzufangen ist. "

In was sollen Sie denn hiebei einwilligen? In die bloße Vorberatung des Begriffes der Kurien mit Vetorecht. Stellen sich dieselben nun tatsächlich im weiteren Verlaufe als undefinierbar und nicht konstruierbar heraus, so können Sie uns einsach darauf verweisen und etwa noch beifügen: "Also deshalb euer großes Geschrei!" Meine Herren'., ich glaube das nicht, der menschliche Geist hat größere Probleme bewältigt und hat andere KompetenzKonflikte beseitigt.

Wenn nur ein guter Wille vorhanden ist, so überlassen Sie die Sorgen anderen, Sie brauchen sich persönlich nicht anzustrengen, Sie werden Vorlagen von freiwilligen Mitarbeitern bekommen in Hülle und Fülle, welche auch die schärfste Kritik auszuhalten im Stande sein werden.

Auch in dieser Beziehung hat es mich angenehm berührt, daß ein Passus Aufnahme gefunden hat in der Regierungsnote, in welcher es ungefähr heißt: Falls sich die Nationalitäten über einen anderen Schutz, worunter offenbar diese Kurien gemeint waren, einigen sollten, ist die Regierung ihrerseits zu jeder Förderung und zum Ausbau desselben beizutragen bereit. (Zwischenruf: platonisch!)

Diese Zusicherung hat allerdings einstweilen nur einen theoretischen Wert, aber man rechnet doch mit der Tatsache, daß eine solche Kurie mit Vetorecht definierbar und konstruierbar ist.

Nun kommt Ihr Haupteinwand - das ist derjenige, aus welchen ich sogar im deutschen Lager stoße.

Sie verweisen uns darauf: Wozu braucht Ihr denn diese so angefeindeten nationalen Kurien mit Vetorecht ? Ihr habet ja die Möglichkeit, denselben Effekt herbeizuführen, schon in der jetzigen Landesordnung und sollet diese Möglichkeit auch behaupten in der reformierten Landesordnung; denn die Beschlüsse, welche Euch wehtun könnten, die müssen entweder bei Anwesenheit von drei Vierteilen aller Mitglieder oder nach dem Regierungsentwurfe in Anwesenheit von 235 Mitgliedern gesaßt werden.

Das Mittel, das Haus unter diese Frequentantenzaht zu bringen, habet Ihr ja jederzeit in der Hand. Kurz und gut, man verweist uns aus die Möglichkeit, uns durch bloße Abstinenz vor einer Benachteilung zu hüten und preist uns sogar als besonderen Vorzug, daß nach der Regierungsvorlage jetzt auch die Geschäftsordnung des Landtages nur in Anwesenheit von drei Vierteilen aller Mitglieder geändert werden konnte.

Hochgeehrte Herren! Für dieses Auskunstsmittel danken wir bestens. (Beifall. )

Aber nein, das wäre nicht der richtige Ausdruck. Gegen dieses Auskunftsmittel protestieren wir aus das Nachdrücklichste und Schärfste (Beifall). Das ist eine Verletzung der unserem Stamme zukommenden Wurde. Mit einem Solchen Auskunftsmittel können wir uns unmöglich abspeisen lassen, daß uns die Möglichkeit auch aus dem Saale hinauszugehen, als nationaler Schutz vorgehalten wird. So darf die Errungenschaft nicht aussehen, mit der wir unsere Stammesgenossen gegen eine mögliche Vergewaltigung Schützen. So würden Sie Sich es auch selbst nicht gefallen lassen und würden gegen jede derartige Zumutung auch außer den Kurien ein Sehr vernehmbares Veto einlegen. Dafür haben Sie ein ganz gutes Empfinden, das wissen Sie auch, daß die Ausübung der Abstinenz eigentlich nur ein Mißbrauch des Gesetzes ist. Das Gesetz ist nicht darauf berechnet, daß manchmal auch absichtlich die zur Beschfußfähigkeit erforderliche Anzahl nicht erreicht oder herabgemindert werde.

Und Schließlich wäre auch von der Abstinenz bloß ein Keiner Schritt weiter zu machen und Sie verweisen uns auf die offene Obsruktion. Sie können uns ja ohne weiters sagen: Ja, warum das Geschrei, Ihr könnt ja jederzeit, wie Ihr es ja Schon getan habet, obstruieren und dadurch den ganzen Landtag lahm legen. Ein lahmgelegter Landtag faßt überhaupt keine Beschlüsse, mithin auch keine für Euch nachteilige Beschlüsse

Nun das läge ja auch so in der Luft. Doch, wenn Sie uns so auf die Abstinenz und Obstruktion weisen, dann begehen Sie aber auch ein Unicum in der Gesetzgebung. Denn Solche Waffen sind nur Waffen der Notwehr, welche man nur in Ermanglung jeder anderen Auskunftsmittel gebraucht, die, möchte ich sagen, die Lücken und Schwächen des jetzt bestehenden Gesetzes ausnutzen, keineswegs aber eine loyale Anwendung derselben. (Beifall. )

Dagegen muffen wir uns auf das Schärfste wenden, und es, wie schon erwähnt, geradezu als Atentat aus die Ehre und Würde unseres Stammes betrachten. Auf offenem und geraden Wege wollen wir unser Ziel erreichen und unser Volksrecht schützen. Nicht auf die Treppen und auf dem Raum vor dem Saale wollen wir verwiesen sein.

Dafür haben die Herren von der jungtschechischen Seite vor fünf Jahren noch ein volles Verständnis und das war für sie der hauptbeweggrund, weshalb sie die positive Form des Nationalitätenschutzes gelten ließen. Man möchte nur fragen: Wie ist es eigentlich gekommen, daß sie jetzt anderen Sinnes geworden sind?

Ich kann Ihnen diesen Entwicklungsgang ganz gut schildern. Daß sich einmal jemand in eine Idee verrennt, festbohrt, und sich dann aus übel angebrachter Konsequenz nicht mehr heraus reiten lassen will, kommt vor, selbst dann, wenn der Betreffende einsehen muß, daß überwiegende Vernunstsgrunde gegen seinen Standpunkt sprechen.

Er ist so gewöhnt, es ist halb Beharrungsvermögen, halb Eigensinn und übertriebene Konsequenz dahinter. Aber daß jemand von einer Ansicht, die er sich längst gebildet hat und die er seinerzeit Vertrat ohne weiters abzubringen, ist, das ist gewöhnlich keinem Wechsel der Überzeugung, sondern nur äußeren Einflüssen zuzuschreiben. So ist es auch bei Ihnen.

Wir wissen dies ja sehr gut. Sie selbst. die damals die Zustimmung wenigstens prinzipiell erteilt hatten, wurden von Ihren jüngeren und natürlich deshalb radikalem Hintermännern arg bedrängt n. zw. genau mit jenen Kampfmitteln und jenen Waffen, welche Sie zehn Jahre vorher Ihren Vorgängern gegenüber in Anwendung gebracht hatten, nämlich mit den Waffen eines rücksichtslosen Demagogietums, wie wir dasselbe auch in unserem Lager erlebt haben. Aber gerade jene radikalen Hintermänner wußten das Schlagwort der nationalen Kurien mit dem Veto recht gut auszubeuten. Es ist ja richtig. Daß dieser -Begriff dem Begriffsvermögen des gemeinen Mannes allzu faßlich wäre, das kann Niemand behaupten. Wir müssen zugeben, daß es Mühe und Überlegung kostet, um den Begriff und den Zweck klar zu machen Viel leichter läßt Sich der eminöse Name Veto, der von dem polnischen Landtage her in Erinnerung steht, ausschroten, und es läßt sich viel besser damit agitieren, wenn man jeden von vornherein für einen Volksverräter erklärt, der auch nur mit dem Feuer dieses Gedankens spielt. So geschah es Ihnen tatsächlich. Sie wurden gerade wegen dieses Punktes in maßlosester Weise angegriffen und verketzert. Sie befanden sich gerade damals in der schärfsten -Opposition, ja Obstruktion gegen die Regierung und gegen uns und dachten sich ganz einfach: Uns sind doch die Vetokurien nicht ans Herz gewachsen, wir haben doch keinen Grund, uns ihrer besonders anzunehmen und so haben Sie halt, wenn auch nicht direkt in den Entrüstungschorus ingestimmt, so doch um mit Scheffel zu sprechen, "Still Ihr Rößlein gewendt und sich des Schweigens beflißen, " so ist es gekommen 1 Sie reden sich ganz einfach aus die Stimmung in ihrem Volke aus, die absolut Don diesen Vetokurien nichts wissen will und diese Stimmung ist Ihnen ein genügender Grund, um an dieser Klippe, ich will nicht sagen, das Versöhnungs- und Einigungswerk aber einen Ansatz zu einem solchen scheitern zu lassen, und das kann ich Ihnen nur verdanken und aus das Schärfste mißbilligen. Es wird von Ihnen ja nicht etwa das Aufgeben von Rechten, die sie zu Verantworten hätten, verlangt, Sie sollen ja einstweilen nur, einwilligen in die Vorberatung eines Solchen Grundgedankens. Paßt der Ihnen Später nicht, So haben Sie noch in der Kommission Mittel und Wege, ihn zu widerlegen und sich davon loszuschälen. Schließlich haben Sie noch im Hause die Möglichkeit, einfach dagegen zu stimmen. Wir wissen ja alle, daß jede Wahlreform in diesem Hause nur im Einflange und unter Zusammenwirken aller Parteien durchgeführt werden kann. Wozu aber dieses, ich mochte fast schon sagen, hochbeinige sich Anstemmen gegen einen Punkt, an dem möglicherweise Alles scheitern muß?

Ich mochte daher mir erlauben, an Sie die Mahnung zu richten - denn ein Ersuchen ist unmöglich, wo es sich um die Verteidigung von Volksrechten handelt - Handeln Sie nach Ihrem eigenen Ermessen, aber möglichst so, daß es Sie später nicht reut. Die Regierung wird, trotzdem Sie uns heute ihre Vorlagen mitteilte, ihr Werf noch lange nicht als abgeschlossen erklären, sie wird, nach den eigenen Worten des Herrn Ministerpräsidenten ihre Vorlage noch nach Bedarf abändern, sie sieht in ihrer Vorlage nur das weiße Blatt, aus daß die Parteien noch alles Mögliche, natürlich, wenn sie darüber einig sind, schreiben können. Die Regierung wird uns sogar noch mehr tun, sie wird uns nicht nur das weiße Blatt geben, sie wird uns auf daselbe noch Vorschreiben und vordrucken, soviel wir wollen. Bon einer Verspätung kann da keine Rede sein, aber wir müssen uns eben zustimmend verhalten und Sie, meine Herren, dürfen nicht von vornherein einen ablehnenden Standpunkt einnehmen.

Vielleicht sagen Sie: Auf unserer Seite wäre das bloßer Eigensinn, und wir könnten uns mit dem bekannten Surrogate der qualifizierten Majorität zufrieden geben, wie sie auch in dem neuen Entwürfe vorgesehen ist. Aber, meine Herren, Sie wissen sehr gut, daß wir zum Schlüsse doch nur aus das früher betonte Bedenken stoßen, daß mit der Würbe eines Volkes ein solches Auskunftsmittel absolut nicht vereinbar ist, wofür Sie selbst früher volles Verständnis hatten. Wenn ferner eine solche Bestimmung in dem Entwürfe, mit welchem die Kommission sich zu befassen hätte, fehlt, so werden daraus unbedingt im weiteren Verlaufe der Verhandlung Argumente gegen uns hergeleitet, - diesen Fehler aber, welcher jetzt schon schwerer als früher reparabel ist, konnten Sie immerhin durch nachträgliches Handeln sanieren.

Versuchen Sie es, gegen den Strom zu schwimmen. In einem so ernsten Momente, wo es sich um solche Aktionen handelt, ist es auch am Platze, insbesondere (wenn man

Vom Gegner den gleichen Vorgang erwartet und Verlangt.

Denn wir, hochgeehrte Herren, schwimmen hier auch gegen den Strom, wir befinden uns jetzt nicht im Hochwasser der Stimmung unseres Volkes. Wenn wir der nachgiengen, dann dürfen wir schon nicht mehr hier Sein und mußten auch schon den Landtag durch Obstruktion lahmgelegt haben.

Aber wir taten es bisher nicht, ein Teil der Herren Kollegen sogar mit Zurückdämmung ihrer Ansicht und persönlichen Wunsches, weil wir den Ernst der Situation nicht verkennen und weil wir den Vorwurf nicht auf uns laden wollen, alle Brücken hinter uns abgebrochen zu haben. In diesem Vorgange, bitte ich, uns nachzueifern, und Sie werden zu ersprießlichen Resultaten kommen. Wird dagegen von Ihnen derselbe Standpunkt eingehalten, wie bisher, so kann ich mir nicht viel Gutes Versprechen.

Was aber den Antrag des Herrn Kollegen Dr. Herold betrifft, so ist derselbe mehr dekorativen Charakters für jene Kommission, deren Hanptaufgabe auf den bisher besprochenen Gebiete liegt.

Unter sonstigen Umständen läge nichts daran, und wir wurden uns nicht gegen die Zuweisung an die Kommission aussprechen. Denn es ist, möchte ich Sagen, schon parlamentarische Kurtoisie, daß man nicht in erster Lesung gegen einen Antrag des Gegners stimmt; man kann ja alles vorberaten und besprechen.

Aber Sie, meine Herren, haben uns in der letzten Landtagssitzung ein böses Beispiel gegeben! Warum wurde der Antrag des Kollegen Dr. Bachmann nur durch die Majorität der Großgrundbesitzer und unserer eigenen Stimmen zugewiesen? Wir leben einmal in Kriegszeiten und da gilt auch der Kriegt komment.

Sie werden also begreifen, wenn ich hiemit erkläre, daß wir in erster Lesung gegen den Antrag Stimmen werden. Ich habe gesprochen. (Lebhafter Beifall. Redner wird beglückwünscht. )

Oberstlandmarschall: Es gelangt nun zum Worte der Herr Abg. Graf Ottokar Czernin.

Abg. Ottokar Czernin: Hoher Landtag ! Wenn ich mir erlaube, das Wort zu ergreifen, so geschieht dies, um mich über die auch unser Land in so weitem Maße beschäftigende Wahlreform auszusprechen, welche ja in innigem Zusammenhange mit der auf der Tagesordnung stehenden Frage Steht.

Hochverehrte Herren ! Bevor ich auf das Meritorische meiner Ausführungen näher eingehe, möchte ich Sie bitten, mir freundlichst gestatten zu wollen, ein Wort pro domo zu sprechen.

Unter der allgemeinen Rechtsfrage ist diejenige, welche sich mit dem Wahlrechte besaßt, die umstrittenste, vielleicht ungelösteste. Ich glaube, meine Herren, Sie werden mir die Bitte nicht verübeln, die ich an Sie stelle. Sie möchten bei Behandlung dieser heiklen Frage größtmöglichste Toleranz walten zu lassen, ich meine eine Toleranz in doppelter Hinsicht, Erstens eine Toleranz darin, daß wir ausschließlich mit sachlichen Argumenten kämpfen und alle persönlichen Angriffe, so leicht sie sein mögen, zurückstellen, und zweitens eine Toleranz darin, daß wir bei Einführung dieser sachlichen Momente nach besten Kräften streben mögen, vorurteilsfrei in die gegnerische Auffassung einzudringen contitio sine qua non einer auf hohem Niveau stehenden Debatte; und daß diese Debatte Sich auf hohem Niveau bewegen möge, wünschen wir alle.

Eine Anzahl von ihnen, meine Herren, fordert im Namen von tausenden, heute vom Wahlrecht Ausgeschlossenen das allgemeine, gleiche direkte und geheime Wahlrecht. Für denjenigen, der naiv genug wäre, nicht zu wissen, daß die Herren Antragsteller tatsächlich im Namen von Tausenden sprechen, hätte die - ich sage es ohne Scheu, ohne falsche Scham - großartige Manifestation vor den Toren des Landtages am Tage der Lantagseröffnung hinreichenden Beweis erbracht. Meiner Ansicht nach ist es einerseits Pflicht des hohen Hauses, die Ihnen in legaler und würdiger Form - darauf lege ich Nachdruck, meine Herren - vorgetragenen Wünsche zahlreicher Staatsbürger nicht zu bagatellisieren, sondern in ernste Erwägung zu ziehen. Andererseits wäre es, meiner Ansicht nach, ein unverzeihliches Zeichen von Schwache, wenn eine legislative Korporation sich durch eine Volksbewegung in einem Bruchteile beeinflußen ließe. Bon diesem doppelten Gesichtspunkte


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