zeihen, wenn ich nicht aus die Frage des Egerer Staatsrechtes eingehe. Wir sind mit dem Artikel "Staatsrecht" in diesem Hause reichlich versehen und ich werde mir nicht erlauben, auf diesen Succurs an Material jetzt weiter zu reflektieren. Anders ist es aber mit dem zweiten Redner aus den deutschen Reihen. Auch aus seinem Munde ertönte, wie wir es auf diesen Bänken seit Jahrzehnten gewohnt waren, der Ausdruck eines tüchtigen wahrhaft deutschen nationalen Gefühles. Aber dennoch hat Einzelnes in seinen Worten eine Entgegnung meinerseits herausgefordert, die sich von dem unterscheiden wird, was er gesagt hat. Zunächst suhle ich mich verpflichtet den Ausfall abzuweisen, den der Redner gegen ein ganzes Volk gerichtet hat. Die Partei des deutschen Fortschrittes in Oesterreich, die eine Verfassung mit hat schaffen helfen und in erster Reihe an ihrer Gründung betheiligt war, welche Jedermann die staatsbürgerlichen Rechte gewährt und jeder Confession das gleiche Recht, eine solche Partei muss eine Aeußerung, wie sie vom Abgeordneten Reiniger gethan worden ist, ablehnen. (Sehr richtig!) Wir thun es aber nicht blos als fortschrittliche und liberale Partei, wir thun es auch als aufrichtig nationalgesinnte deutsche Männer. Als solche verwerfen wir eine Richtung, welche treue und erprobte Mitkämpfer für unsere gute deutsche Sache einfach deshalb geringschätzt oder zurückweist, weil sie Juden sind. (Bravo! Beifall links).
Weiters hat sich der Herr Abg. Reiniger fast ebenso abfällig oder wenigstens kühl ablehnend gegen den Centralismus ausgesprochen. Der Centralismus ist heute in den Reden wiederholt aus's Tapet gekommen, und doch hat ein sehr hervorragender Abgeordneter der slavischen Partei in einer sehr bemerkten Schrift die Verfassung des Jahres 1867, zu der wir treu halten, als eine föderative Verfassung erkannt. Wir sprechen hier über den Centralismus nicht im Centralparlamente, sondern im Parlamente eines Landes, und solcher Landesparlamente gibt es in Oesterreich eine ganze Anzahl.
Man sieht, man muss den österreichischen Centralismus cum grano salis nehmen, und starre Centralisten sind auch wir nicht. Erst gestern hat sich der Obmann unserer Partei in seiner Rede sehr gerne bereit erklärt, an der Ausgestaltung der autonomen Landesverwaltung mitzuarbeiten.
Aber nichts destoweniger war heute der Centralismus wiederholt Gegenstand besonders abfälliger Aeußerungen. Wir nun sind der Ansicht, dass sich mit der Treue zu deutschem Volksthunie und deutschem Wesen ein warmes österreichisches Staatsgefühl sehr wohl vereinigen lässt, (Sehr richtig!) namentlich in einem Staate, dessen Dynastie deutsch ist, den die Deutschen mit ihrer Cultur geschmückt und den sie auf den Boden einer modernen Verfassung emporgehoben haben.
Diese Abneigung gegen den Centralismus erfährt aber in der Rede des sehr geehrten H. Abgeordneten noch eine besondere Variation in materieller Hinsicht. Er hat sich dahin geäußert, die Steuergelder aus Böhmen auf dem Umwege über Wien in andere Taschen gelangen zu lassen, sei nicht nach dein Geschmacke seiner Partei. Was damit gesagt sein will, ist doch ungefähr nur, dass das reiche Land, in gem wir wohnen, nichts an die armen Lander der Monarchie abzugeben hatte. Dieses Moment ist mir in den Reden unserer jungèechischen Herren Gegner wiederholt entgegengetreten, hier sowohl wie im Wiener Reichsparlamente; es hat namentlich ein wichtiges Agitationsmittel abgegeben, als es sich im Jahre 1891 um die Neuwahlen handelte.
Von deutscher Seite ist es allerdings noch nicht gehört worden, und zwar mit gutem Grunde. Der deutsche Norden Böhmens mit seinem Gewerbefleiße, mit seiner Industrie, hat gar keinen Grund, jene Länder besonders abfällig zu beurtheilen, welche finanziell schwächer sind, denn er findet dort mit seiner exportierenden Industrie sehr werthvolle Consumenten. (Bravo!) Diese Lander sind ja deshalb passiv und stehen tief unter der hohen materiellen Bedeutung Böhmens, weil sie weder Böhmens Naturreichthum besitzen, noch auf den Jahrhunderte langen Erwerbsfleiß dieses Landes hinweisen können. Deshalb sind sie eben Abnehmer der Produkte dieses deutschböhmischen und slavischen Fleißes, und ich glaube, wenn wir mit unserem Erwerb auf jene Konsumzion angewiesen sind, dann ist es wohl nur billig, diesen Ländern einen materiellen Zuschuss zu bewilligen, der ihre Existenz ermöglicht.
In der Gegnerschaft gegen den Centralismus fand sich der geehrte Abg. Reiniger zusammen mit einem sehr geehrten H. Redner des Großgrundbesitzes. Auch Prinz Schwarzenberg hat die Frage aufgeworfen: "Was hat uns der Centralismus genützt? National gar nichts finanziell ebenfalls Nichts. "
Meine Herren, ich glaube, das ist wohl kaum ein Verschulden des Systems, sondern eher ein Verschulden der Völker, welche auf nationalem Gebiete den Kamps dem Frieden Jahrzehnte lang vorgezogen haben. In diesem Kampfe vermittelnd, versöhnend zu wirken, das wäre gerade die Aufgabe der Grundaristokratie in einem solchen Lande. Es befremdet daher, dass, wie es vor Kurzem der Fall war, selbst in den eigenen Reihen dieser Interessengruppe eine nationale Verständigung nicht erreichbar gewesen ist. Ich will an das gescheiterte Kompromiß hier nicht weiter erinnern, aber blos den Centralismus verantwortlich machen für manches, was er nicht verschuldet hat, das, glaube ich, geht nicht gut an.
Ich kenne einen Fürsten Schwarzenberg, welcher einmal die Regierungsgeschäfte Oesterreichs geleitet hat. Fürst Felix hat im Dezember 1848 das Praesidium der österreichischen Regierung übernommen und ein Programm verkündet. Das waren damals traurige Zeiten. Die centrifugalen Kräfte schienen die Monarchie auseinanderreißen zu wollen; Aufruhr hier und dort; der Zerfall des Staates stand so Manchen vor Augen. Damals gieng das Programm des Fürsten Schwarzenberg in die Welt, und wie ein Panier erschien es allen jenen, welche an Oesterreichs Zukunft noch glaubten. Denn darin stand der Satz zu lesen: "Oesterreichs Fortbestand in staatlicher Einheit, ist ein deutsches, wie ein europäisches Bedürfnis. " Ich möchte diese Aeußerung, welche die Signatur des Fürsten Schwarzenberg trägt, nicht jenem Abgeordneten des Großgrundbesitzes, wohl aber dem H. Coll. Reiniger bestens zu bedenken geben.
Prinz Schwarzenberg hat auch vom Staatsrechte gesprochen. Er hat sich zu dem selben bekannt im Namen seiner Partei. Aber er hat sich nicht weiter ausgedrückt, welches Staatsrecht er meint.
Wir haben hier schon verschiedene Formen des böhmischen Staatsrechtes an uns vorübergehen sehen, und es wäre vielleicht nützlich, einmal die Metamorphosen des böhmischen Staatsrechtes kritisch zu beleuchten, von der ständischen Verwahrung des Jahres 1861 an bis zu dem Adreßentwurse vom Jahre 1896.
Auf dem Boden des Letzteren allerdings, wird, glaube ich, eine Einigung der beiden Parteien wohl nicht zu Stande gekommen sein. Ich kenne zwar die geheime Verhandlung des Subkomités nicht, aber ich glaube, dass es da trennende Punkte ganz einschneidender Art gegeben laben muss. Das geht schon aus dem
kühlen Echo hervor, welches die Rede des Prinzen Schwarzenberg auf den jungèechischen Bänken in der Erwiderung des H. Abg. Kaizl gefunden hat. Da kommen die trennenden Punkte sofort zum Vorschein, wenn gesagt wird: Im allgemeinen Einverständnis, aber so es sich um das Konkrete handelt, gehen unsere Wege auseinander. Ich habe hier nicht weiter untersuchend einzugreisen, ich wollte das nur zunächst feststellen.
Die HH. Abg. Kaizl und Kramáø haben heute gesprochen; das erinnert mich daran, wie gerade dieselben Herren am Schlüsse der letzten Reichsrathssession in Wien das Wort ergriffen haben und es bringt mich dazu, hierbei einen überraschenden Kontrast der Eindrücke zu konstatiren.
Als die Wahlen in den Landtag den Sieg der jungèechischen Partei ergeben hatten über ihre altèechischen Rivalen, da entstand für uns selbstverständlich die Frage, wie wird dieser Sieg von unseren nationalen Gegnern ausgenützt werden? Nachdem die Rivalität im eigenen Lager, die nationale Konkurrenz, mit diesem Siege hinweggefallen ist, so wäre es denkbar, dass die Partei sich einer gemäßigteren Anschauung befleißt, oder aber es kann geschehen, dass gerade der Sieg ihres Programms sie nunmehr verpflichtet, dasselbe in die That umzusetzen. Mit anderen Worten: Wird in dieser Partei eine gemäßigtere, friedlichere Richtung oder eine radikalere die Oberhand gewinnen ? Um diese Frage uns selbst zu beantworten, suchten wir als Maßstab nach einem wichtigen Programmspunkte der Partei, und derselbe ergab sich bei jenen Diskussionen, die ich eben angeführt habe, in der Erörterung des böhmischen Staatsrechtes.
Die Art und Weise, wie einzelne hervorragende Abgeordneten der jungèechischen Partei im Wiener Reichsrathe am Schlüsse der Session diese Frage behandelt haben, ließ uns vermuthen, dass der erste der beiden erwähnten Fälle eingetreten, dass die gemäßigtere Richtung in jener Partei im Ueberwiegen sei.
Nun muss man sich daran errinnern, wie und wann diese Partei zum Staatsrechte als Programmspunkt gekommen ist.
Die gemäßigteren nationalen Parteien jener Seite haben das Staatsrecht, insbesondere nach dem Falle des Grasen Hohenwart im Jahre 1871 und nachdem Graf Taaffe im Jahre 1889 erklärt hatte, es soll mit grundsätzlichen Aenderungen in der Verfassung nicht vorgegangen werden, zwar nicht auf das Staatsrecht verzichtet, wohl aber dasselbe "zurückgestellt", wie der moderne politische Ausdruck lautet. Grundes genug für die rivalisirende Partei der Jungèechen, sich dieses Momentes zu bemächtigen und es als agitatorisches Instrument zu benützen. Das Instrument hat auch seine Schuldigkeit gethan; die Partei siegte, wie sie wollte.
Nun stand wieder für uns die Frage so: "Wie wird in diesem Punkte die Partei sich benehmen?" und da komme ich aus die Reden jener Herren Abgeordneten im Wiener Parlamente. Sie waren keine agressiven, sie haben das Staatsrecht nicht mit einem Grisse erreichen wollen, sie haben vielmehr es in eine entkerntere Perspektive gerückt, haben von einem etappenmäßigen Vorschreiten gegen dasselbe hin gesprochen, sie haben sogar gemeint, es müsse nothwendig ein friedlicheres Verhältnis zu den Deutschen vorher eintreten und dag sei anzubahnen; kurz es schien, als ob wirklich die gemäßigtere Richtung bei den Jungèechen überwog und friedlichere Zustände hier im Lande eintreten könnten.
Dieser Schimmer von Hoffnung hat unseren Vertreter im Bureau des böhmischen Landtages, den Herrn Oberstlandmarschallstellvertreter auch veranlasst, in warmen Worten diesem Gefühle Asdruck zu geben.
Das Bild war aber rasch verändert. Die Abgeordneten, welche im Wiener Parlamente so sprachen, hatten sich verhältnismäßig wenig Dank verdient: in den radikalen Organen hier zu Lande machte man ihnen den Vorwurf des Programmsverrathes. Diese Unzufriedenheit in weiteren Kreisen mag offenbar den radicaleren Flügel in der Partei gestärkt haben, und wir bekamen dies sofort im Landtage zu fühlen. Der Redner unserer Partei, welcher gestern sprach, ist auf. unsere schmerzlichen Erfahrungen in dieser Session näher eingegangen; er hat von dem Curienantrage gesprochen und ich kann hinzufügen, dass auch die Erfahrungen, die wir auf dem Gebiete gemacht haben, wo die Politik die Zukunft ins Auge fasst, dass die Ersahrungen in Schulsachen nicht minder bitter gewesen sind.
Die Richtung, welche nunmehr zu überwiegen schien, culminirte aber darin, dass die Staatsrechtsfrage jetzt ganz anders behandelt wurde, als in den Wiener Reden der Fall war; denn der Entwurf einer Adresse, welchen die Partei vorgelegt hat, weiß nichts mehr von vorbereitenden versöhnlichen Schritten, da ist nicht mehr von Etappen die Rede, da ist der kühne Griff, das Staatsrecht mit eins zu erreichen, gewagt worden, ohne Rücksicht daraus, dass zwei Fünftel der Bevölkerung des Landes
sich immer offen und deutlich als Gegner ausgesprochen haben. (Sehr richtig. )
Es war eine Brüskirung der Deutschen, und wir haben sie als solche quittirt; wir haben an dem Werk nicht theilgenommen.
In diesem Adressentwurf, welchen wir in der Commission nicht mitberathen haben, der sich aber, da er in die Öffentlichkeit gelangte, der Discussion nicht entzog, nahmen Sie ihre Argumente und Gründe zum Theile aus der alten Rüstkammer der Declaranten, zum anderen Theile aber waren sie doch neueren Datums und Ursprungs und fanden eine Art von Commentar in einer Studie eines Abgeordneten jener Partei, der dann selbst als einer der Verfasser diesem Entwurfes galt, was ich nicht näher weiß.
Nun, welcher ist der Gedankengang in dieser neuen Erscheinungsform des böhmischen Staatsrechtes? Ungefähr der folgende:Die ständische Verfassung des Landes ist dem Wechsel der Zeiten allerdings unterlegen. Die Adresse weint diesem Ereignisse keine Thrane nach. Beständig in dem Zeitenwechsel aber sei der Zusammenhang der drei Länder der böhmischen Krone. Dieser Zusammenhang, diese "Souverainetät" und "Unabhängigkeit" der drei genannten Länder dürste nicht verletzt werden, konnte nicht verletzt werden, sollte aber auch nicht verletzt werden. Er durfte nicht verletzt werden, und wenn die Kaiserin Maria Theresia im Jahre 1749 durch die Aushebung des böhmischen Ministeriums in Wien und dessen Vereinigung mit dem österreichischen Ministerium sich gegen diese bleibende Institution vergieng, so erklärt das die Adresse, noch mehr aber der Kommentar, als Rechtsverletzung und Rechtsbruch. Dieser Rechtsbruch hinderte aber doch nicht, dass die Sache fortbestand, denn selbst Staatsrechte nach dem Jahre 1749 ich erwähne immer, das ist der Gedankengang, wie er sich mir klar gemacht hat - weisen dieselbe Sache, die Unabhängigkeit des böhmischen Staates aus. Diese sollte aber auch nicht verletzt werden, denn als Ganzes war sie nur nützlich. Vor dem Jahre 1749, welches als das Entscheidende in der Adresse hingestellt wird, war das Reich groß und mächtig, und heute wäre es noch größer und mächtiger als es ist, wenn diese Souverainetät und Unabhängigkeit der drei Länder Gestalt gewinnen könnte, und zwar deshalb, weil durch dieselbe eine Befreiung materieller und cultureller Kräste stattsände, durch welche die Völker dieser drei Länder glücklicher und mittelbar das Reich mit Wohlfahrt gesegneter gemacht wurde.
Ich glaube, das ist ungefähr der Gedan, kengang. Diesen Syllogismus können wir nicht unterschreiben. Wir können es nicht thun, weil er aus unrichtigen historischen Voraussetzungen basirt, weil er sachlich unrichtig ist, und weil er dem Interesse des deutschen Volkes auf das entschiedenste widerstreitet.
Keiner, der sich in der Geschichte umgethan hat, wird bestreiten, dass es einen historischen und politischen Zusammenhang der drei Lander Böhmen Mähren und Schlesien gegeben hat. Es bestand lange Zeit ein lehen rechtlicher Verband, aber die Vereinigung war keine so einheitliche, wie es nöthig gewesen wäre, um daraus eine Staaesidee zu gründen. Mähren und Schlesien waren eben Lehen der böhmischen Krone. Als Jägerndorf einmal erledigt war, erhob der König von Böhmen daraus Anspruch. Er bekam das Land nicht, seinen Anspruch aber hatte er zu Recht gemacht.
Der Zusammenhang unter den drei Länrern - sagte ich - war kein besonders intensiver. Sie wissen, dass Böhmen und Mähren im Jahre 1627 und 1628 verschiedene Landesordnungen erhielten. Es gab allerdings in Prag eine böhmische Hofkanzlei für die Verwaltung der drei Länder, aber noch vor dem Jahre 1619, vor der erneuerten Landesordnung, haben die Mährer und Schlesier aus das Bestimmteste widerholt gegen die Unterordnung unter diese böhmische Hofkanzlei protestirt. Sie haben sich dagegen verwahrt und haben es erreicht, dass die Schlesier in Breslau eine eigene schlesische Kanzlei bekamen und den Mährern zugestanden wurde, die böhmische Kanzlei habe aus die mährischen Sachen keine Ingerenz.
Ich will das nur erwähnen, weil aus der Deduction der Adresse und des Dr. Kramáø hervorgehen will, dass die böhmische Hoskanzlei von den drei incorporirten Ländern als etwas Unantastbares angesehen wurde. Die Verwaltung wurde übrigens dann bald wieder geeinigt. Die Mährer und die Schlesier haben mit ihren Protesten aber nicht ausgehört bis in die jüngste Zeit. Als sie im Jahre 1792 und im Jahre 1836 zu der Krönung nach Prag giengen. haben sie nur unter Protest assistiert. Und als es sich im Jahre 1848 darum handelte, möglicherweise eine Vereinigung zwischen diesen 3 Ländern zu Stande zu bringen und sicherzustellen - denn -sie -war verloren gegangen erscholl aus Brunn ein entschiedener Protest aus dem Grunde, weil die Sache historisch durchaus unrichtig sei.
Nun komme ich zu jener That der Kaiserin Maria Theresia, welche in der Adresse als eine Rechtsverletzung eclatanter Art hingestellt wird, und welcher zufolge man dieser großen Regentin den Vorwurf macht, sie hätte die Wohlfahrtsentwickelung des Reiches empfindlich geschädigt. Hätte nun H. Dr. Kramáø nur seine Broschüre geschrieben, man würde sich mit ihm auf dem Wege der wissenschastlichen Kritik auseinandergesetzt haben; nachdem aber gerade dieses Moment aus seiner Studie in die Adresse an den Monarchen übergehen sollte, und zwar unter Zustimmung einer ganzen großen und wichtigen Partei, so fühle ich mich verpflichtet, über dieses Moment, wenn es mir der hohe Landtag gestattet, ein paar Worte im Einzelnen zu sagen.
Es ist gestern schon vom H. Dr. Schlesinger ausgedrückt worden, wie unendlich ungerecht der Vorwurf des Rechtsbruches, der der Kaiserin Maria Theresia wegen des J. 1849 gemacht wird.
Was ist eigentlich geschehen? De böhmische Hofkanzlei, welche sich seit dem Jahre 1620 in Wien befand und gleichsam ein Ministerium des Innern und der Justiz für die drei Länder Böhmen, Mähren und Schlesien war, wurde aufgehoben; ebenso aufgehoben wurde die österreichische Kanzlei, die für die deutschen Erbländer eingesetzt war, und aus den beiden wurde ein einheitliches Ressort der Verwaltung gebildet. Das ist dal große Unrecht. Hatte dazu Maria Theresia ein Recht oder nicht? Herr College Dr. Schlesinger hat gestern mit Hindeutung auf die vernewerte Landesordnung erwiesen, dass ein solches Recht der Kaiserin Maria Theresia zustand. Nun die Kaiserin hat in werthvollen Denkschriften, die sie selbst niederschrieb, sich über diesen Staatsakt und ihr Recht vollbewusst geäußert Sie hat gesagt - Sie entschuldigen, aber die Sache ist interessant und wichtig genug, nachdem ein wichtiger Staatsakt dabei eine Rolle spielt - "Uebel hergebrachte und durch Conmvenz des Ministerii eingewurzelte Mißbräuche können weder mir not meinen Nachfolgern, am allerwenigsten aber dem gemeinen Wesen, zu einem unverwindlichen Nachtheile gereichen, folgbar die Bestätigung solcherlei vermeinten Privilegien, die sich auf einen Mißbrauch und auf ein übles Herkommen gründen die äußerste Behutsamkeit und eine reifliche Ueberlegung erheischen, allermaßen sich zum öftern äußert, dass Landessürstliche aus Connivenz negligirte Jura aus einem alten Herkommen wohl gar in Zweifel gezogen, mithin auch darinnen dem Landessürsten die Hände gebunden werden wollen.
Ihres also Rechtes, die böhmischen Länder zu regieren, wie sie wollte u zw nach dem jus legis ferendae der verneverten Landesordnung, war sich die Kaiserin Maria Theresia sehr wohl bewusst. Wenn sie aber das Recht hatte, dieses Länder zu regieren, wie sie wollte, dann hatte sie auch das Recht, sie zu regieren, wie sie die anderen Länder regierte, und folglich das Recht, diese Regierung zusammen zu ziehen aus derselben systematischen Basis.
Nicht überall hatte die Kaiserin dieses Recht, und das hat sie auch eingestanden, denn sie sagt sehr wohl, dass sie in Ungarn dieses Recht nicht besitze. (Liest): "Mit dem Königreiche Hungaren allein habe keine Aenderung vorzunehmen für dienlich erachtet, weilen außer einem Landtag nach denen Gesetzen des Landes etwas solches zu tentieren nicht rathsam wäre" (Heiterkeit. Aha! in der Mitte!)
Warten Sie nur, meine Herren. Wenn Sie das Gesetz in Ungarn, wenn Sie das ungarische Staatsrecht einer näheren Würdigung unterzogen hätten, würden Sie mich vielleicht etwas weniger voreilig unterbrochen haben. Seit dem Jahre 1715 hatte nämlich Ungarn das aus dem legalen Reichstage zustandegekommene von dem Landessürsten sanctionierte Recht, nicht so regiert zu werden, wie die anderen Provinzen. Das ist in diesem Falle wichtig. Die Stelle lautet: "quod ad normam aliarum Provinciarum et gubernabunter praecauti non assecurati existant.
Anders in Böhmen Zeigen Sie mir eine solche Bestimmung in der verneuerten Landesordnung, oder wo Sie sonst wollen. Sie existiert nicht, und wenn sie nicht existiert, dann hatte die Kaiserin das Recht, die Länder der böhmischen Krone zu regieren, wie sie wollte, und auch so zu regieren, wie sie die anderen Länder regierte, folglich die Verwaltung zusammenzuziehen, wenn dies ihr absoluter Wille war.
Wenn man da von einem Rechtsbruch spricht, so versündigt man sich einfach an der Geschichte. Man sollte doch mit solchen starken Worten vorsichtiger sein einer Regentin gegenüber, wie es Marie Theresia gewesen ist. Kann es uns Wunder nehmen, wenn wir dann Worte hören, wie sie beim Beginne dieser Debatte gefallen sind ? Sie konnten empören (Sehr richtig!), aber überraschen konnten sie nicht.
Wenn noch Eins fehlte, um einen Beweis Ihnen gegenüber zu Unterstufen, so liegt es darin, dass damals alle Welt die That der Kaiserin und ihr Recht dazu selbstverständlich gesunden hat. Es ist kein Protest gegen diesen Staatsakt erfolgt; von Seite der böhmischen
Stände gewiss nicht. Und seit dem Jahr 1749 bis 1896 ist es Niemandem eingefallen der Kaiserin daraus einen Vorwurf zu machen. (Abg. Dr. Podlipný: Was sind die Gravamina der böhmischen Stände 1792?)
Ich danke Ihnen, dass Sie mich daraus bringen. Unter den Desiderien der Stände 1792 finden Sie nicht ein Wort, welches darauf abzielt. Die böhmischen Stände kümmerten sich damals um die Vereinigung mit den anderen 2 Ländern gar nicht, sie kümmerten sich nur um die ständischen Vorrechte in Böhmen, und wissen Sie, was sie damals verlangt haben? Ich habe neulich in Wien einen Akt gesunden, der noch nicht publiciert ist, darin ist es aufgezeichnet: sie haben verlangt, dass bei der Vereinigten Hoffanzlei für die Angelegenheiten Böhmens ein Beamter böhmischer Nationalität angestellt werde, und das wurde ihnen abgeschlagen. Ich bitte, das hat derselbe König Leopold II. gethan, den Sie im Jahre 1891 mit einer besonderen Ausstellung gefeiert haben, und warum abgeschlagen? Es wurde in der Resolution gesagt, bei der Auswahl der Beamten komme es lediglich auf das allgemeine Interesse an und nicht auf das besondere einzelner Länder.
Die Kaiserin Maria Teresia hatte aber nicht nur ein Recht, sie hatte auch die Pflicht gehabt, so zu handeln, wie sie 1749 gethan, und zwar aus dem Grunde, weil die Unterlassung dieser Maßregel das verderblichste an Folgen für das Reich mit sich gebracht hatte.
Freilich wenn Sie die Adresse lesen, da steht folgendes: "Nie war das Reich der glorreichen Ahnen Euerer Majestät so mächtig und so groß. Alle die selbständigen Staaten waren glücklich in ihrer Unabhängigkeit und es fehlte ihnen nicht das Bewusstsein, dass sie einander nahe stehen und, obzwar unabhängig, ihre gemeinsamen Interessen haben, weil ihnen die geheiligte Person des gemeinsamen Herrschers, seine persönlichen Hofämter bei aller Unabhängigkeit die innere Zufammengehörigkeit haben. Willig steuerten sie bei zur Erhaltung der Kriegsmacht ihres Herrschers, der gegen die ganze Welt die Interessen seiner Erbländer vertheidigte. Die böhmischen Länder thaten dies mit Anspannung aller Kräste, mit bewunderungswürdiger Selbstopferung Alles, um der Königin den Thron und die böhmische Krone zu retten. "
Und wissen Sie, was die Wahrheit ist? Lesen Sie bei Herrn Dr. Kramáø in seiner Schrift über das Staatsrecht die folgende Stelle: "Die Weltpolitik der Habsburger, deren letzter Träger Karl VI. war, die unglücklichen Bestrebungen des Letzteren, die pragmatische Sanction von allen Mächten anerkannt zu sehen, hatten die Erbländer erschöpft, Kriege und Mobilisierungen vernichteten regelmäßig die schwer hergestellte finanzielle Ordnung. Rührte sich etwas in Spanien, in der Türkei, in Polen, Sicilien, Schweden, so hat man in Wien wenigstens mobilisiert, zumeist war man an dem Kriege betheiligt. Das würde auch das centralisierteste Oesterreich nicht ausgehalten haben. Und der letzte Krieg Karls mit der Türkei hatte die Armee moralisch desorganisiert und Krankheiten hatten dieselbe decimiert. Damit sollte sich Maria Theresia gegen so viele Feinde verthetdigen. Und während die Habsburger so ihre Kräfte vergeudeten, blieb Preußen jahrelang ruhig. Der Vater Friedrichs sammelte Geld und große Soldaten, das kleine Reich war schlagfertig und kampfbereit, war der Angreifer und nicht der von allen Seiten Angegriffene. Das alles sah Maria Theresia nicht?" O ja, sie sah' es ganz gut, aber wenn sie dem böhmischen Kanzler ihre leeren Kassen zeigte, gab er zur Antwort: "Sie möge sich doch nicht sofort am Ansang ihrer Herrschaft durch derartige Forderungen missliebig machen. " Wenn "sie Kriegstruppen forderte in ihrer Noth, angegriffen von allen Seiten, da wies sie eine der zwei Kanzleien an die andere; jede einzelne wahrte das Interesse ihrer Lander und schob die Zumuthung der anderen zu. Es entstanden endlose Streite zwischen diesen Kanzleien und die arme Kaiserin wusste sich nicht zu helfen. In Schlesien, sagte man ihr, könnten nicht 2 Regimenter ernährt werden, und Friedrich der Große ernährte dort ein ganzes Heer. In Böhmen wurde die Kriegsmacht aus so niedrigem Fuße erhalten, dass sie auch pünktlich geschlagen wurde, und die Folge war, dass das reichste Land der Monarchie verloren gieng. War es da nicht Pflicht der Regentin einzuschreiten? Heute ist es strittig in der Wissenschaft, ob der siebenjährige Krieg nicht vielleicht von Friedrich dem Großen angefangen wurde. Wenn das der Fall war, was wäre dann bei dem Fortbestand dieser üblen Zustände noch die weitere Folge gewesen? Ob dann in Prag heute èechisch gesprochen würde, will ich nicht entscheiden.
Nach diesem Staatsakte der Kaiserin blieb allerdings den Ständen wenig an Rechten übrig, und bei diesem Rachlassen der ständischen Unterlage des ganzen Staatskörpers gerieth auch der Zusammenhang der drei Länder ins Schwanken.
Dieser Zusammenhang beruhte eben aus einem Lehensnexus, und darum haben auch im Jahre 1743, als Friedrich Schlesien erobert hatte, die böhmischen Stände ihre Zustimmung dazu zu ertheilen gehabt, dass das Lehen Schlesien von der Krone Böhmens weg in fremde Hände übergieng. Dieser feudalen Grundlage bedurfte die staatsrechtliche Verbindung zwischen den drei Ländern. Nahm man sie hinweg, dann war diese Verbindung Null.
Es kommt nur darauf an, wann die ständische Verfassung in Oesterreich zerfiel.
Nun, in den Petitionen der èechischen Demokraten im Februar und März des Jahres 1848 wird an den Monarchen und an seinen absoluten Willen appelliert, den legalen ständischen Landtag nicht einzuberufen, um dort die Verfassung zu modernisieren, wie das in Ungarn geschehen ist, sondern kraft seines absoluten Willens einen Landtag einzuberufen, in welchem die ständische Gewalt nicht mehr die Macht hatte.
Dieser Apell ein den Absolutismus hat den Standen eigentlich ihre Existenz gekostet. Auf dem Reichstage 1848 ist von den Ständen nicht mehr die Rede; die Commission, in welcher auch Rieger und Palacký saßen, um eine neue Staatsverfassung herzustellen, rechnete nicht mehr mit den Landesständen; sie kannte aber auch keinen Zusammenhang von Böhmen, Mähren und Schlesien mehr. Lesen Sie die Commissionsprotokolle vom Jänner 1849. Sie werden weder von Palacký, noch von Rieger diese Forderung ausgesprochen finden.
Natürlich, denn mit der feudalen Unterlage war auch dieser Lehensnexus selbstverständlich vorüber. Die octroyirte Verfassung von 1849 hat die Stände ebensowenig gekannt, und das absolute Reskript vom Jahre 1851 hat sie nicht wiederhergestellt. Die Monarchie war in allen ihren Landern von dem Systeme der Feudalität übergegangen zu dem des freien Unterthanenverbandes. Die Feudalität aber war die Grundlage gewesen für den historischen Zusammenhang der drei Länder. Sie war zerbrochen, und es muss überraschen, dass eine Partei, welche mit allen ihren Tendenzen und Prinzipien auf dem Boden des modernsten Staates steht, Forderungen erhebt nach einem staatlichen Gebilde aus einer Zeit, wo in der Welt eine ganz andere Staatsbasis vorherrschte. Die Stände mit ihrer Verwahrung des Jahres 1861 haben vielleicht die Zeit und ihren Wechsel verkannt; aber es liegt in ihrer Verwahrung wenigstens Logik. In Ihren Aussprüchen aber, ein feudales Gebilde heute wieder restauriren zu wollen, kann ich Logik nicht erkennen. (Oho!)