klar, dass diese Qualitäten umsomehr überholt werden, je rationeller der Getreidebau sich gestaltet und die Getreidereinigung selbst ist. Es kommen durch dieses niedrige Usancegewicht daher insbesondere die Getreibebauern in den fortgeschrittenen Gegenden, in den Gegenden mit rationeller Cultur am meisten zu Schaden. Warum? Weil die Preisnotierungen für Usancewaare natürlich auch preisbestimmend wirken für den effektiven Getreidehandel. Darin liegt die große unmittelbare Schädigung der Landwirtschaft, dass das Getreidedifferenzspiel die Preisbildung für die wirkliche Waare beherrscht. Es ist einmal ganz natürlich, dass das große Geschäft das kleinere beherrscht und das größere Geschäft ist, wie ich vorhin ziffermäßig angeführt habe, immer das Scheingeschäft, das Differenzspiel.
Es kommt das aber auch daher, weil die Beobachtung dieser Preise, welche im Differenzspiel bewilligt werden, ja erleichtert wird dadurch, dass die Terminpreise täglich nach allen Richtungen hinausgetragen werden und es sehr nahe liegt, dass die Aufmerkfamkeit und das Interesse aller derjenigen, welche im Getreidehandel etwas zu thun haben, sich diesen Differenzschwankungen an der Börse zuwendet, denen gegenüber die Preise für die Locowaare kaum in Betracht kommen.
Ausschlaggebend für den Effectenmarkt bleiben die Differenzgeschäfte und die im Differenzgeschäfte gegebenen Preise.
Der Blancoterminhandel, ein Scheingeschäft, wird in der Regel nur gemacht, um die Differenz im Preise einzuheimsen; und was geschieht, wenn der Verkäufer wirklich einmal liesern muss? Dann tritt der sogenannte Regulierungspreis in feine Rechte und dieser Regulierungspreis ist der amtlich festgestellte Durchschnittspreis des letzten Markttages.
Dieser Regulierungspreis bezieht sich natürlich wieder nur auf lieferbare Waare und diese braucht kein höheres Hectolitergewicht zu haben als das bereits angegebene. Also es wird auch, wenn wirklich einmal ein Geschäft effectuirt wird, der Preis für Usancewaare immer noch bestimmend für die Preise im weiteren Getreidehandel bleiben. Die Landesculturkommission hat in ihrem Berichte aus den bisher entwickelten Gründen mit vollem Recht die Aufhebung des Blancoterminhandels in Getreide und die Erhöhung des Hektolitergewichtes für Usancewaare verlangt und sie hat verlangt, dass die Überschreitung dieses Verbotes unter strenge strafgesetzliche Ahndung gestellt werde.
Ich möchte aber noch auf zwei Momente aufmerksam machen, welche dafür zeugen, dass die große Meltkonkurrenz ebenso wie das Getreidedifferenzspiel zur Deroute im Getreidemarkt beigetragen hat. Es ist bekannt, dass abgesehen von dem letzten und jetzigen Jahre, das fein Normaljahr ist, die sinkende Tendenz in den Getreidepreisen begonnen hat in den siebziger Jahren und dass die Getreidepreise in den letzten 20 Jahren soweit gesunken sind, dass sie bei Weizen um etwa 50%, bei Roggen um 30% niedriger waren als vor 20 Jahren; viel weniger sind die Haferpreise und noch weniger die Gerstenpreise gefallen. Mit diesem allmähligen Getreidesturz fällt zeitlich aber zusammen das Anwachsen der fremdländischen Konkurrenz. "Diese Konkurrenz war am größten bei Weizen; von diesem wurden die größten Mengen auf den europäischen Markt geworfen und thatsächlich sind die Preise des Weizens auch am meisten gefallen.
Es fällt mit dem Beginn dieser sinkenden Tendenz der Getreidepreise zeitlich aber auch zusammen der Beginn des Terminspieles. Bis in die siebziger Jahre war das Terminspiel nach einem Beschluß des Wiener Börsenrathes verboten und bei Gestattung des Terminhandels war ausdrücklich die Usance festgesetzt, dass jeder Verkäufer von Terminwaaren von je 100 kg. gehandelter Waaren 1 fl. Angabe zu erlegen hatte und dass das effective Gewicht der Terminwaare erst im Monate September festzustellen sei.
Erst in den siebziger Jahren wurde diese Einschränkung vom Wiener Börsenrathe fallen gelassen; dem Wiener Börsenrathe folgte jener in Budapest, und von da begann dann der Terminhandel, der allmählich zu dem geworden ist, was er heute ist, zu dem Terminbörsenspiel.
Den Agrariern Deutschlands gebührt das Verdienst, dass sie zuerst die Gemeinschädlichkeiten des Blancoterminhandels erkannt und mit allem Nachdruck das gesetzliche Verbot desselben verlangt haben.
So hat der Deutsche LandwirthschaftsRath, diese autoritative Vertretung der Gesammtheit der reichsdeutschen Landwirthe, das Getreidedifferenz-Spiel betreffend, erkannt, das Getreide-Disserenz-Geschaft sei:
1. eine volkswirthschaftlich ungessunde Speculation, welche mit den für die gesammte Nation nothwendigsten Nahrungsmitteln ein Glücksspiel treibt;
2. eine Organisation des Getreidebandels, welche auch die Natur dieser Fruchte, ihre individuelle Beschaffenheit nach Art des Bodens und des Klimas und vor allem noch auf ihre Verarbeitung zu Muhlen-Fabrikaten und demnächst zu menschlichen Nahrungsmitteln keine Rucksicht nimmt;
3. im Zusammenhange hiemit eine Herabdrückung des Preises des besseren Getreides auf den Preis der minderwartigen TerminOualitat;
4. neben dieser preisdruckenden Tendenz noch einen weiteren Preisdruck durch die in der Natur des Termingeschaftes begründete Baisse-Speculation, welcher der über Bedarf stattfindende Import bezüglich des BlancoAngebotes auslandischen Getreides als Basis dient.
Der Bund der deutschen Landwirthe in Berlin hat es meisterhaft verstanden, die Erkenntms von der Gemeinschadlichkeit des Blanco-Terminhandels in Getreide in die weitesten Kreise zu tragen und durch die wissenschaftlichen Arbeiten eines Ruhland davon die gesammte Oeffentlichkeit zu überzeugen, soweit dieselbe übe diese Dinge überhaupt ein ungetrübtes Urtheil haben konnte, und so hat denn der deutsche Reichstag am 1. Mai 1896 mit 200 gegen 39 Stimmen auch beschlossen: "Der Blankoterminhandel in Getreide, welcher eine künstliche Depression der Getreidepreise erzeugt hat, wird ausgehoben".
Wir Agrarier in Oesterreich, wenigstens darf ich das von den deutschen Agrariern dieses Sandes sagen, sind bei den Agrariern Deutschlands in diesem Betrachte in die Schule gegangen und auch wir haben seit Jahren das gesetzliche Verbot des Blankoterminhandels in Getreide verlangt. Ich sehe davon ab, dass die Börsenreform im allgemeinen und die Reform der Fruchtborse, sowie das Getreide Differenzspiel insbesondere schon in den Programmen der versch edenen politischen Parteien seit kürzerer oder längerer Zeit eine mehr oder weniger ausgesprochene Stelle eingenommen haben.
Ich will nur daran erinnern, was die Fachkreise selbst, unbekümmert um ihre sonstige politische Stellung und auch unbekümmert um politische Parteivortheile, in dieser Frage in den letzten Jahren gedacht und verlangt haben.
Hier habe ich das aus 32 Punkten bestehende Agrarprogramm der deutsch-böhmischen Landwirte, das ich am 13. October 1895 vor mehr als 4. 000 Teilnehmern aus dem Baueintage zu Aussig zu begründen die Ehre hatte, und der 12. Punkt dieses Programmes lautet:
"Reform der Börsengesetzgebung behufs Hintanhaltung von Missbräuchen an der Fruchtbörse. "
Aus der Begründung dieses Punktes geht klar hervor, dass wir unter diesen Missbräuchen vor allem den Blankoterminhandel im Getreide verstanden haben und diesen Blankoterminhandel aufgehoben wissen wollten.
Dem Bauerntage von Aussig vom 13. October 1895 war derjenige von Trautenau vom 15. Dez. 1895 gefolgt. Der Traut nauer Bauerntag ist dem Agrarprogramm von Aussig beigetreten und hat demnach auch mit diesem die Aufhebung des Blankoterminhandels in Getreide verlangt.
Am 7. Juni 1896 wieder kamen die deutschen Bauern und zwar, wie immer aus solchen Anlässen, ohne Unterschied ihrer sonstigen politischen Parteistellung auf dem großen Bauerntage im Bischof-Teinitz zusammen und dort wurde, die Frucht- und Mehlborse, sowie die Differenzgefchäfte in Getreide betreffend, folgende Resolution geschloffen:
"Die am heutigen Tage in Bischofteinitz in großer Zahl versammelten deutsch-böhm. Landwirte geben ihrer einmüthigen Überzeugung Ausdruck, dass der Einfluß der Frucht- und Mehlborsen und insbesondere der Einfluß des auf diesen Börsen im großen Umfange betriebenen Differenzgeschäftes in Getreide von unheilvollster Ruckwirkung auf die Bildung der Preise der landwirtschaftlichen Produkte fei, dass diese Preisbildung insbesondere auch durch die Baisse-Manöver der Großfinanz und durch die nicht genügend controlirte Thätigkeit der Börsenagenturenhöchst ungünstig beeinflußt werde, dass weiter auch die Schutzlosigkeit der Landwirtschaft gegenüber den Producten- und Industriecartellen den Niedergang landwirtschaftlicher Bevölkerungskreise in hervorragender Weise mitverschuldet, und es stellt daher die heutige Versammlung sowohl an die hohe k. k. Regierung als auch an die Volksvertretung die ernste und dringende Aufforderung, dahin zu wirken, dass das Differenzgeschäft in Producten an der Frucht- und Mehlbörse gänzlich verboten werde, den Forderungen aus solchen Geschäften das Klagerecht entzogen, die Börsencontrole verschärft und die Börse auf diese Weise ihrer eigentlichen Bestimmung zurückgegeben werde. "
Am 1. Dezember des Jahres 1896 veröffentlichten wir deutschen Agrarier des Landes aus Anlass der damals bevorstehenden neuen Reichsrathwahlen ein umsassendes Agrarprogramm und in diesem Agrarprogramm befindet sich, das Getreidedifferenzspiel betreffend, solgender Passus:
"Schutz im Besonderen der Landwirtschaft durch Beseitigung der Ursachen, die neben der Weltconcurrenz zu der seit Jahren andauernden ruinösen Preisbildung des Getreides geführt haben. Zu dem Ende fordern wir die vollständige Aushebung der reinen Differenzgeschäfte in Getreide, das Verbot des Blancoterminhandels, fordern weiter, dass die Börse unter -strenge staatliche Aussicht gestellt werde, und verlangen, dass bei den Preisnotierungen an der Fruchtbörse die Landwirte ihren controlierenden und mitbestimmenden Antheil haben.
Dieses gesammte Agrarprogramm, es stand auf der Tagesordnung des am 13. Dezember 1896 in Budweis stattgefundenen südböhmischen deutschen Bauerntages, und auch dieser südböhmische deutsche Bauerntag trat demselben, mithin auch dem Verlangen auf Aufhebung des Blankoterminhandels bei. Ich kann sonach sagen, die Gesammtheit der deutschen Landwirte in Böhmen, in Nord und Süd, in Ost und West, hat sich in den Jahren 1895 und 1896 für das gesetzliche Verbot des Blankoterminhandels ausgesprochen, rückhaltlos, vorbehaltlos und mit aller Entschiedenheit.
Am 27. Dezember 1896 sand in Prag ein Congress der èechischen Landwirte statt, ein von etwa 3000 Teilnehmern besuchter Agrarcongress, auf dem, das Blankoterminspiel betreffend, also beschlossen wurde:
"Nach Verhandlung der Frage bezüglich der Differenzgeschäfte und der Regelung des Terminhandels auf den Productenbörsen erklären sie sich einmüthig für die Abschafung des Differenzgeschäftes als eines unmoralischen Mittels zur künstlichen Preisregulierung, eventuell für dessen Verbot und Ahndung mit den schärfsten Strafen, sowie für die angemessene Regulierung des Terminhandels. "
So beschlossen die èechischen Landwirte am 13. Dezember 1896. (Zwischenruf: Das ist besser als die Sprachenverordnungen. )
Man kann demnach sagen, was Böhmen betrifft, die Gesammtheit der Landwirte Böhmens ohne Unterschied der Zunge und politischen Parteistellung hat in diesem Punkte dasselbe Programm und dieses Programm lautet:
"Gesetzliches Verbot des Blankoterminhandels in Getreide- und Mahlproducten, schärfste strafgesetzliche Ahndung aller Missbräuche an der Fruchtbörse, ausreichende staatliche Controle über alle Vorgänge daselbst und Wahrung des berechtigten Einflusses der Landwirte bei den Getreidepreisnotierungen an der Börse. "
Aber nicht bloß die Gesammtheit der Landwirte Böhmens, auch die Landwirte der anderen Kronländer Österreichs, insoweit dieselben an Getreidebau und Getreidehandel überhaupt Interesse haben, verlangen die gleiche Reform.
In dem Agrarprogramm der deutschen Landwirte Mährens heißt es, die Fruchtbörse und Differenzgeschäfte betreffend:
"Eine andere häufig geführte Silage herrscht auch über die Vorgänge an den Getreidebörsen. Gewiss ist, dass die reinen Differenzgeschäfte, denen immer nur die fingirte Waarenmenge zu Grunde liegt, ganz abgesehen von ihrer sonstigen schädlichen Wirkung, der landwirthschaftlichen Production in hohem Maße abträglich sind. Irgend einen Nutzen im Interesse des Volkswohles schaffen diese Geschäfte entschieden nicht. Die öffentliche Meinung und nicht der Landwirth allein fordert daher mit Recht, dass diese den Volkswohlstand untergrabende Speculation gesetzlich untersagt werden müsse. "
Die Vorgänge der letzten Zeit haben abermals die Nothwendigkeit ergeben, dass außer unter dem die Börse der strengen Beaufsichtigung durch den Staat zu entziehen sei, dass seiner speciell an der Getreidebörse die Preisnotirungen und Lieserungsqualität unter Betziehung von Vertretern der Landwirtschaft zu controlieren seien.
Das ist der Standpunkt der deutschen Landwirthe in Mähren; und am 7. Februar 1897 versammelten sich die deutschen Landwirthe Schlesiens aus einem großen Bauerntage in Jägerndorf und auf diesem Bauerntage wurde, das Blancoterminspiel und das Differenzgeschäft in Getreide betreffend, beschlossen, dass dieselben gesetzlich zu verbieten sind, dass die Ueberschreitung dieses gesetzlichen Verbotes strengstens zu ahnden sei, und weiter verlangt, dass die Productenbörse unter die Mitlettung und Controlle der Landwirthe gestellt werde.
Und Wenn wir über Böhmen, Mähren und Schlesien hinausgehen nach Niederösterreich, so finden wir, dass auf dem ersten niederösterreichischen Bauerntage am 13. September 1896 das Getreidedifferenzgeschäft betreffend, beschlossen wurde:
Der am 13. September 1896 in Wien tagende niederösterreichische Bauerntag beschließt:
"Es sei an die hohe Regierung, insbesondere an das k. k. Ackerbauministerium die ergebenste Bitte zu richten:
a) den sogenannten Terminhandel in Getreide, welcher eigentlich nur ein ganz gemeines Differenzspiel zwischen Käufer und Verkäufer ist, die gesammte Landwirthschaft und Mühlenindustrie aber durch dieses nur aus dem Papier gewachsene Getreide infolge der fortwährenden Preisschwankungen und der preisdrückenden Wirkungen desselben auf das tiefste schädigt, ja in ihrer Existenz bedroht, und in Anbetracht dessen, dass dieses Terminspiel in Getreide nur ein Auswuchs des legitimen effectiven Getreidehandels, unmoralisch und verwerflich ist, so tote in Deutschland, ehestens zu verbieten.
b) Da aber bis zur gänzlichen Aufhebung dieses Differenzspieles noch eine längere Zeit vergehen dürste, so möge die hohe Regierung im Verordnungswege dasselbe einschränken und zwar durch Abänderung der Börsenusancen wie folgt:
1. durch Erhöhung des Effectiogewichtes,
2. durch die Bestimmung, dass nur österreichisch-ungarisches Getreide lieferbar sein darf, und durch Verminderung des vierperzentigen Beisatzes,
3. durch eine möglichst hohe Angabe bei Abschluß eines Geschäftes sowohl vom Käufer als auch Verkäufer,
4. durch Abkürzung des Termines, innerhalb dessen ein solches Geschäft zur Abwicklung gelangen muss.
Zur Begutachtung dieser Abänderungsvorschläge möge die Regierung eine Enquete einberufen, zu welcher jedoch nicht wie bisher stets bei Gutachten über Börseangelegenheiten Vertreter der Börse allein geladen werden sollen, sondern auch Vertreter der Landwirthschaft und der Mühlenindustrie.
c) bis zur gänzlichen Aufhebung des Differenzspieles für eine möglichst hohe Besteuerung Sorge zu tragen. "
Am 30. März 1897 nahm auch die k. k. niederösterreichische landwirtschaftliche Gesellschaft zu der Frage der Börsenreform und des Getreideterminspieles Stellung, erkannte und beschloss:
Es ist eine allseits anerkannte Thatsache, dass in dem Blanco-Terminhande in Getreide und Mahlprodukten, welcher mit dem daraus hervorgehenden Differenzspiele unzertrennlich verbunden ist, eine schwere Schädigung der heimischen Industrie erblickt werden muß, indem selber nicht nur eine auf effectivem Anbot und reeller Nachfrage basirte Preisbildung des Getreides verhindert und dafür durch die internationale Speculation des Großkapitals kunstlich gemachte Preise zur Notirung bringt, sondern auch durch das über den wirklichen Marktbedarf im Interesse der Blanco-Terminspeculation systematisch herangezogene ausländische Getreide die Preise der Inlandsproduction herabdrückt, um sie im wirklichen Bedarfsfalle zu diesen künstlich herabgedrückten Preisen beliebig zur Deckung desselben heranziehen zu können.
Die Ausführungen der Vertreter der Börsen für landwirtschaftliche Producte und der Großmühlenindustrie in den diesbezüglichen Enqueten in Budapest und Wien haben nach keiner Richtung hin unsere obige feststehende Uiberzeugung zu erschüttern vermocht; im Gegentheile liefern selbe bei richtiger Auffassung und Beurtheilung derselben den besten Beweis für die Richtigkeit unserer Ansicht, dass der
Blanco-Terminhandel wohl für den internationalen, vom Großkapitale beeinflußten Getreidehandel und für die Großmühlenindustrie große Vortheile, aber für die gesammte Landwirtschaft, die Klein- und Mittelinühlenindustrie und den reellen localen Getreidehandet eine geradezu ruinirende Wirkung hat und daher von uns mit allen gesetzlichen Mitteln bekämpft werden muss.
Die Börsenreform kann nur dann die an dieselbe geknüpften Erwartungen einer reellen, den wirklichen Verhältnissen des Anbotes zur Nachfrage entsprechenden Preisbildung erfüllen, wenn:
1. der Blanco-Terminhandel für Getreide und Mahlproducte auf unseren Börsen verboten wird;
2. eine feste Unterscheidung für den berechtigten Terminhandel (Getreidelieferung aus Zeit) und den Blanco-Terminhandel geschaffen wird, wobei als letzterer jedes Geschäft bezeichnet werden muß, welches aus Grund feststehender Typen ohne Bemusterung und Nachweis des Verfügungrechtes des Verläufers geschlossen wird;
3. durch Einführung des Declarationszwanges jedes Geschäftes beim Börsenvorstande und des Rechtes der Legitimationsprüfung des Verkäufers durch den Börsenvorstand eine entsprechende Controle ins Leben gerufen werde;
4. aus bloßer Grundlage von Getreidetypen keine Abschlüsse erfolgen dürfen, sondern diese möglichst ausgedehnten Typen, in welchen die genaue Dualitäts-, Gewichts- und Provenienzangabe zum Ausdrucke kommt, lediglich den Zweck haben, den außerhalb des Marktes stehenden Interessenten ein klares verständliches Bild über die für die verschiedenen Getreidequalitäten wirklich gezahlten Preise zu verschaffen;
5. eine bestimmte Anzahl von Landwirten, welche seitens der Regierung zu ernennen sind, Ausnahme in dem Börsenvorstande finden;
6. die geringste Dualität des auf unseren Börsen zu handelnden Getreides mit 50 Metercentner firirt wird, damit selbe auch dem Kleinund Mittelbesitze zugänglich werden.
So die Wiener Landwirthschafts-Gesellschaft.
Am 4. und 5. Juni 1897 fand ein deutschösterreichischer Bauerntag in Graz statt und auch dieser Bauerntag verlangte vie Umgestaltung des Börsengesetzes behufs Hintanhaltung von Missbräuchen an der Fruchtbörse und forderte das gesetzliche Verbot des Blancoterminhandels.
Am 16. September 1897 tagte in Wien eine vom Berbande der Landwirthe Niederöfterreichs einberufene Versammlung der Bauern des Viertels unter dem Mannhardtsberge und auch auf diesem Bauerntage würde, das Blancoterminschrift in Getreide betreffend, beschlossen:
"Das nach gleichmäßigen Grundsätzen zu erlassende Verbot des Blancoterminhandels in Körnerfrüchten ist in beiden Staaten spätestens mit dein Zeitpunkte der Erneuerung des Zollund Handelsbündnisses zu erlassen und in Vollzug zu setzen".
Dem Bauerntage am 16. September 1897 folgte in Wien ein von mehr als 3000 Bauern aus ganz Desterreich besuchter allgemeiner österreichischer Bauerntag am 14. November 1897 und auch dieser Bauerntag beschloss die Reform der Productenbörse nach folgenden Grundsätzen:
1. Die Getreideproductenbörsen sind zu reformiren:
a) Beschränkung der Autonomie durch Instanzenzwang;
b) Ausgestaltung derselben in dem Sinne, dass die Landwirthe und Müller die Majorität des Vorstades bilden;
c) die Productenbörse soll weniger eine Corporation, sondern vielmehr ein Markt sein.
2. Die Börsenschiedsgerichte sind zu reformiren:
a) Die Schiedsrichter werden nicht durch freie Wahl der Börsemitglicher, sondern durch Ternovorschäge aus den verschiedenen Unteressengruppen (Curien) von der Regierung ernannt;
b) es wird eine höhere Instanz geschaffen, an welche appellirt werden kann;
c) der Vorsitzende jeden Schiedsgerichtes muss ein gelehrter Richter sein;
d) die Majorität der ernannten Schiedsrichter muss aus den Kreisen der Landwirthe, Müller, Bäcker, Brauer, Malzer, Brenner etc. entnommen sein.
3. Es soll ehestens die vom hohen k. k. Ackerbauministerium in Aussicht gestellte Enquete einberufen werden, bei welcher folgende Gesichtspunkte in Anwendung zu kommen haben:
a) die Experten sollen aus den verschiedenen Interessenpruppen der Theorie und Praxis entnommen werden, wobei auch Auslander zu berücksichtigen sind, welche sich mit dieser Frage schon eingehend beschäftigt haben;
b) die Experten sollen unter Eid aussagen;
c) bei der Enquote soll das contradiktorische Verfahren, das ist das, Kreuzverhör in Anwendung kommen;
d) Öffentlichkeit der Enquote.
4. Der Blanco-Terminhandel und das Differenzspiel in Getreide sind ganzlich zu verbieten, dagegen der Effectivhandel von Getreide auf spätere Lieserung, tote derselbe bereits vor Einführung des Terminhandels bestanden hat, unter folgenden Bedingungen zu gestatten:
a) das Muster (Type) soll der Production und dem Consum angepasst werden, nicht aber dem Spiele und dem Schacher;
b) das Kundigungswesen wird verstaatlicht, damit ferner es möglich ist, durch die bisher beliebten Luftkundigungen den Getreidepreis kunstlich zu didictiren;
c) die gekündigte Waare wird mindestens acht Tage vor dem Kündigungstermine vorgelegt werden und als contractlich gut befunden worden sein, widrigenfalls die Kündigung als nicht geschehen zu betrachten ist.
5. Es wird ausdrücklich erklärt, dass wir uns mit einer bloßen Besteuerung des Termingeschaftes, wie es derzeit betrieben wird, unter feinen Umstanden zufriedengeben werden.
Am ersten Dezember des Jahres 1897 sollte in Wien der von Vertretern aller landwirthschaftlichen Centralkorperschaften Oesterreichs beschickte 7. osterreichische Agrartag zusammentreten.
Dieser Agrartag wurde vertagt aus eine spätere Zeit, aber es lag ihm ein Programm vor, welches, wenn er stattgefunden hatte, zweifelsohne auch wenigstens in diesem einen Punkte die einmuthige Annahme gesunden hatte, und in diesem Punkte, den Blancoterminhandel in Getreide betreffend, wird ausgesprochen:
"Gänzleche Reform der Borse für landwirtschaftliche Producte, vor allem Verbot des Blancoterminhandels mit Getreide und Mahlproducten im engen Auschlusse an die diesbezüglichen Bestimmungen mit Deutschland. Die Beseitigung des Termindifferenzspieles allein genügt nicht, um uns von dein Terrorismus der Borse zu befreien und eine den wirklichen Verhältnissen des Angebotes zur Nachfrage entsprechende reelle Preisbildung unseres Getreides zu ermöglichen"
Ich verweise schließlich noch darauf, dass im Jänner 1897 eine parlamentorische Enquote in Angelegenheiten des Getreide differenzspieles im Abgeordnetenhause stattgefunden hat, und nach dieser Enquote hat der landwirtschaftliche Ausschuss des Abgeordnetenhauses eine Resolution beschlossen, durch welche die Regierung aufgefordert wird die Auswüchse des Differenzgeschäftes, vielmehr das gesammte Differenzspiel, zu beseitigen, dagegen nur den soliden Terminhandel mit effectiver Waare in die Usancen der Fruchtbörse aufzunehmen, weiters das Usancegewicht, das dem effectiven Terminhandel entspricht, nach dem fortschreitenden Durchschnittsgewichte der börsemäßigen Getreidegattungen zu erhohen, endlich bei den Verhandlungen über das Zoll- und Handelsbündnis mit Ungarn darauf zu dringen, dass auch die ungarische Regierung diesbezüglich mit der österreichischen Regierung ein übereinstimmendes Gesetz einbringe, welches den Börsenhandel in beiden Theilen der Monarchie im gleichen Rahmen umfasst.
Dieser parlamentarischen Enquete folgte am 2. September 1896 eine außerparlamen tarische Enquote über die Waaren-Umsatzsteuer und bei dieser Enquote über die Waaren-Umsatzsteuer verlangten die Vertreter der Landwirtschaft klipp und klar, dass auch die österreichische Gesetzgebung ehestens statuire, was im § 50 des deutschen Börsengesetzes vom 22 Juni 1896 ausgesprochen ist, nämlich:,, Termingeschäfte in Getreide und Mahlproducten sind nicht gestattet. " Und nur unter diesem ausdrücklichen Vorbehalt giengen die Vertreter der Landwirtschaft bei der in Rede stehenden Enquote auf die Beantwortung der weiteren Fragen ein, indem sie erklärten:,, Wir beantworten die weiteren der Enquote unterbreiteten Fragen nur unter der ausdrücklichen Voraussetzung, dass die beabsichtigte finanzielle Maßregel nicht als eine Action bleibender Natur betrachtet werde, vielmehr bestehen wir auf der gänzlichen Abschaffung des Termingeschäftes mit Getreide und Mahlprodueten namentlich dann, wenn es nicht möglich ist, das Termingeschäst derart zu reorganisieren, dass jedes fictive oder speculative Geschäft ausgeschlossen ist. "
Aus dem, was ich bisher über das Getreidedifferenzgeschäft gesagt habe, geht, glaube ich, zweierlei mit unzweideutiger Klarheit hervor:
l. dass der Blankoterminhandel in Getreide ein verwerfliches Börsenmanöver ist, ein Börsenmanöver, das an dem ruinösen Preissatt des Getreides in erster Linie mit schuldig ist, ein Börsenmanöver, dessen Verbot die Gesetze der Volkswirtschaft ebenso fordern, wie die Gesetze der Sittlichkeit, das insbesondere aber vom Standpunkte der Landwirtschaft unter keinen Umständen länger geduldet werden kann; (So ist es!)
2. dass die Landwirte Desterieichs einig sind in dieser Erkenntnis und dass sie alle ohne Unterschied der Nationalität und ihrer sonstigen politischen Parteistelluug das gesetzliche Verbot des Blankoterminhandels und alle die anderen Reformen an der Fruchtborse verlangen, von denen im Laufe der heutigen Ausführung gesprochen wurde.
Und was thut diesem einmüthigen festen Willen gegenüber, gegenüber dieser klaren Erkenntnis der österreichischen Landwirte die österreichische Regierung? (Ruf: Nichts!) Vielleicht wird der Herr Statthalter, der allerdings, glaube ich, gar nicht hier anwesend ist, die Freundlichkeit haben, als Vertreter der Regierung in die Debatte über die so wichtige Frage, die für die Landwirtschaft geradezu eine Lebensfrage ist, einzunreifen, (Abg. Iro: Er muss neue Sprachenverordnungen machen!) und vielleicht wird der Herr Statthalter uns zu sagen die Güte hohen, was die Regierung in der Frage des Blankoterminhandels mit Getreide denn eingentlich zu thun gedenke? (Ruf: Studien wird sie machen, eine Enquete wird sie einberufen!)
Denn bis jetzt, muss ich offen sagen, ist mir diese Regierung sowie in vielen anderen Dingen, auch in allen agrar- und socialpolitischen Fragen noch ein Buch mit sieben Siegeln. Ich weiß daher auch nicht, wie unser Herr Ackerbauminister über unsere gaze Agrarpolitik und den Blancoterminhandel denkt. Aber das eine wurde mir gesagt, dass er seine Amtstätigkeit damit begönnen habe, dass er sich eine sehr interessante Schrift schicken liefe, welche den Titel trägt: "Leitfaden zur Einführung in das Studium der Agrarpolitik. " Heiterkeit. )
Ich hoffe, dass die Kerngedanken dieser Schrift - von Dr. Ruhland ist sie - unseren gegenwärtigen Ackerbauminister auf den richtigen Weg leiten und dass er den Muth haben wird, mit starker Hand in die Agrarreform einzugreifen. Bis jetzt aber, wie gefagt, ist uns noch vollständig unbekannt, was der Herr Ackerbauminister in Agrarfragen überhaupt denkt, und vollftändig unbekannt, ob er die Reformen, welche von seinem Herrn Amtsvorgänger angebahnt und vorbereitet wurden, ob er diese Reformen aufrecht zu erhalten und weiter zu verfolgen gedenkt. Aber bis zu einem gewissen Sinne ist ja eine jede Österreichiche Regierung - wir haben diese Erfahrung feit Jahrzehnten gemacht - immer die Erbin der ihr vorausgegangenen Regierung, und ich will annehnien, dass das nicht nur in den politisch schlechten, sondern auch in den guten Dingen, insbesondere aber aus vorliegendem Anlasse der Fall sein möge. Und deshalb sei es mir gestattet daran zu erinnern, wie die frühere Regierung und der gewesene Ackerbauminister, Seine Ejxellenz Gras Ledebur - er ist ja anwesend - sich zu der Frage gestellt hat. Es war der bekannte historische Tag des 30. September 1895, als das glorreiche Kabinet Badeni in sein Amt trat, und am Z. October desselben Jahres empfieng Seine Excellenz der dainalige Herr Ackerbauminister die Beamten seines Ressorts und bei diesem Empfange sprach Seine Excellenz folgende verheißungsvollen Worte:
"Die successive Befreiung unserer Landwirtschaft von dem nahezu unerträglichen Druck der ihr fremden Speculation, welche Fleiß und Intelligenz lahmlegt, Produzenten und Consumenten in gleicher Weise schädigt und lange genug an unserem Nationalmohlstände gezehrt hat, ist das ins Auge zu fassende Ziel. Gelingt es dieses Ziel zu erreichen, so wäre das eine rettende That angesichts der großen sozialen Probleme, die unser harren, ein wesentliches Erfordernis