Parteien, gegenwärtig scheint es aber, dass deren noch nicht genug sind und es ringen neue Bildungen nach der Oberfläche. Darunter treten Elemente und, wie es mir scheint, mit Ersolg auf den Plan, welche sich in ihrem Kampfe gegen die gegenwärtige Gesellschaftsordnung unter Umständen nicht scheuen würden, selbst mit Gewalt die bestehenden Mängel beseitigen zu wollen.
Das sind Elemente, welche wohl allen anderen Parteien feindlicher gegenüberstehen, als diese Parteien untereinander, und man müsste es mit Bedauern wahrnehmen, wenn sich die Politiker, die conservativ im allerweitesten Sinne des Wortes sind - ich meine damit die, welche überhaupt nur auf dem Boden der gegenwärtigen Gesellschaftsordnung stehen und dieselbe erhalten wollen, aus irgend welchen anderen Gründen mit solchen Elementen zusammenthun und sich mit ihnen einlassen wollten. (Bravo!)
Aber ebenso gefährlich als diese Elemente sind vielleicht andere, welche vom Boden des Gesetzes aus die Ziele solcher Parteien sördem.
Auf keinem Gebiete sind Schlagworte so gefährlich, wie auf dem socialpolitischen, weil auf keinem Gebiete durch solche Schlagworte so leicht Hoffnungen erweckt werden, welche, wenn sie unerfüllt bleiben, dann wie Dynamitbomben wirken, die den Staat in seinem Lebensnerv erschüttern müssen. (Bravo!)
So wahr es ist, dass dahin gewirkt werden muss, den Classen, die direkt zu der Produktion der Lebensgüter beitragen, ihr Los zu erleichtern und ihnen die Möglichkeit zur Erwerbung eines relativen Wohlstandes zu gewähren, so wahr ist es, dass eine jede unvorsichtige Maßregel, jedes unvorsichtige Wortungeheuergefährlich sein muss, weil es sonst den Classenkämpf hervorruft, welcher wohl von allen politischen Kämpfen der gefährlichste ist.
Wir stehen nun einmal unter dem Zeichen der socialen Frage und sie zeigt sich momentan in einer etwas intensiveren Form. Diese sociale Frage hat es immer gegeben, und wird es immer geben, solange menschliche Einrichtungen sind. Dieselbe definitiv zu lösen, wird Niemandem gelingen.
Worum es sich handeln kann, das sind immer nur Palliativmittel zur momentanen Ausgleichung der größten Schärfen und zur Beseitigung der momentan schreienden Mängel. Nun, da glaube ich, der einzige Boden und die einzige Basis, von welcher aus solche Schärfen abgeschliffen werden können, ist eben der Boden der christlichen Nächstenliebe und der kirchlichen Gebote, welche den Arbeitsgeber anweisen, seinen Untergebenen als seinen Nächsten und Mitmenschen zu betrachten, während andererseits der Untergebene seinem Arbeitsgeber Achtung und Gehorsam schuldig ist. So lange diese Principien nicht allgemeine Geltung finden, werden wir scharfe Kämpfe auf dem socialen Gebiete zu bestehen haben, und angesichts aller dieser Auspizien ist es Zeit, glaube ich, wohl die höchste Zeit, Ordnung im Lande zu machen und hier Ruhe und Frieden herzustellen.
Meine Herren, seien wir ehrlich! Welche Opfer bringen wir dem nationalen Kampfe in diesem Lande? (Sehr richtig!)
Ich will ganz absehen davon, dass sich die besten Kreiste des Landes im nutzlosen, weil erfolglosen nationalen Kampfe verzehren und aufreiben, Kräfte, welche auf anderen Gebieten und für andere Aufgaben nutzvoller angebracht sein könnten. Ich sage nur vom rein materiellen Standpunkte, was uns dieser nationale Kampf kostet.
Nehmen Sie, meine Herren, dass jeder von Ihnen in ziemlich hohen Maße eine freiwillige Steuer für eine Reihe von nationalen Kampfmitteln aufbringt. Dies nationale Kampfmittel kann eine Angriffswaffe, es kann aber auch eine Vertheidigungswaffe sein - ich will dabei nicht weiter untersuchen, inwieweit die Grenzen zwischen Angriff und Abwehr genau eingehalten werden; ich constatiere lediglich das Faktum.
Wenn Sie unser Budget durchsehen, so sehen Sie darinnen hin und wieder eine Reihe von Positionen, welche daraus entstanden sind, dass man, um nicht nationale Kämpfe heraufzubeschwören, in einer gewissen Weise die Gleichberechtigung gewahrt hat, indem man der Unterstützung eines nothwendigen Institutes auf der einen Seite, der Ruhe und des Friedens willen die Unterstützung eines vielleicht weniger nothwendigen gleichartigen Institutes auf der anderen Seite gegenüber stellte (Bravo!)
Ich will nicht behaupten - es liegt mir auch ferne zu tadeln, - dass wir in dieser Beziehung der Ruhe und dem Frieden im Lande gewisse Opfer bringen; ich halte jedenfalls diesen Vorgang für einen viel besseren und viel entsprechenderen, als wenn man das Gegentheil anwenden würde, unter den gegenwärtigen Verhältnissen. Dabei kann man aber nicht leugnen, dass damit dem Lande eine bedeutende Auslage wieder erwächst.
Und, meine Herren, sollte es denn wirklich ganz unmöglich sein, dass man diesen unseligen Hader in unserem Lande endlich einmal bannt? Ist denn eine Verständigung in dieser Beziehung wirklich vollkommen unerreichbar? Sotten wir warten, bis fernere Generationen, wozu ja schon gewisse Anzeichen vorliegen, mit rauher Hand alle unsere politischen und nationalen Ideen, für die wir unser ganzes Leben hindurch gekämpft haben, hinwegschieben ?
Nein, als treuer Sohn dieses Landes sage ich, dreimal nein! Oder sotten wir endlich warten, bis die Noth bei uns so groß ist, dass wir selbst gezwungen sind, alle idealen Bestrebungen bei Seite zu setzen und nur um das tägliche Brod zu erlangen, uns zu verständigen? Auch nicht, meine Herren!
Es gehört nur eine Anzahl von Vorbedingungen dazu, und dann wäre es möglich.
Die erste Vorbedingung, welche dazu gehört, ist der gute Witte - von beiden Seiten natürlich.
Das Fernere, meine Herren, welches in diesem guten Willen liegt, verzeihen Sie, ich spreche ganz offen von der Leber weg, ist das Ablegen der machmal allzugroßen nationalen Empfindlichkeit, auch aus beiden Seiten, welche in der etwas lebhaf eren Bethätigung des nationalen Gefühles, oder in dem Wunsche, die culturelle Entwicklung der eigenen Nationalität zu fördern, bereits a priori einen Angriff auf die eigene Nationalität sieht ohne zu untersuchen, ob nicht neben dieser Bestrebung die eigene Nationalität vollkommen intact erhalten wird.
Es gehört aber weiter noch etwas dazu, meine Herren, und da richte ich mich vor allem an unsere verehrten deutschen Landesgenossen.
Es gehört dazu, meine Herren, dass Sie offen erklären, sich als treue Söhne dieses Landes, (Bravorufe!) dieses ganzen Landes und nicht eines Theiles desselben, dieses Landes, an dessen politischer und kultureller Entwicklung Sie einen so hohen Antheil haben, zu fühlen und dass Sie ebenso den böhmischen Landesgenossen als im ganzen Lande gleichberechtigten Landsmann betrachten. (Sehr gut!)
Es gehört, meine Herren, Ihrerseits wieder dazu, dass Sie den Vertretern des deutschen Zolles alle jene Garanzien geben, welche zur Erhaltung ihrer nationalen Eigenart und ihrer nationalen Kultur und ihrer Stellung im Lande als gleichberechtigter Bewohner des Landes als nöthig erachtet werden. (Bravorufe!)
Meine Herren, ich hege die feste Ueberzeugung, zu diesem nationalen Ausgleiche wird es kommen, weil es dazu kommen muss, wie der geehrte H. Vorredner gesagt hat, und dann wird erst Böhmen jene Stellung und jene Macht einnehmen, welche ihm nach seiner Bedeutung, nach der Kultururstuse seiner Bewohner gebührt, und erst dann wird jeder Sohn dieses Landes mit Stolz sehen, welche Machtsülle ein einiges, von einer zufriedenen Bevölkerung bewohntes Königreich Böhmen der Monarchie bietet.
Bei jedem Versuche dazu wird man uns jeder Zeit als bereite und begeisterte Helfer finden, denn von jeher hat unsere Partei die Ueberzeugung hochgehalten, dass das Wohl und Gedeihen des Reiches von dem Aufblühen und der Zufriedenheit aller in demselben vereinigten Königreiche und Länder abhängig ist, und jede Partei, die sich bereit erklärt, hiezu mitzuwirken, werden wir gern als Bundesgenossen begrüßen.
Ich muss bei dieser Gelegenheit auf einige Worte reagieren, welche der sehr geehrte H. Vorredner an unsere Adresse gerichtet hat. Das ist der Vorwurf, dass der konservative Großgrundbesitz die vermittelnde Stellung, welche ihm der Geist der Konstitution verleiht, nicht entsprechend ausübt, dass er im Gegentheite sich allzusehr national auf eine Seite stellt. Nun, es ist mir nicht erklärlich, wie man in einem Athem den verfassungstreuen Großgrundbesitz in diesem Lande dafür preisen kann, dass er sich aus den nationalen Standpunkt stellt, (Bravorufe!) und in demselben Athem uns den Vorwurf machen will, dass wir auf der anderen Seite zu weit gehen. (Bravorufe. Händeklatschen. )
Nun, meine Herren, ich möchte aber des Weiteren bemerken, ich könnte den Beispielen gegenüber, welche der Herr Redner für seine Ansicht angeführt hat, wohl eine Reihe von Beispielen gegen seine Ansicht anführen und ich weise nur hin auf die Haltung, welche der konservative Großgrundbesitz in diesem hohen Landtage in dem vorigen Jahre bei der Zusammensetzung der Kommissionen und bei der Wahl in den Landesausschuss eingenommen hat. (Bravorufe. )
Meine Herren, noch ein Wort dem Herrn Abg. Dr. Schücker gegenüber. Der H. Dr. Schücker hat sich beflagt, daß ein hervorra gendes Mitglied unserer Partei in einem Wahlbezirke, welches bisher von Heeren seiner Partei vertreten war, eine Kandidatur, um die, wie ich betone, er sich nicht beworben hat, sondern die ihm angetragen wurde, angenommen hat.
Meine Herren, das ist überhaupt eines der größten Hindernisse, welche der Verständigung in diesem Lande entgegengehen, dass man die gewissen territorialen Begriffe von "mein" und "dein" als Petresacte auffassen will, (Bravorufe. Sehr richtig!) Es ist doch ganz begreiflich, wenn in einer Stadt, wo die Wähler Der anderen Nationalität eine sehr bebeutende Minorität repräsentieren, wo die Bevölkerung aber in ihrer Majorität einer anderen Nationalität angehört, wenn dort der Versuch gemacht wird, bei jeder Wahl einen Gegenkandidaten aufzustellen und es ist auch wieder begreiflich,, dass eine jede Partei unter den Candidaten diejenigen hervorsucht, von denen sie glaubt, dass sie die meiste Aussicht auf Erfolg haben.
Meine Herren, dass hieraus dem conservativen Großgrundbesitze ein Vorwurf gemacht wird, das, gestatten Sie mir zu sagen, halte ich nicht für gerechtfertigt. Es wird uns der Vorwurf gemacht, dass wir Mitglieder haben, die nationale Chauvinisten sind. Nein, meine Herren, die haben wir nicht unter uns. Wir haben unter uns wohl treue Söhne des böhmilchen Volkes, welche sich nie gescheut haben, es offen zu bekennen; wir haben aber auch Mitglieder unter uns, die sich offen als Deutsche fühlen, Weil wir eben keine nationale, sondern eine politische Partei sind, und weil wir von dem Grundsatze ausgehen, dass wir in dem anderssprachigen Bewohner dieses Landes nicht a priori einen nationalen Gegner, sondern einfach einen Landsmann sehen, welcher die Leiden und Freuden des Landes in gleicher Weise mit uns suhlt. (Bravo!)
Meine Herren! Lassen Sie diese Tendenz, welche in unserer Partei von jeher festgehalten wurde, lassen Sie diese Tendenz zum Allgemeingut der Bevölkerung im Lande werden und ich bin überzeugt, dass der nationale Ausgleich in diesem Lande zu erzielen sein wird.
Es wurde bereits mehrfach der Versuch gemacht, zu einer solchen Verständigung zu gelangen. Es ist jedoch nicht gelungen, weil da gewisse Fehler unterlaufen sind, entweder der Zeitpunkt nicht günstig war oder andere Fehler unterliefen.
Machen Sie einmal den Versuch, ob wir nicht aus eigener Initiative uns nähern können.
Meine Herren! Unsere Partei hat von jeher an unseren Prinzipien treu und festgehalten und wird auch in der Zukunft von diesen Prinzipien nicht ablassen; aber deswegen muthen wir auch anderen Parteien nicht zu, von ihren Prinzipien abzulassen.
Was wir aber den anderen Parteien zumuthen können, ist, dass sie um den hohen Preis der Einigkeit im Lande und um dieses hohen Preises des Wohles des Landes willen gewisse Schärfen im Lande vermeiden, gewisse trennende Punkte bei Seite stellen und lieber das Gemeinsame heraussuchen, nämlich Augehörige von Böhmen zu sein. (Bravorufe. Lebhafter Beifall. )
Meine Herren! Am 6. Jänner l. J. hat die Regierungszeit Seiner Majestät des Kaisers Die allerlängste Regierungsdauer, welche je einem Herrscher von Böhmen beschieden war, überschritten. In dem nächsten Jahre sind es 50 Jahre, dass Seine Majestät glorreich über dieses Reich herrscht.
Es wäre wohl das schönste Geschenk für sein väterliches Herz, wenn die Angehörigen beid. r dieses Land vewohnenden Volksstämme vor ihn treten könnten und ihm sagen: Wir, die treuen Söhne des Böhmerlandes, der schönsten Perle in Deiner Krone, haben um verständigt; wir wollen in Eintracht Wirten für das Wohl unseres Landes und die Macht Deines Reiches. Nimm die zarte Pflanze unserer Verständigung unter den mächtigen Schutz Deiner väterlichen Fürsorge und Obhut!
(Lebhafter Beifall, Redner wird beglückwünscht. )
Oberstlandmarchall: Es gelangt nunmehr- der nächste Contraredner der Herr Abg. Stephan Richter zum Worte.
Abg. Stephan Richter: Hoher Landtag! Ich werde, abweichend von der üblichen Gepflogenheit, in der gegenwartigen Generaldebatte nicht eine politische Rede halten, sondern im Auftrage meiner engeren Gesinnungsgenossen lediglich den Standpunkt der agrarischen Vereinigung des deutschen Landtagsclubs zu dem Budget präcisieren und anschließend daran unsere Agrarbewegung gewissermaßen officiell in diesem hohen Hause einführen. Wenn wir das Nächstliegende überschauen, den Landtag und seine Thätigkeit in der gegenwärtigen Session, müssen wir mit Bedauern constatieren, dass das, was der Landtag in dieser Session geleistet hat, weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist, welche wir und unsere Wählerschaft auf die Thätigkeit dieses hohen Hauses gesetzt haben. Wir haben kaum die Zeit gesunden, die dringendsten laufenden Geschäfte zu erledigen, geschweige dann, dass wir anderen schwebenden Fragen, welche das Land nicht zur Ruhe kommen lassen, hätten näher treten und einer befriedigen Lösung zuführen können. Und abgesehen von einzelnen kleinen Fragen, die eine befriedigende Losung gesunden haben, hat auch die agrarische Bewegung eine wesentliche Förderung durch dieses hohe Haus nicht gefunden. Ich will damit kleinem der sehr geehrten Herren Mitglieder dieses hohen Hansel einen Vorwurf machen; wir standen eben in einer unmöglichen Landtagsession, wir waren ein acionsunfähiges Haus, actionsunfähig, weil die Reichsrathswahlen mitten in die Landtagssession fielen. wir selbst bis knapp vor den Wahlen hier noch beisammen sind, und die parlamentarischen Kräfte, welche sich hier bethätigen sollten, zum großen Theile durch die Wahlagitation selbst in Anspruch genommen sind.
Die Regierung mag ja vielleicht ihre besonderen Gründe gehabt haben, die Reichswahlbewegung gerade in die Zeit der Landtagssession zu verlegen. In anderen parlamentarischen Staaten sind in der Regel diejenigen Regierungen am stärksten, welche die stärksten Parteien hinter sich haben. Bei uns in Oesterreich scheint seit Taasse gerade das Gegentheil zur Regel geworden zu sein. Die Stärke der österreichischen Regierungen liegt gerade in der Schwäche der Parteien der einzelnen gesetzgebenden Körperschaften; es kann die Regierung um so selbstherrlicher, um so absolutistischer vorgehen, je uneiniger sind die einzelnen Völker und Parteien, und sie hat auch ein umso leichteres Spiel, je mehr die parlamentarischen Kräfte durch außerhalbparlamentarische Aktionen in Anspruch genommen find. Vielleicht hat dieser Umstand mit dazu beigetragen, dass die Regierung sich veranlagt gesehen hat, die Reichrathswahlen mitten in die Landtagssession zu verlegen und dadurch alle parlamentarischen Sträfte über Gebühr in Anspruch zu nehmen.
Aber dem Wohle des Landes und den Zwecken, welchen die gesetzgebenden Körperschaften dienen sollen, wurde hier wenig gedient. Wir gehen deshalb auch, ich meine da speziell meine agrarischen Gesinnungsgenosen, mit einem zumeist unbefriedigten Gefühle aus dem hohen Hause wieder zurück zu unseren Wählerschaften, denn auch unsere agrarischen Hoffnungen blieben zumeist unerfüllt. Es haben die eb n geschilderten Umstände aber auch dazu beigetragen, dass die parlamentarische Constellation im nächsten Reichsrathe vielleicht zum Theil eine andere sein wird, als sie unter anderen Umständen hätte sein können, denn aus der ungebührlichen Anspruchnahme der gegenwärtigen Abgeordneten der Ordnungsparteien dieses hohen Hauses haben nur diejenigen extremen Parteien einen Nutzen gezogen, welche hier weniger oder gar nicht vertreten find. Und deshalb werden wahrscheinlich gerade die Vertreter der extremen Parteien in größerer Zahl ins neue Abgeordnetenhaus einziehen, als sie hätten einziehen müssen. Ob nun die Regierung gerade aus diesen Kreisen ihren Stab nehmen will, möchte ich doch bezweifeln. Wir bringen, meine Herren, aus der gegenwärtigen Landtagssession eben auch ein Budget mit, welches, ich möchte nicht sagen, von einer schlechten Finanzwirtschaft, aber doch von einer sehr schlechten Finanzlage des Landes zeugt und was das Bedenkliche bei dieser finanziellen Lage ist, das ist der Umstand, dass wir bei der gegenwärtigen Sachlage, bei den Einnahmsquellen, welche dem Lande heute zur Verfügung stehen, kaum einen Ausweg aus diesem chronischen Deficite finden, und das ist weiter der Umstand, dass die Landeserfordernisse und mit diesen unser Deficit seit Jahren konstant und in einer rapid n Weise anwachsen.
Wir haben vor 10 Jahren, im Jahre 1887, ein Landesersorbernis von 9, 475. 607 fl. gehabt, heute, im Jahre 1897, haben wir ein Erfordernis von 18, 853, 894 fl., es ist also das Erfordernis in den letzten zehn Jahren ungefähr auf das Doppelte gestiegen. (Hört!)
Im Jahre 1887 hatten wir die Landesumlage mit 8, 412. 357 fl. präliminirt, im heurigen Jahre haben wir sie mit 12, 062. 514 fl. präliminirt. Dabei müssen wir noch immer 4, 731, 586 fl. Schulden machen.
Es ist also die Progression, in welcher das Landesersordernis steigt, eine stetige, und es ist anzunehmen, dass dieses Erfordernis auch in den nächften Jahren von Jahr zu Jahr zunehmen wird.
Dieser steigende Aufwand aber, welcher mit einer fortschreitend stärkeren Belastung der Bevölkerung verbunden ist, muss von der Bevölkerung um so schwerer getragen werden, als deren wirtschaftliche Lage sich bekanntlich von Jahr zu Jahr verschlimmert. (Sehr richtig. )
Eine fortwährend steigende Inanspruchnahme aus der einen Seite, eine stetig sinkende Leistungsfähigkeit auf der anderen Seite, so stehen unsere beiden Vollsstämme des Landes finanziell zwischen zwei diametral entgegengesetzt wirkenden Kräften, welche ihre wirtschaftliche Existenz auf das schwerste betreffen und uns mit ernsten Gefahren bedrohen.
Das muss uns, welche wir hier über die Landesansgaben zu entscheiden haben, mit tiefem Ernste erfüllen, es muss uns zu denken geben.
Wir legen unserer Wählerschaft mit jedem Gulden, den wir in der Form der Umlage oder in der Form eines Landesdarlehens bewilligen, neue Lasten aus, Lasten, welche bei der heutigen wirtschaftlichen Lage der Bevölkerung nur schwer getragen werden können, und für deren Bewilligung wir deshalb auch eine um so größere Verantwortung tragen. Und angesichts dieser Verhältnisse können wir es, glaube ich, überhaupt nicht verantworten, wenn wir mit der Bewilligung von Laudesausgaben über das unbedingt nothwendige Maß hinausgehen.
Ich will damit nicht sagen, dass das Land seine produktiven Ausgaben und jene Dotationen einschränken soll, welche bestimmt find, seiner volkswirtschaftlichen Entwicklung zu dienen, aber die unproductiven Ausgaben müssen eingeschränkt werden, mögen sie sonst auch einem noch so schonen Zwecke Dienen. Das ist unser
Standpunkt, und auf diesem Standpunkt müssen wenigstens wir hier aus dieser Seite des hohen Hauses beharren, solange nicht entweder die Finanzlage des Landes oder die wirtschaftliche Lage unserer Landwirthschaft eine bessere geworden ist.
Bei der heutigen Finanzwirthschaft kann das Land, auch wenn es noch so sparsam vorgehen wollte und wenn es nur alle jene Bedürfnisse befriedigen wollte, ohne deren Befriedigung der allgemeine Fortschritt und die culturelle Entwickelung gehemmt werden würde, doch nicht dafür aufkommen, ohne nicht die Steuerträger ganz ungebührlich zu belasten.
Deshalb ist die Frage nach Erschließung neuer Einnahmsquellen für das Land eine der dringendsten Fragen, welche uns sowohl vom Standpunkte der Sanirung unserer Landessinanzen als auch vom Standpunkte der Entlastung unserer Bevölkerung zu befassen hat. Es wurde diese Frage bereits mannigfach gestreift und wurde insbesondere vom Herrn Berichterstatter, wie ich gehört, ein förmlicher Finanzplan entwickelt.
Ich war nicht in der Lage, demselben zu folgen und ich bin daher auch nicht in der Lage daraus weiter zurückzukommen, ich will nur Einiges berühren, was die Budgetkommission in ihrem Berichte selbst vorgebracht hat, und da muss ich sagen, dass mir zunächst der Vorschlag, welcher daraus hinausgeht, das Prinzip der Progression auch bei den Umlagen einzuführen, als ein sympatischer erscheint. Auch wir von dieser Seite des hohen Hauses - und ich spreche da, wie ich schon vorhin bemerkt habe, im Namen der agrarischen Vereinigung haben die progressive Umlage in unser Programm aufgenommen. Unsere Umlage ist ja doch nichts anderes, als eine Ergänzungssteuer, bestimmt für bestimmte locale Landesbedürfnisse, und wenn ich den Grundsatz anerkenne, dass die einzelnen Staatsbürger nach Maßgabe ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit auch wirklich zur Steuerzahlung herangezogen werden - und ich muss diesen Grundsatz anerkennen - dann ist nicht einzusehen, warum ich mit der Progression, mit der perzentuell stärkeren Heranziehung zur Steuerleistung bei der Umlage Halt machen sollte. Wir müssen auch mit der Umlage die Steuerquelle da suchen, wo sie zu finden ist, und sie in dem Maße treffen, wie es die finanzielle Leistungsfähigkeit des Einzelnen verträgt. Ohne eine progressive Umlage werden wir den Grundsatz der ausgleichenden Steuergerechtigkeit niemals voll zur Geltung bringen, auch wenn wir uns sonst in der Steuergesetzgebung noch so sehr bemühen wollten, denselben einzuführen, und was derjenige, der mehr zahlen kann, auch wirklich mehr zahlt, das kommt wieder dem wirtschaftlich und social schwächeren Theile der Bevölkerung zugute; damit betreiben wir zugleich ein Stück gesunder Socialpolitik. Deshalb begleiten wir den Vorschlag auf Einführung einer progressiven Umlage mit unserer vollen Sympathie.
Aber nicht nur die progressive Umlage soll uns zur Mitordnung unserer Landesfinanzen helfen, es wird dazu auch direkt ein Theil der Staatssteuern in Anspruch genommen werden müssen, und das ist ja insbesondere ein Begehren, welches namentlich von jener (èechischen) Seite dieses hohen Hauses wiederholt und seit Langem gestellt wurde, ein Verlangen, das auch wir, wenn auch aus anderen Gründen, theilen, dass ein Theil der Realsteuern, vor allem die Grundsteuer, den Ländern zur Deklung ihrer eigenen Bedürfnisse überwiesen Werden soll.
Wenn ich schon von der Grundsteuer spreche, so muss ich erklären, dass ich für meinen Theil allerdings die Berechtigung der Grundsteuer als solcher überhaupt nicht anzuerkennen vermag. Ich leugne die Berechtigung der Grundsteuer nicht nur deshalb, weil sie eine ungerechte Steuer, sondern weil sie auch eine innerlich unwahre Steuer ist. Solange sie aber besteht, müssen wir mit ihr rechnen, müssen aber auch trachten, sie den Ertragsverhaltnissen möglichst anzupassen, und müssen wir trachten, sie in jene Circulation zu bringen, welche ihr nach ihrer Natur und nach den thatsächlichen Verhältnissen gebührt.
Nun bin ich allerdings sehr Weit entfernt davon, den staatsrechtlichen Bestrebungen von jener czechischer Seite dieses h. Hauses nur irgendwelche Concession zu machen. Im Gegentheil. Ich betrachte die Verwirklichung jenes politischen Staatsrechtes, wie Sie es wollen, als den Nagel zu unserem Sarge, und ich bin überzeugt, dass das deutsche Volk als politische Nation in Ihrem böhmischen Staate gewesen wäre. Sie werden in uns deshalb auch jederzeit die entschiedensten Gegner Ihrer politischen staatsrechtlichen Bestrebungen finden. Aber nicht aus diesem staatsrechtlichen Grunde, auf den Sie sich, meine Herren, berufen, sondern aus der gegenwärtigen Construktion unserer Verfassung und der heute üblichen Verwaltungspraris, leite ich ein gewisses Recht des Landes auf einen Theil der Grundsteuer ab. Die Landesculturangelegenheiten fallen ja doch bekanntlich zum großen Theile in die Competenz der Landtage. Die Landesvertretungen haben dafür zu sorgen, die Steuerträger des Landes müssen dafür aufkommen. Die Steuer aber, welche aus Grund und Boden ftießt, geht ganz den Staatskassen zu.
Da ist meines Erachtens ein offenbares Missverhältnis zwischen den Pflichten des Landes und dessen berechtigten Ansprüchen auf die öffentlichen Mittel, und es ist andererseits seitens des Staates eine zu weit gehende Inanspruchnahme der öffentlichen Mittel, wenn die Steuer, welche aus Grund und Boden fließt, ganz vom Staate verlangt wird, der Staat nicht aber die Erfüllung aller Aufgaben übernimmt, die zur Hebung der Bodencultur gelöst werden sollen und müssen.
Und wie steht es denn mit der heutigen Verwaltungspraxis ? Es ist in Wien förmlich eine ständige Formel geworden: Die k. k. Regierung ist bereit, den angesprochenen Beitrag zu bewilligen, wenn auch das Land mit dem gleichen Vertrage sich betheiligt.
Nun, die k. k. Regierung kann ja solche Beiträge noch immer leichter bewilligen, sie bezieht ja die ganze Grundsteuer aus Böhmen, welche bekanntlich 11 1/2 Millionen Gulden beträgt; das Land aber bezieht von diesen Steuern nichts; es muss darüber hinaus erst eine eigene Landesumlage auslegen, um es mit der Regierung und dem Staate in dieser Beziehung gleich thun zu können.
Es liegt deshalb, glaube ich, schon darin, in dem Umstände, dass dem Lande die Erfüllung großer landescultureller Aufgaben überwiesen ist, und anderseits in der heutigen Verwaltungspraxis Grund genug, um einen Theil der Steuer, die aus Grund und Boden fließt, auch wieder für das Land zur Befriedigung landescultureller Bedürfnisse zu verlangen.
Und ich, für meinen Theil, reklamiere von der Grundsteuer, welche wir heute zahlen, die Hälfte für das Land.
Indem wir für die wenigstens theilweise Aufhebung der Grundsteuer als Staatssteuer eintreten, kommen wir ja durchaus nicht mit etwas Neuem, nicht mit etwas, das nicht bereits anderwärts eingeführt und praktiziert Würde.