Ètvrtek 7. ledna 1886

Meine Herren! Ich kann nicht Ihnen zu Gefallen sprechen; ich spreche, so wie ich denke. (Beifall und Händeklatschen links).

Seltsam ist es, dass ein Mann, der die auffallende Ehre genießt, den Statthalterposten in Böhmen einzunehmen, uns hier damit belehren will, er habe einzelnen deutschen Gemeinden wirthschaftliche Vortheile zugewendet. Ja wohin ist es denn gekommen bei uns in Österreich, daß ein Unterschied gemacht werden soll vom obesten Beamten einer Provinz, ob die Gemeinde deutsch oder èechisch ist. (Hört! links. ) Wenn das Unglück, das der Stadt Kreibitz widerfahren ist, einer èechischen Gemeinde geschehen wäre, dann wäre es also selbstverständlich; daß der Statthalter eingreift. Weil aber Kreibitz zufällig eine deutsche Stadt ist, so war es eine besondere Gunst. (Händeklatschen links. )

Ja, es kommt mir auch 'so vor, als ob diejenigen Recht hätten, die heute in der That den Statthalter Kraus nicht mehr als böhmischen, sondern als tschechischen Statthalter bezeichnen. (So ist es! links. ) Der Abgeordnete aus dem Centrum hat, soweit ich ihn verstanden habe, den Wunsch ausgesprochen, daß der gegenwärtige Statthalter noch recht

viele Jahre zur Freude der Bewohner dieses Landes hier auf seinem Posten bleibend möge. Nun, ich gebe ihm vollständig recht, dass er im Namen des Theiles Bevölkerung, in dessen Namen er spricht, in der That sich so ausdrücken kann. Wie es aber in dem deutschen Theil der Bevölkerung steht, darüber uns auszusprechen, haben wir ein Recht und es geht durchaus nicht an, dass es sich der Abgeordnete Grégr so bequem macht, einen Unterschied zu machen zwischen dem deutschen Volk und anderen.

Wenn er etwa unter den Anderen uns gemeint hat, die er hier aus diese Weise angreifen kann, so sage ich ihm: Wir sind gewählt vom deutschen Volke und darum haben wir mindestens ebenso gut das Vertrauen der deutschen Wählerschaft als er und seine tschechischen Collegen sich des Vertrauens der tschechischen Wählerschaft rühmen können. (Händeklatschen links. )

Das sind sehr billige Mittel, um über Schwierige Fragen hinwegzukommen. Natürlich hat er in gewohnter Weise es an etwas Denunciation nicht fehlen lassen. (Ganz richtig! Händeklatschen links. ) Das sind wir ja schon außerordentlich gewöhnt und wir bewundern daher die Virtuosität, die jener Herr darin erlangt hat.

Meine Anerkennung spreche ich ihm von Neuem dafür aus, dass er es bereits so außerordentlich weit im Denuncieren gebracht hat. (Sehr richtig ! und das Wort ist ihm nicht entzogen worden!) In so einem Fall ist allerdings am Platz, dass Vertreter des deutschen Volkes sagen: Wir finden es unter unserer Würde, uns gegen die Moskaupilger zu vertheidigen. (Händeklatschen links. ) Ich habe es ihm gar nicht übel genommen, dass er seiner Schwärmerei für die Wenzelskrone Ausdruck gegeben hat; nun ich will ihm darauf nur kurz antworten: Wenn von Kronen die Rede ist, dann steht uns am höchsten die österreichische Kaiserkrone und dann bekennen wir, die Bewohner des deutschen Theiles der Provinz Böhmen frei und offen, dass diese Kaiserkrone uns auch über der Wenzelskrone steht. (Stürmischer Beifall und Händeklatschen links. )

Ich könnte sehr versucht sein, noch auf vieles andere einzugehen und da ich der Nachsprecher nach dem Herrn Abgeordneten Gregr bin, könnte ich ja auch ähnliche Mittelchen anwenden und könnte sagen: Ich würde das alles sagen, wenn ich mich darauf einlassen wollte.

Er hat ursprünglich gesagt, er spreche auch nicht zum Budget und dann hat er weiter gesagt: "Ich würde das und das alles sagen" und nachdem er insbesondere seine Denunciation vorgebracht und noch ausdrücklich auf die Regierung hingewiesen hatte, die das auch sehen soll, dann schloß er: "Ich würde das gesagt haben. " (Sehr gut! links. )

Da nun die beiden geehrten Herren Vorredner eine so bedeutende Redefreiheit genossen, so werde ich wenn ich blos über die Zustände der Verwaltung dieser Provinz spreche, ganz gewiß auch nicht unterbrochen werden.

Da liegt mir nun allerdings, wenn ich mich auch nur auf ein so beschränktes Gebiet einlasse, ein so reichhaltiges Materiale vor, daß ich lange Zeit hiefür in Anspruch nehmen müßte, und daß die Bewältigung desselben wohl meine schwachen Krafte übersteigen würde.

Ich habe mir zwar ein ganz beschränktes Gebiet, das mir nach meinem Berufe nahe liegt, ausersehen, um auf Grund der Erfahrungen, die ich auf demselben gemacht habe, einige Streiflichter auf die Verwaltung des Landes zu werfen, nämlich von dem Standpunkte aus wie denn die Preßverhältniße hier in diesem Lande sind.

Als Buchdrucker und Journalist habe ich begreiflicherweise ein besonderes Interesse für diese Verhältnisse; allein man kann mir dessen ungeachtet wohl kaum nachsagen, das ich da bloß in eigener Sache Spreche, daß ich wie die Lateiner sagen, pro domo sua rede; denn die Presse ist heutzutage - das wissen wir alle, und darüber gibt es keinen Unterschied der Meinung in diesem hohen Hause - die Presse ist heute eine Großmacht, und auch die gesammte Bevölkerung hat ein großes Interesse daran, wie die Gesetze über die Presse gehandhabt werden.

Auch die Regierung legt der Presse einen großen Wert bei, das wird ja eben aus meinen Darlegungen deutlich hervorgehen. Nur hat sie dieses Interesse in einer ganz eigenthümlichen Weise bekundet, nämlich in der Weise, daß die Maßregeln gegen die oppositionelle Presse von Jahr zu Jahr ärger werden, besonders seitdem der gegenwärtige Statthalter in Böhmen ist, und daß andererseits eine officiöse Presse geschaffen wurde, wie wir sie noch nicht gehabt haben (Sehr richtig! links), merkwürdiger Weise aber nur in Deutschböhmen. (Sehr gut ! links). Nun ist das schon einigermaßen auffallend. Der Statthalter Baron

Kraus ist nach Böhmen gekommen nach den bekannten Kuchelbader Vorfällen, und man hätte glauben Sollen, daß die Deutschen, die bei den damaligen Vorgängen eine sehr passive Rolle gespielt haben, (Sehr gut! links) indem neuen Statthalter einen kräftigen Schützer finden werden.

Es hätte also der Herr Statthalter gewiß ganz gut gethan, wenn er vermeinte, daß durch eine officiöse Presse sich etwas zur Beruhigung der Gemüther thun lasse, wenn er èechische officiöse Blätter gegründet hätte; (Rufe! Ja wohl! links) man hat aber gar nichts davon gehört, sondern officiöse Blätter wurden in großer Zahl nur mit unsäglichen Kosten aber auch ohne allen Erfolg nur in Deutschböhmen gegründet.

Daß sie ohne allen Erfolg gegründet wurden, dafür liegen mir Belege genug vor.

Ein gewisser Herr Wilde sagt in einem Briefe, dessen Einsicht ich jedermann, auch den Herrn Gegnern gestatte, daß die officiösen Blätter es kaum auf fünf Dutzend Abonnenten bringen (Hört! links).

Da möchte ich Denn doch den Herrn Statthalter bitten, daß er sich einmal ausrechne, wie hoch da so ein officiöser Leser kommt? Denn was die Blätter kosten, das wird er besser wissen als ich. Ich weiß es nicht, ich kann es. höchstens annäherungsweise schätzen; ich weiß auch nicht, woher das Geld kommt (So ist es! links); denn von den 50. 000 fl., die der Reichsrath dem Ministerpräsidenten als Dispositionsfond alljährlich bewilligt, kann das unmöglich kommen, weil das für die Provinz Böhmen allein nicht ausreichen würde. (Sehr gut! links).

Aber wie gesagt, das Rechenexemplar wäre sehr interessant, was so ein officiöser Leser kostet.

Wie gesagt der Brief Wildes liegt zur Einsicht bereit; auch die Herrn Gegner können ihn einsehen; er stammt von einem officiösen Journalisten, der heute noch im Dienste der Regierung Steht.

Daß aber die Preßmassregelungen in Böhmen gerade unter dem gegenwärtigen Statthalter außerordentlich zugenommen haben, darüber könnte ich stuudenlang reden.

Sie find insbesondere gegen die deutsche Provinzpresse in Böhmen gerichtet. Ein Redacteur der deutschnationationalen "Reichenberger Zeitung" hat sich die Mühe genommen,

bezüglich seines Blattes eine Statistik zusammenzustellen und hat mir das Resultat zur Verfügung gestellt, und dieses dürfte einiges Interesse haben für jedermann, der sich um die öffentlichen Zustände in Böhmen interessirt.

Es ist dieses Blatt vom Jahre 1881, also von der Zeit, wo das Regiment des gegenwärtigen Herrn Statthalters Von Böhmen beginnt, bis gegen Ende des Jahres 1885 beiläufig bis Mitte des December 1885 135mal confiscirt und sind 169 Artikel mit Beschlag belegt worden. Das böte an und für sich noch keinen Beweis, denn an große Ziffern sind wir gewohnt; viel interessanter sind folgende Ziffern:

Von diesen 135 Konfiskationsfällen sind vom Kreisgerichte in Reichenberg 88 bestätigt und 81 nicht bestätigt worden. (Hört! hört! links. ) Also nahezu die Hälfte der Fälle (volle 48 Percent) wurden nicht bestätigt. Das ist denn doch im höchsten Grade auffallend; allerdings vom Oberlandesgerichte sind fast alle bestätigt morden. (Hört! Hört! links) Das ist eben auch das Auffallende und ich werde später noch Gelegenheit haben, einige recht auffallende Konfiskationsbestätigungen vom böhmischen Oberlandesgerichte vorzuführen und diese werden die Sache noch besser beleuchten.

Nun glaube ich denn doch, daß es auch in Reichenberg noch Richter geben muß, die diesen Namen verdienen und es gibt solche Richter dort, ich weiß auch ganz bestimmt, wenn mir auch das statistische Material bezüglich der ganzen Justizpflege von Reicheuberg nicht zu Gebote steht, daß bei den anderen civilrechtlichen und strafrechtlichen Erkenntnissen solche Percentziffern nicht herauskommen, daß nämlich die bestätigten zu den abgeänderten Fällen sich wie 52: 48 pCt. verhalten, während dagegen das Oberlandesgericht Dann von jenen 81 nicht bestätigten Fällen 75 bestätigt und nur 6 freigegeben hat. Wie kommt es denn, daß dieselben tüchtigen Richter in Reichenberg, die sich sonst in der Justizpflege so gut auskennen, daß ihre Urtheile von Obergerichten selten abgeändert werden, es erfahren müssen, daß ihre Urtheile in Preßsachen so oft Abänderungen erfahren. (Rufe: Sehr gut!

Vielleicht könnte der Herr Statthalter da desser Aufschluß geben als ich es im Stande bin. Indeß die Handhabung des Konfiska-

tionsapparates ist eine so ungleichmäßige im

ganzen Lande, daß sich selbst der tüchtigste Jurist und ersahrenste Journalist auf diesem Gebiete gar nicht mehr auskennt.

Sowohl die Staatsanwälte als auch die Bezirkshauptleute konsisciren an dem einen Orte das, was an dem andern freigegeben wird; es sind in der Beziehung höchst eclatante Fälle bekannt. Ich bitte aber zu bedenken, welchen Eindruck es machen muß, wenn in einer Stadt das in der Stadt selbst erscheinende Blatt confisciert wird wegen eines Artikels, den es vielleicht einem Blatte entnommen hat, das gleichzeitig dort in der Stadt in allen Gast= und Kaffehäusern aufliegt und unbeanständet ist, weil dasselbe vielleicht in Wien oder Prag erscheint und nicht confisciert worden ist, ja nicht einmal in Wien confisciert worden ist, wo seit vielen Monaten der Ausnahmszustand besteht. Wir deutschen Journalisten in Böhmen haben deshalb schon wiederholt uns nach biesem Ausnahmszustand gesehnt, wenn er so gehandhabt würde, wie er in Wien gehandhabt wird. -

Da liegt vor mir z. B. die in Warnsdorf erscheinende "Abwehr, " natürlich auch ein deutschnationales Blatt, sonst würde es nicht so oft konfiszirt werden Dessen Konfiskationen reichen schon an die Zahl 200 heran in der Zeit seit 1881. Ganz besonders interessant ist die Konfiskazion der Besprechung einer Schrift, welche den Titel führte "über das Deutschthum und den katholischen Clerus in Oesterreich. " Diese Schrift ist in allen andern Blättern besprochen worden, diese Besprechungen wurden nirgends konfiszirt, ja die Warnsdorfer "Abwehr" hat sogar die Besprechung einem anderen Blatte entnommen, das nicht konfiszirt war, nämlich den "Tagesboten aus Mähren, " ist aber doch konfiszirt worden. In Brünn war diese Besprechung also nicht staatsgefährlich in Warnsdorf war sie staatsgefährlich. Ja die Schrift selbst, welche besprochen wurde, war damals in jedem Buchladen zu haben und kann noch heute in jeder Buchhandlung gekauft und gelesen werden Nur in der Abwehr durfte sie nicht besprochen werden.

Ich kann noch einige eklatante Beispiele anführen von Konfiskazionen der "Abwehr" in Warnsdorf.

Das Hej slované ist, wie die geehrten Herren vom Centrum wissen werden, überall erlaubt zu singen, es kamt auch überall gedruckt und gelesen werden, eine deutsche Uebersetzung einer Strophe dieses Liedes aber wurde

in Warnsdorf konfiszirt (Hört! links) also auf die Warnsdorfer wirkt das Hej slované verderblich, während es im èechischen Theile von Böhmen ganz harmloser Natur ist. Eine Beschimpfung, welche die Kolínské noviny (wie ich glaube, war es im vorigen Jahre), gegen die deutschen Schriftsteller brachte, als sie sich hier in Prag aufhielten, wurde nicht konfiszirt; einige Stellen daraus aber, welche die Warnsdorfer "Abwehr" wiedergab, wurden konfiszirt. In diesem Falle hätte man doch glauben sollen, daß ein Hetzartikel gegen die deutschen Schriftsteller in den Kolinské noviny eher aufregend wirken konnte als in Warnsdorf und so geht es fort mit oder ohne gratis in infinitum.

Was in Reichenberg einmal nicht konfiszirt wird, das wird das anderemal in Warnsdorf konfiszirt und umgekehrt. Vielleicht könnte aber der Herr Statthalter darauf erwiedern, daß er seinen Bezirkshauptleuten denn die sind ja besonders eifrig im Konfisziren - nur allgemeine Instruktionen ertheilen kann, daß er aber nicht in der Lage ist, jeden einzelnen Confiskationsfall zu überwachen, und deshalb möchte ich mir erlauben, denn doch einiges hier einzuschalten, das uns zeigt, daß die Sache nicht so ganz einfach liegt, sondern daß in der That bereits eine Tendenz in diesem ganzem Konfiszirapparat ist, allerdings eine sehr einseitige Tendenz. Zum Belege dafür kann ich z. B. anführen, daß dieselbe "Reichenberger Zeitung" in der letzten Zeit wiederholt konfiszirt und die Konfiskation vom Oberlandesgerichte einfach damit begründet wurde, daß die "Reichenberger Zeitung" im Allgemeinen eine verurtheilenswerthe sei (Hört! links). Das Gesetz schreibt zwar ausdrücklich vor, daß im Einzelnen begründet werden soll, worin der Grund der Konfiskation gelegen ist, das ist aber jetzt schon gar nicht mehr nothwendig. Das Prager Oberlandesgericht nimmt einfach an, die "Reicheuberger Zeitung" ist überhaupt immer zu konfisziren (Sehr gut links). Ja einmal ist es dem Oberlandesgericht zu Prag passirt, daß es sogar mit sich selbst in Widerspruch kam.

Diese "Reichenberge Zeitung" brachte einen Artikel über ein Kaiser=Josephsmonument im gräflich Clam=Gallas'schen Parke in Reichenberg, und dieser Artikel ist auch confisciert, aber die Confiscation weder vom Kreisgerichte noch vom Oberlandesgerichte bestätigt worden, also ein Beweis, daß der Artikel ganz besonders harmloser Natur war. Nun schreibt das Gesetz

bekanntlich vor, daß in einem Solchen Falle das Aerar dem Eigenthümer eine angemessene Entschädigung für den Schaden, der ihm zugefügt wurde, zu leisten hat. Das Oberlandesgericht aber erklärte, nachdem es früher erkannt hatte, daß der Artikel nicht zu confisciren war, daß also die Confiscation nicht zu bestätigen sei, daß dessen ungeachtet keine Entschädigung geleistet werde, weil der Artikel im öffentlichen Interesse zu confisciren war (Heiterkeit links. ) Meine Herren, wer kann so einen Widerspruch verstehen? Was an dem einen Tage, am 19. September 1882 unter Zahl 4259 als eine nicht gerechtfertigte Beschlagnahme vom Oberlandesgerichte erklärt wurde, das wurde am 30. Oktober desselben Jahres 1882 unter der Zahl 31240 als eine gerechtfertigte Beschlagnahme anerkannt. (Rufe: Bravo! links)

Nun wenn das nicht ein Widersinn, ja ein Unsinn ist. dann soll mir Jemand sagen, mit welchem Ausdruck das zu bezeichnen fei. Nun hat die Sache doch auch eine sehr ernste Seite Wohin soll es denn mit dem Rechtsbewußt sein des Volkes kommen (Sehr richtig ! links), wenn hohe Gerichtsstellen offenbarer Widersprüche sich schuldig machen, widersprechende Entscheidungen fällen, von denen doch wenigstens die eine offenbar gegen das Gesetz sein muß, weil sie einander diametral widersprechen. Und derartige Beispiele könnte ich noch zu Dutzenden anführen, die solche Widersprüche enthalten.

Sehr interessant wird das Preßgesetz auch gehandhabt in der deutschen Stadt Tetschen, und da ich derselben nahe wohne und öfter mit der tetschner Bevölkerung verkehre, auch die dortigen Blätter aufmerksam verfolge, sind mir auch von dort einige Fälle aufgefallen und ich will wenigstens etwas davon mittheilen. Mein verehrter Kollege, Herr Dr. Knotz hat bereits angeführt, daß in der Schwesterstadt von Tetschen, in Bodenbach, ein officiöses Blatt besteht, welches sich das,, Organ der Mäßigung" nennt, wahrscheinlich deshalb, weil es in jeder Nummer die unfläthigsten Artikel gegen alle Leute bringt, die nur irgendwie im öffentlichen Leben sich hervorthun.

Der eine von den Èerný, die bei diesem Blatte, ich weiß nicht, in welcher Eigenschaft betheiligt sind, rühmte sich, daß das Blatt auch nahmhaft unterstützt wird vom Herrn

Landtagsabgeordneten Grafen Franz T h u n (Hört, links), und wenn diese Aeußerung des Herrn Èerný etwa unrichtig sein sollte, wird der verehrte Herr Abgeordnete Graf Franz Thun die beste Gelegenheit haben, das richtig zu stellen, und dem Herrn Èerný das zu verbieten. Graf Thun wird, da er nach mir zum Worte kommen wird Gelegenheit haben sich über diese Verhältnisse aussprechen zu können. Dabei wird er aber wenigstens das eine kaum läugnen (was die Aeußerung des Èerný betrifft, so weiß ich nicht, ob Èerný jene Aeußerung mit Recht gethan hat oder nicht. Dafür aber, daß er sie gethan hat, dafür sind Zeugen vorhanden), aber das eine wird des H. Abg. Graf Franz Thun kaum läugnen, daß sein Schloßarchivar P. Langer (Hört! links) einen sehr wesentlichen Antheil an der Redaktion dieses Schimpfblattes hat (Hört!) daß er insbesondere die Artikel gegen den Altkatholizismus in diesem Blatte Schreibt und mir können versichern, daß wir, die wir Freunde der religiösen Reformbewegung sind - ich bekenne das von mir ganz offen - dem Herrn Abgeordneten Grafen Franz Thun und dem P. Langer es zum Verdienste anrechnen, daß sie, wenn auch unfreiwillig, durch diese Betheiligung an diesem offiziösen Blatte die religiöse Reformbewegung dort sehr wesentlich fördern. In dem anderen Tetschner Blatte aber, in der wackeren Tetschen=Bodenbacher Zeitung" ist auch ein ganz eigenthümlicher Fall vorgekommen. Als in Tetschen im vorigen Sommer ein Kaiser=Josefsdenkmal errichtet wurde, wurde von gewissen Seiten gegen das Comité losgezogen, welches sich zur Begründung dieses Denkmales für den großen österreichischen Monarchen constituirt hatte und zahireiche Hetz=Artikel sind auch in den offiziosen Bodenbacher Blatte erschienen. Es wurde auch von der Kanzel dagegen gepredigt. Das ist immer auffallend genug und dürfte dem hochwürdigen Herrn Abgeordneten, der neulich sich gegen meinen Kollegen, Herrn Dr. Roser wandte, als letzterer gesagt hatte, daß von der Kanzel auch mituuter gehetzt werde, auch als Beleg dienen, daß uns solche Fälle in der That bekannt sind. Nämlich der Kaplan P. Herrmann Krenn brachte derartige Beschuldigungen gegen dieses Konnte von der Kanzel herab vor und bezog sich auf das Denkmal in Tetschen=Bodenbach Als die Tetschen=Bodenbacher Zeitung das rügte, richtete P. Krenn eine Berichtigung an das Blatt nach §. 19. des Preßgesetzes und diese Berichtigung enthielt abermals eine Verunglimpfung des erhabenen Kaisers Josef II.

(Hört! links), wenigstens nach der Anficht der dortigen Bezirkshauptmannschaft.

Denn diese konfiszierte Das Blatt, und als dann der Eigenthümer des Blattes die Civilklage einbrachte und die Entschädigung für den erlittenen Schaden von P. Krenn verlangte, wurde gegen den Eigenthümer des Blattes entschieden, indem man ihm erklärte, er hätte ja die Berichtigung nicht aufzunehmen gebraucht; hätte er sie aber nicht ausgenommen, so wäre er vor das Bezirksgericht gestellt worden wegen der Verweigerung der Aufnahme der Berichtigung, und weil er sie ausgenommen hat, ist er wieder mit seiner Entschädigungsklage abgewiesen worden, und P. Krenn hat keine Entschädigung geleistet.

So lieblich Sind unsere Verhältnisse und das geht zu meist von den Bezirkshauptleuten des Statthalters Kraus aus.

In meiner unmittelbarsten Nähe, in Leitmeritz selbst, erscheint außer meiner "Leitmeritzer Zeitung" noch ein Blatt, welches längere Zeit officiös war; und in der Zeit, wo es officiös war, hat es einen verurtheilten Verbrecher zum Redakteur gehabt.

(Hört! Hört! links).

Nun es schreibt bekanntlich das Preß= Gesetz ausdrücklich vor, dass derjenige, der Redacteur eines Blattes sein will, österreichischer Staatsbürger sein muß, daß er am Orte des Erscheinens des Blattes seinen Wohnsitz haben und daß er unbescholten sein muß. Wenn sich die Bezirkshauptmannschaft von Leitmeritz damals nur im Allergeringsten um die Unbescholtenheit jenes Mannes gekümmert hätte, so hätte sie erfahren müßen, daß er bereits in Stein und Hamburg Kerkerstrafen abgebüßt hat, und daher untauglich war zur Führung der Redaction eines Blattes. (Hört! Hört! links. )

Ja, uns gegenüber geht man ganz anders vor, uns gegenüber wird in kleinlichster Weise das Preßgesetz gehandhabt, und wenn ja ein ein Versehen oder nur ein Vermeintliches Versehen vorkommt, werden wir augenblicklich vors Gericht gestellt; aber bei einem offiziösen Blatte ist das natürlich durchaus nicht nothwendig.

Ueberhaupt überall, wo Blätter erscheinen, welche der deutschnationalen Sache sich warm annehmen, wird der Confiscionsapparat mit allem Eifer gehandhabt, u. z. insbesondere von den Bezirkshauptleuten. Und dabei machen sie sich's sehr bequem dabei. Ein Artikel z. B.

aus einem sehr wackern Blatte, dem,, Boten aus dem Egerthal" in Falkenau, der eine ganz ruhige Besprechung der Gerüchte enthielt, daß der Statthalter Baron Kraus aus Böhmen abberufen werden soll, wurde einfach konfisziert wegen "geringschätziger" Außerungen gegen den Statthalter. (Hört! Hört!)

Es kommen aber auch nicht die allergeringsten "geringschätzigen" Aeußerungen darin vor, sondern es wird nur die Thatsache erwähnt und kurz besprachen.

Aber demselben "Boten aus dem Egerthal" ist es noch ärger gegangen. Dieses Blatt hat vom Reichsrathsabgeordneten H. Heinr. Swoboda eine Erklärung aufgenommen, die gegen das "Prager Abendblatt" gerichtet war, (Hört! Hört!) und der Reichsrathsabg. Heinrich Swoboda war zu dieser Erklärung deshalb bemüßigt, weil ihm das,, Prager Abendblatt" einmal die Aufnahme einer Berichtigung versagt hatte. Diese Berichtigung hat eine ganz interessante Geschichte, die auch dem Herrn Statthalter einigermaßen interessant sein muß, weil er wenigstens nicht läugnen wird, daß das "Prager Abendblatt" zu seinen offiziösen Blätter gehört, da es ja unter seinen Augen erscheint. (Rufe links: Er läugnet es aber doch!)

Nun, es kann dem Herrn Statthalter belieben, auch das abzuläugnen und sich dagegen,, zu verwahren. " (Heiterkeit. ) Es dürfte aber in Böhmen hinlänglich bekannt sein, welchen Charakter das "Prager Abendblatt" hat. (Rufe links: Jawohl!) Dieses "Prager Abendblatt", welches als Beilage zur offiziellen "Prager Zeitung" erscheint und die dürfte den Herrn Statthalter doch etwas angehen, hatte einen lügenhaften Bericht gebracht über eine Versammlung, in welchen der Reichsrathsabg. Swoboda damals als Candidat für den Neichsrath gesprochen hat. Swoboda schickte eine Berichtigung an das,, Prager Abendblatt ein. Anstatt diese Berichtigung so aufzunehmen, wie es das Gesetz vorschreibt, nämlich dem vollen Wortlaute nach nahm das "Prager Abendblatt" nur einen ganz geringen Theil der Berichtigung auf, so daß der Inhalt derselben kaum richtig erkannt werden konnte. Daß aber die vollständige Berichtigung am Platze war, geht daraus hervor, daß die Redaktion des "Abendblattes" einen privatimen Brief an Heinrich Swoboda richtete und darin das Versehen entschuldigte. (Hört! links). Das ist an sich schon interessant; nun kommt das noch viel interessantere, daß, als

Heinrich Swoboda im "Boten aus dem Egerthale" anläßlich dieser Verkommnisse eine Erklärung gegen das "Prager Abendblatt" abgegeben hatte, in welcher von gar nichts anderem als vom "Prager Abendblatte" die Rede war, daß auch diese Nummer des "Boten aus dem Egerthale" wegen dieser Erklärung des Abgeordneten Heinrich Swoboda consisziert wurde (Rufe: Hört! links) und diese Confiscation wurde bestätigt auf Grund des §. 300 des Strafgesetzes, weil durch die in dem Artikel angeblich enthaltenen Schmähungen zur Verachtung gegen die Redaktion des"Prager Abendblattes" aufgefordert wurde. (Heiterkeit links).

Nun frage ich jeden Juristen der den §. 300 des Strafgesetzes kennt, ob dieser §. oder irgend ein Paragragh unseres Strafgesetzes eine Bestimmung enthält, daß man nicht zur Verachtung gegen die Redaktion des "Prager Abendblatten" auffordern darf (Heiterkeit links).

Ich frage jeden Laien, ob er es für denkbar hält, "daß im Strafgesetze irgend eines Staates, und wenn derselbe in Afrika oder Asien oder wo immer wäre, sich ein Paragraph befinden kann, welcher eine solche Bestimmung enthält und jetzt frage ich vor Allem den Herrn Statthalter, ob er glaubt, daß durch solche Entscheidungen, die hervorgerufen werden durch die Aktionen seiner Untergebenen, speziell der Bezirkshauptleute, das Ansehen der Vertreter des Staates - und als solche sehe ich ja die Behörden, inbesondere die Gerichtsbehörden an - gefördert wird. Ich behaupte gerade das Gegentheil.

Das ist keine Gesetzlichkeit mehr, daß ist Gesetzlosigkeit, das ist Anarchie. (Rufe: Sehr richtig! links. )

Oberstlandmarschall (läutet): Ich bin genöthigt, den Herrn Redner zu unterbrechen. Wenn ich seine Worte richtig verstanden habe, so hat er den Vorwurf ausgesprochen, daß gerichtliche Entscheidungen gesetzlos und gesetzwidrig wären. (Rufe links: Gewiß!)

Das ist ein Ausspruch, für welchen ich genöthigt bin, denselben "zur Ordnung" zu rufen. (Rufe links: Ah!)

Abg. Dr. Pickert: Ich glaube, ich hätte mich jedes Ausspruches darüber enthalten können. Die Thatsache allein hat wohl genügend gewirkt. Es kommen aber noch andere ringe Vor.

Ich habe bisher Monstrositäten bei den Confiscationen vorgeführt, ich kann aber auch eine Confiscation namhaft machen, die zwar als eine solche bestätigt wurde, die aber gar nicht existierte. (Rufe: Hört! links. )

Es werden also Confiscationen bestätigt, die gar nicht vorkommen, und das zeigt mindestens von der Eilfertigkeit, mit der man bei diesem Verfahren vorgeht.

Der Fall war nämlich folgender: Die deutsch=nationale "Deutschösterreichische Volkszeitung" in Krummau brachte zur Zeit der Reichsraths=Wahlen einen Separatabdruck aus mehreren Artikeln über Wahlangelegenheiten. Diese Separatabdrücke hatte der Verleger bereits am 9. Mai 1885 als Pflichtexemplare der Staatsanwaltschaft und Bezirkshauptmannschaft vorgelegt, und es schreibt bekanntlich das Gesetz vor, daß 24 Stunden nach der Vorlegung der Pflichtexemplare die Austheilung beginnen könne. Die Austheilung hätte also bereits am 10. Mai beginnen können, begann aber erst am 12., und am 13 wurden auch solche Separatabdrücke der Zeitung selbst beigelegt. Beanständet waren sie also in keiner Weise. Sie waren früher nicht confisciert worden, als sie das erstemal in der "D. ö. Volkszeitung" erschienen, sie find nachträglich vom 9. bis 13. nicht confisciert gewesen. Der Bezirkshauptmann von Krummau aber hat laut Erkenntniß, das ich im Orginale hier habe, und in das auch Jedermann Einsicht nehmen kann, gefunden, daß doch eine Verletzung des Preßgesetzes in der Art stattgefunden hat, daß der Herausgeber jenes Blattes kein Recht zur Verbreitung dieses Separatabdruckes hatte. Meiner Anficht nach ist diese Anschauung des Bezirkshauptmannes von Krummau schon deßhalb unrichtig, weil der Herausgeber jenes Blattes Herr Wiltschko zugleich Buchhändler ist und deshalb das Recht hat, alle beliebigen Druckschriften zu verbreiten. Aber sehen wir zunächst davon ab, er hat diese Anschauung gehabt, die ich für eine irrige ansehe, und hat die weitere Versendung dieser Separatabdrücke sowohl mit der Volkszeitung als für sich allein inhibirt Er hat weiter zunächst die Anzeige an die Staatsanwaltschaft nach Budweis erstattet. Die Staatsanwaltschaft in Budweis scheint gewonht zu sein, derartige Akte sehr flüchtig vorzunehmen, sie hat darin in der Eile eine Konfiscation erkannt und hat beim Kreisgerichte um die Bestätigung der angeblichen Konfiskation angesucht, und die

angebliche, niemals stattgefundene Konfiskation ist auch bestätigt worden.

Diesmal sage ich natürlich nicht, daß das gesetzwidrig ist, weil es hier verboten ist, ich gestatte aber jedem Herrn Abgeordneten, ich gestatte es auch jedem anderen, der von diesem Falle Kenntnis nimmt, es als gesetzlich zu erklären. (Rufe: Sehr gut! links. )

Ein anderer Bezirkshauptmann hat eine ganz neue Art der Confiscation erfunden, es ist dies der Bezirkshauptmann von Schüttenhofen.

Daß der Staatsanwalt und der Bezirkshauptmann confisciren kann, das wissen wir, dazu gibt ihnen das Gesetz nach der jetzigen Auffassung das Recht.

Ursprünglich war es ohne Zweifel anders gedacht, als das Gesetz geschaffen wurde, aber wir wollen darüber nicht streiten; es wäre auch hier nicht der Ort dazu, aber wenn ein Staatsanwalt oder Bezirkshauptmann confiscirt, so muß er doch ein bestimmtes Verfahren beobachten, es muß von der Confiscation, wenn sie der Bezirkshauptmann vorgenommen hat, an die Staatsanwaltschaft berichtet werden, die Staatsanwaltschaft muß sich an das Kreisgericht wenden, das Kreisgericht muß ein Erkenntnis fällen, und es ist dann auch eine Berufung darüber möglich. Der Schüttenhofener Bezirkshauptmann hat viel einfacher confiscirt. Er hat sich nämlich zur Zeit der Reichsrathswahlen, speziell 14 Tage vor den Reichsrathswahlen, also in der zweiten Hälfte des Mai 1885 die Exemplare der "deutsch österreichischen Volkszeitung" aus Kruman, welche das Postamt in Schüttenhofen passiren mußten, welche also für die Abonnenten in Schüttenhofen und Umgebung, in Neuern und Umgebung bestimmt sind, einfach von der Post kommen lassen und hat sie bei sich behalten. Wahrscheinlich ist dies auch ein gesetzlicher Vorgang. (Heiterkeit links. )

Mir ist es einmal vorgekommen, daß ein Bezirkskommissär, der in meinem Locale eine Confiscation vornahm, auch bedrucktes Papier confisciren wollte, welches nicht confiscirt war. Als ich mich dagegen wendete und er darauf bestand, habe ich ihm in deutlicher Weise die Frage vorgehalten, ob er denn wisse, wie man das nennt, wenn er sich unterfangen sollte, mir ein Blatt wegzunehmen, welches nicht confiscirt ist? Da hat er mich verstanden, und hat das nicht confiscirte Papier liegen gelassen: Dieselbe Frage möchte ich an den Bezirkshauptmann in Schüttenhofen richten. (Rufe: Sehr richtig! links. )

(Abg. Tonner: Oho).

Dem Herrn Abg. Tonner natürlich wird dies weniger anstößig scheinen, das begreife ich vollständig; uns Deutschen in Böhmen ist es aber in der That anstößig und auffallend, daß man so gegen uns verfahren darf.

Wie gesagt, ich könnte stundenlang darüber reden, und würde dieses Thema doch nicht erschöpfen.

Ungern nur spreche ich insbesondere von jenen Preßmaßregelungen, die mir selbst vorgekommen sind.

Aber ein Fall ist mir vorgekommen und daher sehr genau bekannt - ich habe auch die ganzen Belege hier, weil ich mich mit den Akten versehen habe - und das ist folgender. Ich möchte diesen Fall, als die Abenteuer einer Zeitungsnummer" betiteln.

Am 25. November des Jahres 1883 haben die deutschen Abgeordneten Böhmens hier in Prag bekanntlich eine Conferenz abgehalten. Und da ich die "Leitmeritzer Zeitung" herausgebe, welche wöchentlich zweimal, am Mittwoch und am Samstag erscheint, wollte ich Vorsorge treffen, daß das Resultat dieser Conferenz, die Beschlüsse, die auf dieser Conferenz voraussichtlich würden gefaßt worden sein, meinen Lesern schon am Montag bekannt würden, an welchem Tag meine "Leitmeritzer Zeitung" sonst nicht erscheint. Da ich Weiß, daß man als oppositioneller Journalist das Preßgesetz ganz genau berücksichtigen muß, so habe ich zur Vorsicht, obwohl ich dasselbe ziemlich genau kenne, es nochmals genau durchgesehen und habe gefunden, da habe ich offenbar von dieser Extraausgabe, die ich am Montag den 26. Oct. machen will, der Bezirkshauptmannschaft und der Staatsanwaltschaft die Anzeige zu erstatten. Das habe ich auch gethan.

Ich habe um 26. Morgens die Beschlüsse, die die deutsche Abgeordnetenconferenz in Prag gefaßt hat, erhalten, habe sie einigen Setzern gegeben, dieselben haben sie in kurzer Zeit gesetzt und gegen Mittag, wie ich es auch angezeigt hatte, (ich hatte die Stunde angegeben, um 12 Uhr werde die Extraausgabe erscheinen) wollte ich das Extrablatt erscheinen lassen. Es war fertig, es wurden die Pflichtexemplare vorgelegt, und notabene es enthielt gar nichts anderes als den Wortlaut jener Beschlüsse. Nun dürsten sich in diesem hohen Hause manche der geehrten Herren Abgeordneten erinnern, daß jene Beschlüsse der deutschen Abgeordnetenconferenz vom 25. Nov. 1883 in

gar keinem anderen Blatt confiscirt worden sind. Anders geschah es in Leitmeritz. Mein Extrablatt der "Leitmeritzer Zeitung", das, wie gesagt, kein Wort mehr enthielt als diese Beschlüsse, wurde confisciert und zwar ohne Angabe der Gründe. Sonst bezeichnet man doch wenigstens die Stelle, die als anstößig aufgesatzt wird, dies war aber diesmal nicht der Fall. Da ich die Stelle nicht wußte, sah ich die Resolution nochmals durch und Strich ein paar Worte und veranstaltete eine zweite Ausgabe, indem ich dachte; Vielleicht wird diese zweite Ausgabe Gnade vor dem Staatsanwalt und Bezirkshauptman finden. Sie wurde jedoch abermals consfisciert, ich strich aber noch etwas aus der Resolution und veranstaltete eine dritte Ausgabe. Diese wurde abermals confisciert - jetzt aber, zum drittenmal wurde, mir wenigstens gesagt, daß die zwei ersten Absätze der Resolution confisciert worden seien und ohne die zwei ersten Sätze könnte ich also die Resolution erscheinen lassen.

Aber es war inzwischen zu spät geworden und hatte keinen Zweck mehr, ich habe also die weitere Ausgabe nicht mehr veranlaßt. Damit war aber die Geschichte dieses Extrablattes gar nicht zu Ende, der viel interessantere Theil kommt erst. Das war bloß die Thätigkeit des Staatsanwaltes. Der Bezirkshauptmann von Leitmeritz, der jetzt Statthaltereirath in Prag ist, Herr Rudolf Stummer Schickte mir eine Zuschrift, in welcher erklärt war, das Extrablatt der "Leitmeritzer Zeitung, " welche ich heute nach meiner Anzeige herausgeben wolle, sei kein Bestandtheil der "Leitmeritzer Zeitung. " - so steht es wörtlich darin - und da es kein Bestandtheil der Leitmeritzer Zeitung (nach der Auffassung des Bezirksbauptmannes), so sei es keine periodische Druckschrift, darum also könne die Ausgabe nicht zugleich mit der Vorlegung der Pflichtexemplare erfolgen, sondern es müßen die Pflichtexemplare 24 Stunden auf der Bezirkshauptmannschaft und der Staatsanwaltschaft liegen bleiben und dann erst dürfen sie herausgegeben werden. Ich habe dagegen eine Verwahrung eingelegt, habe erklärt, daß es im Preßgesetz nicht begründet ist, daß doch offenbar ein Extrablatt einer Zeitung Bestandtheil der Zeitung fein müßte. Ich verlangte, daß die Verwahrung als Recurs behandelt werde, und so kam sie auch dem Statthalter Freih. von Kraus zu. Statthalter Freiherr von Kraus bat aber ganz in diesem Sinne entschieden, das Extrablatt dürfe nicht erscheinen.

Inzwischen kamen am Dienstag, den 27 November die Prager und Wiener Blätter. Sowie andere nach Leitmeritz, und diese brachten die Resolution vollinhaltlich, während dieselbe bei uns nicht nur beanständet und konfiszirt, sondern auch die Ausgabe eines Extrablattes verboten worden war.

Ich veranstaltete dann am Mittwoch den 28. Nov. die gewöhnliche Ausgabe meines Blattes, und da durfte ich die Resolution, die am Montog dreimal konfiszirt worden war, vollinhaltlich beingen (Hört! Hört! links).

Und was sollen die Bewohner von Leitmeritz zu dieser Handhabung des Preßgesetzes sagen ?

Ich enthalte mich abermals jedes Urtheils. Aber zur Charakteristik des Vorgehens des damaligen Bezirkshauptmannes Rudolf Stummer möchte ich denn doch etwas hinzufügen.

In meinem Fall war er der Anficht und diese Ansicht wurde auch vom Statthalter Baron Kraus bestätigt, daß ein Extrablatt einer Zeitung kein Bestandtheil der Zeitung sei; als aber einige Zeit früher ein anderes Blatt in Leitmeritz, welches Damals offiziös war und einen verurtheilten Verbrecher zum Redacteur hatte (Hört! links), auch ein Extrablatt veranstaltete, weil gerade der Bürgermeister von Leitmeritz gewählt worden wardas Extrablatt erschien unmittelbar nach der Wahl des Bürgermeisters, konnte also offenbar keine 24 Stunden vorgelegen fein. Da wurde die Ausgabe dieses Extrablattes gestattet. (Hört! Hört! links).

Das, erkläre ich, ist mindestens zweierlei Maß und darum beschuldigen wir die gegenwärtige Verwaltung der Parteilichkeit gegen die Deutschen in Böhmen. (Bravo! Bravo! Sehr richtig! links.

Allein die Preßmaßregelungen, die bisher geübt wurden, reichen, wie es scheint, noch immer nicht aus Man macht immer wieder ganz neue Erfindungen, und ich möchte heute dem Herrn Statthalter eine fast funkelnagelneue Entdeckung vorführen, die er vielleicht feinen untergeordneten Organen zur Nachahmung empfehlen kann, um das Preßgesetz gegen oppositionalle Zeitungen noch wirksamer zu handhaben. (Hört! Hört! links).

Ich gebe außer der Leitmeritzer Zeitung auch den "Deutschen Landwirth" heraus, und der Redakteur der letzteren Zeitschrift ist unlängst auf eine Anzeige der leitmeritzer Bezirkshauptmannschaft, also einer dem Herrn

Statthalter untergeordneten Behörde von der Staatsanwaltschaft wegen Programmüberschreitung angeklagt worden, weil im "Deutschen Landwirth" am 15. November v. J. ein Artikel über die Schule enthalten war.

In der Anzeige heißt es, daß durch diesen Artikel wohl das Programm überschritten sein dürfte. Das Programm des "Deutschen Landwirth" aber lautet, daß er besprechen könne "alle politischen, nationalen, wirthschaftlichen und socialen Angelegenheiten, sowie insbesondere auch alle Fragen, welche Verhandlungsgegenstände des Reichstags und Landtags sein können" (Hört! Hört! links).

Nun möchte ich gerne wissen, ob mit diesem Programm nicht jede Zeitung herausgegeben Werden kann, und ob bei diesem Programm eine Programmüberschreitung überhaupt denkbar ist.

Man hat eben eine neue Erfindung gemacht, man klagt jetzt die Zeitungen wegen Programmüberschreitung an. Die Richter müssen in solchen Fällen natürlich doch frei sprechen; aber die Staatsanwaltschaft und die Richter müssen sich bemühen, die Parteien verlieren Zeit u. s., w., nur damit an der oppositionellen "Presse" möglichst viel genergelt werde.

So geht es ins unendliche fort. Ich könnte Fälle anführen, wo sogar Entscheidungsgründe der Gerichte wieder confiscirt wurden

Ja gerade bei jenem Extrablatt ist das auch geschehen, nachdem dasselbe zuerst verboten worden war. Nachdem die Resolution der deutschen Abgeordneten am 26. November als staatsgefährlich erklärt worden war, am 28. dagegen auch in Leitmeritz erscheinen durfte, ist später am 15. Dezember 1883 wieder das kreisgerichtliche Confiscationserkenntnis confiscirt worden, weil in den Gründen angeblich der Inhalt einigermaßen angedeutet worden war.


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