Angesichts der hohen Wichtigkeit, welche dem bezogenen Reichsgesetze innewohnt, indem dieses die bisher straflose Landstreicherei unter zu ahn= dende Uibertretungen reiht und durch Normirung
strenger Strafsätze gegen Landstreicher eine rasche Abnahme des die Bevölkerung über alle Begriffe belästigenden Vagabundenthums wohl in beinahe sichere Aussicht stellt, war es der Kommission nahe gelegt, welche Richtschnur sie bei ihren Anträgen einzuschlagen hätte, um die so erwünschte rasche Handhabung des besagten Gesetzes zu fördern.
Es wurde deshalb der Antrag beschlossen, daß mit der Fällung von Schubserkenntnissen alle Ge= meinden zu betrauen wären, in denen sich der Sitz eines k. k. Bezirksgerichtes besindet.
Wird der hohe Landtag diesen Antrag seiner Kommission zum Beschluße erheben, so wird" es dann gemäß § 19 des Reichsgesetzes vom 27. Juli 1871 R=G. =Bl. Nr. 88) Sache der k. k. Statt= halterei sein, einvernehmlich mit dem Landesaus= schuße die Vorkehrung zu treffen, daß in Voll= ziehung dieses Landesgesetzes auch an jenen Sitzen der Bezirksgerichte Schubsstationen errichtet werden, wo solche bisher nicht bestehen.
Um aber außerhalb der Bezirksgerichtssitze auch dort das Schubsgeschäft zu erleichtern und zu beschleunigen, wo besonders gestaltete Ver= hältnisse dies erwünscht machen, erachtete man es für angedeutet, es dem Einvernehmen der Statt= halterei und des Landesausschußes zu überlassen, im Verordnungswege weitere Gemeinden mit der Fällung der Schubserkenntnisse zu betrauen und deren Geltungsgebiete zu normiren.
Eine Ergänzung erlitt die Vorlage des Landes= ausschußes durch Einfügung einer Bestimmung über die Berufungsinstanz.
Das Gesetz würde lauten, wie folgt.
Prag, am 16. Dezember 1873.
Oberstlandmarschall: Ich eröffne die Generaldebatte. Herr Abgeordnete Jahnel hat das Wort.
Jahnel: Jndem ich mir das Wort erbitte, erkläre ich sofort, daß ich gegen den vorgelegten Gesetzentwurf sprechen werde.
Schon in der vom hohen Landtage zur Berathung der Landesausschußanträge niedergesetzten Kommission machten sich zwei verschiedene Ansichten geltend, die leider ohne Vermittelnd geblieben sind.
Die eine dieser Ansichten, und es ist dies die im vorliegenden Gesetzentwurse zum Ausdruck ge= brachte Ansicht der Kommissionsmajorität, geht dahin, daß der hohe Landtag berechtigt sei, von der Vor= schrist des Reichs-Gesetzes, nach welcher als Schub= behörde erster Instanz die k. k. Bezirkshauptmann= schaften zu fungiren berufen sind, vollständig Um= gang zu nehmen, daß es zweitens zulässig sei, jene Gemeinden, denen das Recht, Schubserkenntnisse zu fällen, nach dem Kommissionsantrage übertragen werden soll, mit diesem übertragenen Wirkungskreise nicht nur für das Gebiet der Gemeinde, fon= dern weit über dasselbe hinaus für den ganzen Sprengel des Bezirksgerichtes zu belasten, und daß es drittens angezeigt fei, bei dem hohen Landtage darauf anzurathen, daß auf ein der Landesvertre=
tung ausdrücklich vorbehaltenes Recht, nämlich auf das Recht, einzelnen Gemeinden das Recht der Fällung von Schubserkenntnissen zu übertragen, verzichtet werden solle
Ich habe dagegen die Ansicht vertreten, daß der hohe Landtag an das Reichsgesetz gebunden sei, daß die Belastung der Gemeinden in der von der Kommissionsmajorität angetragenen Weise nicht nur gesetzlich nicht gerechtfertigt sei, sondern sich auch mit Rücksicht auf die Verhältnisse der Ge= meinden nicht vertreten lasse, endlich daß bloße Opportunitätsgründe - und andere wurden nicht geltend gemacht - den Verzicht des hohen Land= tages auf das ihm ausdrücklich vorbehaltene Recht nicht begründen können. Da ich mit diesen Ansichten nicht durchzudringen vermochte, so erlaube ich mir hiemit an den hohen Landtag zu appeliren. Ich wende mich zunächst zu der von mir aufgestellten Behauptung, daß als Schubbehörden 1. Instanz fortan die k. k. Bezirkshauptmannschaften zu fun= giren bernfen sind. Es heißt nämlich im §. 5 des Reichsgesetzes vom 27. Juli 1871: Zur Fäl= lung von Erkenntnissen auf Abschiebung oder Ab= schaffung sind als Schubbehörden berufen: die Po= lizeidirektion und ihre exponirten Organe, und da, wo sie nicht bestehen, diejenigen landesfürstlichen oder Kommunalbehörden, welchen die Füh= rung der politischen Amtsgeschäfte erster In= stanz übertragen ist. Das ist die Regel. Eine Ausnahme von dieser Regel enthält der §. 6 des Reichsgesetzes vom 27. Juli 1871, indem derselbe der Landesgesetzgebung das Recht vorbehält, die Fällung der Schuberkenntnisse auch einzelnen Gemeinden zu übertragen.
Was hat nun die Kommissionsmajorität mit dieser Ausnahme und mit jener Regel gemacht? Sie hat die Ausnahme zur ausnahmslosen Regel erhoben, die Regel selbst aber bei Seite geschafft, denn dadurch, daß das Recht, Schubserkenntnisse zu fällen, allen Gemeinden zustehen soll, in welchen sich Bezirksgerichte besinden, also auch jenen Ge= meinden, in welchen sich Bezirkshauptmannschaften besinden, denn überall, wo Bezirkshauptmannschasten sind, sind auch Bezirksgerichte, und da sich der Wir= kungskreis dieser Gemeinden nicht nur auf ihr Ge= biet, sondern auf den ganzen Sprengel des betreffenden Bezirksgerichtes erstrecken soll, so bleibt für die Kompetenz der k. k. Bezirkshauptmannschasten als Schubsbehörden erster Instanz keinerlei Gebiet übrig.
Ich glaube nicht, daß der h. Landtag be= rechtigt, einen solchen Beschluß zu fassen, denn der h. Landtag erhielt durch §. 6 des Reichsge= setzes vom 27. Juli 1871 das Recht, die Fällung der Schubserkenntnisse ausnahmsweise einzelnen Gemeinden zu übeltragen. Ausnahmen müssen streng ausgelegt werden, sie dürfen niemals so ausgelegt werden, daß dadurch die Regel selbst bei Seite ge= schoben wird Im Uebrigen ist es wohl Jedermann geläusig, daß ein durch einen übereinstimmenden
Beschluß beider Häuser des Reichsrathes zu Stande gekommenes, von Sr. Majestät sanktionirtes Reichs= gesetz nur wieder durch einen gleichen Beschluß des Reichsrathes unter abermaliger Sanktion der Krone geändert und beziehungsweise ausgehoben werden kann.
Der h. Landtag hat kein Recht, Reichsgesetze zu ändern oder aufzuheben, er darf also auch keinen Beschluß fassen, welcher dem Reichsgesetze schnurstraks zuwiderlaufen und es dadurch abändern, beziehungsweise aufheben würde. Ich glaube also, daß der vorgelegte Commissionsentwurf schon aus diesem Grunde nicht annehmbar ist. Man könnte allerdings daraus hinweisen, daß die kaiserlichen Bezirkshauptmannschasten auch nach dem Kommissionsentwurse, nämlich nach §. 4 des Gesetzent= wurses Schubsbehörden bleiben sollen. Ganz richtig, aber sie bleiben nicht Schubsbehörden erster In= stanz, als welche sie durch das Reichsgesetz berufen worden sind, sondern ste sollen durch den vorgelegten Gesetzentwurf erst Schubsbehörden zweiter Instanz werden.
Ich übergehe zur zweiten, von mir aufgestellten Behauptung, daß die Belastung der Gemeinden im Sinne des Commissionsantrages nicht nur ge= setzlich nicht gerechtfertigt ist, sondern auch vom Standpunkte der Verhältnisse unserer Gemeinden nicht gerechtfertigt werden könne. Diese Belastung ist gesetzlich nicht gerechtfertigt, weil es kein allgemeines Gesetz gibt, das sie zuläßt. Man hat mich auf den Art. 6 des Reichsgesetzes vom 15. März 1862, durch welches die grundsätzlichen Bestimmungen zur Regelung der Gemeindeverhältnisse erlassen wurden, dann auf den §. 29 der Gemeinde= Ordnung vom Jahre 1864 verwiesen, welche übereinstimmend lauten: "Den übertragenen Wirkungskreis der Gemeinden, d. i. die Verpflichtung derselben zur Mitwirkung für Zwecke der öffentlichen Verwaltung bestimmen die allgemeinen Gesetze und innerhalb deren die Landesgesetze. " Allein ich glaube, daß diese gesetzlichen Bestimmungen für meine An= sicht und nicht für jene der Commissionsmajorität sprechen, denn ich frage: Wo sind denn die allgemeinen Gesetze, innerhalb welcher die Landesgesetze die Gemeinden in der von der Commissionsmajorität beantragten Weise belasten dürfen? Es gibt keine solchen. Innerhalb nicht bestehender Gesetze aber kann der Landtag den Gemeinden nichts übertragen. Wenn man sich auf eine allgemeine ge= setzliche Bestimmung berufen wollte, so könnte es nur der §. 6 des Reichsgesetzes vom 27. Juli 1871 sein; allein dieser Paragraph spricht immer nur von einzelnen Gemeinden, niemals von ganzen Bezirksgerichtssprengeln.
Auch sagte man mir, daß es im §. 61 der Gemeinde=Ordnung heiße:,, Der Gemeindevorsteher besorgt die Geschäfte des übertragenen Wirkungskreises der Gemeinde, daß es also hier nicht heiße; "in der Gemeinde".
Allein so lange der übertragene Wirkungsfreis der Gemeinden, wie dies bisher überall der Fall ist, mit den Grenzen der Gemeinde zusammen= fallt und nicht durch ein allgemein giltiges Gesetz erweitert ist, ist es wohl alles eins, ob es im §. 61 der Gemeindeordnung heißt,, der Gemeinde" oder "in der Gemeinde".
Also gesetzlich rechtfertigen läßt sich die ge= nannte Belastung nicht; sie läßt sich auch nicht vertreten vom Standpunkte unseter Gemeinden Unseren Gemeinden und ihren Organen ist durch die bestehende Reichs= und Landesgesetzgebung be= restds ein so umfangreicher Wirkungskreis zugewiesen, daß sie damit vollauf beschäftigt sind. Sie nun noch in der von der Kommission beantragten Weise belasten zu wollen, hieße sie geradezu überbürden.
Die Gemeinden aber überbürden zu wollen, hieße abermals das Reichsgesetz vom 27. Juli 1871 auf die Spitze stellen, denn dem §. 6 dieses Ge= setzes liegt offenbar das Bestreben zu Grunde, die überbürdeten Bezirkshauptmannschasten, je nach der Notwendigkeit zu entlasten, niemals aber an die Stelle einiger uberbürdeter Bezirkshauptmann= schaften, in Böhmen allein z. B. über 200 überbürdete Gemeinden zu setzen.
Daß eine Uiberbürdung der Gemeinden nach dem Kommissionsantrage eintreten müßte, ist leicht zu erweisen. Man bedenke nur, daß jedes Indi= viduum, das ans den Schub gesetzt werden soll, früher konstituirt werden muß. Man bedenke, daß dort, wo die Zuständigkeit des Abzuschiebenden nicht zweifellos ist, dieselbe früher sichergestellt werden muß, weil sonst der Gemeindevorsteher in die un= angenehme Lage kommen würde, die ungerecht= fertigten Kosten der Hin= und Zurückschiebung aus Eigenem tragen zu müssen.
Die Ernirung der Zuständigkeit kann Wochen und Monate in Anspruch nehmen; während dem muß das Individuum verwahrt und verpflegt wer= den. Die diesfälligen Kosten ersetzt der Gemeinde Niemand. Auch der Landesfond tritt mit dem Er= satze der Schubskosten erst von dem Augenblicke ein, in welchem das Individuum wirklich auf den Schub gesetzt wird.
Man bedenke ferner, daß dort, wo, das ab= zuschiebende Individuum entweder der Landstreicherei nach dem Reichsgesetze vom 10. Mai 1873, oder einer im allg. Str. =G. =B. verpönten strafbaren Handlung, sei sie eine Uibertretung ober ein Ber= brechen, verdächtig ist, mit dem kompetenten Stras= gerichte das Einvernehmen gepflogen werden muß, ehe die Abschiebung erfolgen darf x.. x. Daß alle diese Amtshandlungen die odiosesten sein würden, die man dem gewählten Vertreter einer autonomen Gemeinde zuweisen kann, ist ganz gewiß. Es ist aber auch gewiß, daß wir durch ein Gesetz im Sinne des Kommissionsentwurfes die größte Unzufriedenheit im Lande hervorrufen würden Seien wir daher vorsichtige bringen wir den Gemeinden nicht ein
Neujahrsgeschenk nach Hause, welches offenban zu Rekriminationen Anlaß geben müßte.
Nun könnte man mir wohl sagen, daß einzelne Gemeinden, ja daß eine ganze Reihe von gemeinden schon derzeit Schubsstationen sind. Allein, meine
Herren, die Beförderung eines Schüblings von Station zu Station läßt sich sowie die Besorgung der Vorspänne in gar keine Parallele, stellen mit der Summe jener unangenehmen Amtshandlungen, zu denen das Vagabundenthum eines ganzen Be= zirkes Jahr aus Jahr ein Veranlassung gibt Zum Glücke, konnte ich sagen, hat die Kommission einen Umstand übersehen, an welchem die Ausführbarkeit ihres Antrages scheitelt. Die Gemeinden haben nämlich nicht die genügende Anzahl von Arresten, die nothwendig sind, um alle die Individuen zu verwahren, die im ganzen Sprengel des, Bezirksgerichtes ab und zu in Polizeihaft gebracht werben. Wollte man dem nun entgegnen, daß die auf= gegriffenen Individuen in dem Arreste jener Ge= meinden zu verwahren feien, in deren Gebiete sie betreten wurden, und baß der Vorsteher dieser Ge= meinden das Individuum zu konstituiren und alle die von mir aufgezählten Amtshandlugen vorzu= nehmen, schließlich aber die Akten zur Fällung des Schubserkenntnisses lediglich an die Gemeinde im Sitze des Bezirksgerichtes einzusenden habe, dann, glaube ich, konnte man dem gestellten Kommsions Antrage aus dem doppelten Grunde nicht zustimmen, weil dann der Zweck des Gesetzes nicht erreicht wäre und weil dann auch der Rechtssicherheit, auf welche wohl auch der Polizeihäftling Anspruch ma= chen kann, nicht die gebührende Rücksicht gezollt wäre. Das einzige, was koncedit werden konnte, wäre, daß jenen Gemeinden, welchen das Recht, Schubserkenntnisse zu sällen,, übertragen werden soll, mit ihrem Einverständnisse ein das Gebiet der Gemeinde überschreitender größerer Rayon zugewiesen werden könnte.
Ich komme zur 3. Differenz, betreffend die Frage, ob es ans Opportunitätsrücksichten angezeigt sei, aus das dem h Landtage verliehene Recht, einzelnen Gemeinden die Fällung von Schubser= kenntnissen zu übertragen, zu Gunsten der h. Re= gierung zu verzichten. Ich möchte mir in dieser Be= ziehung vor Allem den Beweis zu, führen erlauben, daß das Reichsgesetz geradezu will, daß der hohe Landtag von dem ihm verliehenen Rechte selbst Ge= brauch mache. Prüfen und vergleichen wir nament= lich die §§. 5 und 6 des Reichsges. vom 27. Juli 1871, so werden wir sinden, daß, die Fälle, in welchen die Regierung gewissen Gemeinden die Fällung von Schubserkenntnissen übertragen darf, vollständig auseinandergehalten sind von dein Rechte des h. Landtage, diese Fällung auch anderen als fiesen gewissen Gemeinden zu übertragen. Im §. 5 ist nämlich die Rede von solchen Orten, an wel= chen sich nebst der k. k. Polizeidirektion auch ein Kommunalmagistrat besindet. Für solche Orte nun ertheilt das Gesetz der Regierung das Pouvoir,
die Fällung der Schubserkenntnisse von der k. k. Polizeidirektion, der sie in erster. Linie zusteht, an den Kommunalmagistrat zu übertragen. Es ist dies richtig, denn das Gesetz erkennt bereits beide Ka= tegorien dieser Behörden für geeignet an und will es demnach der Regierung anheimgestellt wissen, sich von diesen beiden Behörden die eine oder die andere auszuwählen.
Anders ist es im §. 6 des R. -G., welcher sagt, daß durch die Landesgesetzgebung die Fällung der Schubserkenntnisse außer den Fällen des §. 5 einzelnen Gemeinden des Landes im übertragenen Wirkungskreise zugewiesen werden kann. Hier ist ein offenbarer Gegensatz zu §. 5 nach dem klaren Wortlaute des Gesetzes ausgesprochen, daß der hohe Landtag die einzelnen Gemeinden des Landes, denen er die Fällung von Schubserkenntnissen übertragen zu können glaubt, selbst benennen müsse; dem Landtage ist es vorbehalten, diese einzelnen Gemein= den zu benennen.
Ich möchte für meinen Theil dem h. Hause übrigens gar niemals den Antrag stellen, auf ein ihm zustehendes Recht, es wäre denn zu Gunsten der Reichsvertretung, Verzicht zu leisten. Ich möchte dies um so weniger im vorliegenden Falle, wo das Reichsgesetz es geradezu will, daß der hohe Land= tag von seinem Rechte selbst Gebrauch mache, ich möchte es um so weniger am böhmischen Landtage bei seiner dermaligen Zusammensetzung.
Sehen wir uns doch übrigens einmal die Opportunitätsgründe näher an, die eine solche Ver= zichtleistung rechtfertigen sollen.
Man sagt für's erste, daß es sich um ein ganz geringfügiges Recht handle. Ich habe nachgewiesen, daß das Recht je nach der Auslegung und Anwendung ein sehr wichtiges und in seinen Folgen weit= tragendes ist.
Man sagt ferner, daß der h. Landtag als eine zu große Körperschaft nur schwer in die Lage kom= men dürfte, ein richtiges Verzeichniß der auszuwäh= lenden Gemeinden fertig zu bringen. Der h. Landtag, der aus den Vertretern des Landes zusammengesetzt ist, sollte, wenn ihm von der h. Statthalteri und dem Landesausfchuße die nöthigen Vorerhebungen geboten werden, nicht im Stande sein, ein richtiges Verzeichniß zusammenzubringen? Mir scheint es im Gegentheil, daß die h. Statthalterei einvernehmlich mit dem Landesausschuße nicht ganz glücklich ge= wesen ist bei Verzeichnung derjenigen Gemeinden, denen das fragliche Recht zu verleihen wäre. Ich will mir kein maßgebendes Urtheil erlauben über die sämnitlichen Verhältnisse des Landes. Allein, wenn ich einen Blick auf das mit intelligenten Städten wie übersäete nördliche Böhmen werfe, so muß mir auffallen, daß so manche Städtegemeinde in dem vom Landesausschuße vorgelegten Verzeichnisse nicht vertreten ist, die darin hätte Ausnahme sinden sollen.
So fehlt im Reichenberger Bezirke das an der sächsischen Grenze gelegene Grottan und das ganz
nahe an der Turnauer Bezirksgrenze gelegene Lie= benau. Von den im Rumburger Bezirke besinnlichen Stadtgemeinden Warnsdorf, Georgenthal, Kreibitz und Schönlinde ist nicht eine einzige aufgenommen. Grottau und Liebenau fehlen, obwohl der Rei= chenberger Bezirkshauptmann in seinem Berichte aus diese bei den Städte hingewiesen hat; von den im Rumburger Bezirke gelegenen Städten ist keine auf= genommen worden, weil die Bezirkshauptmann= schast von Rumburg keine vorgeschlagen hat. Alle Gemeinden, heißt es in dem betreffenden Berichte, können wir nicht als Schubgemeinden aufstellen; geben wir aber der einen das Recht und den anderen nicht, so werden Eifersüchteleien und Differenzen daraus entstehen. Nun, ich denke, meine Herren, wenn der hohe Landtag das Recht der Nominirung der Gemeinden in der Hand behält, so wird er über solche Schwierigkeiten hinüberzukommen wissen; er wird durch die von den Mitgliedern des hohen Hauses gestellten Zusatzanträge gar leicht in die Lage kommen, ein richtiges Verzeichniß der auszu= wählenden Gemeinden zu Stande zu bringen. Man sagt endlich, daß der hohe Landtag sich irren kann, daß eine oder die andere ausgewählte Gemeinde nachträglich sich nicht als qualifizirt erweisen könnte und daß deshalb der hohe Landtag in die Lage kommen könnte, alljährlich abändernde Gesetze machen zu müssen. Ich glaube, meine Herren, wenn wu mit der nöthigen Vorsicht wählen, so werden wilder Gefahr, alljährlich abändernde Gesetze machen zu müssen, nicht ausgesetzt sein; es ist ja doch be= kannt, daß auch bei den mit Konzeptspersonal schwach dotirten k. k Bezirkshauptmannschasten, wenigstens bei den überbürdeten Hauptmannschaf= ten die Schuberkenntnisse werde vom Bezirks= hauptmanne noch vom Bezirkskommissär gefällt wer= den; das thut der Bezirkssekretär. Was aber ein bezirkshauptmannschaftlicher Kanzleibeamte trifft, das sollte man wohl auch dem Vorsteher einer intelli= genten Stadtgemeinde zutrauen dürfen. Im Übrigen können ja Mißbräuche nicht so leicht vorkommen, weil die Fälle, in welchen ein Schuberkenntniß ge= fällt werden darf, im Reichsgesetze vom 27. Juli 1871 ausgezählt sind; und sollte irgendwo ein Mißgriff vorkommen, wie ja ein Fehler auch bei der Bezirkshauptmaunschaft vorkommen kann, so wird er sich durch das auch dem Schübling zu wahrende Rekursrecht jedenfalls saniren lassen. Die von mir besprochenen Opportunitätsrücksichten kön= nen also dem Verzichte auf das dem hohen Land= tage zustehende Recht nicht das Wort reden. Da= gegen wäre jedoch nichts einzuwenden, daß der mit Einverständniß der Gemeinden ausgemittelte großere Rahon von der Statthalterei im Einvernehmen mit dem hohen Landesausschuße festgestellt würde, wenn nur die Gemeinde, der das Recht, Schubserkennt= nisse zu fällen, zustehen soll, vom hohen Landtage nominirt wird. Ich kann mit einer gewissen Ge= nugthunng darauf hinweisen, daß diese von mir entwickelten Ausichten im Einklange sind mit den
Anschauungen, von welchen auch die hohe Statthalterei und der hohe Landesausschuß bei der Ver= zeichnung jener Gemeinden ausgegangen sein müssen, die nach ihrem Antrage das Recht, Schubserkennt= nisse zu fällen, bekommen sollen. Denn nach diesem Antrage bleiben die k. k. Bezirkshauptmannschasten Schubsbehörden 1. Instanz. In diesem Antrage ist von einer Zumuthung, daß der hohe Landtag auf sein Recht verzichten solle, keine Rede und die Be= lastung der Gemeindebehörden im Sinne des Lan= desausschußantrages ist keineswegs eine so drückende, wie die nach dem Antrage der Kommission. Ja man könnte sich mit der Belastung der Gemeinden im Sinne des Landesausschußantrages sogar ein= verstanden erklären, wenn der Antrag des Landes= ansschußes durch die Zufügung der Worte "in den von der Statthalterei im Einvernehmen mit dem Landesausfchuße und mit Zustimmung der betreffenden Gemeinden festzustellenden Ge= bieten" ergänzt und beziehungsweise amendirt würde.
Dessen ungeachtet bin ich nicht in der Lage, den Antrag des h. Landesausschußes, beziehungsweise das im Antrage des h. Landesausschußes enthaltene Verzeichniß als ein genügendes Substrat für unsere heutige Beschlußfassung zu bezeichnen, denn dieses Verzeichniß ist unvollständig und ist von der Kommission nicht vervollständigt worden. Es ist deshalb unvollständig ausgefallen, weil bei Zusammenstellung dieses Verzeichnisses nicht alle jene Rücksichten gewürdigt wurden, die zu würdigen waren. Ich werde dies sofort beweisen.
Ich habe bereits erwähnt, daß dem §. 6 des R. =G. offenbar die Bestrebung zu Grunde liegt, die überbürdeten k. k. Bezirkshauptmannschaften so= viel als möglich zu entlasten. An uns, den Vertretern des Landes, liegt es nun, diese Entlastung derart durchzuführen, daß gleichzeitig mit der Entlastung der Bezirkshauptmannschasten von der das Vagabundenthum betreffenden Agenda dem Vagabunden= thume selbst so viel wie möglich auf den Leib gegangen werde. In dieser Richtung hätte ich nichts dagegen einzuwenden, daß vorzugsweise solche Orte mit der Fällung von Schubserkenntnissen be= traut werden sollen, welche Sitz der Bezirksgerichte sind, nicht so sehr deshalb, weil die Bezirksgerichte nach dem Ges. vom 10. Mai 1873 die Landstrei= cherei zu strafen haben, denn ans einer Strafe macht sich ein Landstreicher nicht viel, aber darum, weil die Bezirksgerichte es sind, welche die Notio= nirung in die Zwangsarbeitshäuser auszusprechen haben. Nur die Errichtung von Zwangsarbeitshänsern kann uns von der Landplage der Landstreicherei befreien, nur Zwang zur Arbeit kann den arbeitsscheuen Vagabunden bessern.
Weiter aber werden wir darauf Rücksicht neh= men müssen, daß dem vielen unnützen Hin= und Herschieben, das jetzt stattsindet, ein Ende gemacht werde, daß der Landesfond entlastet und daß auch an den Schüblingen die Rücksichten der Humanität gewahrt werden. Das unnöthige Hin= und Her=
schiebungen stattfinden, davon ein Beispiel. Wenn ein Liebenauer im nahen Turnauer Bezirke aufge= griffen wird und auf Schub gesetzt werden soll, so muß er erst an die vielleicht zwei Stunden weiter landeinwärts gelegene Bezirkshauptmannschaft ein= geliefert werden. Diese fällt das Schubserkenntniß und schiebt den Aufgegriffenen über Liebenau an die zuständige heimatliche Schubsbehörde, näm= lich an die k. k. Bezirkshauptmannschaft in Reichenberg.
Die Reichenberger Bez. =Behörde dirigirt dann erst den Menschen zurück nach Liebenau, und da von Liebenau nach Reichenberg gute 3 Stunden Weges sind, so ist der Schübling ganz unnöthig ungefähr 7 Stunden auf dem Wege gewesen.
Dadurch wird der Landesfond unnöthig belastet, der Schübling aber in keiner Weise gebessert. Das wird nach dem Kommissionsantrage nicht anders werden; denn der Unterschied wird blos der sein, daß nicht die Turnauer Bezirkshauptmannschaft den Liebenauer Angehörigen über Liebenau an die Bez. =Hauptmannschaft in Reichenberg, sondern das Turnauer Bürgermeisteramt ihn durch Liebenau an das Reichenberger Bürgermeisteramt schicken und daß dieses ihn von Reichenberg nach Liebenau zurückinstradiren wird.
Anders wäre es, wenn auch der Gemeinde Liebenau, obwohl ste nicht der Sitz eines Bezirksgerichtes ist, das Recht zuerkannt wurde, Schubs= erkenntnisse zu fällen und Liebenau so zur vollen Schubsbehörde erhoben würde. In dem gleichen Falle werden sich gewiß auch mehrere andere Ge= meinden besinden; daran, daß diese Gemeinden nicht Sitz eines Bezirksgerichtes sind, braucht der hohe Landtag keinen Anstoß zu nehmen, genug daran, wenn ste uns die Beruhigung gewähren, daß ste die ihnen übertragene Agenda klaglos be= sorgen werden. Ist dies der Fall, dann können wir mit Sicherheit annehmen, daß solche Gemeinden die abzuschiebenden Individuen, wenn sich gegen ste der Verdacht strafbarer Handlungen ergibt, vorerst an die kompetenten Strafbehörden einliefern und dann erst in ihre Heimat abschieben werden.
Aus allen diesen Gründen, insbesondere aber in der Erwägung, daß als Schubsbehörden erster Instanz nach dem Reichsgesetze vom Jahre 1871 fortan nur die Bezirkshauptmannschasten zu fungiren haben; - ferner in der Erwägung, daß das Recht, die Fällung von Schubserkenntnissen auch einzelnen Gemeinden zu übertragen, der Landesgesetzgebung vorbehalten ist; endlich in der Erwägung, daß mit dem diesfälligen Wirkungskreise keine Gemeinde ohne ihr Zugeständniß über ihr Gebiet hinaus be= lastet werden darf, einerseits und in der Erwägung andererseits, daß das vom hohen Landtage vorge= legte Verzeichniß der betreffenden Gemeinden nicht vollständig ist und nicht vervollständigt wurde, ge= lange ich zu dem Antrage:
Der h. Landtag wolle beschließen, es sei der von der Kommission vorgelegte Gesetzentwurf an die Kommission zur Umarbeitung zurückzuweisen.
Oberstlandmarschall: Der Antrag lautet: Der hohe Landtag wolle beschließen, der von der Kommission vorgelegte Gesetzentwurf, betreffend die Uibertragung der Fällung von Schubserkenntnissen an einzelne Gemeinden, ist der Kommission zur Umarbeitung zurückzuweisen.
Ich bitte Diejenigen, welche den Antrag unterstützen, die Hand zu erheben. (Geschieht. ) Er ist unterstützt und steht in Verhandlung.
Wünscht Jemand in der Generaldebatte das Wort? Dr. Hanisch hat das Wort.
Abg. Dr. Hanisch: Ich bin nicht in der Lage, ganz den Standpunkt zu theilen, welchen der geehrte Herr Vorredner eingenommen hat, allein auch ich muß dann der Ansicht Ausdruck verleihen, daß der vorliegende Gesetzentwurf gegen das Reichs= gesetz verstößt und deshalb unannehmbar ist. Und zwar verstößt er in 3 Richtungen gegen das Reichs=
besetz.
1. Gegen den §. 5 durch Ausschluß der po= litischen landesfürstlichen Behörden als erste In= stanzen.
2. Gegen den §. 7 durch Zuweisung der Re= kurseerledigungen an die politischen Behörden 1. In= stanz, während das R. =G. ausdrücklich den Landes= chef als einzige Rekursinstanz bezeichnet.
3. Endlich durch Konstituirung eines Kompe= tenzunterschiedes zwischen den einzelnen, Schubser= kenntnisse fällenden Behörden.
Auch das ist nicht gestattet, denn die Gemeinden, an welche die Fällung von Schubserkenntnissen übertragen wird, haben ganz denselben Wirkungskreis wie die landesfürstlichen Behörden und sie haben lediglich über sich den Landeschef, an welchen die Rekurse direkt geleitet werden.
Allein nur in diesen 3 Richtungen und in gar keiner andern Richtung und am allerwenigsten in der, welche den größten Theil der Rede meines geehrten Herrn Vorredners ausgefüllt hat, wider= spricht die Vorlage dem Reichsgesetze. Es ist ganz unrichtig, daß der Gemeinde nur für ihr Territo= rium der Wirkungskreis und die Fällung von Schubserkenntnissen zugewiesen werden könne. Im Gegentheile, wenn das die Tendenz des Gesetzes wäre, dann würde sich diese Prärogative nur auf einzelne große Städte im politischen Bezirke erstrecken, aber sie würde für die umliegenden Landgemeinden durchaus keinen Vortheil bieten. Es ist im Interesse der Dorfgemeinden gelegen, daß ein gewisser Um= kreis geschaffen werde um den Sitz der Schubserkenntniß=Behörde, welcher den Dorfgemeinden näher gelegen ist als die Bezirkshauptmannschaft und daß innerhalb dieses Umkreises einer Gemeinde die Fällung von Schubserkenntnissen übertragen werde, welche die Garantie dafür bietet, daß sie dieser Mission gerecht werden kann und ich kann nicht umhin, es als einen glücklichen Gedanken zu bezeichnen, daß die Kommission vor Allem andern diejenigen Orte herausgenommen bat, welche der Sitz der Bezirksgerichte sind.
Ist der Sitz eines Bezirksgerichtes schon ohnedies bevorzugt dadurch, daß der Verkehr sich nach demselben richtet, dadurch, daß der Sitz der Behörden daselbst ist und daß der Ort bedeutende Vortheile ans dieser Koncentrirung des öffentlichen Lebens eines Gerichtsbezirkes genießt, so kann der Ort auch eine Last tragen und auch die Fällung der Schubserkenntnisse übernehmen. Sollte außerhalb dieses Bezirksgerichtsortes irgend eine andere Ge= nieinde vorhanden sein, welche die nothwendige Garantie gibt, so mag auch an diese die Fällung von Schubserkenntnissen übertragen werden.
Ich möchte endlich nur den geehrten Herrn Vorredner darauf aufmerksam machen, daß, je weiter die Schubsbehörde entfernt ist von einer Land= gemeinde, um so größer der Druck werde, der aus ihr lastet. Demi wenn das sogenannte Konstitut von dem Gemeindevorsteher abgesendet wird an die po= litische Bezirksbehörde oder an die Schubsbehörde, so bleibt der Schübling, bis das Erkenntniß zurück= langt, in der Verwahrung, also auch in der Ver= pflegung der Gemeinde und das ist, glaube ich, eine Last, welche dadurch bedeutend verringert wird, daß die Schubsbehörde den Landgemeinden näher ge= rückt wird; und das geschieht vor Allem dadurch, daß sie am Sitze des Bezirksgerichtes sich befindet, daher auch von der Bezirkshauptmannschaft gilt für den Gerichtsbezirk, in dem sie ihren Sitz hat, was aber nicht hindert, daß z B. für die Stadt selbst, und beschränkt auf deren Gemeindegebiet etwa auch neben der Bezirkshauptmannschaft noch die Gemeinde= Behörde als Schubserkenntnißbehörde konstituirt werden kann, wo die Bezirkshauptmannschaft als Erkenntnißbehörde für den übrigen Theil des Be= zirkes bestehen bleiben muß.
Ich sehe also in dieser Konstituirung von Schubserkenntnißbehörden und in der Zutheilung derselben an die Gemeindeämter der Bezirksgerichte durchaus keine Kalamität, im Gegentheil, ich halte -das für vortheilhaft. Und insoferne daraus eine Mehrausgabe erwüchse, wird sie durch den Vortheil aufgewogen, den die Gemeinde am Sitze des Bezirksgerichtes ohnedies genießt.
Ich möchte aber noch auf ein anderes Mo= ment aufmerksam machen, welches gerade alle Bedenken in sehr glücklicher Weise zur Niederlage bringt, nämlich seit dem neuen Bestande des sogenann= ten Vagabundengesetzes ist der Rapport zwischen dem Bezirksgerichte und der Schubsstation, resp. der Schubserkenntnißbehörde ein viel innigerer geworden und der Amtirung wird es eine große Erleichterung gewähren, wenn die Schubserkennt= nißbehörde am Sitze des Bezirksgerichtes selbst sich besindet.
Ans allen diesen Gründen stimme ich zwar dem Antrage auf Rückverweisung des Ausschuß= Berichtes und Gesetzentwurfes an die Kommission zur Umarbeitung zu, bin aber nicht in der Lage, alle die Motive zu theilen, welche der geehrte Herr Antragsteller vorgebracht hat.
Oberstlandmarschall: Wünscht noch Je= mand in der (Generaldebatte das Wort?
(Herr Regierungsvertreter meldet sich).
Der Herr Regierungsvertreter hat das Wort.
Regierungsvertreter Dr. Friedl: Ehe ich in die Widerlegung der gegen den Gesetzentwurf ge= machten Einwendungen eingehe, glaube ich zuerst mich über die Genesis und über die verschiedenen Stadien, die dieser Gesetzentwurf durchgemacht hat, äußern zu müssen.
Als im vorigen Jahre diese Frage an das b. Haus herantrat und eine Kommission zu diesem Zwecke zusammengesetzt wurde, hatte ich die Ehre, dieser Kommission als Regierungsvertreter beigezogen zu werden. Damals hat man, wie auch der Ge= setzentwurf aufweist, der ursprünglich an das hohe Haus im Wege des Landesausschußes gegeben wurde, einzelne Gemeinden namentlich angeführt, welchen die Schöpfung des Schubserkenntnisses zuzuweisen sei. Bei der Ermittlung dieser Gemeinden bat sich die Kommission einverständlich mit dem Regierungsvertreter in den folgenden Hauptgrund= lagen geeinigt:
Erstens es wären nur solche Gemeinden zu wählen, die nach der Zusammensetzung ihrer Ge= meindeämter die volle Garantie und Bürgschaft dafür gewähren, daß das Gesetz vom 27. Juli 1871 über Fällung von Schubserkenntnissen auch im Geiste dieses Gesetzes angewendet werde.
Zweitens wurde Rücksicht genommen auf das Vorhandensein der materiellen Mittel; obwohl ich die Kosten, die mit dieser Amtshandlung verbunden sind, nicht so hoch anschlage, wie es von einem Herrn Vorredner geschehen ist, so wird doch immerhin diese Amtsführung einige Kosten verursachen und deshalb war auch dieses Moment ein in's Auge zu fassendes.
Ein drittes Moment war die entfernte Lage vieler Gemeinden von dem Sitze der Bezirkshaupt= mannschaft. Da die Gemeinde, in welcher die Aufgreifung des Vagabunden stattsindet, ihn so lange zu verwahren hat, bis ein Schuberkenntniß rechtskräftig wurde und in Vollzug gesetzt werden kann, so lag es im Interesse der Gemeinde, eben jenes Organ, welches nach den Gesetzen berechtigt fein soll, Schubserkenntnisse zu schöpfen, möglichst nahe zu bringen. Unsere Bezirkshauptmannschaften sind oft, wie die Herren ohnedem wissen, sehr weit entfernt. Wir haben Bezirke, die 20 Quadrat= Meilen haben - das ist der Bezirk Pribram. Das war ein weiteres Motiv und bei dieser Ge= legenheit hat man jene Städte nicht eingezogen, die eben ihrer Lage wegen nahe an den Sitzen der Bezirkshauptmannschaften gelegen sind und wo demnach jene Berücksichtigung nicht erheischt ist, wie B. Rumburg nicht darin erscheint; es geschah deshalb, weil es in der Nähe von Warnsdorf liegt. Besondere Verhältnisse sind es auch, welche die Kommission damals bestimmten, einzelne Gemeinden, namentlich Marienbad mit dem Rechte zur Schöpfung
des Schubserkenntnisses betrauen zu wollen, weil der Aufenthalt so vieler Kurgäste eine schnelle Pro= zedur gegen die Vagabunden in diesem Badeorte, der ziemlich weit entfernt von Tepl am Sitze der Bezirkshauptmannschaft ist, nothwendig macht.
Bei den übrigen Badeorten z. B. Franzensbad, war dies nicht angezeigt, weil dieser unmittelbar bei Eger liegt, endlich hat man auch den großen Geschäftsandrang, der aus der Behandlung der Schüblinge für die politischen Behörden erwächst, in's Auge gefaßt. Das waren die maßgebenden Elemente. Wenn nun die Kommission, an welche diese Vorlage des Landesausschußes zur Prüfung und Berichterstattung überwiesen wurde (die gegenwärtige Landtagskommission) sich dahin geeinigt hat, die Gemeinden am Sitze der Bezirksgerichte durchgehends mit dem Rechte und der Pslicht der Schöpfung der Schubserkenntnisse zu betrauen, so liegen vor= züglich zwei Erwägungen dem zu Grunde: die Er= wägung, die sich stützt auf die mittlerweile geänderten Verhältnisse, daß nämlich mittlerweile für die Be= zirkshauptmannschaften durch Zuweisung staatsan= waltlicher Funktionen eine nicht unbedeutende Last erwachsen ist; ein zweites Moment lag im Gesetze vom 10. Mai 1873, welches eben die Landstreicherei an und für sich schon als Uibertretung bezeichnet und der Prozedur der Bezirksgerichte überweist. Es war dieses Moment, so viel mir erinnerlich ist, von dem unmittelbaren Herrn Vorredner bereits hervorgehoben worden, warum gerade jene Orts= gemeinden, die am Sitze des Bezirksgerichtes sind, besonders qualifizirt dazu erscheinen. Man hat sich um so mehr dieser Anschauung ohne eine Besorgniß, diese Gemeinden zu prägraviren, angeschlossen, weil man eben die Gemeinden am Bezirksgerichtssitze für begünstigter gegenüber anderen Gemeinden ge= halten hat; sie haben gewisse Vortheile z. B. durch Zusammenfluß der Fremden, die anderen Gemeinden des Bezirkes nicht zustehen, außerdem sind diese Orte und Gemeinden diejenigen, die mit den übrigen Gemeinden in lebhaftem Verkehr der Natur der Sache nach sind, da sie der Sitz der Regierungsbehörde sind.
Nun übergehe ich zu den einzelnen Einwendungen, welche gegen die Gesetzvorlage von den hochgeehrten beiden Herren Vorrednern vorgebracht wurden. Ich kann mich nur auf jene zunächst ein= lassen, wie ich sie eben aufgezeichnet habe, denn es sind eine solche Masse von Einwendungen dagegen vorgebracht worden, daß ich mir nur die wesentlichsten davon nach Thunlichkeit zu widerlegen angelegen sein lassen werde.
Man hat die Erhebung dieses Gesetzentwurfes zum Gesetze vorzüglich ans dem Grunde bestritten, weil dadurch das Reichsgesetz elidirt würde. Das scheint mir nicht der Fall zu sein Das Reichsgesetz gibt eben der hohen Landesgesetzgebung die Er= mächtigung, die Gemeinden zu bezeichnen, welchen die Schöpfung der Schubserkenntnisse zu übertragen
wäre. In diesem Reichsgesetze vom 27. Juli 1871 liegt demnach dieses allgemeine Gesetz, innerhalb welchen der Landesgesetzgebung die Uibertragung der Verpslichtung und des Rechtes zur Schöpfung der Schubserkenntnisse an die Gemeinden vorbehalten wurde und ich glaube demnach, daß dieser Gesetzentwurs vollständig auf der Berechtigung des hohen Landtages, diese Gemeinden in irgend einer Weise zu bezeichnen, beruht.
Mau hat weiter eingewendet, daß durch die Bestimmungen, wie sie eben in Antrag gebracht werden, die Bezirkshauptmannschaften gar nicht Schubserkenntnisse künftighin zu fällen haben werden. Eine Behauptung in diesem Umfange ist aber, wie der Gesetzentwurf selbst zeigt, eine irrige, denn den Bezirkshauptleuten soll auch künftighin das Recht, Schubserkenntnisse zu schöpfen, vorbehalten werden rücksichtlich jener Personen, welche nicht zuständig sind zu einem der im hohen Reichsrathe vertretenen Länder. Es soll ihnen die Fällung von Schubser= kenntnissen auch in den im §. 13 angeführten Fällen überlassen bleiben, nämlich dann, wenn ein mit Zwangspaß instradirter Schübling von dieser Route abweicht und ergriffen wird und deshalb nach §. 13 nach seiner Abstrafung wegen dieser Abweichung in Schub gesetzt werden soll; also auch in diesem Falle wird die Bezirkshauptmannschaft die Schubserkenntnisse zu fällen haben. Allerdings wird es in anderen Fällen, wenn dieser Gesetzentwurf vom hohen Hause angenommen werden sollte, nicht sein. Allein ich muß nochmals hervorheben, daß die mittlerweile seit dem früheren Gesetzentwurfe eingetretenen Verhältnisse es dringend nothwendig machen, die politischen Behörden von der Schöpfung der Schubs= erkenntnisse zu befreien, denn die Masse der Ge= schäfte ist eine nicht zu überwältigende und der Zuwachs zu dem Stande der politischen Beamten, wie sich das hohe Hans die Uiberzeugung verschaffen könnte, ein so trauriger, daß wir höchstens einen oder zwei neu Eintretende während des Jahres be= kommen. Man hat gesagt, es sei die Bestimmung §. 6, welches eben diese Uiberweisung des Rechtes der Schubserkenntnisse an einzelne Gemeinden nor= mirt, nur zu Gunsten der Bezirkshauptmannschaften verfaßt und lediglich eine Prägravirung der betreffenden Gemeinden. Ich glaube nicht. Im Gegentheile glaube ich behaupten zu müssen, es ist auch eine große Erleichterung für die Gemeinden im Allgemeinen. Denn wie schon heute hier hervorgehoben wurde, muß eben das Konstitut, welches mit dem aufgegriffenen Vagabunden aufgenommen wird, an die entfernte Bezirkshauptmannschaft geschickt werden, bevor wieder das Erkenntniß geschöpft und rechtskräftig geworden ist, muß der in der Gemeinde Aufgegriffene auf Kosten der aufgreifenden Gemeinde erhalten und verpflegt werden. Es erwachsen ans dieser Verzögerung durch die Situirung der Be= hörden offenbar den Gemeinden im. Allgemeinen sehr große Kosten und die Erleichterung der Ge= meinen von diesen Kosten ist eben der Zweck des