Sie, meine Herren! jetzt mit ihnen zu schrecken, und von der Freigebung der katholischen Kirche abzuhalten, das scheint mir wohl, meine Herren, etwas trop tard! Zwischen der Stellung der katholischen Kirche, welche sie gegenwärtig im 19. Jahrhunderte einnimmt, und derjenigen, welche sie in dem 11.—13. — und den mittelalterlichen Jahrhunderten eingenommen hatte, waltet ein himmelweiter Unterschied ob. Wozu und warum nun also diesen Groll und diese Entrüstung gegen dieselbe? Blicken Sie an die heutige katholische Kirche, tritt sie noch ferner im purpurnen Herrscherzewande des Mittelalters auf? tritt sie in gebieterischem Hochmuthe auf? oder erscheint sie an der Schwelle dieses Hauses nicht als eine gebeugte und gedemüthigte Magd (Bewegung) des Staates im Sklavengewande, um von Ihnen, meine Herren, den Antheil, den gebührenden Antheil der Freiheit zu erhalten, jenen Antheil, meine Herren, den Sie allen Staatsbürgern zu verleihen gesonnen sind? Unde ergo tantae animis coelestibus irae? Aber der Herr Abg. für den 3. Wahlbezirk Prags will die Freiheit der Kirche nicht gewährleistet haben, weil er behauptet, daß die Kirche diese Freiheit mißtrauchen könnte, ja sogar mißbrauchen werde. Nun aber muß ich ihm erklären, daß diese seine Befürchtungen hier wieder etwas zu früh sind, wie die früheren etwas zu spät waren. Woher weiß denn der Herr Abg. für den 3. Wahlbezirk Prags, woher hat er diese Ueberzeugung geschöpft, daß die Kirche die ihr gewährleistete Freiheit mißbrauchen werde? hat er sie etwa schon damit ein Experiment machen lassen? hat er sie schon diese 40 Jahre durchmachen lassen, die hier gefordert wurden, damit es sich bewähre, ob sie diese Freiheit gebrauchen könne oder nicht? Ich muß den Herrn Abg. für den 3. Wahlbezirk Prags fragen, ob er im Gegentheile die völlige Ueberzeugung, diese Gewißheit hat, ob die Freiheit, welche er mit vollen Händen den Bürgern des Staates zu ertheilen gesonnen ist, ob diese Bürger, ob dieses Volk diese bürgerliche Freiheit nicht mißbrauchen werden? Wo hat er die Garantien dafür! Ich glaube sie werden auf derselben Wagschale liegen, wie die Garantien der Kirche, daß sie ihre Freiheit werde mißbrauchen können. Ueberhaupt, meine Herren, wenn ich dieses Raisonnement einer näheren Prüfung unterziehe, so kann ich nicht genug staunen, welche Anforderungen an die Kirche gestellt, und welche Hemmnisse ihr wieder in Erfüllung dieser Anforderungen in den Weg gelegt werden. Man fordert von der Kirche, sie soll sich reformiren, sie soll sich constituiren, sie soll sich reconstruiren, und ich weiß nicht was alles thun, und man legt ihr überall einen Hemmschuh an, um dieses nicht vollführen zu können. Man will, sie soll frei und unfrei sein — ist dieß vereinbar? Ich weiß es nicht, und ich glaube, es wird wohl dieses mit auf das Register derjenigen Vereinbarungen gesetzt werden müssen, welche unvereinbar sind! —
Nun ich habe gesagt, daß die Philippika des Abg. für den 3. Wahlbezirk Prags zum Theil trop tard, zum Theil trop tot gewesen ist, ich muß nur noch hinzufügen: nicht nur trop tot und trop tard, sondern auch zum großen Theile nicht wahr gewesen ist. — Der Herr Abg. Pinkas hat die Behauptung aufgestellt, die katholische Kirche sei auf dem Absolutismus gegründet. Nun, meine Herren, wenn das Gebot der christlichen Liebe, wenn die Gleichheit, wenn die Gleichberechtigung Aller vor dem böchsten Schöpfer, wenn das Gebot der Aufopferung Einzelner für Alle, Grundlagen des Absolotismus sind, dann hat der Herr Abg. für den 3. Wahlbezirk Prags vollkommen recht. Aber ich glaube, daß ihm in dieser Hinsicht auch wenige von seinen eigenen Meinungsgenossen beipflichten dürften; denn sie sind ja sonst gewohnt, Christum als den ersten Demokraten anzupreisen.— Der Herr Abg. Pinkas hat vorzüglich heftig die Institutionen der katholischen Kirche angegriffen; er hat den Instanzenzug, welcher in derselben obwaltet, nämlich den vom Bischofe zum Metropoliten, und von diesem und der National-Synode zum Papste, mit dem Instanzenzuge von Welden an Windischgrätz, und endlich an den Czar verglichen. Der Herr Abg. Pinkas hat uns in letzter Instanz, an den Czar gewiesen. Ich kann nicht umhin, den Patriotismus des ehrenwerthen Abg. zu bewundern, welcher uns mit einer gewissen Emphase an den Schutz hinweist, den gegenwärtig die österreichischen Staatsbürger von dem Selbstbeherrscher aller Reußen genießen. (Bravo!) Aber so wichtig und treffend dieses Gleichniß zu sein scheint, so hält es doch bei einer näheren Beleuchtung nicht Stich, und ich muß es in die Kategorie aller Gleichnisse stellen, und sagen, es hinkt. Aber es hinkt nicht nur, sondern es ist ganz lahm. (Heiterkeit!) Es ist nur richtig in der äußern Form, ich will sagen, in der mechanischen Form; im Kerne ist es grundfalsch. Denn die geistlichen Instanzen schöpfen ihre Motive zur Fällung der Urthrile in der christlichen Liebe und in der Hochachtung für ihren eigenen Stand, wohingegen den Triebfedern zur Erlassung militärischer Machtsprüche, ich weiß nicht genau, vielleicht Willkür, vielleicht Furcht, vielleicht Rache zu Grunde liegt, und auch das Urtheil einer geistlichen Instanz zuversichtlich nicht, wie das der militärischen, auf Pulver und Blei lautet.
Der Herr Abgeordnete für den dritten Wahlbezirk Prags hat sich gestern in eine Beurtheilung der Rede des hochwürdigen Herrn Abgeordneten für die Stadt Przemysl eingelassen. Er hat bei dieser Gelegenheit gegen diesen ehrenwerthen Abgeordneten eine Beschuldigung ausgesprochen, welche, ich muß es offen gestehen, meinem Herzen sehr wehe that, und auch den Herzen Aller sehr wehe thun wird, welche diesen hochwürdigen Oberhirten näher kennen zu lernen die Gelegenheit hatten! Er hat ihn einer niederen Schmähung gezeiht. Nun, meine Herren! ich muß diese arge Beschuldigung mit jener gerechten Entrüstung zurückweisen, welche dieselbe verdient, um so mehr als ich dieselbe für ebenso ungerecht als unparlamentarisch ansehe. Der ehrenwerthe Abgeordnete für die Stadt Przemysl, über dessen unantastbaren Charakter in meinem Vaterlande nur Eine Stimme herrschet, ist nicht gewohnt Jemanden zu schmähen, vielmehr die Schmähungen, die gegen ihn gerichtet sein könnten, mit Geduld, mit Gleichmuth und gerechter Verachtung zu empfangen. (Rechts bravo.) Aber wenn der Herr Abgeordnete für den dritten Wahlbezirk Prags sich die Mühe gegeben hätte, der Rede des hochwürdigen Abgeordneten (Heiterkeit) für die Stadt Przemysl mit mehr Aufmerksamkeit zu folgen, so würde er diese Behauptung nie gewagt haben. Der Herr Abg. Pinkas hat gesagt, der hochwürdige (Heiterkeit) Herr Abgeordnete für die Stadt Przemysl hätte den Kaiser Joseph geschmäht, und stehe mit dieser seiner Schmähung isolirt in der Kammer da. Nun, meine Herren! der Herr Abgeordnete für die Stadt Olmütz hat letzthin in seinem beredten Vortrage ebenfalls die Ansichten des Herrn Abgeordneten für die Stadt Przemysl über die Kirchenfrage beurtheilt, zwar mit scharfen aber mit geziemenden Worten, dabei aber zugleich die Verwahrung eingelegt, daß dieses keineswegs der Person des ehrenwerthen Abgeordneten, sondern nur der Sache gelte. Nun dasselbe hat der ehrenwerthe Herr Abgeordnete für die Stadt Przemysl in Ansehung des Kaiser Joseph gethan, er hat keineswegs die Person dieses Monarchen, dessen Verdienste um die Menschheit, dessen Bestrebungen zur Förderung des Volksglückes gewiß er so wie nur irgend Jemand würdiget, keineswegs, sage ich, hat er die Person dieses im ewigen Andenken der Völker dastehenden Regenten antasten und ihn schmähen wollen, er hat vom kirchlichen Standpuncte aus den Geist seiner Gesetzgebung beurtheilt, und er hat keineswegs gesagt, daß der Kaiser Joseph, sondern nur, daß der Josephinismus ein verkappter Feind des Katholicismus gewesen ist; das waren seine Worte. Nun, meine Herren, wenn die Beurtheilung fremder Ansichten und Handlungen von seinem Standpuncte aus eine Schmähung ist, so steht wahrlich der Abgeordnete für Przemysl nicht isolirt in dieser Kammer mit dieser seiner Behauptung da, ich theile der erste mit ihm denselben Vorwurf, ziehe aber auch mit in die Solidarität den Abgeordneten für Olmütz hinein. Ich will mich, meine Herren, in keine Kritik der josephinischen Zeit einlassen, obwohl ich meine Geschichte eben so gut wie irgend Jemand gelesen, ja studirt habe, und es mir auch sorgfältig angelegen sein ließ, vorzüglich den Geist der Zelten zu erfassen. Der Herr Abgeordnete für die Stadt Przemysl hat hier die Meinung ausgesprochen, der Kaiser Joseph hätte den Absolutismus auf das kirchliche Gebiet verpflanzt, und er hat vollkommen recht. Er steht in dieser Meinung nicht isolirt in der Kammer da, sie wurde bereits auch von mehreren anderen Mitgliedern dieses hohen Hauses ausgesprochen; er hat den Absolutismus in den Katholicismus einführen wollen, indem er jede Verbindung mit dem Papste, ja den Einfluß desselben auf die Kirche in Oesterreich gänzlich lähmen und verhindern wollte, und sich selbst an die Stelle desselben zu setzen anstrebte. Nun, meine Herren! die katholische Kirche kann keinen absoluten Herrn auf ihrem Gebiete dulden; sie kennt nur einen absoluten Herrn, der ist unser Gott. — Es wurde ja auch in diesem Hause von den eifrigsten Verehrern des unvergeßlichen Kaiser Joseph behauptet, er wäre ein Despot, obwohl einer wie der Tag oder wie der Frühling gewesen, ein Despot soll er aber immer gewesen sein, sagt man. Nun wie der Despotismus mit der Freiheit Hand in Hand gehen, wie diese beiden Gestalten und Gewalten vereinbar sind, will mir nicht recht einleuchten. Mir fällt bei dieser Gelegenheit ein bekannter deutscher Schriftsteller ein, welcher bei Vergleichung der Kerker aufdem Spielberge mit der Aufschrift am Eingangsthore des kaiserlichen Augartens in die Worte ausbrach: "Erklärt mir, Graf Oerindur, diesen Zwiespalt der Natur!" Ja wahrlich, ich würde den Psychologen vor allen ehren, welcher diesen Zwiespalt zu lösen im Stande wäre; er wäre vielleicht auch im Stande zu deweisen, daß die Janusgesichter in eine Front miteinander gestellt werden können, und daß die stamesischen Zwillinge die herrlichste Schöpfung der Natur seien. Ich kann nicht dafür, meine Herren! daß die katholische Kirche von ihrem Standpuncte aus, die sonst unvergeßlichen Thaten auf bürgerlichem Wege des Kaiser Joseph nicht eben so loben kann. Das josephinische Zeitalter war ein Zeitalter des Skepticismus, Indifferentismus, Philantropismus, Kosmopolitismus und aller "ismus", welche Sie nur haben wollen. Man wollte schnell für das Volk etwas thun, man hat eingesehen, daß man einige Pflichten gegen dasselbe hat, man wollte es mit Gewalt zur Aufklärung, und zwar schnell bringen. Nun man glaubte, das beste Mittel dazu in dem Untergraben der sogenannten religiösen Vorurtheile des Volkes gefunden zu haben. Es wurde zum Tone, zur Mode, über Alles sich hinauszusetzen, was sonst früher heilig und ehrwürdig gewesen; es kam die Periode der starken Geister auf, und alle Diejenigen, welche sich nur einen gewissen Anstrich von Bildung geben wollten, mußten Zweifler, mußten Spötter werden. Sie werden das wohl aus der Anekdote entnehmen können, in welcher ein Barbier auf den Vorwurf eines hochgestellten Herrn, er wäre dumm, entgegnete: "Nein, mein Herr! denn obwohl ich ein armer Barbier bin, so glaube ich ebenso an nichts, wie Sie." Dieses erwägend, meine Herren kann die katholische Kirche den Geist, welcher zu den Zeiten des Kaisers Joseph in der katholischen Kirche wehte, keineswegs beloben.
Der Abgeordnete für den dritten Wahlbezirk Prags hat ferner in seiner Beurtheilung der Rede des Herrn Abgeordneten für Przemysl angeführt, er hätte gesagt: "Die Herrschaft in der katholischen Kirche gehe von oben nach unten." Ich habe genaue Einsicht in die Rede des Herrn Abgeordneten für Przemysl genommen, und gar nichts davon in derselben gefunden (oh! oh!). Ich werde mich gleich erklären. Er hat gesagt, nicht die Herrschaft, sondern die organische Gewalt in der katholischen Kirche gehe von oben nach unten, aber, hat er wohlweislich hinzugefügt, nicht um zu herrschen, sondern um zu dienen, um dem katholischen Volke als Führer zu seiner höheren Bestimmung an die Hand zu gehen, um es ins kirchliche Leben, dessen Organ das Priesterthum ist, einzuführen. Ich glaube, es ist ein bedeutender Unterschied in der Auffassung dieser Phrase zu finden.
Der Abg. Pinkas hat gestern in seiner Rede der katholischen Kirche einen ungeheuren Vorwurf gemacht, daß sie die Abhaltung von Diöcesan- und Provinzial-Synoden, welche ihr doch durch so viele Concilien, namentlich, wieder Herr Abgeordnete angeführt hat, durch das Baseler und Trientiner Concilium zur Pflicht gemacht wurde, unterlassen hat. Nun ich kann dem ehrenwerthen Abgeordneten die Aufklärung geben, daß die Kirche, als solche, gegen die Abhaltung der Synoden sich nie gesträubt hat, nachdem sie sich nicht gescheut hat, offen ihre Lehren und Angelegenheiten an den Tag zu legen; sie hat auch National- und Provinzial-Synoden abgehalten, wo sie sich nur etwas freier bewegen konnte. Sie hat sie namentlich oft und vielmal in meinem Vaterlande Polen gehalten, als noch die Kirche und das Land mit ihr frei waren, und sie wurden bis zur letzten Theilung des Königreiches Polen unausgesetzt hie und da als National-, oftmals auch als Provinzial-Synoden abgehalten. Die Ursache, warum sie jetzt nicht abgehalten werden, liegt wohl einfach darin, weil man der Kirche diese Synoden abzuhalten nicht gestattet hat. Man wirft der Kirche vor, warum sie nicht jetzt nach den Märztagen, wo man ihr doch eine freiere Bewegung gelassen hat, in National- oder Privinzial-Synoden zusammengekommen ist. Aber, meine Herren, wie konnte sich die Kirche zur Berathung über ihre Verhältnisse vereinigen, da sie noch nicht einmal weiß, in welcher Beziehung sie zum Staate steht? Ich glaube, Sie werden wohl diese Beziehungen erst festsetzen müssen, bevor die Kirche an ihre zeitgemäße Organisation, an ihre Synoden geht.
Der Herr Abg. Pinkas brach gestern in ein Wehklagen aus, über das unglückliche Los des niederen Clerus gegenüber den Episcopaten. Er behauptet, die sechzigtausend, und ich weiß nicht wie viele niederen Geistlichen im österreichischen Staate fühlen sich ganz als Leibeigene gegenüber ihren Oberhirten. Nun ich bin auch Einer von diesen sechzigtausend, und ich kann dem Herrn Abgeordneten zu seiner Beruhigung versichern, daß ich durch diese ganze Zeit, in welcher ich das Glück und die Ehre habe, dem geistlichen Stande anzugehören, mich auch nicht einen Augenblick gegenüber meinen geistlichen Oberen, deren ich bisher schon viele gehabt, als Leibeigener gefühlt habe, wohl aber der weltlichen Macht gegenüber. Meine einzelne Behauptung dürfte nicht maßgebend sein, aber ich lade den Herrn Abgeordneten ein, sich in meine Diöcese, in mein Vaterland zu begeben, und dort zu fragen, ob von den dem Oberhirten, welchen er hier so arg mitgenommen hat, unterworfenen Priestern auch nur einer zu finden sein wird, welcher in ihm den Despoten und nicht den liebevollen Vater und Freund und Führer anerkennen dürfte, und wenn hier auch Priester aus anderen Diöcesen vorhanden wären, sie würden, wollten sie offenherzig sein, dasselbe Geständniß ablegen.
Der Herr Abg. Pinkas ist mit einer großen Vorliebe, con amore, in seiner gestrigen Rede gegegen die Klöster losgezogen. Nun, meine Herren! ich bin kein unbedingter Vertheidiger der Klöster, und dazu der Klöster wie sie sind. Ich kenne sie von der Nähe, denn ich habe manches bittere Jahr meines politischen Exiles in denselben zubringen müssen, ich weiß aber, daß die Klöster die höchste Potenz, die Blüthe des Katholicismus sind. (Gelächter.) Ja sie sind es, insofern, als das höchst erfaßte beschauliche, religiöse Leben die höchste Potenz der inneren Ueberzeugung ist. (O! O!) Nun, wie gesagt, ich bin kein unbedingter Vertheidiger der Klöster. Der Herr Abg. Pinkas hat sie gestern mit einem faulen Sumpfe, von eklen Fröschen bevölkert, verglichen; ich gebe ihm gern zu, daß in diesem Reiche der Klöster viel Faules sein mag, er wird mir aber auch zugeben müssen, daß um mit Hamlet zu sprechen, auch im Reiche Dänemark Vieles faul ist! Und wenn dieses wahr ist, wenn es wahr ist, daß der Fisch vom Kopfe zu stinken anfängt, wenn dieß Axiom: regis ad exemplum totus componitur orbis, noch heut zu Tage Stich hält, so wird wohl in demselben ein nicht geringer Entschuldigungsgrund auch für den Sumpf in den Klöstern liegen. Denn wer, frage ich, meine Herren, ist daran schuld, daß die Klosterdisciplin verfiel, und die Regeln außer Acht gelassen wurden, als die bürgerliche Gesetzgebung, welche aus Klöstern ein Amphibion des Abg. Pinkas gemacht hat? Die weltliche Gesetzgebung, eifersichtig auf ihre höchste absolute Gewalt, hat die Klöster, wie gesagt, zu einem Zwittergeschöpfe gemacht, sie hat dieselben ihren ordentlichen Oberen, den Ordensgeneralen entzogen, und sie auch nicht ganz den Bischöfen untergeordnet, sondern die frühere Exemtion zum großen Theile beibehalten. So geschah es, daß die Klöster weder ganz den Generalen noch den Bischöfen unterworfen, folglich sich selbst ganz überlassen waren — und natürlich verkümmern mußten. Nun, meine Herren, ich verlasse diese unliebsame und ekle Polemik, und ich wäre dem Herrn Abg. Pinkas zu ungeheuerem Danke verpflichtet gewesen, wenn er mir dieselbe erspart hätte; ich habe aber auch erachtet, in meinem Gewissen verpflichtet zu sein, wenigstens Einiges, sowie es mir möglich war, demselben zu antworten.
Ich übergehe zu meinem Amendement, welches Ihnen vom Herrn Präsidenten vorgelesen wurde, und werde es nur mit einigen wenigen kurzen Worten Ihnen empfehlen. Als ich die vielen zu den Paragraphen eingebrachten Verbesserungsanträge durchgesehen hatte, da bedünkte es mich wahrlich, in denselben nicht die bürgerlichen Gesetzgeber, aber gewisse Reformatoren und Vater zu finden, welche eine neue Religion, einen neuen Katholicismus erfinden und feststellen wollen. Ich glaube nun, meine Herren, Ihre Aufmerksamkeit vorzüglich auf den Standpunct hinleiten zu müssen, von welchem wir diese Frage, die kirchliche Frage meine ich, anzusehen berufen sind. — Viele von den gestellten Amendements greifen den Katholicismus in seinem Wesen an, schreiben ihm eine ganz neue innere Organisation zu, zerstören ihn völlig, und meine Herren! ich glaube, wir sind da nicht berufen, um eine neue Religion, einen neuen Katholicismus zu gründen, sondern um die wesentlichen Beziehungen zwischen Kirche und Staat auf gerechte und billige Art festzustellen. Es hat sich hier, meine Herren, das Collectiv-Amendement des Abg. Wiser einer vorzüglichen Unterstützung in diesem Hause erfreut. Nun, meine Herren! ich erachte es für meine Pflicht, Sie angelegentlich vor der Annahme desselben zu warnen. Ich als Katholik, und gewiß eine Anzahl mit mir, können nie und nimmermehr in die Grundsätze, welche in demselben ausgesprochen sind, einwilligen; denn sie greifen in das Wesen des Katholicismus ein, sie zerstören ihn, sie bauen einen neuen Katholicismus, zu dem wir uns nicht bekennen wollen. Es ist in diesem Amendement ausgesprochen, daß auch die Laien einen Antheil und eine Stimme, ja eine entscheidende Stimme in den Provinzial- und Diöcesan-Synoden haben sollen. Die Kirche wehrt sich nicht dagegen, daß auch Laien zu ihren Synoden Zutritt haben, und von Allem Kenntniß nehmen, was in denselben verhandelt wird, aber sie kann denselben keine entscheidende Stimme in denselben zutheilen, weil es gegen die wesentlichen Institutionen, gegen den Organismus, gegen die Hierarchie, welche das Fundament, das Princip des Katholicismus ist, gerichtet ist. Uebrigens wird in diesem Amendement Alles auf die lange Bank geschoben. Es wird Alles den künftigen Bestimmungen vorbehalten, welche, ich weiß nicht wann und auf welche Art, ins Werk gesetzt werden. Wollen Sie also, meine Herren, nicht ein namenloses Unheil stiften, wenn dieses Amendement angenommen und ins Leben geführt werden sollte, wollen Sie nicht diesen bürgerlichen Wirren auch noch religiöse hinzusetzen, so verwerfen Sie dieses Amendement. — Ich erkläre mich unbedingt für das Amendement des Herrn Abgeordneten für Przemysl; falls dieses nicht beliebt werden sollte, dann würde ich Ihnen das meine empfehlen. Ich habe es auf eine etwas breite Basis gestellt, und so eingerichtet, daß es, alle Bedürfnisse und Befürchtungen, wie sie immer sein mögen, zu befriedigen im Stande ist. Ich habe es Allen mundgerecht zu machen gesucht. Was Sie, meine Herren, beschließen in dieser Frage, ich hoffe, Sie werden es so beschließen, daß die Erwartungen der Völker befriediget, und die Würde des hohen Hauses gewahrt werde. Sollten Sie aber irgend ein Ungethüm von Verbesserungsantrag annehmen (Lachen), dann würde ich Ihnen schon den §. 15, wie er in dem Entwurfe der Grundrechte von dem Ausschusse angegeben wurde, anempfehlen, denn er befiehlt wenigstens nichts und verspricht nichts, und läßt Alles in der Schwebe. (Heiterkeit.)
Ich schließe, meine Herren, mit demselben Ausspruche, welchen der beredte Herr Abgeordnete für Eisenbrod (Rieger) Ihnen am Aschermittwoch zugerufen hat. Er hat gesagt: Alles ist eitel! Denselben Spruch hatte schon der weise König Israels vor 3000 Jahren gethan, aber in etwas anderer Fassung. Der weise Salomo sagte: Alles ist eitel, außer Gott lieben und ihm dienen. Der Herr Abgeordnete für Eisenbrod sagte: Alles ist eitel, auch selbst das, was wir glauben. Nun, meine Herren, ich rathe Ihnen, bei der Feststellung der Bestimmungen des §. 15 den Ausspruch des weisen Salomo vor Augen zu haben, und wenn Sie dieses nicht thäten, sondern vielmehr von der Ansicht des Abgeordneten für Eisenbrod sich bestimmen ließen, von der Ansicht nämlich, daß selbst der Glaube eitel ist, dann müßte ich Ihnen wahrlich zurufen, daß auch Alles, was wir hier sprechen und thun, sich vielleicht auch als eitel erweisen dürfte.
Präs. Es hat das Wort der Abg. Hein.
Abg. Hein. Ich habe mit dem Abgeordneten der Alservorstadt getauscht und trete an seine Stelle.
Abg. Neuwall. Schluß der Debatte! (links: nein, nein!)
Präs. Ich habe das Wort bereits ertheilt, und werde dann bezüglich des beantragten Schlusses die Unterstützungsfrage stellen.
Abg. Purtscher. Meine Herren! Es thut mir leid, meine Rede über die Art und Weise, wie ich mir die Umgestaltung des Verhältnisses zwischen Staat und Staatskirche denke, mit einer Vorerinnerung beginnen zu müssen, welche mir ter Ernst und die Wichtigkeit der Sache zu machen gebietet. Es scheint nachgerade in diesem hohen Hause nur mehr Eine Methode parlamentarischen Kampfes zu geben, nämlich die, seinen jeweiligen Vorredner zu widerlegen. Es gibt dieß allerdings Manchem Gelegenheit, oft in sehr unzweideutiger, oft auch wieder in sehr zweideutiger Weise zu glänzen; aber der Wesenheit der Sache ist es, wenigstens meiner bescheidenen Meinung nach, nichtsehr fördersam. Da ich die Ueberzeugung habe, daß dergleichen nur da vollkommen am Platze ist, wo man, um Platz zu gewinnen, aufräumen muß, so glaube ich recht zu thun, wenn ich in der in Rede stehenden Angelegenheit vor der Hand meinen eigenen Weg gehe, und erst da auf meine Vorredner Rücksicht nehme, wo sie mir eben im Wege zu stehen scheinen. Daß ich hiebei eine ziemliche Strecke Weges auf gar keinen Vorredner stoßen werde, ist nicht meine Schuld; darum, hoffe ich, wird es wohl auch nicht meine Strafe werden, statt dessen von Zeit zu Zeit auf einen Meilenzeiger zu stoßen, der die Aufschrift trägt: "Zur Sache!"
Es würde mich das um so befremdlicher treffen, weil es mich überhaupt nur da treffen könnte, wo ich vom Staate sprechen werde, also von einer Größe, die, ich schon der Parallele halber in der in Rede stehenden Angelegenheit nicht so ganz und gar außer Acht lassen kann, wie es bis dato — ich weiß nicht aus welcher Ursache — der Fall gewesen ist. Daß es mich da nicht treffen könne, wo ich von der Kirche sprechen werde, weiß ich ohnedieß. Es würde da auch um so überflüssiger sein, als hierdurch nur eine Debatte, welche so schon überlang im Gange ist, unnöthiger Weise hinausgezogen würde. Denn, wenn ich nicht irre, sollten wir schon vor vielen Wochen der Kirche im Staate ein Gotteshaus gründen helfen, dessen Riesenkuppel sich schlußfest über all' den Millionen von Herzen zusammenwölbe, welche das Göttliche im Menschen, das religiös-moralische Ideal, als das zwischen aller staatlichen Theorie und Praxis mitten innen stehende, heilige Läuterungsfeuer betrachten, und sich deßhalb zu einer wie immer Namen habenden Gemeinschaft von Gläubigen fromm vereiniget haben. Wir verschoben damals die Debatte. Die Ursache hievon war eine sehr einleuchtende: wir sollten vorerst die Belege untersuchen, die man uns zu reiflicher Erwägung an die Hand gegeben. Aber der Erfolg hat leider unseren Erwartungen nicht entsprochen. Denn uns, die wir hier in Kremsier, mit weit weniger Hilfsmitteln, als einstens St. Hieronymus in der Höhle zu Bethlehem zur Uebersetzung der heiligen Schrift hatte, den Oesterreicher und den Christen von ehedem in den Menschen von jetzt übersetzen sollen, uns konnte diese wohlgemeinte Fristerstreckung wohl nur in so weit nützen, als wir an ihrer Dauer ein Längenmaß für die Dauer unserer politischen Vereinsamung und literarischen Verlassenheit gewonnen. Doch sei dem wie ihm wolle, die Staats- und Staatskirchenfrage steht heute wieder auf der Tagesordnung, sie soll wieder von allen ihr eigenthümlichen Seiten beleuchtet werden, damit wir nicht auf dem weiten Meere ihrer ausgebreiteten Beziehungen herum treiben, als ein Spielball der Leidenschaften und Vorurtheile, als eine Beute systemlos zusammengewürfelter Vielwisserei. Was sollen wir also mit dem Knoten der unzähligen Verwicklungen beginnen, welcher den Staat und die Staatskirche zwar locker, aber desto zäher zusammenhält? — Sollen wir ihn zerhauen? Nie und nimmermehr; denn selbst wenn wir die Macht eines Alexander hätten, hätten wir kein Recht dazu, einen Alexander zu spielen. Wir sollen den Knoten lösen, und dieses ist, wenn es anders mit wohlthuender Klarheit und Leidenschaftslosigkeit geschehen soll, meiner bescheidenen Meinung nach wohl nur dadurch möglich, daß wir nach einer kurzen, streng geschichtlichen Erörterung der Art und Weise, wie er geschürzt und vernestelt worden ist, eine Schleife desselben nach der anderen, eine Detailfrage nach der anderen wickeln. Das jetztzeitige Endstück hievon gaben uns ohnedieß schon die Repräsentativ-Erklärungen einzelner Kirchenfürsten und Bischöfe, im Namen ihrer Diöcesen an die Hand. Es führt im Weiterverfolgen zu der für mich sehr betrübenden Ueberzeugung, daß leider einen großen Theil der sogenannten Staatskirche, nämlich den hierarchischen Theil nicht so sehr jener schlichte Schuh drückt, in welchem sie im Weinberge des Herrn arbeiten soll, als vielmehr der souveräne Pantoffel, in welchem sie ihren Fuß auf dem verführerischen Boden des Irdischen fühlt, und nach wie vor von den warmen Küssen gläubiger Huldigung bedeckt wissen möchte. Das andere Endstück hievon will ich in Folgendem versuchen, aus der Hand der geschichtlichen Reflexion in meine herüber zu nehmest; wohin das Endstück führen wird, wird sich im Verlaufe der Darstellung von selbst ergeben. Fürchten Sie nicht, meine Herren, daß ich hierbei durch widerliche Prolixität Ihre Geduld auf die Folter spannen werde. Ich weiß zu gut, daß es eine Unmöglichkeit ist, jene Explosionskraft, welche sich in der jüngsten, fast 2000jährigen Geschichte der Menschen thatsächlich auseinander dehnte, in eine hohle Disputirnuß zusammen zu sperren; ich werde es also auch gar nicht versuchen. Aber die jüngste, fast 2000jährige Geschichte des Menschen, die läßt sich, so wundersam es scheinen mag, gar bald in übersichtlicher Kürze von seinem Stammbaume herunterlesen, vom Stammbaume seiner jeweiligen Freiheit im Staate und der Kirche. Denn da kommen die einzelnen Blätter desselben, ihre sittlichen Rostsflecke, ihr moralischer Wurmfraß, ihre politischen Farben gar nicht in Betracht, noch viel weniger die Unzahl der verwelkten und abgefallenen. Nur an den großen Organisationskräften aller jeweiligen Perioden, also an den Knospen, Blüthen und Früchten hängt das Auge des Beobachters, und gelingt es ihm, ihr Wesen schon im ersten Frühlinge und Herbste aufmerksam zu verfolgen, so wird er sich, in jedem darauf folgenden ohne große Mühe zurecht finden; denn wie sehr auch Knospen, Blüthen und Früchte wechseln mögen, ihre Ansatzstellen bleiben immer und ewig dieselben, dort wird er sie auch immer wieder zu suchen und zu finden wissen. Die erste Knospe nun am Stammbaume der Freiheit, jener Freiheit nämlich, wie sie im heidnischen Staate war, war eine so herbe, daß ein Demokrat fast anstehen möchte, ihr diesen Ehrennamen zu geben: es war die Gewalt. Ihr entsprechend waren ihre Blüthen, denn durch Befehl band sie dem Willen, durch Zwang dem Gefühle, durch Anmaßung der Ueberzeugung das Joch ihrer vermeintlichen gesellschaftlichen Ordnung auf. Dasselbe gilt nicht minder von ihren Früchten; denn durch Unterwerfung unter den Befehl trug dieses Joch der Wille, durch Furcht vor Zwang das Gefühl, durch Schweigen gegenüber der Anmaßung die Ueberzeugung. Gerade zur Zeit der Ueberreife dieser Früchte, im tiefsten Spätherbste des heidnischen Staatslebens, trat das Christenthum herein. Seine Devise waren die Worte der heiligen Schrift: Das Gesetz, d. h. hier: die Gewalt soll überwunden, und die Liebe dessen Erfüllung werden. Ihr getreu entfaltete es in dem Gebote für den Willen — in der Sitte für das Gefühl — in dem Dogma für die Ueberzeugung die Blüthen seiner Organisation; im Gehorsam gegen das Gebot — in der Scham vor der Sitte — in dem Glauben an das Dogma erntete es ihre Früchte ein; und in der Bildung der freien Gemeinde warf es vollends dem ganzen alten Heidenstaate ein engmaschiges Fangnetz über den Kopf, sein Widerstand dagegen war entsetzlich, wie der Widerstand gegen jede Revolution, aber er war auch nutzlos, sowie der Widerstand gegen jede Revolution (Bravo!); denn war er auch zehnmal größer und stärker, als unser dermaliges großes und starkes Oesterreich, er unterlag dennoch, ja noch mehr, er unterlag auch, wie man jeder Revolution unterliegt, er unterlag in eckelhafter Blindheit, und wußte bis zu seinem Ende nicht, daß er der anfänglich verachteten, dann aber verfolgten Minorität des Christenthums eigenhändig mit dem Märtyrerkranze zugleich den Siegerkranz auf die Stirne drückte. (Links Beifall.) So war denn also das Christenthum im Staate doch gegründet, es fehlte nur noch Eines, die — alle Höhe, Breite und Tiefe der menschlichen Interessen durchdringende Organisation. Sie in diesem Puncte schon hier zu kennen, halte ich für sehr wichtig; denn von da an gab sie durch ihren bereits bekannten, dreifachen Wurzelstock: das Gebot, die Sitte und das Dogma, nicht etwa bloß der ganzen zunächst folgenden Weltbildung in jeder Hinsicht Richtung und Nahrung, nein, ihre längsten und stärksten Ausläufe halten noch jetzt treu und zähe wie Epheu die zerbröckelten Ruinen des kirchlichen und staatlichen Absolutismus umklammert. Anfänglich war in dieser Periode Alles groß und herrlich, der heidnische Staat war ja, in wieferne das Heidenthum in ihm seinen Bestand hatte, gründlich ausgemerzt, aber seine Hülle, der Staat überhaupt, bestand noch fort. Um ebenfalls fortzubestehen, mußte das Christenthum in dieselbe hineinschlüpfen. Es that es auch sofort. Dadurch wurde es einerseits zwar erst eigentlich zur Kirche, andererseits aber auch zum tragischem Opfer derselben Nemesis, welche Herkules in dem Hemde des von ihm erschlagenen Nessus erreichte. Den ersten Stoß zu dieser Schicksalswendung gab die nunmehrige Kirche selbst, indem sie die Gesammtinteressen und Verhältnisse ihrer Gläubigen, statt nach dem Principe des Rechtes, nach dem Principe des Glaubens zu ordnen begann; der letzte Anstoß kam von selber, als sie im Verlaufe der Zeit nicht bloß das religiösmoralische, sondern auch das rechtlichsittliche, also das streng staatliche Gute, ja nach und nach sogar alles Brauchbare und Gegebene, z. B. das Recht des Stärkeren, die Fürsten-Souveränität, die geistliche und weltliche Obrigkeit sammt deren Rangordnung, die Einteilung des Volkes in Kasten, Zünfte und Gewerbe, die Robot und Zehentpflichtigkeit der Bauern, den passiven Gehorsam und hundert und hundert andere rechtsgiltige Verhältnisse zum Glaubenssätze erhoben hatte; denn nun hatte sie durch die unsichtbaren Poren ihres Wesens gleichsam den ganzen Staat in sich aufgesogen, und es war der große, unverschiebbare Moment gekommen, wo der alleinige und infallible Ordner aller Verhältnisse und Interessen, das Wissen, an der Seite des Rechtes dem bloß prätendirten und deßhalb nicht durchaus infalliblen Ordner desselben, dem Glauben, an der Seite des Dogma entschieden gegenüber treten mußte. Dieß geschah bekanntlich in der zweiten großen Revolution, welcher wir auf dem eingeschlagenen Wege begegnen, in der Reformation. Ihr Bestreben ging deßhalb ganz natürlich und wohlbegründeter Weise, sowie man früher von der gegnerischen Seite darin zu weit gegangen war, daß man der Kirche auch den Heimatsboden des Rechtes einverleibte, ihrerseits darin nicht minder zu weit, daß sie dem Rechte auch den Heimatsboden der Kirche einzuverleiben trachtete. Daher war der Kampf von nun an ein doppelter: ein Kampf des Staates für sich, um von der Kirche los zu werden, und ein Kampf der Kirche für sich, um vom Staate los zu werden; daher aber auch die Entscheidung eine doppelte, nämlich eine Ausscheidung des rechtlich sittlichen Staatsgebietes aus dem der Kirche und des religiös-moralischen Kirchengebietes aus dem des Staates.