Sobota 20. dubna 1861

Ich erlaube mir darauf hinzuweisen, daß Seine Majestät, unser Allergnädigste Kaiser und König, in seinem Manifeste vom selben Tage gesagt hat: "Ich erfülle meine Regentenpflciht, indem ich die Erinnerungen, Rechtsanschauungen, Rechtsansprüche meiner Länder und Völker mit den thatsächlichen Bedürfnissen der Gesammtmonarchie in Einklang bringe."

Ich glaube, gegenüber diesen kais. Worten kann man wohl nicht verwehren, daß man sich darauf berufe; ich meine dies allerdings nicht in dem Sinne, daß man die Ferdinanäische Landesordnung in allen Beziehungen zu Recht bestehend und auf unsern Landtag übergehend betrachtet; in dieser Beziehung kann von einer Dedukzion keine Rede sein. Aber das virtuelle Recht der Steuerbewilligung, namentlich für die Angelegenehiten des Landes, das hat Seine k. k. Apostolische Majestät dem Lnade gewahrt. Das, glaube ich, ist unser Standpunkt, das ist unser Rechtsboden. Und ich glaube, meine Herren, wir werden von dem Lande nur Anerkennung verdienen, wenn wir die Wurzel und Grundlage unserer Verfassung nicht blos in der Gunst der Stunden, welcher die Ungunst der Nächsten folgen kann, sondern in der Gesammtheit der geschichte suchen, und daß wir unsere Landesordnung nicht als eines jener schwächlichen Gebilde des Tages, welche auf Sand gebaut wird, betrachten und behandeln.

Oberstlandmarschall: Herr Dr. Stamm hat das Wort.

Dr. S t a m m: Ich ergreife das Wort im Interesse der sämmtlichen Gemeinden, welche durch einen Ausdruck irre geführt werden könnten, der heute hier gebraucht worden ist. Man hat das Recht, auch den Zuschlag zum Zwecke der Landesmittel auf die Steuern einzugehen und auszuschreiben, ein Recht der Steuereingehung genannt. Dieses Recht hat jede Gemeinde, und sie könnte nun glauben, auch sie über ein Majestätsrecht aus, und deßwegen verwahre ich mich hgegen diese Bedeutung des Ausdruckes; es sind Zuschläge zu den allgemein ausgeschriebenen Steuern zu den Landesmitteln, wie es Zuschläge zu den Gemeindeausgaben gibt

Dr. F r i c: Die Kommission, den anzugehören ich die Ehre habe, hat jedenfalls den vollen Wunsch in sich gefühlt, daß es dem Lnadtage möglich werde, noch im heuerigen Jahre zusammenzutreten, und jene Arbeiten vorzunehmen, welche nach der Landesordnung demselben zugewiesen sind. Es enthhält der Antrag auch nichts anderes, als eventuell für den Fall, wenn es nicht möglich wäre, doch irgend eine Verfügung zu treffen. Diese Verfügung wurde beantragt, damit dem Ausschuße mit Zuziehung der gewählten Ersatzmänner dieses Recht eingeräumt werde. Es war doch besser, einem Theile des Hauses dieses Recht zu überlassen, als gar nichts zu verfügen, und dann den Landtag in der Verlegenheit zu lassen. Das war die Begründung, welche die Kommission zum einhelligen Beschluße geführt hat für den eventuellen Fall, als es dem hohen Landtage nicht möglich wäre, seine Pflicht zu üben, sondern sie durch den Ausschuß im Vereine mit den Ersatzmännern über zu lassen. (Bravo!)

Oberstlandmarschall: Wünscht noch Jemand das Wort?

S t e f f e n s: Ich habe um das Wort gebeten, aber nur, weil es eine persönliche Berichtigung betrifft. Es ist früher auf der andern Seite ein Unterschied gemacht worden zwischen Landeskindern: zwischen solchen, welche im Lande geboren sind, und solchen, die außerhalb des Landes geboren, sich Böhmen zum Vaterlande gewählt haben, und jetzt in demselben wohnehn. Ich möchte nun eben den rechtsgelehrten Herrn Abgeordneten, der diese Beschuldigung ausgesprochen hat, auf die schweizerische Bundesverfassung verweisen, welche im §. 59 einem Jeden, der 5 Jahre lang das Bürgerrecht besitzt, auch alle politischen Rechte gewährt, ihn mithin als Landeskind betrachtet; ich möchte ihn auf den §. 5 Tit. II. der belgischen Verfassung verweisen, welcher sagt, daß die große Naturalisirung (la grande naturalisation) die Fremden bei Ausübung der politischen Rechte den im Lande Geborenen gleichmacht, sie also als Landeskinder anerkennt. Ich möchte ihn darauf aufmerksam machen, daß in England Jeder, der dort Besitz hat, der dort 600 Pfund in Grafschaften oder 300 Pfund in Städten und Flecken Steuer zahlt, das Recht habe, ins Parlament gewählt zu werden, also ebenfalls als Landeskind betrachtet werde. Ich möchte ihn darauf aufmerksam machen, daß Jeder, der in Amerika 25 Jahre alt und 7 Jahre lang amerikanischer Bürger ist, ebenfalls das Recht habe, in das Staatenhaus und Repräsentantenhaus gewählt zu werden, und ebenfalls dort als Landeskind betrachtet werde. Ich hoffe auch, daß man uns in Oesterreich, in Böhmen dasselbe Recht gewähren werde, zumal wir eben so gut bereit sind, mit Gut und Blut für das Land einzustehen, wie die Eingeborenen.(Bravo!)

Dr. R i e g e r: Ich gebe die Erklärung ab, daß es mir nicht eingefallen ist, nicht im Traume eingefallen ist, die neueingebürgerten Böhmen in irgend einer Weise zurücksetzen zu wollen. Meine Bemerkung geht dahin, daß Denjenigen, welche erst neeurlich in das Land gekommen sind, vielleicht die Erinnerungen des Landes und seine alten Rechte nicht so theuer und nicht so wichtig sind, als wie uns, die wir im Lande geboren sind. Wir aber legen einen Werth auf die alten Landesordnungen, weil sie dem böhmischen Landtage das Recht geben, und könenn nciht einmal zugeben, daß die neue Verfassung uns ein neues Recht gegeben hat, wie es Se. Excellenz der Herr Graf Clam-Martinitz gesagt hat. Seine Majestät hat uns nur ein Recht gewahrt, welches der Landtag von Böhmen allezeit hatte. Das ist der Sinn meiner Worte. (Bravo!)

Oberstlandmarschall: Bitte, Herr Dr. Klier hat das Wort begehrt. Jeder Redner kann über jeden Gegenstand nur zweimal sprechen.

Dr. Klier: Jedenfalls, als Berichterstatter behalte ich mir das letzte Wort vor.

Se. Excellenz Graf Leo T h u n: Es ist viel über die formelle Frage der Berechtgung gesprochen worden, aber ioch bin der letzte, der verkennt, daß es gut und nothwendig ist, in Fragen von solcher Wichtigkeit sich über die formelle Frage ins Klare zu setzen. Sie ist es doch, die für das Gewissen jedes Einzelnen, der abgestimmt hat, die Vorfrage bildet, über die Schwierigkeit dieser formellen Frage dürfen wir hinausgekommen sein. Ich glaueb, die strengte Ansicht würde durch die Bemerkung, die Se. Excellenz der Graf Clam-Martinitz gemacht hat, beruhigt sein, im strengten Falle kann man doch wohl die Sache nur so ansehen, daß das, was uns von der hohen Regierung angetragen wird, eine Ausnahme von der gegebenen Verfassung ist, daß diese Ausnahme sankzionirt werden kann nach §. 38 der Landesordnung. Wen also für das, was beschlossen wird, zwei Drittel der Versammlung einverstanden sind, und der Beschluß von Sr. Majestät gehenmigt worden ist, so glaube ich, daß in formeller Beziehung die Frage vollkommen berichtigt ist. Unter diesen Umständen scheint es mir jetzt wenigstens das Wichtigste, daß wir uns sobald als möglich darüber vereinigen, was in merito zu geschehen habe, ob in merito eine erste Nothwendigkeit und Redlichkeit vorliege, eine solche Ausnahme von der Verfassung durch den vorleigenden Fall hier zu beschließen, und die Sankzion Sr. Majestät darüber zu erbitten.

In der Beziehung kann ich mich doch der Ansicht nicht entschlagen, daß eine solche Nothwendigkeit wirklich vorliegt, wenigstens daß unter gewissen Umständen diese Nothwendigkeit eintreten kann. Der Löandtag steht an dem Abschluße seiner gegenwärtigen Session, der Reichsrath wird zusammengetreten; es ist möglich, daß der Landtag sich wieder versammle, ehe die Versammlung des Reichsrathes angelaufen ist. Wer von uns kann im Vorhinei sagen, wie lange wegen gegründeter Nothwendigkeit der Reichsrath wird tagen müssen, wir können uns Alle nicht verhehlen, bei der redlichsten Behandlung der Geschäfte von allen Seiten, die dabei Einfluß haben, kann der Fall eintreten, daß es unmöglich ist, den Landtag früher zusammentreten zu lassen, und das Präliminare für das nächste Jahr vor der Ausschreibung neu zu berathen. Deßhalb scheint mir der Antrag, den die Kommission gestellt hat, in Wesenheit vollkommen gegründet, der Antrag nämlich, daß für den Fall, daß der Landtag nicht früher zusammentritt, dem Ausschuße die nöthige Vollmacht gegeben werde, um vorzukehren, was wirklich die Verhältnisse erfordern.

Allein ich theile die Ansicht derjenigen, die gemeint haben, es ist denn doch eine sehr verantwortliche und bedenkliche Sache, dem Landesausschuße oder irgend einem andern Organe des Landes, demjenigen, dem die Verfassung, die Berechtigung zuspricht, eine solche Vollmacht unbedingt und unbeschränkt zu geben. Es ist aber auch nach dem Antrage der Kommission nicht ausgeschlossen, insofern selbst der Antrag dahin lautet, ihn zu beschränken auf das nächste Jahr; allein ich würde sehr, daß auch in Beziehung auf die Ziffer der Ausschreibung man doch Mittel und Wege finde, Schranken zu setzen. Ich bin der letzte, um vorauszusetzen, der Ausschuß, den wir eben gewählt haben, könne es sich einfallen lassen, die Steuerzuschläge uns Unendliche auszuschreiben; allein es sind einmal diejneigen, die verantwortlich sind für die Vollmacht, die wir ihnen geben, und ich theile die Ansicht, daß man in Geldsachen selsbt dem besten Freunde und so auch dem Ausschuße, dem man das Vertrauen geschenkt hat, nicht unbedingzt Vollmacht geben kann.

Wie nun diese Vollmacht zu beschränken wäre, ist allerdings für mich eine schwierige Sache zu beurtheilen; ich muß bedauern, auch in diesem Falle, daß der gesetzorndungsmäßige Weg nicht eingehalten worden ist und nicht eingehalten werden konnte, un diesen Bericht der Kommission gedruckt mitzutheilen.Der hätte uns Gelegenehit gegeben, uns in den Zifferapparat einzustudioren und eine fester instruirte Meinung abzugeben. Ich sehe ein, daß, nachdem der Landtag morgen systirt wird und es weiter nicht möglich ist (ich will keinen Vorwurf machen), aber deßhalb nur getraue ich mich nicht, einen bestimmten Antrag zu stellen, sondern erlaube mir, einen unmaßgeblichen Antrag zu stellen, und erlaube mir, diejenigen Herren, die in der Kommission waren und die sache genau kennen, zu bitten, falls das, was ich sage, praktisch nicht wohl anwendbar sein sollte, mich zu berichtigen. Ich wäre der Meineung, man beschränke die Vollmacht darauf, daß in dem möglichen Falle, wenn der landtag nciht mehr rechtzeitig sich versammeln kann, der Landesausschuß ermächtigt werde, diejenigen Zuschläge und die Höhe, in der sie in diesem Jahre faktisch bestehen, für das nächste Jahr neu auszuschreiben, und zwar für so viele Monate, als für den Zusammentritt des Landtages nothwendig ist. Ich wünsche einen Bericht darüber zu hören, von denjenigen Herren, die in der Kommission waren, ob es praktisch sei, ob einer solchen Beschränkung ein Bedenken entgegenstehen kann. Ich glaube nicht, denn ich kann nicht denken, daß es gerade besondere Gefahr bringen würde, für die nächstfolgenden Monate des Verwaltungsjahres etwa nur den Zuschlag einzuheben, der heuer bestand. Ichj glaube, die laufenden Bedürfnisse werden darin die nöthige Bedeckung finden; ihm eine größere Vollmacht zu geben, scheint mir nicht nöthig und deßwegen auch nicht angemessen.

Oberstlandmarschall: Ich erlaube mir einige Worte zur Bemerkung. Ich habe mir heute vorgenommen, mich an der Debatte zu betheiligen, und dadurch, daß mein Stellvertreter unpäßlich geworden, bin ich an diesen meinen Stuhl gefesselt, ich weiß nicht, ob die Herren mir erlauben, von diesem Stuhle aus irgend einen Antrag zu formuliren, was nicht ordnungsmäßig geschieht. (Alle Stimmen bei.) Wenn die Herren die Erlaubniß dazu geben, so will ich den Antrag des Herrn Grafen Leo Thun in der Riichtung unterstützen, daß wir das machen, was in allen parlamentarischen Versammlungen in solchen Fällen gemacht wird, daß man das Präliminare des einen Jahres auf das Jahres-Quartal des nächsten Jahres hinauszieht, daß man den Lnadesausschuß ermächtigt, im schlimmsten Falle für das 1. Quartal des nächsten Jkahres sowohl Steuerzuschläge in derselben Höhe auszuschreiben, als auch in Betreff der Auslagen, sich im 1. Quartal des nächsten Jahres genau an die Präliminarien des heurigen Jahres zu halten. Ich glaube, daß bei allen Parlamenten ein solcher Ausweg, der in solchen Momenten, wie wir jetzt sind, gefunden worden ist, daß man eine sogenannte Finanzperiode auf das 1. Quartal oder auf 1/2 Jahr verlängert. Ich glaube, dadurch dürfte es nur als eine nähere Motivirung des Antrags des Herrn Grafen Leo Thun zu betrachten sein.


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