Pondìlí 18. ledna 1886

Zunächst wurde die Behauptung der Legali-

tät dieser Verordnung hauptsächlich auf den Artikel XIX. des Staatsgrundgesetzes vom 21. December 1867 über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger gestützt, in welchem die Gleichberechtigung aller landesüblichen Sprachen in Amt, Schule und öffentlichem Leben anerkannt wurde.

Man hat nun zunächst die Identität der Begriffe von ,,Landessprache" und "landesüblicher Sprache" behauptet, und daraus die Legalität der Sprachenverordnung für Böhmen abgeleitet, wo die böhmische oder czechische Sprache unbestritten als eine Landessprache zu gelten hat.

Dieser Standpunkt muß nun von der Regierung und auch von denjenigen, welche die Regierung unterstützen und sich mit ihr im Einklang befinden, wohl aufgegeben werden, nachdem die Regierung selbst sich genöthigt gesehen hat, in den Sprachenverordnungen, die sie für Steiermark und Schlesien erlassen hat, die Geltung der dort landesüblichen slavischen Idiome, nämlich des slovenischen, böhmischen und polnischen Idioms auf gewisse Landesgebiete zu beschränken, wo diese Idiome eben allein landesüblich sind. (Hört ! links.)

Damit ist die Identität von "landesüblich" und "bezirksüblich," welche so sehr perhorrescirt wird, anerkannt und es ist von der Regierung selbst anerkannt worden, daß von einer Congruenz der Begriffe: "Landessprache" und "landesübliche Sprache" nicht die Rede fein kann. -

Daraus ergibt sich denn auch die Unvereinbarkeit der Sprachenverordnung mit den Justizgesetzen, welche nur die landesüblichen Sprachen §. 13. der Allgemeinen Gerichtsordnung), die bei Gericht üblichen Sprachen (wie andere Gesetze sich ausdrücken), im Verkehr mit den Parteien zuläßt.

Nachdem man nun einsieht, daß auf diesem Wege allein die Legalität der Sprachenverordnung nicht nachzuweisen ist, hat man in Böhmen die Methode eingeschlagen spezielle Vorschriften aufzusuchen und wirklich zu entdecken, ich sage "entdecken," denn mir wenigstens wurde nicht bekannt, daß jene Specialvorschriften früher in dem Sinne wie jetzt ausgelegt wurden.

Schon die Regierung hat dies im Jahre 1881 und im Jahre 1884 gethan, indem sie sich auf das Hofdekret vom Jahre 1803 und auf das bekannte Cirkular vom Jahre 1848 berief, auf welches ich noch zu sprechen kommen werde. Aber der Berichterstatter der Ausschußmajorität im Abgeordnetenhause und noch mehr der Verfasser des gegenwärtigen Berichtes hat

ein anderes Argument ins Treffen geführt, nämlich die Landesordnung vom Jahre 1627. Da muß ich insbesondere die Aufmerksamkeit darauf lenken, daß diese Landesordnung im Vorliegenden Berichte als das Grundgesetz der nationalen Gleichberechtigung im Königreiche Böhmen erklärt wird.

Bisher haben wir immer geglaubt (und auch von Seite der Gegner ist es nicht anders gehalten worden, daß dieses Grundgesetz der Art. 19 des Staatsgrundgesetzes ist, jetzt werden wir aber belehrt, daß eigentlich auch die nationale Gleichberechtigung in der Landesordnung vom Jahre 1827 wurzelt. (Hört ! links.)

Es ist das eine Entwickelung der Rechtsanschauung, auf welche wir sehr aufmerksam sein müssen, denn ich möchte zu bedenken geben, daß unseren verehrten Gegnern die Energie, Ausdauer und Zähigkeit in der Verfolgung ihrer nationalen Zwecke gewiß nicht zu bestreiten, sondern vollkommen anzuerkennen ist, keine Gelegenheit versäumen, um der Präponderanz, dem Uebergewichte der èechischen, böhmischen Sprache, des böhmischen Elementes über das deutsche Element irgendwie zum Ausdrucke zu verhelfen, und ich möchte da auf einige ganz kleine Wahrnehmungen aufmerksam machen, die mir in der letzten Zeit vorgekommen sind. Gerade so, wie im Vorjahre unter der Verschallung, hinter welcher das Radetzkymonument restaurirt wurde, der Platz der èechischen Inschrift mit der deutschen vertauscht worden ist, und der èechischen Inschrift nunmehr der erste Platz vorne eingeräumt worden ist, wo früher die deutsche zu sehen war, ebenso habe ich auch heuer zwei andere ähnliche Wahrnehmungen gemacht.

Es ist mir nämlich aufgefallen, daß in den Drucksachen des Landtages wo früher eine gewisse Abwechslung beobachtet wurde bezüglich der Anordnung des deutschen und böhmischen Textes, gegenwärtig immer die Anordnung so ist, daß dem böhmischen Texte die erste Stelle, dem geutschen die zweite Stelle eingeräumt worden ist (Rufe: Hört! Hört! links), so daß der deutsche Text als Uebersetzung des böhmischen Textes äußerlich erscheint.

Aber es ist noch eine dritte, noch ganz eigenthümliche Erscheinung wahrzunehmen gewesen, auf welche ich aufmerksam gemacht worden bin. Es ist den Herren bekannt, daß der Abg. Herold einen Antrag auf Abänderung der Landesordnung eingebracht hat, und die Zahl der Vertreter der Städte um zwei, ich glaube für die Vororte Von Prag, zu ver-

mehren, und es ist in diesem Antrage der neue Text der Landesordnung, wie er in Folge dieser Abänderung lauten sollte, aufgenommen worden. Da ist nun aber außer dieser Vermehrung der Städteabgeordneten um zwei ohne irgend eine ausdrückliche Erwähnung ganz stillschweigend noch eine andere kleine Correctur der Landesordnung vorgenommen worden (Rufe: Hört ! Hört! links), nämlich bezüglich der beiden Herren Rektoren der beiden Universitäten. Sie werden sich erinnern, daß in der Zeit, in welcher wir noch die Majorität in diesem Landtage besaßen, ich selbst hatte die Ehre, als Berichterstatter zu fungieren, wir für die Abänderung der Landesordnung, durch welche auch dem Rektor der böhm. Universität die Virilstimme in diesem Landtage eingeräumt wurde, sprachen.

Es wurde die betreffende Bestimmung der Landesordnung, welche früher bloß von einem Rektor sprach, dahin abgeändert, daß sowohl der Rektor der deutschen als der Rektor der böhmischen Carl=Ferdinands=Universität eine Virilstimme im Landtag haben solle,

Sie werden sich erinnern, auch unsere verehrten Herren Collegen von der anderen Nationalität werden Sich erinnern, daß damals die deutschen Abgeordneten aus den entlegensten Gegenden Böhmens zusammen geströmt sind, um ja die Beschlußsähigkeit des Landtages, wie sie erforderlich ist für eine derartige Aenderung der Landesordnung, zu sichern.

Es wurde auch erreicht; der Autrag wurde einstimmig angenommen. Nun, was geschieht jetzt? In dem Texte, welchen der Herr Abg. Herold Vorschlägt, heißt es: "Der Landtag besteht aus dem Fürst- Erzbischof von Prag, den Bischöfen von Budweis u. s. w., aus dem Rector der böhmischen und dem der deutschen Univerfität. Es ist auch da der Platz verwechselt, die Reihenfolge umgekehrt und dem Rektor der böhm. Universität ist da wieder der erste Platz eingeräumt (Rufe im Centrum: Alphabet, Rufe links: natürlich das Alphabet) und es wurde ganz still ohne das geringste Aufsehen geändert. Allerdings konnte also das nicht durchgeführt werden, weil wir erklärt hatten, daß wir die verfassungsmäßigen Mittel anwenden werden, um einen derartigen Antrag überhaupt nicht zur Beschlußfassung gelangen zu lassen. (Beifall links).

Nun, ich halte es für nothwendig auf derartige Dinge und insesondere auf den neuen Charakter aufmerksgm zu machen, welcher der Landesordnung als einem Staatsgrundgesetze insbesondere für die nationale Gleichberechtigung hier in Böhmen vindiciert wird.

Weil eben nach allen den Vorgängen nicht abziehen ist, welche Consequenzen vielleicht künftig aus dieser Stelle gezogen werden können. Lebhafter Beifall links, Rufe: Sehr richtig !)

Die Herren befinden sich übrigens über diesen Punkt im Widerspruch mit einer Autorität ihrer eigenen Partei, die sie gewiß nicht desavouieren werden, nämlich mit dem Minister und gegenwärtigen Leiter des Justizministeriums dem Herrn Baron Pražák.

Es ist nämlich diesem Herrn Minister in den Verhandlungen über die Sprachenverordnung auch begegnet, daß er uns apostrophierend Sagte: Verlangen Sie nichts unmögliches, Verlangen Sie nichts, was gegeu die tausendjährige Geschichte und das Staatsrecht ist! (Rufe links: Hört!)

Unsere Partei sah Sich Veranlaßt, aus diesem Anlasse eine Interpellation an das Gesammtministerium zu richten, ob das Gesammtministerium mit dieser Aeußerung eines Seiner Mitglieder einverstanden Sei, worin ein besonderes Staatsrecht für Böhmen accentnirt ist.

In einer der folgenben Sitzungen wurde die Regierung an die bis dahin unterbliebene Antwort erinnert.

Der genannte Herr Minister erhob sich

-   es war in der Budgetdebatte - und erklärte, daß die Regierung die Beantwortung dieser Interpellation ablehne, weil das Gesammtministerium in einer derartigen in ber Debatte gefallenen Aeußerung eines einzelnen Ministers keinen hinreichenden Anlaß sindet (Heiterkeit links) um im Gesammt-Namen irgend eine Aeußerung abzngeben.

Ich weiß nicht, ob bas für den verehrten Herrn sehr fchmeichelhaft war (Lebhafte Heiterkeit links).

Er selbst trat in die Debatte weiter ein und erklärte, er habe bas nicht S° gemeint, wie wir es aufgefaßt haben Er habe sich nur gewendet gegen den Angriff auf die Einheit und Untheilbarkeit Böhmens, - von welcher auch in dieser Debatte so viel die Rade war,

-  welche ja auch durch die Staatsgrunbgesetze anerkannt sei, und das Staatsrecht, das er gemeint habe, sei nur das in den Staatsgrundgesetzen enthaltene. (Heiterkeit links.)

Also selbst Baron Pražák steht nicht auf dem Standpunkte, die verneuerte Landesordnung als Staatsgrundgesetz zu erklären, von welchem Standpunkt gegenwärtig die Frage behandelt wird. (Lebhafter Beifall links.) Nur was den Inhalt der hier eitirten Bestimmungen der Landesordnung betrifft, daß nämlich alle Klagen bei dem Landrecht in deutscher ober böhmischer Sprache angenommen werden sollen,

so wäre dies materiell auch mit den gegenwärtigen Bestimmungen ganz vereinbar, weil ja das Landrecht eine Gerichtsbehörde war, deren Competenz sich auf das ganze Land erstreckte. Aber ich muß doch bemerken, daß alle die Bestimmungen der Landesordnung, welche sich auf das Eivilrecht und auf die Civilprozeßordnung beziehen, ja längst durch die Josefinische Gerichtsverfassung und das bürgerliche Gefetzbuch vollständig aufgehoben sind, so daß also von einer Berufung auf diese Bestimmungen der Landesordnung gar keine Rede feixt kann. Und wenn hier gesagt wird, daß die verneuerte Landesordnung mit einem Kabinetsschveiben vom 23. März 1848 als ein im Königreiche Böhmen geltendes Gesetz ausdrücklich anerkannt wurde, so muß ich auch diesen Satz bestreiten, weil ich nicht weiß, was Später einmal aus unserem Schweigen gefolgert werden würde.

Es hat übrigens im Citat vielleicht ein Irrthum im Datum stattgefunden; denn es ist später von einem Handschreiben vom 18. April 1848 die Rede. Es dürfte das vielleicht eines der Handschreiben sein, welche auf die bekannten Petitionen der Bewohner Prags sich bezogen. Ich kann mich hievon nicht selbst überzeuger, weil meine gegenwärtige Position es mir wohl nicht gestattet im StatthaltereiArchiv Material zur Bekämpfung der Regierungsverordnungen zu suchen, (Beifall links) also ich nehme der Text sowie er hier gegeben ist.

Nun wenn damals die Landesordnung als für das Königreich Böhmen geltend anerkannt wurde, so konnte sich das im Jahre 1848 nur aus die öffentlich rechtlichen Bestimmungen der Landesordnung beziehen, Welche von der Einrichtung des damaligen Postulatlandtages, den Landesämtern und dergleichen handeln. Welche Bedeutung übrigens in verfassungsmäßiger Beziehung diese Bestimmungen gehabt haben, das geht aus dem Eingange der Landesordnung hervor, in welchem dem Kaiser das Recht vorbehalten Wurde, jederzeit die Landesordnungen zu ändern und alles zu thun, was das Jus legis ferendae mit sich bringt. In dieser Hinsicht war die Landesordnung bis zum Jahre 1848 in Geltung und darauf kann sich jene Anerkennung bezogen haben, aber von einer Anerkennung der längst aufgehobenen Bestimmungen der Landesordnung auf Um Gebiete der Justizgesetzgebung konnte keine Rede sein.

Außer der Landesordnung sind es noch zwei Vorschriften, auf welche sich der Majori-

tätsberichterstatter berufen hat. Es ist das jenes Hofdekret vom Jahre 1803. Ich lasse mich auf einenähere Besprechung des Inhaltes, der von den gleich landesüblichen Sprachen, der deutschen und der böhmischen handelt nicht, ein. Ich mache nur darauf aufmerksam, was auch in aßen früheren Berichten hervorgehoben worden ist, daß dieses Hofdekret niemals publicirt worden ist, also von einer gesetzlichen Kraft desselben gar keine Rede ist. (Rufe links: Hört!)

Ich habe bei Verfassung meines Minoritätsberichtes die Justizgesetzsammlungen genau geprüft und kann dafür einstehen.

Aber ich muß das Citat des Hofdecrets von 1803 zusammenstellen mit einem Citate, welches später im Majoritätsbericht aus Seite 8 vorkommt. Dort wird nämlich von Justizministerialverordnungen aus dem Jahre 1852 gesprochen, welche die deutsche Sprache als innere Amtssprache der Gerichte normirt haben Sollen, (was gar nicht einmal wahr ist, es wird dort nur die einfache Thatsache constatirt, daß das Deutsche die innere Amtssprache sei) und es heißt dort, daß jene Verordnungen von 1852 niemals öffentlich kundgemacht worden find und deshalb keine Gesetzeskraft haben.

Also die Verordnung vom Jahre 1852 hat keine Gesetzeskraft, aber die ebensowenig publicirte Verordnung vom Jahre 1803, die hat Gesetzeskraft (Lebhafte Heiterkeit links), diese hat von der böhmischen Sprache gehandelt, die Verordnung vom Jahre 1852 aber von der deutschen Sprache. Ja, "Deutscher", das ist etwas anderes! (Stürmische Heiterkeit und lebhafter Beifall links.)

Nun komme ich noch zu dem Circulare aus dem Jahre 1848. Das ist publicirt worden, aber allerdings auf einem ganz ungewöhnlichen Wege; es ist nämlich das meines Wissens die einzige Vorschrift in Justizangelegenheilen, welche durch die Provineialgesetzessammlung publicirt worden ist. Wie es mit der Gesetzeskraft dieser Verordnung steht, wage ich heute nicht zu entscheiden. Ich bin ja eigentlich kein Civilist vom Fache. Ich weiß aber wohl, daß für die Kundmachung von Justizgesetzen damals (1848) nur die Justizgesetzsammlung allein bestimmt mar - daß alle Verordnungen, welche Gesetzkraft erlangen sollten, immer durch die Justizgesetzsammlung publicirt wurden was bei dieser Verordnung nicht geschehen ist. Nun aber eine Publication hat stattgefunden und es ist merkwürdig, daß das Oberlandesgericht in den verschiedensten Prozessen, in welchen die Sprachenfrage, die Frage,

in welcher Sprache eine Eingabe eingenommen werden muß, im deutschen Sprachgebiete zu entscheiden war, sich auch nach der Sprachenverordnung vom J. 1880 nicht auf diese Sprachenverodnung, sondern auf das Circular vom Jahre 1848 berief, so daß es mir Scheint, als ob selbst das böhmische Oberlandesgericht der Gesetzeskraft der Verordnung vom Jahre 1880 nicht recht traue (Rufe links: Hört, Hört!), glaube einer besseren Basis in jener 1848 er Verordnung zu finden. (poslanec Vašatý: ano!)

Ich danke für die Bestätigung. (Lebhafte Heiterkeit.)

Was nun den Inchalt dieser Verordnung betrifft, so will ich auf Einiges aufmerksam machen; dieser Inhalt ist nämlich sehr merkwürdig, und es ist mir nicht begreiflich, wie die Gerichte mit dieser Verordnung hantieren können.

Es ist nämlich in dieser Verordnung von Processen, von Klagen, die ja doch die Hauptrolle beim Eivilgerichte spielen, mit keinem Worte die Rede, sondern es heißt dort "die Gerichtsbehörden find verpflichtet, die Protokolle in der Landessprache aufzunehmen, alte Erledigungen Schriftlicher Eingaben oder gerichtliche Protokolle und richterliche Erkenntnisse, sind in jener Sprache hinauszugeben, welcher die Partei mächtig ist, also der böhmischen Partei böhmisch, der deutschen deutsch."

Nun ist hiebei zu bemerken, daß es von der Sprache, welcher die Partei mächtig ist, nicht von einer Wahl der Sprache die Rede ist; daß ferner nur von den Parteien selbst, und nicht von Advokaten oder Sachwaltern die Rede ist - endlich daß immer nur von einer Partei, welche angesucht hat und die Erledigung erhält, nicht aber von Streittheilen, wie sie in jedem Processe vorkommen, gesprochen wird.

Nun ist dies etwas ganz anderes als die Sprachenverordnung, wornach sich die Verhandlung für alle Theile ganz nach der Sprache der Eingabe richtet. Es scheint also, daß jene Verordnung nur eutweder strafgerichtliche ober Angelegenheiten des Verfahrens außer Streitfachen im Auge hatte. Jedenfalls ergibt sich daraus, daß die Verordnung von 1848 etwas ganz anderes besagt, als die Sprachenverordnung, und daß jene Verordnung jedenfalls höchst unvollständig ist, und daß sich ihre Anwendung in der Praxis schwer denken läßt.

Ich muß doch auch wiederholt an den Ursprung jener Verordnung erinnern, daß es sich hier nur gehandelt hatte um die Erledi-

gung von Petitionen, welche von den Bewohnern Prags ausgegangen, welche sich, Vielleicht mit Recht, beklagt haben, daß der èechischen von Eingaben ein Sprache zu geringer Raum bei der Erledigung geräumt wurde. Nun für Prag mochte dies gelten, aber gewiß waren die Prager nicht die Mandatare der Bewohner des deutschen Sprachgebietes.

Es wird nun weiter im Berichte gesagt, daß von unserer Seite kein Gesetz namhaft gemacht worden wäre, wodurch die deutsche Sprache als ausschließliche, äußere Dienstsprache erklärt worden ist. Ich habe darauf nur Zu erwidern, daß in dem eitirten Gesetze überhaupt keine Sprachen genannt werden, sondern daß hier nur von den landesüblichen Sprachen gesprochen wird, woraus sich die gezogenen Consequenzeit für die deutsche Sprache dort ergeben, wo sie landesüblich ist.

Im Berichte wird ferner an die deutschen Städte erinnert, und es wird gesagt: "Die hinsichtlich des Gebrauches der deutschen Sprache einzelnen deutschen Städten erthetlten Privilegien find Ausnahmsgesetze, welche auf weitere Gebiete nicht ausgedehnt werden dürfen." Es wird aber doch zugegeben, daß solche Ausnahmen früher einmal bestanden, und da mochte ich eben darauf aufmerksam machen, daß diese historische Thatsache, auf welche in früheren Verhandlungen hingewiesen worden ist, den Beweis liefert, daß auch in früheren Zeiten selbst als die èechische Sprache unbedingt dominirte, es ein geschlossenes deutsches Sprachgebiet gegeben hat. Dieses wird eben repräsentirt durch die deutschen Städte; das war damals das deutsche Sprachgebiet, in welchem ausschließlich die deutsche Sprache in Geltung war.

Zum Belege habe ich beglaubigte Beispiele z. B. aus dem Jahre 1591 in den früheren Verhandlungen citiert. Daraus ergibt sich, daß die Sonderung des deutschen Spruchgebiets, welche wir heute als notwendig erkennen, schon vor Jahrhunderten als nothwendig anerkannt wurde.

Das Landrecht hat für den grundbesitzenden Adel gegolten, der über das ganze Land verbreitet war, bei diesem mußten natürlich beide Sprachen Geltung haben. Allerdings ist von der Bauernbevölkerung nicht die Rede, aber von der leibeigenen und hörigen Bevölkerung habe ich in der früheren Gesetzgebung überhaupt keine Spur gefunden, sie mußte sich eben wahrscheinlich nach der Sprache ihrer jedesmaligen Herrfchaft richten. Es konnte also

nur einen Gegensatz zwischen dem Rechte des grundbesitzenden Adels und den Stadtrechten geben; in den deutschen Städten galt aber ausschließlich die deutsche Sprache.

Nun möchte ich doch noch, ungeachtet mein geehrter Freund, der Herr Berichterstatter der Minorität, diesen Punkt, wie ich glaube, auch gestreift hat, doch noch einmal zurückkommen auf das Argument, welches unseren Anträgen mit großem Pathos entgegengesetzt wird, und Welches Sich darauf bezieht, daß das gesammte Gebiet des Königreiches Böhmen ein unheilbares und untrennbares Ganze bilde, und daß diese Einheit durch die beabsichtigte Abgeschlossenheit des deutschen Gebietes gefährdet werde. Nun, ich möchte hier darauf aufmerksam machen, daß die Anträge der geehrten Majorität nicht blos in dem Punkte 2, dessen Aenderung mit einer gewissen Plötzlichkeit erfolgte, welche an die wunderbaren Wirkungen der Elektricität erinnerte, (Lebhafter Beifall links) und welche vielleicht auch der Thätigkeit dieser bekanntlich ja auch (Sehr gut! links) der amtlichen Correspondenz dienstbar gemachten Naturkraft zuzuschreiben ist (Lebhafter Beifall), Sondern auch in dem Punkt 1, welcher den Antrag auf Tagesordnung über unseren Antrag enthält, eine Aenderung erfahren haben. Es war nämlich in dem Antrag, wie er zuerst vom gegenwärtigen Herrn Berichterstatter der Majorität vorgetragen wurde, - ich erinnere mich dessen genau - ursprünglich auch die Erwägung enthalten, daß unser Antrag die Einheit und Untheilbarkeit des Königreiches Böhmen gefährde. (Ganz gewiß, im Centrum).

Diese Einheit und Untrennbarkeit des Konigreiches Böhmen ist in den Erwägungen zum Antrag ganz in Verfloß gerathen. (Lebhafte Heiterkeit links).

Es gereicht mir, aber noch mehr den Herren, welche so sehr um die Einheit Böhmens besorgt sind, zur Beruhigung, daß dieselbe, wie der Majoritätsbericht wieder zu Stande gebracht worden, oder vielleicht hier stehen geblieben ist, ungeachtet sie in den Erwägungen weggeblieben ist. Ob das absichtlich geschehen ist oder nicht, weiß ich nicht. Die Rathschlüsse der verehrten Majorität, welche ja natürlich ihre Verabredungen nicht in Gegenwart der Minorität pflegt, sind mir unbekannt. Vielleicht mag doch dabei die Erwägung durchgedrungen sein, daß eben die Einheit des Königreiches Böhmen durch unseren Antrag wirklich nicht gefährdet wird, und daß der Ausdruck "Zweitheilung Böhmens" "Zerreißung Böhmens" eben nur gebraucht wird als ein Schlagwort, und

das in die eigentlichen Objekte unseres Streites nicht eingeweihte Publikum damit zu erschrecken Aber ich möchte darauf aufmerksam machen, daß nicht wir es sind, welche die Zweitheilung Böhmens und beziehungsweise der beiden Nationen bewirken wollen, sondern daß diese Zweitheilung unfehlbar, und ich glaube, unwill kührlich durch die Angehörigen der andern Nationalität, durch die verehrten Gegner selbst herbeigeführt werde. Dies geschieh tinsbesondere durch die immer weitergreifende Ausbreitung des Gebrauches der èechischen Sprache, welche an Orten beinahe ausschließlich gebraucht wird, wo sonst die deutsche Sprache als allgemeines Verständigungsmittel beider Nationalitäten benützt worden ist. (Sehr gut, links) Ich mache aus die Konsequenzen aufmerksam, welche infolge dieser Verhältnisse bereits eingetreten sind.

In erster Linie steht da die Zweitheilung und Trennung der beiden H°chfchulen in eine deutsche und böhmische, oder in eine böhmische und deutsche. (Lebhafte Heiterkeit links). Ich erinnere ferner daran, daß es in früherer Zeit und zwar in einer Zeit, deren ich selbst gedenke, da ich in Prag gelebt habe, viele Vereine und Unternehmungen gab, an welchen sich Angehörige beider Nationalitäten betheiligten, und welche jetzt auseinandergegangen sind, entweder ganz eingegangen oder national gespalten worden sind. Es wurden mir so genannt der Männergesangverein, der Gewerbeverein, dann der ehemalige Armenvereinsball Alle diese Unternehmungen sind entweder in Folge des nationalen Zerwürfnisses eingegangen oder es hat bei ihnen die nationale Zweitheilung Stattgefunden. (Rufe links: So ist es!).

Nun haben die Herren freilich ein bewährtes Recept zur Abhilfe in Bezug auf diese Verhältnisse. Es heißt nämlich immer, die Deutschen sollen böhmisch lernen, dann können sie auch an aßen diesen èechischen Vereinen theilnehmen, an allen Versammlungen, wo èechisch gesprochen wird. Nun bin ich gewiß der Letzte zu verkennen, daß die Kenntnis der èechischen Sprache für sehr viele Bewohner Böhmens ein großes praktisches Bedürfnis ist mit Rückficht auf den Lebens beruf, welchen sie sich wählen; ich erkenne auch an, daß es gewisse Nachtheile hat, daß die Kenntnis der èechischen Sprache in deutschen Streifen abgenommen hat, aber die Anzahl derjenigen, bei welchen dieses Bedürfnis eintritt, und namentlich derjenigen, welche Ursache haben, die èechische Sprache in dem Grade sich eigen zu machen, daß sie

allen Verhandlungen in dieser Sprache folgen können, ist denn doch eine sehr geringe.

Ich erinnere daran, daß Dr. Rieger immer Von einigen hundert Staatsdienstaspiranten gesprochen hat, um die es sich bei der Sprachenverordnung eigentlich handelt, daß er also selbst meint, es seien nur einige hundert Personen, die davon berührt werden. Aber, man kann denn doch nicht verlangen, daß die deut schen Bewohner des geschlossenen Sprachgebietes, deren Muttersprache von mehr als 50 Millionen gesprochen wird, sich eine Sprache, welche eben nur die Sprache eines Volkes von 6 Millionen ist - ich sage von 6 Millionen, weil Dr. Rieger neulich diese Zahl genannt hat und ich jetzt die Ziffer nicht genau kenne - ohne praktisches Bedürfniß bloß deßhalb aneignen Sollen, um die Zweitheilung des König reiches Böhmen nicht zu gefährden. (Bravo! Bravo! links.)

Ich wende mich nun dem zweiten Theil der Anträge des Berichtes zu, welcher sich auf die Einführung der böhmischen Sprache in den innern Dienst der Gerichte und Staatsbehörden bezieht

Ich muß zunächst darauf aufmerksam machen, daß hier im Antrag IX, wie Schon Herr Dr. Plener bemerkt hat, etwas stehen geblieben ist, was jetzt Vielleicht nicht einmal der Intention der Antragsteller selbst entspricht, nämlich die Stelle, "daß im ganzen Umfang des Königreiches Böhmen und zugleich im ganzen Instanzenzug die böhmische Sprache jetzt Schon gesetzliche Geltung habe."

Es muß doch den Herren bekannt Sein, daß der ganze Instanzenzug nicht im Königreiche Böhmen erschöpft wird, und daß es daher ein Widerspruch ist, vom ganzen Instanzug und dem Umfang des Königreiches Böhmen zu sprechen. Nun, meine Herren, ich glaube, das ist eben nur eine Schlacke, die noch nach dem Schmelzungsprocesse übrig geblieben ist, (Heiterkeit links) welche, wie schon bemerkt, wahrscheinlich durch einen elektrischen Funken hervorgerufen worden ist.

Aber davon abgesehen, kann ich auch frier gegen das Citat aus der Landesordnung, "daß die Landrechtsbeisitzer in derselben Sprache, in welcher die Schriften einkommen, umfragen, votiren und sententioniren sollen," eben nur auf meine frühere Bemerkung verweisen, daß diese Bestimmung, so wie alle anderen aus den Civilproceß und die Gerichtsorganisation bezüglichen Bestimmungen der Landesordnung durch spätere Gesetze längst abgehoben sind.

Ich mache insbesondere aus die Gerichtsinstruktion vom Jahre 1785 aufmerksam, welche durch die Justizgesetzsammlung als alleinige Richtschnur für die Organisation der Gerichte publiciert wurde. In diesem Gesetze ist die Zusammensetzung der Senate ausschließlich den Präsidenten, ohne jede Bedingung zugewiesen, und es sind dadurch insbesondere alle die Bestimmungen der Landesordnung über die Bildung der Senate nach Sprachkenntnissen ausgehoben.

Es wird im Berichte weiter gesagt, es sei die deutsche Sprache niemals ausdrücklich als innere Amtssprache eingeführt worden. Ich gebe zu, daß ich selbst kein Gesetz kenne, welches allgemein für alle einst sogenannten Erbländer die deutsche Sprache als Sprache des inneren Dienstes eingeführt hat, (Slyšte! im Centrum) und ich erkläre mir das daraus, daß selbstverständliche und thatsächliche, seit Jahrhunderten bestehende Verhältnisse eben niemals den Gegenstand einer ausdrücklichen Gesetzgebung bilden. Ich habe einem solchen Gesetz damals auch nachgeforscht, bin aber nur indirekt zu der gesetzlichen Bestätigung der Thatsache, die ich eben behauptet habe, gelangt.

In jener Verordnung Kaiser Josefs II., nämlich wodurch die deutsche Sprache als Amtssprache, z. B. in Görz und den wälschen Konfinien, eingeführt wurde, und welche auch in der Sprachenkommission erwähnt worden ist Sowie in den Verordnungen desselben Kaisers, wodurch die deutsche Sprache in Ungarn eingeführt werden sollte, ist ausgesprochen, daß die deutsche Sprache in allen übrigen Ländern ja ohnehin als Amtssprache gilt, (Hört! links) und es ist eben nur von der Ausdehnung der bereits überall im Gebrauche befindlichen Amtssprache aus andere Länder die Rede.

Aber gerade für Böhmen existirt ein Gefetz (Hört! links), wodurch die deutsche Sprache wenigstens theilweise im inneren Dienst eingeführt worden ist, nämlich eine Verordnung Ferdinand III. vom 6. November 1544, nach welcher vorgeschrieben ist, daß die Vorträge in der Appelationskammer alle in deutscher Sprache gehalten werden Sollen.

Ich bitte zu controlliren denn, wenn schon in der zweiten Hälfte des XVII. Jahrhunderts der Jesuit Balbin lebhaft Klage führt über den Verfall der tschechischen Sprache und behauptet, daß sie sogar aus der höheren Gesellschaft vollständig verschwunden ist, so ist wohl nicht anzunehmen, daß sie als innere Dienstsprache der Behörden diente. Daß

es im letzten Jahrhundert nicht, beim Gubernium u. s. w. gewiß nicht, der Fall war, darüber glaube ich wohl keine Beweise bringen zu müßen, sicher könnte ich dies aktenmäßig darthun, wenn mir die Archive zugänglich wären.

Allein ich Stimme Vollkommen mit meinem verehrten Freunde Hrn. Dr. Schmeykal, überein daß es sich bei Beurtheilung des Gegenstandes der heutigen Verhandlung nicht so sehr um juristische und historische Deduktionen handelt, sondern, daß wir nach dem staatsmänlichen Standpunkte, den wir als Volksvertreter einzunehmen haben, uns hauptsächlich mit der politischen Bedeutung der Frage, mit der Zweckmäßigkeit der in Verhandlung Stehenden Gesetze und Einrichtungen zu bestehen haben. Wir haben die streitige Frage zu beurtheilen von dem Gesichtspunkte des Bedürfnisses der Bevölkerung und von dem des staatlichen Interesses. In dieser Richtung kann ich mich ja doch nur dem anschließen, was auch von H. Dr. Schmeykal gesagt worden ist : Es ist geradezu eine Unmöglichkeit, den Fortbestand der Verhältnisse, wie sie durch die Sprachenverordnung geschaffen worden sind, dem deutschen Volke in Böhmen aufzudrängen. (Bravo! links). Wegen einiger einzelner Fälle, welche vorkommen können und auch in früherer Zeit immer zur allgemeinen Zufriedenheit ausgeglichen wurden, soll der Utraquismus in's ganze deutsche Sprachgebiet eingeführt werden, und es soll dem größten Theil der Eingeborenen sehr erschwert und selbst unmöglich gemacht werden, als Richter in der Heimath zu fungiren, wodurch die Bevölkerung eben den Nachtheil erleidet, daß die Gerichte nicht mit ihren Stammesgenossen besetzt sind.

Es sind diese Verhältnisse in der Kommission wiederholt zu Sprache gekommen und insbesondere die vom Abgeordneten Von plener geltend gemachte Thatsache, daß es gar nicht möglich sei, für das Kreisgericht Eger Handelsgerichtsbeisitzer aus dem Handelsstande zu nominiren, weil von ihnen die Kenntnis der böhmischen Sprache verlangt wird, (Ein Ruf links: in Leipa auch nicht!) diese Thatsache schien selbst dem heute leider abwesenden Dr. Rieger Eindruck zu machen und er schien nicht abgeneigt, auf Vorschläge einzugehen, welche mindestens eine wesentliche Modifikation der Sprachenverordnung bezwecken, umso mehr als er an Aeußerungen unsrerseits anknüpfen konnte, daß dort, wo eine größere Zahl slavischer Parteien vorhanden ist, für das praktische Bedürfniß derselben immerhin gesorgt werden könnte. Allein diese Anregung hatte weiter keine Folge, die Kommission stellte sich, wie ihre Anträge

beweisen, auf den schroffen non possumusStandpunkt und es ist daher zu erwarten, daß auch diesmal wieder die Forderungen, welche im Namen des deutschen Volkes gestellt Werden, abgewiesen werden. Nun mache ich darauf aufmerksam, und spreche meine Ueberzeugung aus, daß durch das bevorstehende Votum der Sprachenstreit in Böhmen in Permanenz erklärt wird und daß die Aufregung, die bestehende Erbitterung, nur verschäft werden kann. (Sehr richtig ! links) und daß dadurch die von Ihnen so sehr perhorrescierte Zweitheilung nur umso gewisser (sehr richtig! links), wenn auch in einem andern Sinne, nämlich in den Empfindungen und Gesinnungen der Bevölkerung herbeigeführt werden wird. (Bravo, Bravo, sehr richtig! links). Was den 2. Punkt der Kommissionsanträge betrifft, so will ich mich nicht weiter darüber verbreiten, daß die Sprachenverwirrung, welche nach diesem Antrage im inneren Geschäftsverkehre der Behörden eintreten würde, vom staatlichen Gesichtspunkte nicht zugelassen werden kamt. Der Herr Abgeordnete Rieger, den ich schon einmal zu citieren in der Lage war, hat in der Adreßdebatte des Abgeordnetenhauses im Oktober Anlaß genommen, seine Loyalität und die Reichstreue des èechischen Volkes besonders zu belonen und er, hat bei dieser Gelegenheit gesagt, das böhmische Volk sieht in der österreichischen Monarchie den Schutz seiner Existenz. Er hat damit ein sehr wahres Wort gesprochen. Denn eben der Umstand, daß alle die kleinere« Völkerschaften, welche zu dem ofterreichen Staatsverbande gehören, für sich allein nicht im Stande gewesen wären, ihre nationale Existenz zu behaupten, war der Anlaß zur Bildung der österreichischen Monarchie, welche alle diese Nationen mit gleichmäßigem Schutze umgibt. Wenn dies aber der Fall ist, - und es ist der Fall - dann ist es von den Tschechen doch sehr unklug, eben so unklug mit Rückficht auf den Staat, als auf ihre eigenen Nation, immer und immer an den Grundlagen dieser Monarchie zu rütteln (lebhaftes Bravo! links).

Unsere verehrten Gegner scheinen dadurch etwas verwöhnt, daß sie feit einer Reihe von Jahren sowohl im Abgeordnetenhaufe, als hier im böhmischen Landtage sich im Befitze der Majorität befinden. Sie scheinen mir den richtigen Maßstab für die Beurtheilung der Real- und dauernden Machtfaktoren des politischen Staates- und Völkerlebens verloren zu haben. Sie haben sich wie mir scheint, einen eigenen bohmischen Globus konstruirt (Bravo! Bravo ! links. Widerspruch im Centrum), auf welchem das Königreich Böhmen in einem an-

deren Maßstabe gezeichnet ist als alle anderen Lander, welche zu Oesterreich gehören und auch als die Nachbarstaaten (Sehr gut! links).

Wenn immer und immer bei dieser Frage nur von Böhmen gesprocheit wird, in welchem eine Mehrheit Von Ezechen und eine Minderheit Von Deutschen wohnen, so kommt es mir beinahe Vor, als ob man sich Böhmen als eine Art Insel vorstellen solle, losgelöst vom Zusammenhange mit dem übrigen Europa. (Rufe: So ist es, links.) Die Herren vergessen aber, daß Oesterreich umgeben ist von großen, national geeinigten Staaten und daß es, um feine Existenz, Sein Gleichgewicht und feilte Machtstellung zu behaupten, wegen der nationalen Verschiedenheit seiner Bewohner umsomehr darauf angewiefen ist, alle anderen staatbildenden und Staaterhaltenden Elemente zu pflegen, wozu vor Allem eine einheitliche Verwaltung und eine einheitliche Verwaltungssprache gehört. (Rufe: Bravo! links.)

Zum Schlusse, meine Herren, sei es mir noch gestattet, Ihnen die eindringliche und wahrhaft grausame Lehre der böhmischen Ge= schichte zu Gemüthe zu führen. Der Abschnitt der böhmischen Geschichte, auf welchen in historischen Citaten mit Vorliebe verwiesen wird, umfaßt einen Abschnitt von zwei Jahrhunderten, vom Anfange des 15. bis zum Anfange des 17. Jahrhunderts, nämlich jene Zeit, in welcher die Präponderanz der èechischen Nationalität eine unbesirittene war, in welcher es ihr auch gelang, mit geringen Ausnahmen den Gebrauch der èechischen Sprache zur ausschließlichen Geltung zu bringen.

Den Anfang zu dieser Periode bezeichnet das Jahr 1409, in welchem die Deutschen Von der Prager Universität Vertrieben wurden und die Universität èechisiert wurde, worauf dann auch die Zerstörung sovieler deutschen Städte durch die Huffiten folgte.

Das Ende dieser Epoche ist bekanntlich der Landtagsbeschluß vom Jahre 1615 (Rufe: Hort:) in welchem erklärt wurde, daß Niemand, der der èechischen Sprache nicht mächtig ist, als Einwohner und Bürger aufgenommen Werden kann, und daß nicht einmal die Kinder, Sondern erst die Kindeskinder eines solchen Aufgenommenen irgend ein öffentliches Amt erlangen können, und in welchem außerdem der Gebrauch der deutschen Sprache von Personen, Welche der èechischen mächtig find, mit Landesverweisung bedroht wurde. (Hört! links).

Es ist bekannt, daß bald ein furchtbares Strafgericht hereinbrach, die Schlacht am weißen Berge mit den darauf folgenden Hinrichtungen,

Confiscationen und Vertreibungen von Taufenden von Familien.

Meine Herren! Ich bin gleich meinen Gesinnungsgenossen, gewiß weit entfernt, die Grausamkeit und Härte, welche von den damalige« Machthaber« geübt wurde, irgendwie in Schutz zu nehmen. Wir bekämpfen die hussitischen Traditionen geradeso wie die jesuitischen, absolutistischen und feudalen Traditionen.

Wir gehören nicht zu den Gesinnungserben der einstigen Rathgeber Ferdinand II., mit welchen sich die Verehrer der hussitischen Vergangenheit gegenwärtig in einer so unnatürlichen Allianz besfinden (Rufe: Bravo! links), aber, meine Herren, es ist bei dem heutigen Anlasse doch notwendig, aus den ungeheuere« Verfall hinzuweisen, welchen der Gebrauch der böhmischen Sprache so kurze Zeit nach jenem Landtagsbeschlusse erlitten hat, mit welchem deren ausschließliche Geltung auf eine so unerhörte Weise decretiert worden ist.

Und darum, meine Herren, empfehle ich Ihnen die Mahnungen Ihrer eigenen Geschichte zu beherzigen.

Bedenken Sie die Wandelbarkeit der menschlichen Dinge und erinnern Sie sich der Wahrheit des alten Spruches, welcher besonders in der böhmischen Geschichte zur Geltung gekommen ist: "Hochmuch kommt vor dem Falle." (Langanhaltender, wiederholt sich erneuernder Beifall links, Zischen rechts.)

Oberstlandmarschall. Es gelangt nunmehr zum Wort der nächste für die Anträge der Kommission eingetragene Redner Abgeord. Graf Palffy. Ich ercheile ihm dasselbe.

Abg. Graf Palffy: Meine Herren! Wenn ich heute zum erstenmale in diesem h. Hause das Wort ergreife, so geschieht es, ich gestehe, meine Herren, mit einiger Bangigkeit, einer Bangigkeit, die um so gerechtfertigter ist gegenüber der Wichtigkeit des Gegenstandes und der eminenten politischen und parlamentarischen Stellung ihres Urhebers, des Herrn Antragstellers.

In die politischen staatsrechtlichen Auseinandersetzungen über diesen Antrag, meine Herren, werde ich mich nicht einlassen, es wäre Selbstüberschätzung meines Könnens, wenn ich das thäte. Dazu sind in erster Reihe andere Herren berufen, Männer, die von einer gewissen Stellung im Lande, von einiger Erfahrenheit im parlamentarischen Wesen und von einer längern Uebung dieses Berufes unterstützt find.

Und wenn ich, meine Herren, trotzdem das

Wort ergreife, so geschieht dies, so unbescheiden das auch klingen mag, aus den rein persönlichen Verhältnissen meiner exzeptionellen Stellung, möchte ich Sagen, im Lande. Ich bitte das nicht unbescheiden zu nennen. Ich bin nicht Deutscher und bin auch nicht Böhme. Eines vereint mich allerdings mit allen Mitgliedern dieses hohen Hauses, das ist die Liebe und Anhänglichkeit an dieses schöne Land, (Beifall) wo ich viele Jahre schon lebe, an das mich vielfache Interessen, viele Erinnerungen knüpfen, und zu dessen treueu Söhnen ich meine Kinder erziehe. (Beifall und Händeklatschen rechts und im Centrum).

Aber es kann mir niemand den Vorwurf machen, meine Herren, daß ich in nationalen Fragen mit einer gewissen Voreingenommenheit oder mit einem parti pris oder mit Leidenschadlichkeit auftrete, Weil ich eben, ich möchte fast sagen, über diesen Fluctuationen stehe und daher leidenschaftslos die Dinge besehen und besprechen und unparteiischer beurtheilen kann.

Und wenn ich gewissenhaft, meine Herren, und gerecht die Vor- und Nachtheile dieses Antrages auf die Waage des praktischen Erfolges lege, dann kann ich nicht umhin, in diesem Antrage eine imminente Gefahr für das Land (Oho! Rufe links, výbornì, rechts), eine Verletzung feiner Einheit und eine Quelle von gar nicht abzusehenden Verwicklungen (Oho* Rufe links) zu sehen. Das ist meine Ansicht, wie ich überhaupt nur von meinem Standpunkt spreche.


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