andern Weg gehen kann: -ich sage nur: kann daß die darüber abspreche.
Ebenso hat der H. Vorredner gesagt: ja wenn Böhmen im Staate ist, so muß es sich den Grundbedingungen desselben fügen. Das haben wir auch anerkannt, wir fügen uns, und wir gehen weiter: wir sind zu allen Opfern bereit, die gefordert werden zum Wohle des Gesammtreiches. Wir haben keine Opposition gemacht gegen den Gesammtstaat; wir haben aber gesagt, wir haben auch ein eigenes Staatsrecht und wollen es nicht opfern darum, weil eine Majorität, die die staatsrechtlichen Verhältnisse Böhmens nicht kennt, und kennen kann, weil sie nicht die Interessen des Landes kennt, und kennen kann, darüber endgültig zu entscheiden hat. Wir wollen nicht, daß diese darüber definitiv aburtheilen solle, ohne daß der Landtag des Königreichs Böhmen darüber gefragt wird. (Bravo, Výbornì. )
Ebenso hat auch Dr. Klier hervorgehoben, daß, wenn wir die Februarverfassung nicht anerkennen, wir ganz unbefugt hier sitzen. Darauf brauche ich nichts anderes zu erwiedern, als was ich früher gesagt habe. Eine weitere Bemerkung kann ich aber nicht übergehen. Er hat gesagt, daß das Steuerbewilligungsrecht in der alten Zeit nur einigen Wenigen gegeben war, und daß die Städte und Gemeinden Böhmens im deutschen Theile nunmehr ein solches Recht sich nicht würden gefallen lassen. Meine Herren, eine jede Zeit richtet sich ebenso ein, wie es zeitgemäß ist; daß es im Mittelalter anders war, als es jetzt sein wurde, das Wissen wir ebenso gut und brauchen von den Professoren und Doktoren Juris darüber keine Belehrung. Und das kann ich ihnen sagen, daß jetzt selbst von unserer Seite in diesen Bänken Niemand da ist, der ein Privilegium für einen Stand, für eine Klasse, für eine Kaste fordert. (Bravo! Výbornì!) Ich bitte, meine Herren, sich zu erinnern, daß schon in den 30er Jahren im Landtage darauf gedrungen wurde - ich war damals nicht im Landtage, aber ich habe es oft gehört und bin stolz darauf, daß mein Vater in diesem Landtage war - daß schon damals die böhmischen Stände darauf gedrungen haben, daß Veränderungen eintreten möchten, daß eine zeitgemäße Umgestaltung der ständischen Vertretung eintrete. (Bravo! Výbornì!) Daß man also sagt: Damals war es so, das ist erstens nicht ein Vorwurf für die damalige Verfassung, weil sie eben für die damalige Zeit War; wenn man aber sagt: Das Würde sich kein Deutscher mehr gefallen lassen, so kann man aber so sagen: daß wird sich auch kein Böhme mehr gefallen lassen (Výbornì! Bravo), das wird sich auch kein Aristokrat und kein Prälat gefallen lassen, habe er einen rothen oder einen blauen Rock an. (Bravo! Heiterkeit. )
Dr. Klier hat ferner gesagt, er Wünsche durchaus nicht, daß es in Böhmen zur Ausübung des Wahlrechtes komme, und Gott möge uns vor einem
solchen Falle behüten und die gloreiche HabsburgLothringische Dynastien noch recht lange erhalten! Mit diesem Ausrufe, Herr Dr. Klier kann vollkommen ruhig sein, stimmt das ganze Haus, die ganze Stadt und das ganze Land einstimmig überein. (Lebhaftes Bravo! im ganzen Hause). Es handelt sich hier nicht um Dethronisirung und Wegschaffung von dem oder dem, auch nicht um einen Wahlakt; sondern es handelt sich darum: das Recht, das besteht, nach unserer Auffassung, nicht aufzugeben, bevor wir nicht wissen, zu welchem Resultate es führen werde. (Bravo! Výbornì!) Eine fernere, noch falschere Auffassung, wenn es möglich ist, scheint darin zu liegen, daß man uns immer unterschiebt: Wir wollen keine Majorität anerkennen, weil wir sagen, wir wollen uns nicht der Majorisirung dieses nicht mehr verfassungsmäßigen Reichsrathes zur Entscheidung der verfassungsmäßigen Ordnung unterwerfen.
Darin, meine Herren, ist ein wesentlicher Unterschied. Dr. Klier hat gesagt, daß Sie sich eine Majorisirung ihrer Partei im Reichsrathe gefallen lassen. Ja, wenn einmal die verfassungsmäßigen Verhältnisse geregelt sind, wenn einmal ein allgemein anerkannter verfassungsmäßiger Reichstag da ist, so glaube ich, - ich habe wohl nicht mit den Herren meiner Partei gesprochen, aber ich glaube, ich kann in ihren Namen die Versicherung geben, daß wir uns auch der Majorität unbedingt unterwerfen werden; - aber eben dieser verfassungsmäßige Reichsrath muß so geregelt sein, daß über dessen Existenz gar kein berechtigter Zweifel obwalten kann. Ferner hat Herr Dr. Klier gesagt, er sehe in einem berathenden Reichsrathe einen chaotischen Zustand, wo man sich nur dem Willen des einen fügen muß; der Wille dieses Einen (Ruse: laut!) ist der Witte Sr. Majestät unseres allerguädigsten Kaisers!
Es handelt sich aber nicht darum, und wir haben es wiederholt ausgesprochen; wir wollen durchaus nicht einen verfassungslosen Zustand; wir wollen nur eine Herstellung der verfassungsmäßigen Zustände, wir nehmen dazu an, daß die Verhältnisse in einem berathenden Reichstag verhandelt werden, und daß Se. Majestät dann, insofern es die staatsrechtlichen Verhältnisse der Länder und Bölker berührt und ihr ßerhältniß zur Gemeinschaftlichkeit mit den andern Staaten, die Landtage vernehme. Wie dann die Entscheidung ausfällt, das wird Se. Majestät entscheiden, weil wir so wie die Herren auf der andern Seite des Hauses auf die Weisheit Se. Majestät vertrauen. (Bravo, Výbornì!)
Einer der Herren Vorredner hat gesagt und es ist auch bereits angefeindet worden: er ziehe eine Oktroyrung durch Se. Maj. der Oktroyrung einer Majorität, eines entscheidenden Reichstages einer Constituante vor. Ja, wenn mir nichts übrig bliebe, als die Wahl zwischen beiden, so würde ich keinen Augenblick anstehen, zu wählen; ich stehe ganz entschieden dasür ein, ich mag mich lieber der Oktroyirung von Seiten Sr. Majestät unterwerfen als der durch eine Majorität, wo es sich handelt um die Feststellung der verfassungsmäßigen Verhältnisse. Nun, meine Herren, wie ist denn die Februarververfassung ins Leben getreten? Haben sie sich denn damals so gegen die Oktroyirung Seiner Majestät ausgesprochen? (Výbornì, Bravo rechts und Heiterfeit. ) Ist es nicht Se. Majestät der Kaiser, welcher durch Seinen freien Willen in der großmüthigsten Weise einen so bedeutenden Theil seiner unbestreitbaren und unbestrittenen Herrschaftsrechte seinen Völkern abgetreten hat? Wenn Se. Majestät der Kaiser es damals gethan hat, und wenn es erwiesen ist, ich sage wenn, daß der jetzige Reichsrath, überhaupt die Verfassung nicht mehr zu Recht besteht, weil sie durchlöchert ist, weil sie den Kopf, Eingeweide, Hals, Beine verloren hat (Heiterkeit), warum sollen wir jetzt zurückschrecken, wo wir doch den Beweis vor Augen haben, daß Se. Majestät bei der Oktroyirung mit einer vielleicht in der Geschichte unerhörten Freigebigkeit für seine Völker vorgegangen ist? Ich würde, weiß Gott, keinen Anstand hier nehmen (hluèné výbornì a bravo v centrum a na pravici). Meine Herren, ich glaube die Geduld des hohen Hauses schon zu lange in Anspruch genommen zu haben, ich will also über die weiteren Bedenken, die ich noch weiter äußern könnte, hinweggehen. Es liegt mir aber noch etwas am Herzen und ich kann nicht schließen, ohne daß ich dem Ausdruck gegeben habe. Meine Herren! wir sind aus einem unendlich wichtigen, aus einem entscheidenden Punkte angekommen, vielleicht auf dem Scheidewege, wo der eine zum Abgrund führt, der andere aber auf eine weite fruchtbare Ebene! Um Gottes Willen, meine Herren, lassen wir alle Parteisucht, lassen wir alles PrivatInteresse, lassen wir die frühere Gehässigkeit bei Seite, denken wir nur an das Wohl des Reiches, unferes geliebten Kaisers, unseres engeren Vaterlandes! und wenn der böhmische Landtag in dieser Weise gewissenhaft vorgeht, so bin ich überzeugt, wird er die Mittel finden, daß man einstimmig in dieser allgemeinen Sache in dieser Verfassungsfrage vorgehen kann. Und dann, meine Herren! seien sie überzeugt, ich habe mit den Herren die mich, zum Generalredner gewählt haben, wohl nicht gesprochen, aber ich glaube nicht, daß ich bei ihnen Widerspruch sinden werde (Bravo rechts. ), wenn ich sage: dann werden sie von unserer Seite die freundlichste Unterstützung finden. - Graf Hartig hat uns gesagt, daß er für das Minoritätsvotum stimmen würde, und die ganze deutsche Partei würde als ein Mann dafür einstehen; nun ich kann dieß Versprechen nicht geben, ich weiß nicht, wie die Herren, die hinter mir stehen, stimmen werden, aber wir brauchen nur noch kurze Zeit zu warten und das Resultat wird bald folgen. (Wiederholtes, langdauerndes: Bravo und Výbornì. )
Oberstlandmarschall: (läutet. ) Ich bitte, meine. Herren, Se. Excellenz der Hr. Statthalter.
Der Statthalter Gr. Rothkirch-Panthen: Meine Herren ! erwarten sie in so vorgerückter später Stunde, nach einer so anstrengenden Debatte keine langathmige Auseinandersetzung des Standpunktes der Regierung in der Frage, die das hohe Haus discusirt; es ist derselbe gekennzeichnet in der Mittheilung der kaiserlichen Regierung an den h. Landtag, es ist derselbe gekennzeichnet in dem an die Statthalterei und Landeschefs gerichteten Ministerialerlasse, der ohnedieß in die Oeffentlichkeit gebrungen, und allen den Herren wohl bekannt, ist. Ich glaube mich darauf beschränken zu müßen, mich auf diese Vorstellung zu berufen.
Die Regierung hat den hohen Landtag aufgefordert, zu den Wahlen in den verfassungsmäßigen Reichsrath zu schreiten, die Minorität der Kommission hat dieser Aufforderung entsprochen und sie in ihrem Antrage niedergelegt. Ich überlasse es dem beredten Munde des Berichterstatters der Minorität, noch Weitere Gründe, die für diesen Antrag sprechen, dem hohen Hause vorzubringen. Eines möchte ich mir nur erlauben zu bemerken, zwischen dem 20. September und dem heutigen Tage liegen weltgesfchichtliche Ereignisse; diese Ereignisse, die ganze Lage der europäischen Staaten, spricht mit eherner Stimme an die Völker Oesterreichs die Mahnung, alle Uneinigkeit fallen zu lassen in diesem so wichtigen Augenblicke, wo es sich darum handelt, die Machtstellung Oesterreichs zu befestigen und die verfassungsmäßigen Zustände auf einer festen Basis zu begründen; diese Ereignisse sprechen mit eherner Stimme die Mahnung an die Völker, sich zu vereinigen und zusammenzutreten, und diese wichtige Frage in entsprechender Weise zu lösen. Die Regierung ist von der Ueberzeugung ausgegangen, daß im Fortschreiten der Ausgleichsverhandlung, welche das Patent vom 20. September angebahnt hat, auch die Zwecke erfüllt sind, die dieses Patent sich zur Aufgabe gestellt hat.
Um diesen Ausgleich nämlich zu ermöglichen, hat es die Sistirung der Verfassung ausgesprochen; mit der Entbehrlichkeit der Sistirung ist die Verfassung wieder ins Leben getreten. Die Regierung ist von dem Standpunkte ausgegangen, daß in der Lösung dieser hochwichtigen Frage ein sester Standpunkt gewählt werde und daß man eben in diesem festen Standpunkte an die Februarverfassung und Verfassung des Reichsrathes gebunden ist (Bravo!) und diese Ansicht hat Seine Majestät mit dem Allerhöchsten Handschreiben vom 4. dieses Monates zu genehmigen und hienach die Anträge ans Ministerium zu erlassen geruht. Die Zeit drängt; es kann sich nicht mehr eingelassen werden auf langwierige und vielleicht zu keinem Resultate führenden Experimente; die Zeit drängt und deswegen hat die Regierung die Vertreter des Landes auf diesen Boden berufen. Wenn die Befürchtung ausgesprochen worden, daß der so zusammengestellte. Reichsrath auf Grundlage des Februarpatentes Verrichtungen vornehmen könnte, die den Rechten, Bedürfnissen und Interessen der einzelnen Länder nachteilig fein konnten - daß er Opfer fordern würde, die über das Bereich des notwendigen Zusammenhanges und der Machtstellung der Monarchie hinausgehen, so bitte ich doch die Herren, zu bedenken, daß diese Vertreter der Länder in dieser Versammlung anwesend find, daß sie das Recht des Wortes haben und es gelten lassen können. (Bravo! links. ) Eben das ausgleichende Walten der Krone, auf das so viel Gewicht gelegt wird, wird seine Wirksamkeit in dieser wie jeder anderen solchen Versammlung geltend machen. Ich glaube daher im Namen der Regierung den hohen Landtag nochmals auffordern zu müssen, zur Wahl in den verfassungsmäßigen Reichsrath in schreiten. (Bravo! links, andauernder Beifall).
Oberstlandmarschall (läutet): Herr Professor Herbst, Berichterstatter der Minorität.
Berichterstatter der Minorität, Prof. Herbst: Ich bin schon oft in der Lage gewesen, ein Minoritätsvotum vertheidigen zu müssen, allein ich muß gestehen, daß ich heute nach der unmittelbar der meinigen vorausgegangenen Rede nicht geglaubt hätte, daß ich Berichterstatter der Minorität sein solle, da sich ja mein Herr Vorredner über alle Argumente der Redner für Minoritätsvotum ausgesprochen und manches wiederholt widerlegt hat, was doch sonst Aufgabe des Berichterstatters der Majorität ist und ich daher diesen Vortrag eigentlich als die Losung der Aufgabe des Berichterstatters der Majorität anzusehen berechtigt, somit in der glücklichen und sonderbaren Lage wäre, die Rolle des entgegengesetzten Berichterstatters einnehmen zu müssen.
Allein ich halte überhaupt nicht für angemessen, die Geduld des hohen Hauses mit nochmaliger detailirter Vorführung dessen, was der A gesagt hat, was B, was C, in Anspruch zu nehmen. Nach so langer Debatte halte ich es um so weniger angemessen zu wiederholen, daß, Was meine Ueberzeugung ist, auch die Ueberzeugung von B & C sei, und daß ich nicht weiß und glaube, was andere glauben und wissen. Um die Personen handelt es sich nicht, sondern es handelt sich um die Sache. (Bravo! links. ) Daher begnüge ich mich nur sachliche Argumente vorzubringen und die Personen meiner geehrten Herren Gegner, vor allem auch meine Person ganz aus dem Spiele zu lassen, denn bei einer so großen Frage müssen die kleinen Persönlichkeiten einzelner Redner vollständig in den Hintergrund treten. (Bravo links. ) Allerdings ist es leichter, in solcher Weise zu sprechen. Es ist leichter zu sagen, was einer gesagt hat, was darauf gesagt wurde u. s. w. und dieses um so leichter in einer so hochwichtigen Frage, welche nicht zum erstenmale an diesen hohen Landtag herantritt, welche vielmehr bereits bei 2 Adressen Verhandlungen den Gegenstand eingehender Diskussion gebildet hat.
Um so schwerer ist es, sachlich etwas neues zu bieten, um so schwerer, als die letzte Adreßverhandlung erst vor 2 Monaten stattgefunden hat und nicht so folgenschwere Ereignisse, wie zwischen den beiden vorigen Sessionen, zwischen der letzten und der gegenwärtigen Berathung in Mitte liegen. -
Ich werde mich daher auf das beschränken, was meine Aufgabe zu sein scheint, nämlich die historischen und rechtlichen Deduktionen, welche im Laufe der Debatte gemacht wurden, ohne in das Spezielle einzugehen, ohne mich in eine Polemik gegen einzelne Redner einzulassen, nur auf ihr richtiges Maß Zurückzuführen, dann hervorzuheben, wie die rechtlichen und politischen Bedenken, welche der Entwurf der Adresse enthalt, nicht begründet findend endlich hervorzuheben, wie wir uns jenen Anträgen gegenüber verhalten müssen, welche der Adreßentwurf der Majorität in sich schließt, daß nämlich wir lind unsere Kommittenten damit durchaus nicht einverstanden sind und einverstanden sein können, endlich daß wir zwar nicht der Aufforderung des Ministers Beust, wohl aber der Aufforderung Sr. Majestät und des Gesetzes nachzukommen bereit sind. (Bravo! links.)
Meine Herren, es sind geschichtliche Deduktionen vorgebracht worden, es sind rechtliche Deduktionen hervorgehoben worden. Ich muß darüber sagen - und es mag mir das in Bescheidenheit zu sagen erlaubt sein, daß beide Arten von Deduktionen mir an einem wesentlichen Gebrechen zu leiden scheinen. Die geschichtlichen Deduktionen, welche wir in diesem Hause zu hören Gelegenheit hatten, leiden an einem Mangel; sie leiden an einer gründlichen Verwechslung zweier ganz verschiedener Begriffe: der Rechtsgeschichte einer- und des historischen Rechtes andererseits. (Sehr gut!) Die Rechtsgeschichte ist ein unendlich interessanter Theil der Geschichte der Menschheit. So wie das Recht eines Volkes die Blüthe seiner Kultur ist, so ist die Rechtsgeschichte die wahre Geschichte des Volkes, und alle die verschiedenen Elemente der Bildungsstufe eines Volkes werden erst durch die Rechtsgeschichte in ihrer Bedeutung erkannt. Das historische Recht aber ist nicht etwa alles, was jemals in der Geschichte als Recht bestanden hat Das historische Recht ist das Recht, welches jetzt gilt, insofern es sich historisch entwickelt hat, insofern die geschichtlich gegebenen Verhältnisse geeignet waren, das Recht auszubilden und insofern nicht eines jener großen Ereignisse das frühere Recht hinwegfegt und neue Schöpfungen an feine Stelle gesetzt hat, welche die göttliche Vorsehung von Zeit zu Zeit über die Menschheit ergehen läßt, um Gestaltungen, die hinter der Zeit zurückgeblieben sind, die vielmehr einer Zeit angehörten, welche nicht mehr die ist, in der sich die gegenwärtig lebende Menschen bewegen sollen. Das ist historisches Recht, worin sich die lebenden Menschen bewegen sollen, welches jedoch nicht als ein Produkt bewußter Willführ geschaffen wird. - Wenn man dagegen sagt, was einmal gegolten hat, ist historisches Recht, so ist dies eine Verwechselung der Antiquität mit dem Rechte, welches als solches das Lebendigste und Praktischeste sein muß, weit es eine Richtschnur thätiger und sich frei bewegender Menschen sein soll.
Deßhalb nun, weil man sich einer Verwechslung zwischen bestandenem Rechte und historischem, aber wirklich noch geltendem Rechte schuldig macht, deßhalb kommt es, daß man jeder Zeit beliebig sagt: das ist unser historisches Recht. So wird bald gesagt: die Postulat-Landtage sind noch geltendes Recht; denn sie sind niemals ausdrücklich abgeschafft worden; doch darauf werde ich noch zurückkommen. Darüber würde aber nur auf die Zeit von dem Jahre 1848 zurückgegangen. -
Sonst waren wir gewohnt die verneuerte Landesordnung von 1627 als eigentliches historisches Recht angeführt zn hören und in Verbindung mit dieser die Privilegienbestätigung. Nachdem jedoch der Nimbus, der sich an die Landesordnung und an die Privilegienbestätigung knüpfte, einigermassen durch den Vorbehalt, der daran geknüpft ist, zerstreut worden zu sein scheint, so greift man wieder um ein Jahrhundert zurück und sagt, von 1526 datirt sich das historische Recht, damals haben die Stände unter gewissen, unter 21 Bedingungen, die der König annahm, diesen gewählt. Man bedenkt nicht, welche außerordentliche Ereignisse schon bis 1627 eingetreten waren und der naturgemäßen Entwicklung des Rechtes im Königreiche ein gewaltsames Ziel gesetzt haben, und welche unendliche Veränderungen in den Verhältnissen wieder vom Jahre 1627 bis zum Jahre 1848 eingetreten sind und wie wieder das Jahr 1848 in mancher Beziehung mit dem historischen Rechte, welches damals galt, wenig Federlesens gemacht hat und nur Schöpfungen an die Stelle dessen gestellt, was einmal gegolten hat. (Bravo links. ) Und das Alles soll historisches Recht sein, weil es einmal gegolten hat, die widerstrebendsten Schöpfungen; bald beruft man sich auf das Jahr 1526, bald auf 1627 und zuletzt auf die Zusicherung, die Ferdinand der Gütige im Jahre 1848 gegeben hat, und übersieht ganz dabei, daß das Jahr 1849 am 13. März eine Reichsverfassung und am letzten Dezember die Landesordnung gebracht hat, welche, wenn noch etwas von diesen Versprechungen übrig geblieben wäre, diese vollständig aufgehoben hätte. Und was Alles in diesem Gewimmel von gegebenen und wieder aufgehobenen Verfassungen und was dazwischen liegt, das soll Alles als nicht geschehen betrachtet werden; - man greift um ein paar Jahrhunderte zurück; dann geht man wieder etwas vorwärts und dann hat man das sog. historische Recht (Bravo links) und das alles soll noch geltendes Recht sein. Daher scheint mir die Argumentation richtig, daß von diesem sog. historischen Rechte nichts vorhanden ist, als was sich in dem Archive und Geschichtsbüchern befindet (Oho im Centrum), wo es allerdings am Platze ist, und mit gebührender Pietät behandelt werden soll.
Noch merkwürdiger sind die Deductionen, welche wir vom juridischen Standpunkt aus zu hören bekamen, und ich muß bemerken, daß die Frage des quid juris, worauf es nach einer Bemerkung von jener Seite am allermeisten ankommt, daß diese Frage vielleicht doch mit etwas größerer juristischer Schärfe hätte behandelt werden sollen, als es mitunter, und ich muß sagen, fast immer geschehen ist. Ich will mit einem Gegenstande anfangen, bei welchem der Mangel an juridischer Schärfe gar so klar zu sein scheint.
Man spricht immer von einem Ministerialerlasse, welcher die Vornahme der Wahlen in den Reichsrath verlangte und man spricht von einer Regierungsvorlage; obschon ich nicht begreife, wie das bei einiger juristischen Schärfe möglich ist.
Der letzte Herr Redner hat sogar gesagt, man spricht von einer Allerhöchsten Entschließung vom 4. Februar laufenden Jahres, die wir nicht kennen. Aber wenn es heißt in der Regierunngsmittheilung: Von diesem Grunde geleitet, haben daher Seine k. k. Apostolische Majestät mit der Allerhöchsten Entschließung vom 4. d. M. zu verordnen geruht, daß es von der Einberufung eines außerordentlichen Reichsrathes abzukommen habe, der Verfassungsmäßige Reichsrath am 18. März d. I. in Wien zusammentrete und daß demselben diejenigen Verfassungsänderungen, welche mit Rûcksicht auf den Ausgleich mit Ungarn sich nothwendig herausstellen, zur Annahme vorgelegt werden, - wie man dann gegenüber sagen kann, man spreche von einer Allerhöchsten Entschließung, die man nicht kennt, das begreife ich nicht. (Bravo! links) Es müßte dann vorausgesetzt werden, daß an der Authentität ein Zweifel obwaltet, oder daß man zweiselt, ob nicht der Ministerialerlaß vielleicht auf dem Wege vom Statthalterei-Präsidium in die Druckerei verloren gegangen sei, (Heiterkeit links) und daß ein anderer substituirt worden sei.
Das kann unzweifelhaft mit jeder Urkunde geschehen; aber ich glaube nicht, daß ein so unglücklicher Zufall hier eingetreten sei und wenn er nicht eingetreten ist, so wissen wir vollständig, Seine Majestät verordne, daß der verfassungsmäßige Reichsrath, bestehend aus dem Abgeordnetenhause und dem Herrenhause, am 18ten dieses Monats zusammentrete.
Eben so kann auch von einer Regierungsvorlage, wie dieser Gegenstand wiederholt genannt wurde, nicht die Rede sein.
Eine Regierungsmittheilung liegt vor, wie auch Seine Excellenz der Herr Regierungsvertreter sie ganz korrekt bezeichnet hat. Was ist eine Regierungsvorlage? ein Gesetzentwurf, der zur verfassungsmäßigen Verhandlung an den Landtag gelangt, wie der §. 17 der Landesordnung sich ausspricht. Aber eine Verodnung Seiner Majestät des Kaisers ist keine Regierungsvorlage, sie ist einfach eine Mittheilung der Regierung darüber, daß Seine Majestät verordnet haben; dieß der Inhalt der Regierungsmittheilung, von einer Regierungsvorlage ist keine Rede. Ein Objekt der legislativen Thätigkeit des Landtages liegt nicht vor, sondern eine Verordnung. Sr. Majestät, welche früher am 20. September 1865 das Grundgesetz über die Reichsvertretung einstweilen außer Wirksamkeit zu setzen geruhten, daß nunmehr diese. Sistirung behoben sei, und, nachdem Neuwahlen in den Landtag stattgesunden haben und dadurch die Mandate der früheren Mitglieder des Abgeordnetenhauses erloschen sind, abermals Neuwahlen vorgenommen Werden, während selbstverständlich jenen Herren, welche dem Herrenhause angehören, und zugleich Mitglieder dieses Hauses sind, die specielle Einladung, sich am 18. März im Herrenhause in Wien zum Behufe verfassungsmäßiger Mitwirkung an der Berathung des verfassungsmäßigen Reichsrathes einzufinden, zugekommen ist. - Ich begreife es weder, wenn man sagt, man könne die kaiserliche Verordnung nicht, noch wie man sagen kann, dieselbe sei etwas von Herrn Beust Ausgegangenes, da sie doch vom Kaiser von Österreich ausgegangen ist; am allerwenigsten aber, wie man von einer Regierungsvorlage sprechen kann (Rufe links: Sehr wahr!). Das ist ein Specimen, scheint mir, wie denn doch die Jurisprudenz in Angelegenheiten des öffentlichen Rechtes, nichts Nebensächliches ist.
Aber noch mehr auffallend erscheint mir Folgendes: Der Herr Berichterstatter der Majorität hat am 7. März, wo über die damals zu unterbreitende Adresse berathen wurde, einen Tadel erhoben gegen die Jurisprudenz in Österreich überhaupt; er sprach, daß man es in Österreich mitunter für die höchste juridische Weisheit ansehe, eine dürre, geistlose, unwissenschaftliche Eregese des Gesetzestextes vorzunehmen und aus dieser unwissenschaftlichen Auffassung des Rechtes sei eine Exegese des Februarpatentes entstanden, so langweilig, dürr und trocken, wie alle die Comentare des allg. bürgerl. Gesetzbuches, mit denen wir in unserer Studienzeit geplagt wurden.
Ich muß gestehen, ganz überrascht gewesen zu sein, wie ich in Bezug auf die sogenannte Aushebung unserer von Sr. Majestät nie aufgehobenen Verfassung Gründe gehört habe, die das find, was man unter Juristen Paragrasenreiterei nennt und die so dürr, geistlos und langweilig waren, wie nur je ein Comentar (Bravo! links), ein bloßes Herumreiten aus einzelnen Paragraphen und ein Herumreiten auf eine Weise, wie der langweiligste Professor des bürgerlichen Rechtes sich einen solchen Ritt nie erlaubt hat. Ich will von diesen equestrischen Übungen noch einige speciell hervorheben. Ein Herr Redner hat gesagt: der einberufene Reichsrath ist nicht verfassungsmäßig. Das ist nicht der, von welchem der §. 16. der Landesordnung spricht und die Verbindlichkeit ihn zu beschicken auserlegt. Der §. 16. der Landesordnung sagt:
"Der Landtag hat durch §. 6. des" Grundgesetzes über die Reichsvertretung die festgesetzte Zahl von Mitgliedern in das Haus der Abgeordneten des Reichsrathes zu entsenden. Die Wahl dieser Mitglieder hat auf die im §. 7. des Grundgesetzes über die Reichsvertretung festgesetzte Weise zu geschehen".
Denken wir uns folgenden Fall: Die Verfassung würde vollständig ins Leben getreten fein und hätte gefunden, die Vertretung der Stadt Prag ist zu gering, es ist zu wenig, daß von 10 Prager Abgeordneten nur einer ins Abgeordnetenhaus komme; es sollen 2 sein. Nun hätte das Hans der Abgeordneten 344 Mitglieder: diese Veränderung würde den Reichsrath und Landtag beschließen. Jetzt würde Vorarlberg sagen, das ist nicht verfassungsmäßig (Heiterkeit), der Reichsrath besteht aus 344 Mitgliedern, er muß 343 Mitglieder haben, das ist eine Folge dieser Exegese (Bravo, bravo). So wird also der Geist einer Verfassung ausgelegt.
Ein anderer, mein unmittelbarer Herr Vorredner, hat wieder ganz eigenthümliche Ansichten ausgestellt: "Wenn man in die Verfassung ein Loch macht, so ist die Verfassung aufgehoben. Mir als Juristen ist eine solche Aufhebung der Verfassung ganz unbekannt. Ich muß sagen, da ist dann nichts leichteres, als eine Verfassung aufzuheben. Bisher hat man die Aushebung als Staatsstreich bezeichnet, aber Löcher in die Verfassung macht man oft, ohne daß man es merkt; bevor man es sieht, ist das Loch da. Die Verfassung hat nach jener Auffassung schon lange nicht mehr bestanden, die Menschen haben nur geglaubt, sie sei noch vorhanden; und nichts wäre leichter, als eine Verfassung ohne Staatsstreich zu beseitigen. - In manchem Staat wäre dies Rezept den Ministern erwünscht, wenn sie es wüßten.
Noch eher hat den juristischen Standpunkt ein anderer der H. Vorredner eingenommen. Er sagte: Auch wenn man von einer Verfassung nur ein Stück wegnimmt, so ist die Verfassung weg. Nun meine Herren! ich mochte wissen, seit wie viel Jahrhunderten dann England keine Verfassung mehr hat? Jede organische Verfassung entwickelt ich dadurch, daß ein Stück abstirbt und ein anderes sich ansetzt. Es ist dies eben so wie bei einem Baume, der Ringe treibt und immer kräftiger wird, aber er ist doch immer derselbe. So auch die Versassung. Man kann nicht sagen, sie sei eine andere geworden, wenn sie abgeändert worden ist, oder ein Staat entbehre der Staatsverfassung, weil dieselbe geändert worden ist.
Merkwürdig ist aber eine Ansicht, die die Adresse aufstellt; das ist die Bemerkung, daß die Verfassung aufgehoben sei, weil der Reichsrath nicht mehr die Vertretung des ganzen Reiches sei, also er soll aufgehoben sein, weil thatsächlich sich etwas geändert hat. Nun kann ich wohl begreifen, wenn etwas thatsächlich sich geändert hat, daß jene Bestimmungen, welche thatsächliche Verhältnisse voraussetzen, nicht mehr anwendbar sind, sowie von der englischen Verfassung eine Menge Grundsätze nicht mehr anwendbar sind; aber daß das ganze Gesetz ohne weiters aufgehoben sein soll, scheint mit mit den allgemein anerkannten Rechtsgrundsätzen unverträglich zu sein. Der