Støeda 31. ledna 1849

Monarchie einen Blick werfen, wenn Sie die traurigen Verhältnisse mancher sehr bevölkerten und dabei ärmsten Distrikte mit menschenfreundlichen Augen prüfen, so werden Sie die Nothwendigkeit anerkennen, daß hier endlich eine rettende Hand, eine rettende, zugleich aber eine mächtige Hand eingreifen muß. Es gibt in unseren Ländern Gegenden, wie wir sie in Böhmen, Mähren und Schlesien haben, wo Palliativmittel, wo Abhilfe von hundert Taufenden, ja selbst von 1 oder 2 Millionen, wenn sie nicht in gehöriger Richtung angewendet werden, als ein Tropfen ins Meer betrachtet werden müssen. Meine Herren, auch diese Gegenden haben die Auswanderungsfreiheit, sie haben in dem vorigen Jahre eine Auswanderung begonnen in ein Jenseits durch Hungertod und Typhus, von wo kein Zurückkommen m e h r i st. Es ist die höchste Zeit, daß der Staat hier ein Radialmittel anwendet; ich sehe hier nur ein einziges Rettungsmittel, und zwar durch Anwendung der Kolonisation. Wir haben in der Monarchie Länder, wo weite Strecken des fruchtbarsten Bodens beinahe unbenützt und todt daliegen, wo die Schätze der Natur wegen Mangel an Arbeitskraft unausgebeutet einer vielleicht für die Zwecke der Menschheit besser sorgenden Zukunft aufbewahrt liegen.

Nun, meine Herren, wo ein solches Missverhältnis einerseits des Elends, der Übervölkerung, des Mangels an Grund und Boden, anderseits des übermäßigen Bodenreichtums vorhanden ist, muß der Staat als ausgleichendes Element eintreten. Man könnte mir einwenden, daß die Cotonisation Privatunternehmungen überlassen werden kann, daß z. B. in Galizien, wo durch die Grundentlastung so viele Arbeitskräfte vom großen Grundbesitze abgeleitet worden sind, die Privatindustrie sich auf Kolonisation verlegen muß.  Meine Herren, wo die Noth so nahe ist, wie in diesen Distrikten, wo Hunderttausende mit dem Hungertode ringen, da kann man sich auf Privatindustrie nicht verlassen. Hier ist die Abhilfe, die kräftige, schleunige Abhilfe so nothwendig, daß uns Tausende segnen werden, wenn wir diese Abhilfe bald ins Lelep rufen.

Die Einwendungen, welche vielleicht aus Nationalitäts-  Rücksichten gegen die Einwanderung gemacht werden, sind wirklich illusorisch. Es wandern hier nicht ganze Völkerstämme ein, es wandern nur Taufend, Zehntausend, oder Zwanzigtausend von Individuen ein, die in dem weiten Meere der vorherrschenden Nationalitäten untergehen, oder doch gewiß kein störendes Element bilden werden. Daß bei der Kolonisation nothwendig ist, daß der Staat eingreife, liegt gewiß außer dem Bereich alles Zweifels. Ich wünschte deßhalb in den Grundrechten, wo eine Spezialbezeichnung der Ausführungsart durchaus nicht Platz greifen kann, wenigstens dem Principe nach dieses von der Menschlichkeit uns so dringend anempfohlene Gesetz anerkannt zu sehen. Ich schließe daher, meine Herren, Ihnen aus Rücksicht der Humanität die Annahme meines Antrages anempfehlend. (Beifall.)

Präs. Der Verbesserungsantrag des Herrn Abg. Szábel lautet: Nach dem Worte "Beschränkungen" wäre einzuschalten, mit Beibehaltung der folgenden zwei Sätze: "Die Colonisationsangelegenheit innerhalb des Staatsgebietes wird unter den Schutz und die Fürsorge des Staates gestellt. " Wird dieser Antrag unterstützt? (Geschieht.) Er ist unterstützt.

Nun hat der Abg. Goldmark das Wort. (Abwesend.) Der Abg. Schuselka.

Abg. Schuselka. Ich habe bereits vorhin mein Wort an den Abg. Dylewski abgetreten.

Präs. Der Abg. Klaudi. Abg. Klaudi. Ich verzichte auf das Wort.

Präs. Der Abg. Lasser. Abg. Lasser. Der §. 10, meine Herren, enthält das Princip der Freizügigkeit im Innern und der Freizügigkeit nach Außen. Ich habe schon im Constitutions  Ausschusse diesem zweifachen Principe das Wort geredet, und habe mich auch hier als Redner für den Paragraph einschreiben lassen, weil ich einerseits als Deutscher den Wünschen meiner Nationalität Rechnung tragen wollte, und weil ich andererseits den Ausspruch dieses Principes auch unseren österreichischen Verhältnissen angemessen erachte. Als Deutscher habe ich in Erwägung gezogen, daß, so wie uns die Liebe zur Familie und Heimat angeboren ist, auch ein gewisser Grad von Wanderlust uns eigen sei; aber ich habe auch im Interesse unseres gesamten österreichischen Vaterlandes nur Ersprießliches von der Durchführung dieses Principes erwarten können.  Die Nichtbeschränkung der Auswanderung ist von keinem der Herren Redner vor mir angegriffen worden, und ich habe daher zum Schutze derselben Nichts zu erwähnen. Wenn man aber bei der Verwerfung der Forderung eines Abfahrtsgeldes auf das Princip der Reziprozität zurückkommen will, so muß ich nur auf das zwar triviale, aber auch triftige Sprichwort hinweisen, welches lautet: "Schlägst du meinen Hund, so schlage ich deinen Hund. "  Das Princip der Reziprozität haben wir bisher in unserer Auswanderungs- und Abfahrtsgesetzgebung auch gehabt, und ich würde es für unangemessen erachten, wenn man dasselbe in unsere Grundrechte neuerdings hineinbringen wollte. Was die Frage betrifft, ob der Überschuss der Bevölkerung eines Länderheiles durch Kolonisation oder Auswanderung, und zwar unter der Beihilfe und unter dem Schutze des Staates in andere Gegenden abgeleitet werden soll, bin ich im Grundsatze vollkommen mit deren Bejahung, und zwar am liebsten in der ersteren Richtung, nämlich im Wege der Colomisirung, einverstanden; aber ich glaube, daß solche Bestimmungen nicht in die Grundrechte gehören, sondern einer reiferen Berathung und einem besonderen Gesetze vorzubehalten wären. So viel von der Freizügigkeit, nach Außen.

Was die Freizügigkeit im Innern des Staates betrifft, so ist der Begriff davon allerdings etwas schwankend. Ich habe irgendwo gelesen, daß ein geistreicher Mann die Freizügigkeit den natürlichen Blutumlauf des Volkes genannt hat; so passend der Vergleich aber auch ist, so wenig genügt er doch, um das Wesen des Begriffes der Freizügigkeit uns vor Augen zu halten.  Ich finde, daß man die Freizügigkeit bald in einem engern, bald in einem weitern Sinne genommen hat. Im weiteren Sinne versteht man darunter nicht nur das Recht, überall hinzuziehen, überall sich aufzuhalten, überall seinen Wohnsitz zu nehmen, sondern auch das Recht, überall in eine Gemeinde aufgenommen zu werden. Ich glaube nicht zu irren, wenn ich in dem §. 10 dem Worte "Freizügigkeit" nur die engere Bedeutung beilege, und daher darunter nur die ersteren Befugnisse verstehe, nämlich das Recht, überall hinzuziehen, sich überall aufzuhalten und seinen Wohnsitz zu nehmen.  Was nun die Freizügigkeit in diesem beschränkteren Sinne betrifft, so muß sie vertreten werden von allen Denjenigen, welche gegen eine Monopolisierung oder Localisirung von Arbeitskraft und Talent sind. Ich bin kein Freund des Aufbaues von Zollschranken, seien sie Prohibitivoder Schutzzollschranken gegen geistige oder physische Arbeitskräfte, und ebendarum bin ich für die Freizügigkeit. Es gehört zu den teuersten Rechten des Menschen, meine Herren, von seinen Kräften und Talenten überall den Gebrauch zu machen, den er für den besten erachtet, und wenn es das Recht des Menschen ist, zu leben, so muß er auch das Recht haben, sich überall die Mittel zum Leben zu suchen. Diese Bemerkungen begründen das Recht der Freizügigkeit.

Diesem Principe muß gerade in unfern jetzigen Verhältnissen um so mehr das Wort gesprochen werden, als die wichtigen und zahlreichen Communicationsmittel, welche das Produkt unseres Jahrhundertes sind, eine großartige Umwälzung in dem Verkehre und dem Erwerbe hervorgebracht haben. Es muß der Freizügigkeit die nöthige Vermittlung geleistet werden, daß die Arbeitskraft zum Kapitale komme; es muß die Möglichkeit gegeben werden, daß dorthin, wo neue Knotenpunkte des Erwerbes sich bilden, auch derjenige Theil der Bevölkerung sich wenden könne, welcher an diesem Nahrungszweige Theil nehmen will.

Allein, wenn ich einerseits der Freizügigkeit des Individuums das Wort rede, so muß ich beifügen, daß nach meiner Ansicht unsere Verhältnisse eine unbeschränkte Freizügigkeit nicht vertragen. Man muß bei Durchführung des Principes der Freizügigkeit auch die Gemeinde berücksichtigen, und den ehrenhaften, selbstständigen und soliden Fortbestand derselben nicht unmöglich machen. Man muß in Erwägung ziehen, daß, wenn die Gemeinde Jedem gegenüber, der sich in ihr aufhält oder niederlässt, auch gewisse Verpflichtungen zu übernehmen habe, sie auch bei der Aufnahme ein Wort mitzusprechen haben muß. Wir müssen nicht bloß diejenigen, welche zuglustig sind, begünstigen, sondern auch jene Körperschaften, wohin sich die Zuglustigen wenden wollen; denn nicht ganz kann ich mich der Besorgniß entschlagen  und sie wird sich auch durch verschiedene Palliativmittel nicht abwenden lassen  daß wir sonst zu sehr die Erfahrung machen würden, daß solche Gegenden, die noch irgend etwas Anlockendes haben, von dem Zuzuge Tausender überschwemmt, und das Loos jener Gegenden theilen würden, die von Wanderheuschrecken verheert werden. Das Gefährliche, was die unbeschränkte Freizügigkeit in ihrer vollständigen Ausdehnung mit sich bringen würde, tritt um so näher in die Augen, wenn man auf die Verhältnisse der Armenversorgung, auf die Verhältnisse der Theilnahme an dem Gemeindevermögen, auf die Verhältnisse des Gewerbswerfens Rücksicht nimmt; und so sehr ich sonst kosmopolitischen und humanistischen Ideen geneigt bin, so kann ich mich doch nach diesen Betrachtungen für das Amendement des Hrn. Abgeordneten für Linz nicht aussprechen. Denn die Einführung einer unbeschränkten Freizügigkeit fetzt bereits eine gewaltige soziale Umstaltung voraus, bedingt namentlich dadurch, daß die Gewerbefreiheit bestehe, und daß die Armenversorgung vom Staate übernommen werde oder wenigstens von einem großen Theile des Staatsverbandes. So lange dieses nicht durchgeführt ist, und diese Durchführung erfordert die reiflichste Erwägung, so lange werde ich nicht der unbedingten Freizügigkeit das Wort sprechen.  Ich bin also, um kurz zu sein, dafür, daß Freizügigkeit stattfinde, aber daß sie gewisse Beschränkungen habe, die mir am zweckmäßigsten ausgesprochen erscheinen in der Textirung des §. 10, laut welchem die Freizügigkeit den durch das Gemeindegesetz ausgesprochenen Beschränkungen zu unterliegen hätte.

Es ist das Amendement eingebracht worden, welches auch bereits in einem Minoritätsvotum des Ausschusses vorkommt, daß statt "Gemeinde Gesetz" gesagt werde: "Gemeindeordnung. " Auf den ersten Anblick möchte es scheinen, daß das eines und dasselbe sei; allein schon der Umstand, daß man besonderes Gewicht auf dieses Wort legt, deutet an, daß darunter etwas wesentlich Verschiedenes verstanden werden will. Die Erörterung des Unterschiedes würde mich zu weit führen, und auf die Wiederholung aller der Gründe bringen, die über Gemeinde Gesetz und Gemeindeordnung erst vor wenigen Tagen hier geltend gemacht worden sind; dazu kommt, daß die wesentliche Differenz zwischen beiden Begriffen eben aus dieser letzten Debatte her dem größten Theile der Mitglieder dieses hohen Hauses wohlbekannt sein dürfte. Ich bin aber der Ansicht, daß die Beschränkungen der Freizügigkeit, insofern sie von Rücksichten auf die Gemeinde ausgehen sollen, durch ein Gemeinde g e setz ausgesprochen werden müssen. Ich kann es unmöglich den Gemeindeordnungen überlassen, die Hemmnisse, die man den Einwanderern aus einem Theile des Reichs in den ändern entgegensetzen will, zu statuieren, sondern glaube, daß das die Aufgabe der Reichsgesetzgebung sein müsse. Wenn Sie, meine Herren, den Ausspruch der Gründe, aus denen Jemand aus einer Gemeinde ausgeschlossen werden darf, oder den Ausspruch der Bedingungen, an welche der Eintritt in eine Gemeinde geknüpft werden soll, den Gemeindeordnungen überlassen, die sich die Gemeinde eines Ortes, eines Bezirkes, oder irgend einer kleinern oder größeren Parzelle des Gesamtstaates selbst gibt, dann, meine Herren, fürchte ich nur zu sehr, daß ein Princip, welches wir einstimmig angenommen haben, das Princip der Gleichheit vor dem Gesetze in seiner wichtigsten Richtung, in der breitesten Basts des sozialen Zusammenseins, nämlich im Gemeindeleben zur bloßen S c h e i n gleichweit herabsinke; dann fürchte ich nur zu sehr, daß das e i n h e i t l  i c h e Staatsbürgertum zur hohlen Nulle werde; dann, meine Herren, fürchte ich nur zu sehr, daß der erhebende und erhabene Gedanke eines gemeinsamen großen Vaterlandes zusammenschrumpfen werde, nicht bloß zur Landeskundschaft, sondern sogar zur Ortheimat (Bravo); dann, meine Herren, fürchte ich nur zu sehr, daß wir lauter Horizonte bilden  und Sie wissen, daß der Horizont sich ändert, wenn man nur um einige Schritte seinen Standpunkt ändert; dann, meine Herren, werden wir Taufende Kirchturmshorizonte bilden, statt des einen gemeinsamen, sich über uns Allen aufwölbenden Himmelsdomes! (Verlässt unter großem Beifall die Tribune.)

Präs. Es hat nun der Abg. Thiemann das Wort. (Ruf: Schluß der Debatte.) Ich habe schon dem Abg. Thiemann das Wort ertheilt, werde daher nach seiner Rede die Frage wegen Schluß der Debatte stellen.

Abg. Thiemann. Ich werde die Geduld dieses hohen Hauses nur für eine kurze Zeit zur Unterstützung des Amendements des Abg. Ullepitsch in Anspruch nehmen, und erlaube mir in Beziehung auf das, was das verehrte Mitglied für Lemberg bezüglich der Kolonisation und Auswanderung vorgebracht hat, nur die wenigen Worte hier anzuführen, daß, wer das Elend in Schlesien, im Riesengebirge, im Elbgebirge und im Erzgebirge nur einigermaßen kennt,  wer da weiß, daß das Leben der dortigen Armen ein immerwährendes Ringen zwischen Hunger und Krankheit ist,  wer sich endlich überzeugt, daß bei den ganz geänderten Verhältnissen der Gegenwart keine Abhilfe durch örtliche Mittel möglich ist, daß, sage und glaube ich, der zu einem radikalen Mittel, wie die Kolonisation oder die Auswanderung ist, wenigstens in so fern rathen wird, daß diese Mittel in Berathung gezogen werden. Wir, die wir als Vertreter jener Armen in diesem Hause sitzen, wir müssen und wir werden bei jeder Gelegenheit das Wort ergreifen, so oft wir die Aufmerksamkeit dieser hohen Versammlung darauf hinzuführen hoffen können. Die Bestimmung des Entwurfes, daß kein Abfahrtsgeld gefordert werden könne, vermag die Freiheit und Unabhängigkeit der österreichischen Staatsbürger nicht in jenem Grade zu schützen, als es auf den ersten Anblick zu sein scheint. Es gibt Staaten, wo viele Bürger dieses Staates, Österreichs nämlich, leben, welche die dortige Staatsbürgerschaft aber nicht erwerben wollen, wiewohl sie von den mehr oder weniger tyrannischen Regierungen jener Staaten dazu gezwungen werden. Diesen Unterthanen ist die Ausrede, daß ein Abfahrtsgeld bestehe, das einzige Mittel, um den Zwang, dortige Unterthanen zu werden, zurückzuweisen. Aus dem Bezirke, den ich zu vertreten die Ehre habe, leben einige Hundert Menschen in den Staaten Amerikas, in Mexiko, auf den westindischen Inseln, und in den Freistaaten Südamerikas. Bei den fortwährenden Revolutionen in jenen Ländern werden Sie begreifen, daß diese Leute gar kein Gelüste darnach tragen, dortige Staatsbürger zu werden. Sie kämpfen nicht bloß für sich, d. h. zur Erwerbung eines Vermögens für sich, sondern sie kämpfen dort mit allen Widerwärtigkeiten für unser Vaterland, sie besorgen den Absatz unserer Produkte, und wenn es Einem von ihnen gelingt, ein Vermögen zu erwerben, so hat er nichts Eiligeres zu thun, als es in seiner Heimat anzulegen und zu bergen. Ich, meine Herren, habe zu mehreren Malen während meiner vierjährigen Amtsführung Vermögens  Zeugnisse der Art ausgestellt, bloß zu dem Zwecke, damit diese Bedrängten, wenn sie zu Matrosen gepresst oder unter die Linie abgeführt werden sollen, sich auszuweisen vermöchten, als würden, wenn ihnen der Genus eines so großen Vermögens, als durch das Abfahrtsgeld entzogen wird, entginge, sie sich und dem ganzen Lande einen größeren Schaden zufügen, als durch die zu übernehmende Staatsbürgerpflicht etwa ersetzt werden könnte. Ich glaube, dieser Grund wird nicht widerlegt werden können.  Freilich, in den geordneten Staaten ist dieß anders, aber so viel ich weiß, berührt dieses Gesetz wegen Abfahrtsgeld von den Staaten Europas insbesondere unser Verhältniß zu Spanien und Portugal. Ich glaube auch, daß diese nur noch die einzigen Staaten sein werden, zwischen welchen in dieser Beziehung kein Übereinkommen getroffen würde. Es leben einige Hundert österreichische Familien in Spanien, ich weiß nicht, ob so viele spanische Familien in Zehnern in Österreich leben. So oft die Angelegenheit wegen Abfahrtsgeld practisch vorkam, so oft handelte es sich um Vermögen, welches aus Spanien nach Österreich kommen sollte. Ein umgekehrter Fall ist mir nicht bekannt, und jedes Mal, vorzüglich in letzter Zeit haben sie uns die gegründetesten Ansprüche mit Hinweisung auf das dielfällige Nichtübereinkommen zu Nichte gemacht, jedes Mal haben sie uns mit einem Pappenstiel abgefunden. Der Herr Minister des Handels hat vor einiger Zeit in diesem hohen Hause erklärt, die diplomatischen Verhältnisse mit Spanien seien wieder aufgenommen worden. Ich begrüßte diese Erklärung mit Freuden, weil davon das Leben in Beziehung auf Erhaltung von so vielen Tausenden in unserem Vaterlande abhängt. Auf welche Art soll durch die diplomatischen Verhältnisse unserem Lande geholfen werden? Wie anders, als durch Abschließung vorteilhafter Handelsverträge. Wenn aber in den Grundrechten ein Gesetz aufgenommen würde, daß kein Abfahrtsgeld abgenommen werden darf, dann fehlen der Diplomatie die Mittel, dagegen andere Vortheile zu erreichen; Sie würden dadurch ganz unnöthiger Weise dem Staate die Gelegenheit entziehen, nützlich für unsere Staatsbürger wirken zu können. Man hat davon gesprochen, daß Österreich mit einem guten Beispiele vorangehen müsse, auch ich bin für das Vorangehen mit guten Beispielen, nur nicht in diplomatischen Angelegenheiten. Der schlaue Diplomat Talleyrand pflegte zu sagen: "ich bin noch nie zu spät gekommen, " und ich glaube, er hat Recht gehabt. In diplomatischen Angelegenheiten soll man nicht voran gehen, sondern sehen, was andere thun, und prüfen und absehen, was man dadurch für sich und sein Land für Vortheile erringen kann.

Wenn wir die freiesten Staaten in Europa überblicken, so werden wir finden, daß sie gerade in dieser Beziehung sehr eifersüchtig ihre Rechte wahren, und immer gewahrt haben. Wenn wir ihnen in den Grundrechten so großmütig entgegen kommen, werden sie uns consequent aussaugen, und uns überdies als unpraktische Optimisten auslachen. Die Schweiz, die sich beinahe in ähnlicher Lage befindet wie Österreich, in der Beziehung nämlich, daß sehr viele Schweizer im Auslande ihr Brod verdienen muffeln, hat in der Verfassung vom Jahre 1848 den Grundsatz angenommen: "Gegen auswärtige Staaten besteht die Freizügigkeit, unter Vorbehalte des Gegenrechtes. " (Tritt unter Beifall ab.) 

Abg. Löhner. Ich beantrage noch vor dem Schlusse der Debatte den Namensaufruf.

Präs. Der Abg. Dylewski hat schon den Antrag auf Kugelung gestellt und zwar über den Antrag des Abg. Jonák, falls dieser früher zur Abstimmung kommen sollte, und falls nicht,  über den Antrag des Abg. Borrosch, wenn dieser früher zur Abstimmung kommen sollte.

Abg. Dylewski. Ich nehme meinen Antrag zurück, jedoch nur unter der Bedingung, daß auch der Antrag auf Namensaufruf zurückgezogen werde, widrigenfalls ich mir den Antrag auf Kugelung vorbehalte).

Abg. Löhner. Ich ziehe meinen Antrag nicht zurück.

Präs. Der Antrag auf Kugelung hat den Vorzug vor jenem auf namentliche Abstimmung. Wird der Antrag auf Kugelung unterstützt. (Geschieht.) Die Unterstützung ist hinreichend, es wird demnach die Kugelung stattfinden, und es entfällt der Namensaufruf.  Es wurde der Antrag auf den Schluß der Debatte gestellt. Wird dieser unterstützt? (Unterstützt.) Diejenigen Herren, die für den Schluß der Debatte sind, wollen aufstehen. (Majorität.) Die Debatte ist geschlossen. Es sind noch eingeschrieben diejenigen Herren Abgeordneten, welche sich erst hier angemeldet, und demnach das Recht haben, vom Platze aus zu sprechen, und zwar dagegen hat sich einschreiben lassen der Herr Abg. Kudler, und dafür der Herr Abg. Wéžnicky,  beide haben demnach das Recht zu sprechen, und zwar hat der Abg. Wéžnicky das Wort.

Abg. Wéžnicky. Hohe Versammlung! Ich spreche unvorbereitet, denn ich habe mich erst jetzt einschreiben lassen, um das Wort zu nehmen, und zwar aus dem Grunde, weil die Bemerkungen des Herrn Abg. Wifer, dann die Befürchtungen des Herrn Abg. Lasser mich zwingen, daß ich etwas dagegen erwidere. Der Herr Abg. Wifer vermeint, daß es das Vorteilhafteste wäre, wenn alle Bedürftigen auf die Unterstützung eines ganzen Kreises hingewiesen würden, ich halte diese Maßregel mit Beziehung auf unsere Verhältnisse, mit Beziehung auf unser Armenwesen für sehr ungerecht. Meine Herren! Es wird Ihnen bekannt sein, insbesondere denjenigen, die meinem Vaterlande angehören, daß in mancher Stadt, in mancher Gemeinde ein sehr geregeltes Armenwesen besteht, daß die Armeninstitute bei bedeutenden Geldmitteln sind. Würde man nun der Ansicht des Herrn Abg. Wiser Raum geben, so würde als notwendige Folge hergeleitet werden müssen, daß diese Gemeinden auf alle Bedürftigen des Kreises dem ungeachtet beitragen müßten, obwohl sie ihre eigenen Armen, für welche die heimischen Stiftungen bestehen, aus ihrem heimatlichen Fonde zu unterstützen haben. Es müßten demnach diejenigen Gemeinden, welche im Stande sind, ihre eigenen Armen, die Armen ihrer Gemeinden vollständig zu erhalten, in die Zwangslage versetzt werden, für die Armen anderer Gemeinden des Kreises mit den auf sie entfallenden Concurrenz  Quoten beizutragen. Ich halte aber auch diesen Antrag für nachtheilig, nachtheilig dem Gemeindeleben selbst. Ich halte dafür, daß die Gemeinde die Wiege, die Pflegerin der Sittlichkeit, der Arbeitsamkeit sein soll. Ich halte dafür, daß alle Gemeindeglieder und die ganze Gemeinde sich bemühen sollen, die Überzeugung und das Gefühl, daß Jeder verpflichtet ist, geistig und physisch zu arbeiten, seine Kräfte der Gemeinde zu widmen, jedem Einzelnen aufzudringen. Die Gemeinde müssen Sie mir auch zugeben, daß auch die Gemeinde wird sich auch ganz gewiß bemühen, diesen Begriff überall ins Leben treten zu lassen, wenn die Gemeinde weiß, daß sie alle diejenigen, welche arbeitsscheu oder arm sind, selbst wird unterhalten, unterstützen mussen; sie wird sich bemühen, auch dem Gefühle der Sittlichkeit übermalt Rechnung zu tragen, wenn sie wissen wird, daß nur ihr diejenigen, welche geneigt sind, Übertretungen zu begehen, als eine Last, von der sie sich nicht lossagen kann, anheimfallen. Ich glaube also, daß dieser Antrag des Herrn Abg. Wiser nicht practisch ist für unsere Verhältnisse, und daß er den Gemeindesinn sogar lahmen würde.

Weiteres bin ich dafür, daß in dem § 10 statt des Wortes: "Gemeindegesetz" das Wort: "Gemeindeordnungen aufgenommen werde. Meine Herren, Sie wollen gewiß alle die Freiheit der Gemeinde wahren. Wenn Sie dieß wollen, so die Unverletzlichkeit des Hausrechtes hat, die Sie bereits einzelnen Personen, einzelnen Familien in den Grundrechten gesichert haben. Die Gemeinde ist nichts anderes, als der Komplex, das Beinsammenwohnen von mehreren Familien, und dasselbe Recht der Unverletzlichkeit des Hausrechtes, welches der einzelnen Familie zusteht, muß auch mehreren Familien zukommen. Mit der Unverletzlichkeit des Hausrechtes ist es nothwendig verbunden, daß, so wie jeder einzelne Familienvater sich sträuben kann, gegen Jeden, der ihm aufgedrungen werden will in sein Haus, in seine Wohnung, in seine Familie, auch die Gemeinde das Recht habe, sich dagegen zu sträuben, daß irgend ein Gesetz ihr gebiete, einen Fremden als ein Glied der Gemeindefamilie aufnehmen zu müssen. Meine Herren, wenn Sie die Freizügigkeit der Person im ausgedehntesten Sinne nehmen, so zwar, daß sich Jeder beliebig an einem Orte niederlassen könne, und von einer anderen Gemeinde als Gemeindeglied aufgenommen werden muß, so werden Sie an vielen Gemeinden ein außerordentliches Unrecht begehen. Sie wissen, daß manche Gemeinden bedeutende Anstalten unterhalten, bedeutende Fonde haben, um nach allen Richtungen hin ihre Gemeindeglieder zu unterstützen. Nun werden einzelne Personen ihre besten Lebenskräfte in anderen Gemeinden konsumieren, und wenn sie arbeitsunfähig werden, so werden sie sich alle dahinziehen, wo derlei Anstalten bestehen, welche sie nun erhalten sollten. 

Ich halte es für ein großes Unrecht, wenn man dann fordern wollte, daß alle diese reichen Gemeinden verbunden werden, solche Personen, welche ihr ganzes Leben hindurch ihre Tatkraft einer anderen Gemeinde geopfert haben, zu unterhalten. Meine Herren, es ist das Wort: "Gemeindeordnung" wahrhaft nicht ein solches Gespenst, wie es uns der Herr Abg. Lasser zu schildern suchte. Es beliebte dem hohen Haufe erst kürzlich, einen Gemeindeausschuss zusammen zu fetzen, dem die Aufgabe werden sollte, Grundsätze des Gemeindegesetzes fest zu stellen, nämlich die Grundmengen Staatsbürgers von lokalen Ordnungen abhängig zu machen; ich glaube, die Autonomie der einzelnen Gemeinden dürfe nie soweit gehen, daß sie die allgemeine Freiheit beschränke. Ich trage daher ohne Bedenken darauf an, die Fassung des Paragraphes bis zu den Worten,, nicht beschränkt" so anzunehmen, wie sie vom Ausschüsse gegeben ist. Was jedoch den letzten Satz des §. betrifft, so habe ich einige Bedenken dagegen vorzutragen, muß aber vor Allem bemerken, daß ich hierin nur meine subjective Ansicht ausspreche, denn ich war nicht im Stande, meine politischen Freunde um ihre Meinung darüber zu befragen.

Es hat der ehrenwerthe Abgeordnete für die Kleinseite von Prag in einer dankenswerten Delicatesse für mich geäußert: er habe in einem Büchlein gelesen, man habe Gründe gegen die völlige Freizügigkeit des Vermögens in dem Zustande eines sehr verschuldeten Staates gefunden. Möglich ist, daß ein Schriftsteller auch auf diese Ansicht gekommen ist, auf die mich vielleicht eine strenge juristische Ansicht gebracht hat, der ich aber freilich misstrauen muß, weil ich sehe, daß andere Rechtsgelehrte sich geradezu dagegen erklären.

Meine Herren, wir haben hundert Millionen Schulden contrahart, oder mindestens bewilligt; lassen wir den Staatsgläubigern und denjenigen, die noch künftig dem Staate Credit geben sollen, doch die Beruhigung, daß wir auch allen Fragen, die sie betreffen, mit allem Ernste Rechnung getragen haben. Wenn der Aufwand des Staates mit dessen laufenden Einkünften gedeckt wäre, dann begriffe ich es, daß, wenn ein Unzufriedener im Lande, nachdem er seine laufende Steuer bezahlt hat, den Hut nimmt, man ihn nach frei fortgehen lasse. Etwas anders dürfte die Sache sich aber dann stellen, wenn die Gesammtheit sämtlicher Staatsbürger Schulden contrahart hat, die aus dem abgeschiedenen Staatsvermögen nicht mehr gedeckt werden können, sondern für welche das Vermögen der einzelnen Bürger in Anspruch genommen werden muß. Für die Behauptung nun, es möge von dem Abziehenden, der sein Vermögen außer Landes bringen will, für die Verpflichtung, die die Gesammtheit bisher eingegangen hat, etwas zurückgelassen werden  für diese Ansicht, sage ich, erhebt sich eine strenge Rechtsforderung. Zwei Gründe hat man dagegen geltend gemacht, man sagt, der abziehende Bürger habe die Schuld nicht contrahart, was gehe ihn diese an. Dieses ist der eine Schreckschuss für alle Gläubiger  wen geht sie denn dann an: die Regierung? so weit diese über das Vermögen der Nation gebietet,  nein. Es müßte also bloß eine persönliche Schuld für den Machthabenden im Staate sein, denn dann ist es nicht, wie ich voraussetze, eine Staatsschuld, eine Schuld, die contrahart worden ist, im Namen und zum Nutzen der ganzen Gesellschaft, eine Schuld, welche auf dem Nationalvermögen haftet. Am wenigsten, glaube ich, kann man sagen, das Vermögen des einzelnen Bürgers fei durch eine contraharte Staatsschuld mit keiner Verbindlichkeit belastet, wenn die Vertreter des Volkes in die Contrahirtung der Schuld eingewilligt haben.  Weit scheinbarer ist der andere dagegen angeführte Grund. Der Staat ist, wie man bemerkt, eine unsterbliche Gesellschaft, es ändert in der Lage der Sache nichts, wenn auch Einzelne abgehen und ihr Vermögen mitnehmen. Ich würde mich unbedingt dieser Meinung anschließen, wenn auch das Vermögen der Gesellschaft unsterblich wäre, aber das ist es nicht. Mehr oder weniger ist die Sache doch so, wie bei einer Mehrheit von Menschen, die um einen bestimmten Preis zusammengespeist haben, aber das Getränk besonders bezahlen; wenn nun der Eine sagt: hier ist mein Preis für das Couvert, für die Getränke, die ich auch reichlich genossen habe, trage ich Nichts bei; laßt mich doch gehen wenn er unter solcher Voraussetzung sagt: laßt mich frei gehen, so können allerdings die Übrigen sagen: Gehe in Gottes Namen, wir übernehmen deine Schuld. Und wollen Sie dieß sagen, meine Herren, so ist es großmütig, das gestehe ich zu. Ob es aber auch den Credit fördert, ob unter allen künftigen auch höchst misslichen Umständen, ob unter allen gewaltigen Veränderungen, von denen die bürgerliche Gesellschaft betroffen werden kann, das getraue ich mich nicht im Voraus zu bejahen.

Allein, könnte man sagen, streicht man diesen Schlußsatz des Paragraphen nach meinem Antrage weg, so ist auch der Vordersatz illusorisch; man wird dann die Auswanderung des dazu Gestimmten durch ein hohes Abfahrtsgeld hindern. Das wird man nicht, und kann es nicht, so lange der Vordersatz aufrecht bleibt. Meine Herren, das Abfahrtsgeld wird auch dann nichts sein, was in dem Belieben des einen oder des ändern Ministers liegt, sondern eine den Bürgern aufgelegte Last, über welche die Vertreter des Volkes entscheiden werden; und ich glaube, so wie wir gegenwärtig mit Kopf und Herz unser Volk vertreten, so werden auch unsere Nachfolger in der Volks  Vertretung Eigenschaften derselben Art entwickeln, und so wird man die Abgabe eines Abfahrtsgeldes niemals zur Planerei, zur Kränkung der Freiheit bewilligen.  Ein anderer Grund meines Antrages, diesen Schlußsatz wegzulassen, liegt darin: Ich glaube nach Allem, was bereits verhandelt worden ist, würde man doch kaum umhin können, den Beisatz anzuhängen:,, ausgenommen wegen der Reziprozität "  eigentlich Regtorsion. Wäre aber dieses der Fall, dann glaube ich, gehört die ganze Bestimmung nicht in die Grundrechte; denn dann wäre ein Theil davon transitdorisch, folglich nicht geeignet, in einem bleibenden Grundgesetze eine Stelle zu finden. (Verlässt unter Beifall die Tribüne).

Präs. Alle Anträge, welche vorgelegt wurden,


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