Abg. Baron Riese-Stallburg: Ich wünsche, daß das Gesetz etwas auf die strengere Durchführung der Vorschriften hinzielt, und daß das Gesetz dem Landes-Ausschusse zurückgegeben werden solle, indem ich glaube, daß diese Vorschläge zum Wohle des Landes hinzielen.
Oberstlandmarschall: Wünscht noch Jemand das Wort?
Herr Dr. Hanisch hat das Wort.
Abg. Dr. Hanisch: Gegen anerkannt gute Absichten ist am allerschwersten anzukämpfen, und um so schwerer, wenn dringend Abhilfe geboten ist. Vorliegender Bericht mit den Kommissions-Anträgen trifft mich nun in dieser Lage; ich muß gegen ihn ankämpfen, obwohl es mir äußerst wehe thut. Von Allem Möglichen, aber auch von einigem Unmöglichen, nur nicht von dem, um was es sich handelt, mir nicht vom Betteln, Landstreichen, nur nicht von dem Terrorismus, den Bettler und Landstreicher auf die Landbevölkerung üben, nur nicht von der sofortigen Abhilfe, sondern von einer eventuellen Abhilfe in weiter Ferne spricht dieser Bericht, nicht von einer Abhilfe innerhalb der Gesetze, sondern von einer Abhilfe außerhalb der Gesetze. Die Landplage soll uns auf diese Art noch länger aufgelastet bleiben, das ist wohl ein harter Ausspruch, allein er wird sich rechtfertigen, wenn wir die Grundsätze, welche in den Vorschlägen der Kommission ausgestellt wurden, einer Erörterung, wenn auch nur einer oberflächlichen Erörterung, unterziehen.
Es wurde auf das Armengesetz hingewiesen, welches heute bereits angenommen, so daß diese Berufung überflüßig wurde.
Abgesehen davon, wurden Zwangsarbeitshäuser in Erwägung gezogen und dabei Grundsätze ausgesprochen, welche denn doch nicht ohne Kritik bleiben dürften. Einmal ist eine Kommission niedergesetzt, welche sich mit der Reform unserer Landes-Zwangsarbeitshäuser zu beschäftigen hat und dießfalls dürfte wahrscheinlich die vorliegende Arbeit gegenstandslos werden.
Denn diese Kommission ist, wie ich höre, mit der Reform der bestehenden beschäftigt, und dürfte ihre Arbeit auf zu errichtende Arbeitshäuser ausdehnen. Sodann aber enthält der Kommissionsbericht den Grundsatz, der außer aller Möglichkeit in einem Rechtsstaate ist, es soll die Notionirung möglichst vereinfacht werden, d. h. es soll die Aufnahme in die Anstalt beschleuniget und die Verhandlungen zum Zwecke der Notionirung sollen vereinfacht werden. In einem Rechtsstaate entscheidet über die persönliche Freiheit nicht eine politische Behörde, und im Wege der Notionirung, sondern der Richter. Ich bin dafür, daß die richterliche Verhandlung beschleunigt werde, aber von einer Notionirung darf wohl nicht mehr gesprochen werden.
(Bravo! bravo! links.) Auf diese, auf die Notionirung müssen wir schon in dem Rechtsstaate verzichten und das richterliche Erkenntniß anstreben.
Es ist sodann von der Reform der Volksschule gesprochen worden.
Nun, wie wir wissen, ist diese Reform im Zuge, allein die Reichsgesetzgebung ist an die Landesgesetzgebung gebunden und es hat daher die Volksschulreform einen weiten Weg zu machen!
Es wird ferner in dem Berichte gehandelt von dem Polizeistrafgesetze: es soll die Erlassung desselben beschleunigt werden.
Diesem Wunsche kann man sich auschließen.
Wenn aber weiter gesagt wird, daß mittelst desselben den Polizeiorganen die Möglichkeit geboten werde, bei Personen, welche wegen Diebstahls wiederholt in Untersuchung gewesen oder abgestraft wurden oder im allgemeinen Verdachte des Diebstahls stehen, Hausdurchsuchungen nach entwendetem Gute ohne Gefährde vorzunehmen, so muß ich einmal sagen, das gehört nicht in ein Polizei-Strafgesetz, denn davon hat das Polizeistrafgesetz nicht zu handeln.
Diese Bestimmungen sind normirt in den Staatsgrundgesetzen und weiter ausgebildet in der Strafproceßordnung und gehören nicht in das Strafgesetz. Von einem "allgemeinen" Verdachte aber dürfte unsere Zeit so ziemlich frei sein (Bravo); daß dürfte etwas sein, was in einem Rechtsstaate geradezu für unzuläßig gehalten wird.
Es gibt andere Mittel, die Rechtssicherheit herzustellen, als von einem "allgemeinen Verdachte" Gebrauch zu machen und diesen von der Gesetzgebung zu fordern. Ich will nicht daran erinnern, daß die Folgen von strafbaren Handlungen in ganz gerechter Weise auf eine gewisse Zeit beschränkt sind; ich will nicht daran erinnern, daß sogar die Stellung unter Polizeiaufsicht nicht von Jedermann gutgeheißen wird: aber das dürfte doch zweifellos fein, daß man den allgemeinen Verdacht auch schaffen kan, und so lange man das kann, wird es mit dem allgemeinen Verdachte nicht gehen.
Es wurde ferner auch darauf hingewiesen, daß Polizeiorgane für die Verwaltung der Lokalpolizei von den Gemeinden bestellt werden; das ist schon richtig, dafür haben wir aber die Mittel in der Gemeindeordnung; man verhalte die Gemeinden dazu und verschaffe ihnen einen Rückhalt in der Gensd'armerie!
Wenn man aber weiter fordert, daß die Strafjustiz die Bestimmungen hinsichtlich des Forstschutzpersonales strenger handhaben soll, so staune ich darüber und glaube, daß es nicht sowohl an der Strafjustiz, als an der Qualifikation des Forstschutzpersonales liegt, und ich bewundere, daß man dabei das Feldschutzpersonale ausgelassen hat; also es liegt dies nicht sowohl an der Strafjustiz, als an der Qualifikation des Schutzpersonales und an der Manipulation. Es ist mir nie ein Fall vorgekommen, daß der §. 426 der Strafproceßordnung nicht wäre angewendet worden, wo er anwendbar war, wo man einen nach dem Gesetze beeideten Forstschutzbeamten vor sich hatte. Allein, worin gefehlt wird, das ist: die für den Forstschutz bestimmten Personen sind nicht beeidet nach dem Gesetze, oder sie sind in einem Bezirke beeidet worden, wurden dann übersetzt in einen anderen Bezirk, man vergißt sie wieder beeiden zu lassen, die Beeidigung wird nicht publizirt in dem Bezirke und aus diese Art entspricht man nicht den gesetzlichen Anforderungen und diese Aufsichtspersonen können nach §. 426 nicht als vollkommen glaubwürdig angesehen werden; aber über eine mangelhafte Auwendung des §. 426 zu klagen, begreife ich schwer, wenn man unsere Praxis kennt, wornach solchen Aufsichtspersonen sogar über Dinge Glauben beigemessen wird, worüber sie zur Aufsicht gar nicht bestellt sind, zum Beisp. über persönliche Beleidigungen begangen an ihrer werthen Person selbst. (Heiterkeit.)
Auch nicht minder wird nun in Kritik gezogen die Organisation der Gerichte, der Einzelngerichte, der Untersuchungsgerichte und der Kreisgerichte.
Wir wissen, daß bereits ein Strasgesetz-Entwurf die Beratungen des Ausschußes im Abgeordnetenhause passirt hat; wir wissen, daß die Strasproceßordnung vorgelegt worden ist; wir wissen, daß die Organisation der Bezirksgerichte schon abgeschlossen, die der Gerichtshöfe im Zuge ist, - auf diese im Zuge befindlichen Reformen ist eben so wenig Rücksicht genommen worden, wie aus die Reform der Volksschule; und wenn man schließlich den Strafvollzug in die Einzelnhaft legt und darauf hinweist, daß man den Sträfling fern von seinem Heimatsorte Beschäftigung geben solle, so ist es der Kommission wol nicht weniger bekannt, daß das vorgelegte neue Strafgesetz die Einzelnhaft als Regel aufgestellt hat; und es hätte ihr sehr leicht bekannt werden können, daß die Vorbedingung derselben 11 Millionen sind, eilf Millionen, um die Einzelnhaft durchzuführen.
Nun bin ich allerdings auch der Ansicht, daß ein Staat, der sich nicht eine gute Strafjustiz, einen wirksamen Strafvollzug verschaffen kann, nicht einmal verdient, zu existiren. Allein wenn man solche Grundsätze ausstellt, so muß man auch bereit sein, die dazu nöthigen Geldmittel beizuschaffen, rasch beizuschaffen, und diese Bereitwilligkeit vermisse ich.
Wenn man aber meint, man könnte einen Sträfling, der aus dem Strafhause entlassen ist, weit entfernt von seinem Heimatsorte irgendwie durch Zwang unterbringen, so widerstreitet das den bestehenden Gesetzen, so widerstreitet das selbst den Grundgesetzen, welche eine Confinirung oder Internirung nicht zulassen.
Alles das wurde nicht berücksichtigt. Unter diesen Umständen glaube ich, daß es wohl nicht möglich ist, daß es wenigstens nicht gut zulässig ist, auf den Bericht, auf die Anträge der Commission näher einzugehen, - und ich halte dafür, daß unsere Aufgabe Abhilfe für die nächste Zeit sei, dafür zu sorgen, für den nächsten Winter, insolange bis vielleicht das neue Gesetz, das strenger sein dürfte, in Wirksamkeit tritt - dafür zu sorgen, daß der Landstreicherei, der Bettelei auf dem Lande und dem Terrorismus, diesen Land plagen der Landbevölkerung, Einhalt gethan werde; und da müssen wir zu den nächsten Mitteln greifen, die der Regierung zu Gebote stehen, und es dürfte Überwachung des Bettelwesens geboten sein, strenge Handhabung des Bettel-Verbotes, strengste Handhabung des Verbotes der Bettelei und Landstreichern und zu diesem Behufe ist eine Vermehrung der Polizeiorgane, deren ausgiebige Unterstützung, Vermehrung der Gensd'armerie nothwendig, wenn auch ein höherer Kostenbetrag hervorkommen sollte, vor allem aber Stabilisirung derselben und die kann sofort erfolgen, die Vertheilung derselben, in bestimmte Bezirke und die bessere Dotirung derselben (Bravo! Bravo!); denn durch die Unsicherheit auf dem Lande geht mehr Kapital verloren (Bravo! Sehr richtig!), als der erhöhte Kostenaufwand beträgt; es steht der Kapitalsverlust in keinem Vergleiche zu den geringen Auslagen für die Gensdarmerie.
Ferner ist eine Beschränkung der Geschäfte der Gensdarmerie nothwendig oder wenigstens die Hinweisung der Gendarmerie aus diesen wichtigen Zweig ihres Dienstes und die möglichste Entfernung derselben von vielen andern minder wichtigen Geschäften.
Ich wünsche auch, daß die Herren Bezirksvorstände, die Bezirkshauptmänner sich den Sicherheitsdienst auf dem Lande angelegen sein ließen, daß sie ihren Bezirk bereisen, daß sie nicht vom Bureau aus denselben regieren, sondern daß sie persönlich den Bezirk in Augenschein nehmen.
Es ist mir von früherer Zeit bekannt, es ist dies allerdings schon eine längere Zeit, daß ein Bezirkshauptmann, oder vielmehr Bezirksvorsteher in einem allerdings größeren Bezirke nur die Städte links und rechts vom Bezirksorte gesehen, die an der Straße lagen, den Bezirk aber sonst gar nichts kennen gelernt hat, obzwar er jahrelang in diesem Bezirke saß.
Derlei dürfte vielleicht heute nicht mehr vorkommen, und es wird in dieser Beziehung vielleicht eine zarte Andeutung (Heiterkeit) genügen, daß es hintangehalten werde. Der Bezirkshauptmann hat Gendarmerie zweckmäßig zu verwenden und ihren Dienst zweckmäßig zu verteilen. Wenn das Alles zusammenwirkt, und wenn die Gendarmerie ausschließlich unter die Civilbehörden gestellt wird, dann habe ich wohl keinen Zweifel, daß wir schließlich dieser Landplage für die nächste Zeit Herr werden, und die spätere Gesetzgebung wird dafür sorgen, daß auch eine strengere Bestrafung eintritt, denn mit der strengeren Bestrafung hat es seine eigene Bewandtniß.
Der Richterstand ist bekanntlich unabhängig und in Folge dessen kann man ihm Wohl nicht eine strengere Bestrafung auftragen, als mit seinem Gewissen und seiner Ueberzeugung vereinbart ist. Es lässt sich aber doch nicht leugnen, daß die Zustände auswärts anders sind.
So war ich heute vor 14 Tagen in der preusischen Kreisstadt Habelschwert und wohnte daselbst einer Gerichtsverhandlung bei. Da wurde eine Frau, die aus Böhmen wieder hinübergekommen war, wegen verbotener Rückkehr, wegen Landstreicherei und Bettelei, obwohl sie auf dem ersten Wege ertappt worden war, weil dort die Gendarmerie ausgezeichnet ist, zu 5 Monaten Gefängniß verurtheilt. Das ist bei uns in Oesterreich unerhört, ja unmöglich. Ich gebe zu, daß daher auch die Gesetzgebung geändert werden müsse, aber nach allen Richtungen, nicht bloß die Strafgesetzgebung.
Ich werde mich auf das Feld bezüglich der Forstfrevel und dgl., die bei uns auch streng von dem Diebstahl unterschieden sind, und auf das Feld der Humanität nicht einlassen. Abhilfe thut Noth und beide Zwecke können erreicht werden: man kann streng strafen, ohne die Grundsätze der Humanität zu verletzen, und man kann andererseits human sein, ohne durch das Streben nach Humanität in den Fehler ungerechtfertigter Milde zu verfallen. Mein Antrag wäre daher folgender:
Der hohe Landtag wolle beschließen: "Der Bericht und die Anträge der Commission zur Vorberathung des Antrages, betreffend die Zustände der Unsicherheit auf dem flachen Lande, werde an die Commission zurückgewiesen, damit dieselbe bei der Wiedervorlage ihres Berichtes und Stellung ihrer Anträge auf den bereits erledigten Armen gesetzentwurf, auf die der niedergesetzten Commission für Reform des Landes-Zwangsarbeitshauses gestellte Aufgabe, auf die im Zuge besindliche Reform der Volksschule, des Strafprozesses und Strafgesetzes, der Gerichtsorganisation, sowie auf die nothwendige Ausbildung des Rechtsstaates und auf die Herstellung der Sicherheit auf dem Lande innerhalb desselben und schon für die nächste Zeit Rücksicht nehme."
Oberstlandmarschall: Verlangt noch Jemand das Wort? - Freiherr Karl Korb von Weidenheim hat das Wort.
Freiherr Karl Korb von Weidenheim jun.: Ich bedauere doch, daß die beiden geehrten Herren Vorredner sich jetzt, wo wir noch in der Generaldebatte sind, in eine Spezial-Beurtheilung des vorliegenden Gesetzentwurfes eingelassen haben. Ich muß mich vor allem, wenn ich den Bericht lese, fragen, was hat eigentlich der Herr Antragsteller und mit ihm alle jene zahlreichen Herren Abgeordneten, welche den Antrag mit unterzeichnet haben, was haben sie mit dem Antrage bezwecken wollen? - Wenn ich den Antrag lese, finde ich hier eine Stelle, wo es heißt: - Erlauben, Herr Oberstlandmarschall, daß ich den Antrag lesen darf.
Oberstlandmarschall: Wenn das hohe Haus nichts einwendet -
Frh. Karl Korb v. Weidenheim (liest): "Nachdem die Unsicherheit und das Vagabundiren auf dem Lande in einer so erschreckenden Weise überhand nimmt, daß Personen und Eigenthum bedroht erscheinen, so stellen die Gefertigten den Antrag, der hohe Landtag möge eine Kommission von sechs Mitgliedern aus den Kurien zur schleunigen Berathung über die dringend gebotene Abhilfe wählen, um noch im Laufe dieser Landtagssession die erforderlichen Beschlüsse fassen zu können."
Ich zweifle nicht, daß dieser Antrag nur aus dem Grunde von so viel Mitgliedern des hohen Hauses unterstützt worden ist, weil in Anbetracht unserer jetzigen Zustände am Lande und der leider nicht zu verkennenden Misernte diese Gefahr des Vagabundirens und der Unsicherheit im Winter noch größere Dimensionen annehmen wird. Wenn ich dies vor Augen halte und anderseits diese Absicht vergleiche mit dem Berichte, wie er uns vorliegt, so muß ich sagen, daß zwar dieser Bericht ein sehr schätzbares Material liefert, auf Grund dessen die Sicherheit auf dem Lande vermehrt würde, daß dies aber in eine Zeit hinausgeschoben wird, die allerdings unseren Verhältnissen nicht entspricht. Das, um was es sich handelt, ist allsogleiche Abhilfe und diese, meine Herren, werden sie durch den vorliegenden Antrag nicht erreichen. Der Ausschuß stellt nämlich den Antrag: "Die kräftigste Handhabung der bestehenden Forst- und Feldschutzgesetze ist eine dringende Nothwendigkeit und wird sowohl den autonomen Organen des Landes, als auch den k. k. Behörden dringend empfohlen."
Nun, meine Herren, wo eben die Behörden diese Forst- und Feldschutzgesetze nicht handhaben, dort steht es doch dem Einzelnen zu, Beschwerde zu erheben und sein Recht zu suchen; und ich glaube, dieß geschieht auch mehr oder weniger, aber die Ursache, weshalb eben die allgemeine Unsicherheit am Lande zunimmt, wird durch die Annahme dieser Resolution nicht behoben. Fast in jeder Landtagssession hat der h. Landtag eine ähnliche Resolution angenommen und wir sind statt vorwärts zu gehen, eher zurück gegangen. Ich läugne nicht, daß, wie ich schon früher erwähnt, dieses Elaborat ein sehr schätzbares Material liefert, aber für das augenblickliche Bedürfniß entspricht es nicht. Der Bericht sagt nämlich: um auf denselben einzugehen, daß sowohl die Ausbildung in der Volksschule, als die Armengesetzgebung, als auch die Vorkehrungen zur Verhütung von Gesetzübertretungen und endlich der Strafvollzug selbst einer Reform bedürfe, um die Sicherheit am Lande zu vermehren; er sagt weiter, daß wegen der kurzen Dauer der Session und theilweise auch aus Kompetenzrücksichten die Kommission nicht in der Lage sei, ein förmliches Gesetz vorzulegen und sich auf eine Resolution beschränken müsse. Nun den Werth einer solchen Resolution habe ich früher gekennzeichnet und will mich dabei nicht aufhalten, nur auf einen Punkt des Berichtes möchte ich noch zurückkommen und das ist der Punkt ad II. e. f. und g., wo es heißt: "wenn sich nun trotz dieser Vorkehrungen Gesetzesübertretungen ergeben, so müssen dieselben so rasch als möglich und thatsächlich bestraft werden." Die gegenwärtige Art der Untersuchung ist diesem Zwecke ebenso entgegen, wie jene des Strafvollzuges und wäre eine Aenderung derselben in dem Sinne anzustreben, daß die Erhebung des Thatbestandes möglichst vereinsacht, daß die Untersuchung und das Straferkenntttiß ein und demselben Gerichte zugewiesen werde, daß eine Ausnahme hiervon nur bei Schwurgerichtsfällen Platz greife, und daß auch bei Einzelgerichten eine kollegiale Geschäftsbehandlung ermöglicht werde. Der Strafvollzug selbst solle dem Sträflinge wohl fühlbar sein, muß jedoch sein Ehrgefühl schonen, die Lust zur Arbeit wecken, und ihm den Anlaß zu thätiger Reue und Gelegenheit zur Besserung bieten. Dies ist denkbar, wenn er von Seinesgleichen getrennt und in Einzelhaft verwahrt wird, wenn er eine mäßige Kost erhält die er selbst verdient, und wenn er nach vollzogener Strafe in eine gesicherte Arbeit fern von der Heimat gebracht wird.
Der größte Fehler, der in dieser Beziehung meiner Ansicht nach besteht, und den ich hier vermisse, beruht einfach darin, daß bei Strafausmaßen die Erkenntniß des Richters in solchen Fällen mit den thatsächlich daraus ergießenden Schäden in keinem Einklange stehe.
Auf diesen Moment hat schon der geehrte Herr Vorredner hingewiesen; und wurde weiter nachgewiesen, daß es nach der gegenwärtigen Gesetzgebung ein sehr gutes Geschäft ist, Diebstahl gewerbmäßig zu betreiben, es ist ein sehr gutes Geschäft, denn der Richter beurtheilt nach unserer Gesetzgebung nichts anderes, als den Werth des entwendeten Eigenthums. Damit ist aber der thatsächliche Schaden noch nicht erschöpft. Ich erlaube mir dies durch ein Beispiel zu erklären. Nehmen wir an: es entwendet Jemand einen Baum aus einem geschlossenen Walde, so wird nach der jetzigen Gesetzgebung dieser Baum geschätzt. Der Richter frägt den beeideten Forstmann nach dem Werth dieses entwendeten Objektes, nach dem das Strafausmaß bemessen wird; d. i. Ersatz dieses Betrages und eine kurze Arreststrafe, die noch dazu das Ehrgefühl des Betreffenden nicht alteriren darf. Nun dieß ist aber nach dem jetzigen Stande der Wissenschaft durchaus nicht das ganze Maß der Beschädigung, die der Beschädigte hierdurch erlitten. Denn diele Entwendung des Baumes hat noch andere Folgen. Ich bitte, meine Herren, nicht zu übersehen, daß auf diesem Raume, auf dem der Baum im Schluß gestanden, nach der Wissenschaft unmöglich wieder bepflanzt werden kann. Es ist dieser Baum für die ganze Forstperiode ein todtes Kapital, und dieses Moment wiegt viel schwerer und repräsentirt einen viel größeren Werth, als der darauf gestandene Baum. Nach unserem Strafausmaße und der jetzigen Gepflogenheit der Richter bekommt sonach der Beschädigte durchaus nicht den vollen Ersatz des direkten und indirekten Schadens und auf diese möchte ich hinweisen, während andererseits ganz richtig hervorgehoben wurde, daß der Diebstahl unter der jetzigen Gesetzgebung ein sehr gutes Geschäft ist. Das ist auch ganz natürlich und bekannt. Es lehrt die Erfahrung, daß ein rationeller Dieb, ein Dieb von Profession, ich möchte sagen, unter zehnmal kaum einmal betreten wird. Nun vergütet er den Schaden in der Hohe des entwendeten Objektes, während er neunmal nicht betreten wurde.
Dadurch muß die Demoralisation zunehmen, und ich glaube, sie vermehrt sich auch in erschreckender Weise; wie dies die Erfahrung lehrt.
Ich aber gehe von dem Grundsatze aus, je freier der Staat, desto strenger sollen die Gesetze gehandhabt werden (Bravo!) und desto mehr sollen die Gesetze den Verhältnissen angepaßt und in Einklang gebracht werden mit den Forderungen der Wissenschaft. (Bravo!)
Ich stelle daher den Antrag a) Daß das Erkenntniß des Richters im Strafausmaße bei Forstdiebstählen thatsächlich in Einklang gebracht werde mit dem ganzen hieraus erwachsenden direkten und indirekten Schaden, wie solcher sich auf Grund des heutigen Standes der Wissenschaft ergibt, b) daß die Gensd'armerie sogleich verdoppelt werde.
Oberstlandmarschall: Ich bitte, mir den Antrag zu übergeben. Wünscht noch Jemand das Wort? Herr Steffens hat das Wort.
Steffens: Ich hätte gedacht, der Herr Vorredner würde nach seinen so ausführlichen und sachgemäßen Erörterungen einen anderen Antrag stellen, als der von ihm vorgebrachte, den ich der Form nach nicht für statthaft halte. Aus seinen Erörterungen ist hervorgegangen, daß die Handhabung der Polizei, wie sie jetzt besteht, äußerst mangelhaft ist und wenn man glaubt, daß durch die Vermehrung der Polizeiorgane in den Gemeinden dem in Frage stehendem Uibel abgeholfen werde, so berücksichtigt man die bestehenden Verhältnisse auf dem Lande nicht.
Der Herr Berichterstatter war der Ansicht, durch die Vermehrung der Gendarmerie würden zu viel Kosten erwachsen und unsere Finanzen würden sie nicht tragen können. Ich frage aber, meine Herren, wer unterhält unsere Finanzen? Das thun die Steuerträger; und wer würde die durch die Gemeinden ausgestellten Polizeiorgane zahlen? Ebenfalls die Steuerträger. Wenn wir nun in 10000 Gemeinden Böhmens 10000 Polizeiorgane, ich nehme für jede Gemeinde Eines an, anzustellen und erhalten zu können der Ansicht sind, so sind wir gewiß umsomehr im Stande, eine entsprechende Vermehrung der Gensd'armerie zu bestreiten, und nur eine Vermehrung der Gensd'armerie kann dem Uibelstande, den wir jetzt eben besprechen, abhelfen. (Bravo! links.) Ich wäre daher der Ansicht gewesen, der Ausschuß hätte vielmehr, als daß er sich mit künftigen Generationen beschäftigte, die denn doch in dem kommenden Winter an der Unsicherheit auf dem Lande keine Abhilfe schaffen können, (Heiterkeit links) sich darauf beschranken sollen, eine Vermehrung der Gensd'armerie zu beantragen, und eine Anbahnung der Verbesserung unserer Gesetze so wie eine strengere Handhabung derselben. (Bravo.)
Oberstlandmarschall: Wünscht noch Jemand von den Herren das Wort?
(Niemand meldet sich.)
Wenn Niemand das Wort verlangt, so erkläre ich die Debatte für geschloffen und ertheile dem Herrn Berichterstatter das Wort.
Se. Exc. Statthalter Freih. v. Kellersperg:
Ich bitte ums Wort.
Der Gegenstand, welcher heute den h. Landtag beschäftigt, ist unstreitig ein Gegenstand der wichtigsten Natur.
Es ist noch kaum ein Landtag vorübergegangen, wo nicht dieselbe Angelegenheit besprochen und reiflich erwogen wurde. Namentlich sehe ich aus den Akten und aus den nun vorliegenden Landtagsberichten, daß im Jahre 1865 diese Sache hier reiflich behandelt, eine Kommission niedergesetzt wurde, daß die Uebelstände als außerordentlich geschildert wurden, und daß man auf Abhilfe sann. Die Regierung hatte damals zu diesem Zwecke einen Antrag vorgelegt auf Zusammenziehung der Gemeinden.
Leider aber ist es in dem hohen Landtage zu einem Beschluße darüber gar nicht gekommen. Ich glaube - man möge die Sache ansehen, von welcher Seite man will - der Hauptübelstand, daß die öffentliche Sicherheit am Lande leidet, liege denn doch in den zu kleinen Gemeinden, und solange diesfalls nicht radikal Abhilfe getroffen wird - es ist dies meine Ansicht, seitdem das Gemeindegesetz zum erstenmal in Berathung kam - so lange - sage ich - diese Abhilfe nicht getroffen wird, wird alles, was der hohe Landtag und die Regierung thun werden, nur ein Palliativmittel sein.
Es drängt mich, da ich die Ehre hate, auch im vergangenen Jahre an diesem Tische als Regierungskommissär zu sein, dem hohen Landtage mitzutheilen, was in der Sache der öffentlichen Sicherheit seit dem Tagen des Landtages, seit anderthalb Jahren geschehen ist.
Damals nach dem Kriege, namentlich im Frühjahre des vorigen Jahres, war die öffentliche Sicherheit, wie es Ihnen Allen, meine Herren, bekannt ist, auf das Gesährlichste bedroht. Es war auch der Wunsch ausgesprochen worden, die Gensdarmerie soviel als möglich zu vermehren.
So weit es die Kräfte der Finanzen zuließen, ist dem Wunsche auch entsprochen worden. Es fand eine Vermehrung der Gensdarmerie statt im April des vorigen Jahres mit 41 Mann, und es fand eine Vermehrung derselben statt im Herbste mit 73 Mann, wovon gegenwärtig auch noch 67 Mann sich hier in Activität befinden, 6 Mann aber wieder abgezogen werden mußten.
Wie die Sache jetzt steht, und da ich auch innigst überzeugt bin, daß es dem Herrn Antragsteller darum zu thun ist, für die nächste Zukunft Beruhigung zu haben (Rufe: Ja wohl!), so bin ich sehr gern bereit, bei der hohen Regierung auf eine ausgiebige weitere Vermehrung der Gensdarmerie anzutragen (Bravo, Bravo!) und habe diesfalls bereits Weisungen an alle Bezirkshauptmänner erlassen, mir in kürzester Zeit kund zu geben, welche Zahl sie zur Erhaltung der Ruhe und Ordnung für die nächste Zukunft als nothwendig hielten.
Ich komme zu der weiteren Darstellung dessen, was für die öffentliche Sicherheit die Regierung in letzter Zeit gethan, und weil es der kürzeste Weg ist, das hohe Haus davon in Kenntniß zu setzen, werde ich mir erlauben, einen diesfälligen Erlaß an die Behörden vorzutragen, und so den hohen Landtag in eine genaue Kenntniß der Sachlage zu setzen.
Dieser Erlaß datirt vom 9. Feber dieses Jahres und ist an alle Bezirksvorsteher gerichtet.
Sr. Exc. (liest): Hochgeehrte Herren!
Der Sicherheitsdienst am flachen Lande wird noch immer nicht in erwünschter Weise gehandhabt, dieß zeigen die noch häufig vorkommenden Sicherheitsstörungen. Ich sinde mich hiedurch veranlaßt, die dießfälligen Vorschriften, namentlich die Weisungen der Statthalterei-Erlässe vom 19. Februar 1865 Z. 7569, vom 4. Jänner 1866 Z. 19 pr. vom 5. Juni 1866 Z. 2334 pr. vom 18. Nov. 1866 Z. 46330, vom 31. März 1867 Z. 11449 und vom 4. August 1867 Z. 36990 zur genauesten Befolgung in Erinnerung zu bringen und Nachstehendes hinzuzufügen: Als eine der Ursachen, welche die Herstellung eines befriedigenden Standes der Sicherheit der Person und des Eigenthums bisher vereitelten, muß der Abgang des Einklanges in der bezüglichen Thätigkeit aller Bezirke des Landes, dann der Mangel des einmüthigen Zusammenwirkens aller in dieser Beziehung gesetzlich berufenen Organe bezeichnet werden.
Die Ordnung des Sicherheitsdienstes in einem Bezirke - wenn in den Nachbardezirken statt strikter Einhaltung der hierauf abzielenden Vorschriften Lässigkeit herrscht - bleibt für die Aufrechthaltung der öffentlichen Sicherheit im Allgemeinen ebenso wirkungslos als die selbstaufopferndste und rastloseste Anstrengung einzelner Organe, wenn der Thätigkeit derselben die Unterstützung der übrigen zur Mitwirkung verpflichteten Faktoren mangelt.