Oberstlandmarschall: Ein 2. Bericht des Wahlprüfungskomités bezüglich der wahl für den Bezirk Benatek und Nimburk wird der Hofrath Taschek vortragen. (Hofrath Taschek liest:)
Hoher Landtag!
Bei der am 18. März vorgenommenen Landtagswahl für die Landgemeinden Nimburk und Benatek erhielten von den sämmtlich erschienenen 86 Wählern: Johann Drboslav 7, Dr. Josef Wurzel 10, Vinzenz Wawra 67 und Fried. Schwarz 2 Stimmen.
Herr Vinzenz W a w r a wurde von der Wahlkommission für gewählt erklärt.
Laut Eröffnung des k. k. Kriegsgerichtes in Prag am 26. Oktober 1853, Z. 8972 in orig., war mittelst kriegsrechtlichen und von Sr. Exc. Dem Herrn Armee-Korps-Kommandanten Eduard Grafen Clam-Gallas im Rechtswege bestätigten Urtheils vom 10. Okt. 1853 der Rechtskandidat Vinzenz W a w r a wegen Mitschuld am Hochverrathe zu fünfjährigem schweren Kerker verurtheilt, die Strafe jedoch im Wege der Gnade auf Ein Jahr gemildert.
Derselbe wurde zur Erstehung seiner Strafe nach Munkatz abgefühft, jedoch in Folge der allgemeinen aus Anlaß der Vermählung Sr. Majestät gewährten Amnestie am 25. April 1854 aus der Strafe entlassen. Ein Ausweis hierüber liegt nicht vor.
Laut Erlasses des Ministeriums des Kultus vom 25. August 1859, Z. 11063 in orig
Se. Excellenz der Herr Statthalter hat am 23. März, Z. 724, die Landtagswahl des Hrn.
Vinzenz W a w r a auf Grund des § 18 a) der L. W. D. annullirt,
uind die neuerliche Wahl auf den 2. April angeordnet, weil derselbe wegen Mitschuld an
Hochverrathe kriegsrechtlich abgeurtheilt, und durch die Amnesie nicht vollständig
rehabilirt wurde. Der vom Hrn. Vinzenz W a w r a gegen diese
Verfügung an das Staats-Ministerium ergriffene Returs wurde unterm 29. März
zurückgewiesen. Bei der neuen am 2. April vorgenommenen Wahl erschienen 85 Wähler, von welchen Johann
Drboslav 13, Med. Dr. Josef Podlipsky 70 und Fried. Schwarz 2
Stimmen erhielten. Hr. Med. Dr. Podlipsky wurde für gewählt erklärt. Es handelt sich daher um die Beantwortung der drei Fragen: I. Ist Herr Vinzenz Wawra am 18. März rechtsgiltig
gewählt worden? II. War Se. Excellenz der Herr Statthalter berechtigt,
diese Wahl zu annuliren? III. Ist die am 2. April erfo lgte Wahl des Herrn M.
Dr. P o d l i p s k y
rechtsgiltig? I. Zur Rechtsgiltigkeit einer Wahl ist die Wählbarkeit des Gewählten unerläßlich. Nach § 18 a) der L. W. O. sind von der Wählbarkeit jene Personen ausgeschlossen, die
eines Verbrechens schuldig erkannt worden sind. Mitschuld am Hochverrathe ist in den Strafgesetze § 58-61 für ein Verbrechen
erklärt. Daß das Urtheil von einem Kriegsgerichte ergangen, kann an der Sachenlage nichts
ändern, weil der § 18 a) der L. W. O. die Ausschließung der Wählbarkeit schon mit
jeder wegen eines Verbrechnes erfolgten Schuldigerklärung verbindet, ohne einen
Unterschied zwischen den Gerichten, welche das Urtheil gefällt haben, oder dem Landtage
das Recht einzuräumen, in eine Beurtheilung der Gesetzlichkeit des Urtheils, so lange
solches aufrecht besteht, einzugeben. Das etwaige Bedenken, ob die Rechtsfolgen jenes
Urtheils nicht etwa durch die Amnestie, in Folge welcher dem Herrn Vinzenz
W a w r a der Rest der verhängten Strafe erlassen worden, aufgehoben
wurden, wird theils durch den § 226 St. O., nach welchem Strafnachsicht nur eben die
Wirkung wie die ausgestandene Strafe hat, theils dadurch behoben, daß Herr Vinzenz
W á w r a einen Ausweis darüber, daß jene Amnesstie ihm gegenüber
auch einer Nachsicht der zivilrechtlichen und politischen Folgen der Beurtheilung
enthalten habe, nicht vorgelegt hat. Jeder Zweifel aber verschwindet, wenn erwogen wird, daß Herr Vinzenz Wawra durch sein
Majestätsgesuch um Nachsicht dieser Rechtsfolgen selbst anerkannt hat, daß mit jener
Amnestie diese Nachsicht nicht verbunden gewesen sei. Der gefertigte Ausschuß muß sich daher in Beantwortung der ersten Frage dahin
aussprechen, daß die am 18. März erfoglte Landtagswahl des Herrn Vinzenz
W á w r a rechtsungiltig sei. II. Die zweite Frage anlangend, so bestimmt der §. 31 L. O. wie auch der §. 53 der L. O.,
daß dem Landtage die Entscheidung über die Zulassung der Gewählten zustehe. Daraus
folgt nothwendig, daß der landtag einzig und allein derjenige ist, welcher die Annulirung
einer getroffenen Landtagswahl aussprechen könne. Die Verfügung Sr. Excellenz des Herrn Statthalters, mittelst welcher die Wahl des
Herrn Vinzenz W á w r a für ungiltig erklärt wurde, sowie die
Entscheidung des Staatsministeriums, mittelst welcher der Rekurs des Herrn Vinzenz
W á w r a gegen die Verfügung zurückgewiesen worden, stellen sich
daher als eine Präjudizirung des dem Landtage allein zustehenden Rechtes der
Wahlannullirung zu, und sicd rechtsunwirksam. Dem steht der §. 52 L. W. O. nicht
entgegen, da hierin dem Herrn Statthalter blos das Recht eingeräumt, beziehungsweise die
Verpflichtung auferlegt wird, jenem gewählten Abgeordneten, gegen welchen einer der im
§. 18 L. W. O. normiten Ausschließungsgründe vorliegt, das Wahlzertifikat zu
verweigern. III. Die dritte Frage anlangend, so setzt eine giltige Wahl im Sinne
des §. 19 der L. W. O. eine rechtsgiltige Wahlausschreibung voraus. Die untern 23. März
verfügte Ausschreibung einer neuerlichen Landtagswahl für die Landgemeinden Nimburg und
Benatek ist dem Obbemerkten zufolge ungiltig, mithin auch die auf Grund derselben am 2.
April vorgenommene Landtagswahl des Herrn M. Dr.
P o d l i p s k y und der Strenge des Gesetzes
rechtsungiltig. Wird jedoch erwogen, daß nach der, in der gestrigen Sitzung von seiten des Herrn
Vertreters der Regierung abgegebenen Erklärung, die provisorische Geschäftsordnung
hiertorts, somit unter Intervenzion Sr. Excellenz des Herrn Statthalters verfaßt wurde,
daß in dem 5. § derselben das Recht des Landtags zur Annullirung einer getroffenen Wahl
und zur Requirirung der Vornahme einer neuerlichen, ohne alle Beschränkung anerkannt
wird; so liegt es offen am tage, daß Se. Excellenz der Herr Statthalter, welcher den
Antrag des verehrlichen Mitgliedes für Semil und Eisenbrod, auf Vorlage der Wahlakten zur
allgemeinen Einsicht, so entgegenkommend unterstützt hat, durch die am 23. März
ausgesprochene Annullirung der Wahl des Herrn Vinzenz W á w r a
sicherlich keinen Eingriff in das ausschließliche Recht des Landtags, über die
Rechtsgiltigkeit seiner Wahlen zu entscheiden, beabsichtigt habe, sondern es bei der
aufliegenden Ungiltigkeit jener Wahl, dem Landbezirke Nimburg-Benatek blos möglich machen
wollte, durch seinen Abgeordneten gleich bei dem Beginne des Landtages an der Ausübung
der demselben anvertrauten hochwichtigen Geschäfte Theil zu nehmen. In dieser und der weiteren Erwägung, daß bei der am 2. April vorgenommenen
neuerlichen Wahl die sonstigen gesetzlichen Vorschriften beobachtet wurden, daß Herr M.
Dr. P o d l i p s k y mit
einer überwiegenden Majorität gewählt wurde, und daß nicht der mindetse Anhaltspunkt
zu der Annahme - eine neuerliche Wahl würde zu einem andern Resultate führen - vorliegt,
so erlaubt sich ihr der gefertigte Ausschluß folgenden Antrag zu stellen: I. Die am 18. März stattgehabte Wahl des herrn Vinzenz
W á w r a zum Abgeordnetetn für die Landgemeinden Nimburg und
Benatek sei rechtsungiltig. (Mit sechs Stimmen gegen drei.) II. Uiber die von Sr. Excellenz dem Herrn Statthalter am
23. März verfügte Behebung dieser Wahl wurde in Folge seiner in gegenwärtiger Sitzung
anzuhoffenden Eröffnung, daß hierdurch keine Präjudizirung ausschließenden Rechtes des
Landtages über die Rechtsgiltigkeit der Landtagswahlen zu entschieden; sondern nur eine
mehrere Beschleunigung des Wahlgeschäftes selbst beabsichtigt worden sei, hinauszugehen. (Mit acht Simmen - der Herr Vorsitzende Dr. Wenzel Ritter
von Eisenstein war der abgesonderten Meinung, daß dem Herrn Statthalter allerdings das
Recht zustehe, im Falle des §. 18 der W. O. die Wahl zu kassiren und eine neue
auszuschreiben.) III. Rechtswirksamekit der am 2. April erfolgten Wahl des
Herrn Med. Dr.
P o d l i p s k y für die Landgemeinden Nimburg
und Benatek anzuerkennen und denselben sofort zum landtage zuzulassen. (Mit neun Stimmen.) Dieser Antrag des herrn Abgeordneten Herrn k. k. Hofraths
T a s ch e k wurde mit Beitritt der Heren k. k. Professor Dr.
und Dr. K l i e r, des Vorsitzenden
Herrn J. U. Dr. Ritter von
E i s e n st e i n zum Beschluße erhoben;
somit mit 6 gegen 3 Stimmen beschlossen: es sei die Wahl des Herrn Vinzenz
W á w r a für die Bezirke Nimburg - Benatek zum Abgeprdneten für
den böhmischen Landtag für rechtsungiltig tzu erklären. Die Abgeordneten Dr. C u p r, Dr.
Herr Dr. Klier erklärte, er sie schon heute der Ansicht,
die Wahl des Herrn Vinzenz Wáwra für ungiltig zu erklären; trage jedoch an, die
vorbeantragten Auskünfte , über die Zeit der Verhaftung des Vinzenz Wawra, die
Kundmachung des Belagerungszustandes u. zu dem Behufe herbei zu schaffen, um hieraus
Motive zur Beantragung einer vollständigen Rehabilitirung des Vinzenz Wawra zu finden. Nachdem sofort durch Stimmenmehrheit der vorangesetzte, vom Dr
In Erwägung, daß Se. K. k. Apostol. Majetsät der Kaiser, unser allergnägiste König
in dem k. k. Diplome vom 20. Oktober 1860 die gesetzgebende Gewalt im Vereine mit dem
Langtags- beziehungsweise Reichsrathe ausüben zu wollen, zu erklären geruhten - nach
allgemeinen jur. Grundsätzen, die Auslegung der gesetze
daher auch nur Sr. Majetsät dem Kaiser, unserem allergnädigsten König im Vereine mit
dem Reichsrathe, beziehungsweise Landtage, daher weder dem hohen Ministerium, noch der k.
k. Statthalterei oder Sr. Excellenz dem herrn Sattthalter, noch dem Landtage allein
zusteht,- In Erwägung, daß Se. K. k. Majestät der kaiser, unser allergnädigste König von dem
schönsten Rechte des Monarchen, dem Rechte der Gnade rücksichtlich des Vinzenz Wawra
anläßlich hoch seiner Vermählung mit Ihrer Majetsät unserer Kaiserin aus höchst
eigenem Antriebe, allein dem Triebe seines edlen Herzens folgend, Gebrauch gemacht hat -
dieser glorreiche Akt eines hochherzigen Monarchen durch Entscheidung der k. k. Behörden
und selbst des hohen k. k. Staatsministeriums ohne die Entscheidung Sr. K. k.
apostolischen Majestät eingeholt zu haben nicht verkümmetr werden kann, -
In Erwägung, daß Se. K. k. apost. Majestät der Kaiser, unser allergnädigste König
in nicht vereinzelten Fällen als König von Ungarn, als König von galizien und
Lodomerien nicht minder, wie als König der Lombardie, Venedig, thatsächlich bewiesen und
der Welt gezeigt hat, daß Ihre Majetsät den glorreichen Akt seiner dem Kaiserhaufe
angestammten Hochherzigkeit und Gnade stets ganz und unverkümmert versteheund verstanden
habe, - In Erwägung, daß nach diesen von Sr. K. k. apost. Majestät unserem allergnädigsten
König seinen Völkern gegebenen thatsächlichen Erklärungen des §. 18 der L. W. auch
der Landtag des Königreichs Böhmen die Anschauung nicht unterdrücken kann, daß die
Anordnung des §. 18 der L. W. auch Personen, welche der Gande Sr. k. k. apost. Majetsät
theilhaftig, amnestirt wurden, gewiß nicht vielleicht selbst auf solche Beurtheilte sich
nicht beziehe, die nur wegen politischer Vergehen verurtheilt, dem Strafgerichte sich
nicht entzogen haben,- wolle der hohe Landtag beschließen, sich unmittelbar an Se. k. k. Majestät den
Kaiser, unsern allergnädigsten König, unterthänigst zu wenden, und unter Vorlegung der
Gründevon der Gnade Sr. k. k. Majestät die Auslegung bezüglich der Anwendung dieser
bezüglichen Bestimmungen ehrfurchtsvoll zu erbitten; bis zur Herablangung dieser a. h.
authentischen Erläuterung mit dem Beschluße bezüglich der Giltigkeit oder Ungiltigkeit
mit dieser Wahl zu fiftiren. Die mitgetheilten Akten werden beigeschlossen. P r a g, am 9. April 1861. Eisenstein m. p., Kommissions-Obmann. Dr. Taschek m. p.
J. U. Dr. Fischer m. p. Dr. Klier m. p. Dr. Gschier m. p. Dr. K. Tomicek m. p. Dr. Franz Cupr m. p. Dr. Klaudi m. p.