Úterý 24. øíjna 1848

Abendsitzung am 24. October 1858.

Vorsitzender: Präs. Smolka.

Anfang um halb 6 Uhr Abends.

Präs. Nach vorgenommener Zählung ist die zur Eröffnung der Sitzung erforderliche Anzahl Abgeordneter anwesend. — In Wiederaufnahme der heute Morgens unterbrochenen Sitzung ersuche ich den Berichterstatter des permanenten Ausschusses zur Berichterstattung zu schreiten.

Abg. Schuselka (von der Rednerbühne.) Wir haben die Freude, abermals Geldbeiträge für verwundete und mittellose Studenten und Garden anzukünden, und zwar:

Durch Herrn Mahler, Redacteur des Freimüthigen und der Bauernzeitung, als Ertrag einer in seinem Blatte ausgewiesenen Sammlung mit der Widmung für die Hinterbliebenen der Gefallenen und für die verwundeten, dürftigen Nationalgarden und Studenten 385 fl. 52 kr. C. M.

Durch den Abg. Meindl von der Stadt Braunau in Ober-Oesterreich für die Hinterbliedenen der Gefallenen und für die Verwundeten 213 fl. C. M.

Zugleich ist von der Stadt Braunau bei Gelegenheit dieser Geldsendung folgende Zuschrift an den Reichstag eingegangen. (Liest:)

"An den hohen constituirenden Reichstag in Wien."

"Hoher! Reichstag!"

"Treue, Söhne des Vaterlandes! Empfangen Sie unsern wärmsten Dank! In einer ernsten Zeit blieb die große Mehrzahl der Vertreter unserer Wünsche ihrer Pflicht getreu, ihrer Pflicht gegen das hart bedrängte Vaterland, umgeben von einer aufgereizten Volksmasse, deren Hände noch von dem Blute gräßlicher Selbsthilfe rauchten, — umgeben von einer bewaffneten Macht, einer Hofpartei, deren Streben unsere Rechte, unsere Freiheit bedrohte!"

"Seien Sie unserer vollsten Anerkennung aller Schritte, welche die hohe Reichsversammlung in dieser gefahrvollen Lage unseres gemeinschaftlichen Vaterlandes gethan hat, versichert! — ja, was sagen wir Anerkennung!? — Stolz, Hochachtung, Zuversicht sind jene Gefühle, welche der hohe Reichstag in unserer beklemmten Brust erweckte, und darin eine tröstende Beruhigung erzeugte, weil wir unsere Hoffnungen, die der heldenmüthigen Hauptstadt Wien, die von ganz Deutchland in den Händen einer so hochansehnlichen, gesinungstüchtigen, selbstständigen Versammlung geborgen wußten, in deren Mitte wir mit Stolz auch unsere Landsleute sehen!"

"Harren Sie aus in jener Kraft, mit der Sie begonnen haben, übertreffen Sie jene Hoffnungen, die Sie schon so schön gerechtfertigt haben!"

"Wir Alle glühen für des theureu Vaterlandes Wohl! — Ein Wort aus Eurer Mitte — und es erheben sich Alle für die gerechte Sache! Muth und Vertrauen sind unsere Waffen! Ein freies, starkes Oesterreich, ein großes einiges Deutschland unsere Losung!"

"Allen Nationen reichen wir die Bruderhand, die mit uns vereint itach dem großen Ziele streben wollen!"

"Die kleine Gabe, welche beiliegt, soll ein Beweis sein, daß Unser Wort nur der Vorbote der That ist, sie soll ein Tropfen Balsam sein in jene Wunden, aus welchen die edlen Bewohner Wiens für das ganze Vaterland, bluten! — Ihrer Wahl vertrauen wir deren beste Verwendung!"

"Nochmals unseren Dank!"

"Beharren Sie wie bis jetzt als die Vertreter eines freien Volkes, aus Ihrer Hand erwarten wir ein Gebäude, unter dem wir Alle friedlich und glücklich wohnen werden."

"Braunau am Inn, den 19. October 1848."

(Folgen die Unterschriften.)

(Beifall.)

Ferner noch durch den Abg. Borrosch von der Gemeinte Walchau für verwundete Studenten, Nationalgardisten und Arbeiter, und für die Hinterbliebenen der Gefallenen 43 fl. 44 kr. C. M.

Durch das Finanzministerium sind uns folgende Zustellungen zur Mittheilnng an den hohen Reichstag übergeben worden.

"Ich beehre mich, dem löblichen Ausschusse in Erwiederung der geschätzten Zuschrift vom 19. l. M. im Anschlusse ein an mich gelangtes Schreiben des commandirenden Herrn Generalen FML. Grafen Auersperg zum gefälligen Gebrauche mitzutheilen, in welchem sich derselbe über die Gründe ausspricht, welche ihn bestimmen, die Zufuhr der Lebensmittel nach Wien abzuschneiden."

"Wien den 23. October 1848."

Krauß m. p.

"An den löblichen permanenten Ausschuß des hohen Reichstages."

Das beifolgende Schreiben des Grafen Auersperg lautet:

"Auf die gefällige Zuschrift vom 20. d. M. habe ich die Ehre, Euer Excellenz zu entgegnen, daß das Anhalten der nach Wien bestimmten Lebensmittel eine natürliche Folge jener Vorgänge ist, welche von der Hauptstadt gegen die für die Truppen bestimmten Verpflegsbedürfnisse zuerst und ohne allen Anlaß in Anwendung gebracht wurden."

"Das Rückhalten und Abschneiden der dem Militär eigenthümlich gehörigen Effecten und die Verweigerung aller anderen ihnen aus der Stadt zuzuführenden Artikel bemüßigten mich, dafür die auf der südlichen Straße gegen Wien im Zuzuge begriffenen Lebensmittel anzuhalten und für den Bedarf der Truppen in Beschlag zu nehmen, die widrigenfalls zu gewaltsamen Schritten gegen die Landbewohner gezwungen gewesen wären, um die eigene Subsistenz zu sichern."

"Hauptquartier Inzersdorf am 21. October 1848.

Graf Auersperg m. p.

Feldmarschall-Lieutenant.

"An Seine des k. k. wirklichen geheimen Rathes und Finanzministers Freiherrn von Krauß, Excellenz."

Wie ich mehrmals die Ehre gehabt habe, der hohen Versammlung vorzutragen, hat sich der permanente Ausschuß alle Mühe gegeben, den Truppen des Grafen Auersperg die nöthigen Bedürfnisse zukommen zu lassen; ja wir haben sogar zu wiederholten Malen durch Mitglieder der Studenten-Legion die Brodbedürfnisse für dieses Truppencorps hinaus escortiren lassen. Nachdem aber der Zustand und die Lage der Stadt von Tag zu Tag sich bedrängter darstellte, nachdem sich die Befürchtung herausgestellt hatte, daß es uns selbst an Lebensmitteln gebrechen würde, so sahen wir uns im Interesse der Bevölkerung dieser Stadt in die Nothwendigkeit versetzt, darauf zu dringen, daß keine Lebensmittel aus der Stadt hinausgeführt werden, und dieses glaube ich können wir in einer von Truppen umzingelten Stadt verantworten.

Die zweite Mittheilung des Herrn Finanzministers Krauß betrifft die Antwort, die er vom Fürsten Windischgrätz erhalten hat. — Die hohe Versammlung erinnert sich, daß wir auf die erste Nachricht von den vom Fürsten Windischgrätz getroffenen Maßregeln den nächsten Schritt dahin gethan hatten, daß wir dem Ministerium unsere Zustimmung dazu gaben, das kaiserliche Manifest vom 19. d. M. in das Hauptquartier hinauszusenden, weil wir uns der sanguinischen Hoffnung hingaben, daß vielleicht dieses Manifest dem Fürsten Windischgrätz nicht bekannt sei, und auf diesem Wege vielleicht zu bewirken hofften, da in diesem Manifeste, in welchem Seine Majestät seinen treuen Völkern seinen väterlichen Gruß entbietet, und welches Garantien gibt, daß alle unsere Freiheiten aufrecht erhalten werden, daß durch dieses Manifest der Fürst Windischgrätz sich bestimmen ließe, jene Gewaltmaßregeln wieder zurück zu nehmen. Der Finanzminister sandte alsogleich einen Eilboten mit dieser Zuschrift an den Fürsten Windischgrätz; aber derselbe fand es nicht für gut, uns eine schriftliche Antwort zukommen zu lassen, sondern hat lediglich dem Eilboten, der die Depesche gebracht hat, mündlich geantwortet. Diese mündliche Antwort ist dem Minister Krauß zugekommen, jener Eilbote hat sie kurz niedergeschrieben, und sie wird hier zur Begutachtung der hohen Versammlung mitgetheilt:

"Gestern habe ich mich in Folge eines Ansinnens des Reichstags-Ausschusses an den Fürsten Windischgrätz mit dem Ersuchen gewendet, ehe zur Anwendung der Waffengewalt gegen Wien geschritten wird, mildere Mittel der Ausgleichung zu versuchen, und die Kundmachung über den Belagerungszustand und das Standrecht bis zu dem Zeitpuncte zu suspendiren, wo die von Seiner kaiserlichen Hoheit dem Herrn Erzherzoge Reichsverweser zur Herstellung des Friedens abgesendeten Reichscommissäre von Olmütz hieher zurückgekehrt sein werden. Dieses Ersuchen erneuerte ich bei der Mittheilung des von dem hohen Reichstage über die Ungesetzlichkeit der gedachten Maßregeln gefaßten Beschlusses. Beide Schreiben erlielten jedoch keine schriftliche Antwort. Bloß mündlich wurde dem abgesendeten Eilboten erwietert, daß der Herr Feldmarschall keine andere executive Gewalt in Wien kenne, als den Gemeinderath oder Magistrat; den hohen Reichstag könne er nicht als Executivgewalt betrachten; er wünsche, daß ich seine Aeußerung dem Gemeinderathe bekannt mache, er wolle zur unbedingten Unterwerfung der Stadt 24 Stunden Zeit gewähren, und müsse verlangen, daß die abermalige Kundmachung des Manifestes vom 16. d. M. erfolge".

"Ich habe die Ehre, Euer Wohlgeboren die Mittheilung hievon mit dem lebhaften Bedauern, daß der Versuch, eine gütliche Beilegung anzubahnen, keinen günstigen Erfolg hatte, zu machen."

Wien den 23. October 1848.

Krauß m. p.

"An Seine des Herrn Präsidenten des hohen Reichstages Franz Smolka, Wohlgeboren!"

Am heutigen Tage wurde von Seite des Gemeinderathes eine neuerliche Proclamation des Fürsten Windischgrätz mitgetheilt, deren Inhalt ich hier der hohen Versammlung vorzutragen die Ehre habe. "Proclamation."

"Im Verfolge des von mir in meiner ersten Proclamation vom 20. d. M. verkündeten Belagerungszustandes und Standrechtes für die Stadt Wien, die Vorstädte und nächste Umgebung habe ich befunden, als fernere Bedingungen zu stellen:

1. Die Stadt Wien, deren Vorstädte und die nächsten Umgebungen haben 48 Stunden nach Erhalt dieser Proclamation ihre Unterwerfung auszusprechen und legions- oder compagnieweise die Waffen an einen zu bestimmenden Ort an eine Commission abzuliefern, so wie alle nicht in der Nationalgarde eingereihten Individuen zu entwaffnen, mit Bezeichnung der Waffen, welche Privat-Eigenthum sind.

2. Alle bewaffneten Corps und die Studenten-Legion werden aufgelost, die Aula gesperrt, die Vorsteher der akademischen Legion und 12 Studenten als Geißeln gestellt. (Zischen.)

3. Mehrere von mir noch zu bestimmende Individuen sind auszuliefern. (Großes Zischen.)

4. Auf die Dauer des Belagerungszustandes sind alle Zeitunzsblätter zu suspendiren, mit Ausnahme der Wiener Zeitung (Zischen und Heiterkeit), welche sich bloß auf officielle Mittheilungen zu beschränken hat.

5. Alle Ausländer in der Residenz sind mit legalen Nachweisungen der Ursache ihres Aufenthaltes namhaft zu machen, die Paßlosen zur alsogleichen Ausweisung anzuzeigen.

6. Alle Clubbs bleiben während des Belagerungszustandes aufgehoben und geschlossen.

7. Ein Jeder, der sich

a) obigen Maßregeln entweder durch eigene That oder durch aufwieglerische Versuche bei Anderen widersetzt; — wer

b) des Aufruhrs oder der Theilnahme an demselben überwiesen, oder

c) mit Waffen in der Hand ergriffen wird — verfällt der standrechtlichen Behandlung. (Zischen.)

Die Erfüllung dieser Bedingungen hat 48 Stunden nach Veröffentlichung dieser Proclamation einzutreten, widrigen Falls ich mich gezwungen sehen werde, die allerenergischsten Maßregeln zu ergreifen, um die Stadt zur Unterwerfung zu zwingen. (Allgemeines Zischen.)

Hauptquartier Hetzendorf am 23. October 1848.

Fürst zu Windischgrätz m. p.

Feldmarschall."

Ueber den Inhalt dieser Proclamation eines Näheren mich auszusprechen, bin ich vom permanenten Ausschnsse nicht beauftragt. Dieses Manifest spricht für sich selber, und die Geschichte der civilisirten Welt wird darüber das Urtheil fällen. (Beifall.) Wir haben diese Proclamation in Berathung zu ziehen für unsere Verpflichtung gehalten, und immer bemüht und bedacht, jeden möglichen Schritt zu versuchen, um das schwere Unheil von dieser Stadt abzuwenden, haben wir uns zunächst veranlaßt gesehen, Abdrücke von dieser Proclamation sofort durch Eilboten nach Olmütz zu schicken mit der entschiedenen Anfrage, ob der dortige verantwortliche Minister diese Proclamationdes Fürsten Windischgrätz als mit constitutioneller Freiheit vereinbarlich erkenne, und ob er dafür die Verantwortlichkeit übernommen habe? Wie gesagt, wir thaten diesen Schritt und glaubten ihn thun zu müssen, als den zunächst liegenden und vorgezeichneten. Vielleicht gelingt es bei Unterbrechung der Communicationen, bei der großen Verwirrung aller Verhältnisse einem möglichen Irrthume vorzubeugen und im gesetzlichen Wege eine Annullirung dieser Gewaltmaßregel herbeizuführen. Wir haben aber nicht geglaubt, mit diesem Beschlusse uns begnügen zu dürfen, wir haben reiflich erwogen unsere Stellung, unsere Aufgabe und die Mittel, die uns zu Gebote stehen. Wir sind zur Ueberzeugung gekommen, daß uns, als der constituirenden Reichsversammlung, allerdings nur moralische Mittel zu Gebote stehen; wir haben aber in dieser Ueberzeugung uns zugleich verpflichtet erklärt, von diesen moralischen Mitteln als gesetzgebende Versammlung Gebrauch zu machen, soviel als möglich. Wir haben erkannt, und sprechen dieses Bekenntniß aus, daß wir hier, weil wir berufen sind, den gesetzlichen Zustand zu begründen und zu erhalten, auch verpflichtet sind, in einem Augenblicke, in welchem der gesetzliche Zustand bis in seinen Grundfesten erschüttert und aufgehoben werden soll, uns mindestens als unerschrockene und rastlose Wächter des Gesetzes und des Rechtes auszusprechen (Beifall) und wiederholt gegen eine solche Verletzung aller constitutionellen und aller menschlichen Rechte zu protestiren, vor der Welt, vor der civilisirten Welt, vor ganz Europa, vor der Geschichte und vor Gott. (Beifall.) Wir haben uns dazu verpflichtet gefühlt, weil es eine Pflicht ist, eine Wahrheit, eine Protestation, wenn sie auch einmal nicht gehört, einmal nicht gewirkt hat, jedesmal und immer zu wiederholen, wenn ein entgegengesetztes Gewaltverfahren sich geltend machen will. Und wir haben uns bei der näheren Prüfung der Proclamation und Erwägung der Folgen, welche nothwendig aus einem solchen Verfahren entspringen müssen, verpflichtet gehalten, noch einen wesentlichen Punct hervorzuheben, einen Grund, den wir bei unserem vorigen Beschlusse noch nicht geltend gemacht halten. Wir haben nämlich als aufrichtige, treue Anhänger des constitutionellen monarchischen Princips uns nicht verhehlen können, daß durch ein Verfahren, wie dieses vom Feldmarschall Fürsten Windischgrätz eingeschlagene, dem constitutionellen monarchischen Principe, dem Throne Oesterreichs mehr und gefährlicher geschadet werde, als ihm jemals von den grimmigsten Feinden hätte geschadet werden können. (Beifall.) Wir haben uns für verpflichtet gehalten, in der Oeffentlichkeit dem Fürsten Windischgrätz gegenüber dieses auszusprechen, und die hohe Versammlung aufzufordern, dieses zu bekräftigen, eben dem Fürsten Windischgrätz gegenüber, der das Verfahren, welches er ein leitet über diese Stadt, damit zu rechtfertigen sucht, daß er als Kämpfer des constitutionellen Thrones dastehe. Wir glauben, daß das Ansehen dieser hohen Versammlung, wenn sie die entgegengesetzte Ueberzeugung durch ihren Ausspruch bekräftigt, nicht ohne Wirkung auf den Fürsten Windischgrätz und alle Diejenigen sein werde, welche mit ihm einverstanden sind, über die Hauptstadt Oesterreichs ein Verfahren einzuleiten, welches in den schlimmsten Zeiten, in denen Wen sich befunden hat, in den finstersten Zeiten des Mittelalters der grimmigste Feind, den Wien je gesehen hat, gegen Wien nie beobachtet hat. (Beifall.)

Es ist bei dieser Berathung im permanenten Ausschusse eine Meinungsverschiedenheit hervorgetreten, es hat sich nämlich eine Minorität dahin ausgesprochn, daß mit dem neulichen Beschlusse der hohen Versammlung die Sache ein für allemal erledigt sei, daß r dadurch, daß die hohe Versammlung das Verfahren des Fürsten Windischgrätz als ein ungesetzliches erklärt hat, Alles gethan worden ist, was von einer gesetzgebenden Versammlung geschehen konnte, und daß alle Folgerungen daraus lediglich der Verantwortung des Fürsten Windischgrätz selbst überantwortet werden müßten. Die Majorität des Ausschusses jedoch hat sich dahin ausgesprochen, daß eine wiederholte und bekräftigte Erklärung und namentlich die Aufnahme des eben auseinander gesetzten Punctes, nämlich des Umstandes, daß durch dieses Verfahren die constitutionelle Monarchie in Oesterreich in ihren Grundfesten erschüttert, und die verderblichsten Folgen für das Vesammtvaterland hervorgerufen werden, nothwendig sei, und die Majorität des Ausschusses sich demnach veranlaßt finde, der hohen Kammer einen neuen Antrag zu einem neuen Beschlusse vorzulegen. — Die Minorität also trägt darauf an, daß die hohe Versammlung sich in Bezug auf die neue Proclamation des Fürsten Windischgrätz lediglich auf den am 22. October gefaßten Beschluß beziehen solle, die Majorität hat sich vereinigt, folgenden Antrag zu stellen:

"Da der Feldmarschall Fürst Windischgrätz im offenen Widerspruche mit dem kaiserlichen Worte vom 19. October und in offener Nichtachtung des Reichstagsbeschlusses vom 22. October in einer neuen Proclamation Maßregeln über Wien verhängt, die nicht nur die vom Kaiser sanctionirten constitutionellen, sondern auch die allgemeinen Bürger- und Menschenrechte völlig aufheben, so erklärt der Reichstag, daß dieses Verfahren des Fürsten Windischgrätz nicht nur ungesetzlich, sondern eben so sehr gegen die Rechte des Volkes, wie gegen die Rechte des erblichen constitutionellen Thrones feindlich ist."

Ich bitte die hohe Versammlung, diese beiden Anträge der Minorität und Majorität ihrer Berathung zu unterziehen.

Abg. Gschnitzer. Ich würde mir nur erlauben einen Zusatz vorzuschlagen. Es ist zwar eine Sache, die sich von selbst versteht, daß Jeder für die Schritte, die er thut, auch verantwortlich sei, indessen glaube ich, daß es nicht schaden dürfte, wenn man in dieser Zuschrift, oder wie ich sie eigentlich nennen soll, sagen würde, daß für die verderblichen Folgen, die aus dem Benehmen des Fürsten Windischgrätz entstehen, derselbe durch den hohen Reichstag im vollsten Maße verantwortlich gemacht werde.

Präs. Ich ersuche, mir den Antrag schriftlich zu übergeben.

Abg. Sadil. Wir leben in einer Zeit, wo, glaube ich, es doppelte Pflicht eines Jeden ist, die Wahrheit nicht nur zu fühlen, sondern auch auszusprechen. Wir dürfen nicht vergessen, daß wir nur eine vermittelnde Mission haben; Decrete hinaus zu geben, ohne ihnen Folge schaffen zu können, finde ich überdieß der Würde des Reichstages nicht angemessen. Wir haben erklärt, daß der Belagerungszustand ungesetzlich sei, haben damit Alles gethan, was wir thun konnten. Der Ausschuß hat an das Ministerium die Anfrage gestellt, von wem die Vollmachten des Fürsten Windischgrätz contrasignirt sind, da war noch immer die versöhnende Hand nicht ausgeschlagen, wir dürfen die Versöhnung nicht unmöglich machen durch einen — ich muß aufrichtig gestehen — voreiligen Ausspruch. Wien ist nicht Paris, nicht die Hauptstadt eines einigen Volkes von 35 Millionen Menschen. Jede unserer Provinzen hat ihre Hauptstadt, jede hat mehr oder minder lebhafte Erinnerungen früherer Unabhängigkeit, die Interessen sind nicht dieselben, die in Wien vorherrschen. Wir haben von Böhmen z. B. eine Adresse verlesen gehört, der ganz deutschen Stadt Eger, die sich darauf beschränkt hat, alle Fortschritte und Freiheiten, die versprochen worden sind, nur auf friedlichem Wege zu erringen und zu befestigen. Der Ausspruch Egers, glaube ich, ist der von ganz Böhmen. Es ist eine Provinz, auf deren Sympathien wir nicht rechnen können bei einer Uebereilung, durch welche wir die Brücke zum Frieden hinter uns abbrechen. Ich bin daher bei dem Umstande, als noch keine Antwort vom Ministerium da ist, der Ansicht der Minorität des Ausschusses, damit nämlich vor der Hand es dabei bleibe, was der Reichstag schon einmal ausgesprochen hat.

Abg. Borrosch. Dieses neuerliche Manifest hat eine zweifache Wirkung zur Absicht, entweder die Raserei der Verzweiflung eines edlen Volkes herauszufordern und in Folge eines Blutvergießens und des dadurch gehofften Sieges noch hinterher Gründe für die Militärdictatur zu finden, oder durch die Entmuthigung eines Theiles der Bevölkerung Zwiespalt unter sie selber zu werfen, und den Bürgerkrieg möglicherweise innerhalb der Mauern anzufachen. Es hat Wien sich einst gegen einen Feind — es sind nicht 200 Jahre — eine lange Zeit, sieben Monate hindurch gehalten, in dieser Begeisterung, in dieser Aufopferung, so glaube ich, wird es sich geharnischt, gepanzert bis an die Zähne noch eine Weile zu halten vermögen. Ich betrachte dieses Manifest vor der Hand als Schreckrakete; denn sie ist in der That mit Paragraphen ausgestattet, z. B. sich vorbehalten Individuen, die man erst hinterher namhaft machen will — Geißeln, Geißeln!! — heut zu Tage! — (Stürmischer Beifall) in der Zeit des Christenthums! und nicht einmal gegen die Stadt eines auswärtigen Feindes — gegen die einheimische, gegen das Herz der Monarchie! — Wer wird zu Geißeln gewählt? — Kann man dem Bürger gebieten, seinen Mitbürger zu binden, um ihn als Opfer hinzuschleppen? (Beifall.) Was ist das für ein Bürger, der seinen Mitbürger ergreift, um ihn als Geißel hinzuschleudern! (Stürmischer anhaltender Beifall.)

Präs. Ich ersuche die Gallerien, sich des Beifalls zu enthalten.

Abg. Borrosch. So würden sich also Geiseln freiwillig als edle Sühnopfer stellen müssen, und diese Edelsten möglicherweise dem Hinschlachten Preis gegeben werden! Ich kann also noch immer nur glauben, daß eine mit solchen Paragraphen ausgestattete Proclamation eine Schreckrakete ist. — Stark in der Vertheidigung haben wir die Schritte abzuwarten, welche gethan wurden, das Werk der Versöhnung, der Friedigung, des möglichen Weiterbaues nicht nur allein der Constitutionsurkunde, sondern wahrhaftig der Constituieung des Gesammtvaterlandes noch durchzusetzen. Ich glaube nicht, daß die Abgeordneten der deutschen Centralgewalt in Olmütz geradezu ohnmächtig sein werden. Was heute von dem verehrlichen Ausschusse nach Olmütz an den verantwortlichen Minister abging, muß, ich bin es überzeugt, auch eine Wirkung haben. Und nun übergehend auf die gestellten Anträge oder Amendements, nämlich den Fürsten für verantwortlich zu erklären, so halte ich mich jedesmal streng an die constitutionellen Formen. Verantwortlich ist überhaupt Jeder bis zum untersten Beamten. Allein die Person als solche kann in einem constitutionellen Staate nicht anders als durch den verantwortlichen Minister zur Rechenschaft, zur Ahndung gezogen werden, nur gegen den Minister kann die Verantwortung, der Anklagestand mit allen weitern Folgen ausgesprochen werden, falls er nicht Richter über Denjenigen wird, dem er die Vollmacht übertrug. Die Ermächtigung für den Fürsten ist hier gegengezeichnet von einem verantwortlichen Minister, an diesen verantwortlichen Minister allein können wir uns halten. Die Möglichkeit, zur Verantwortung zu ziehen durch physische Gewalt, die steht einer legislativen Kammer nicht zu Gebote, und eine andere, die zugleich eine Verletzung der constitutionellen Form ist, würde, glaube ich, der Kammer den Vorwurf zuziehen, nicht die constitutionelle Form gekannt zu haben. Was der verehrte Redner hinter mir sagte, kann ich nicht unterstützen; wir haben es für illegal erklärt, und da muß ich mich dem Herrn Berichterstatter anschließen; zweimal, dreimal, viermal, jedesmal so oft Unrecht geschieht und kein anderes Mittel dagegen übrig bleibt, als vor der civilisirten Welt und dem ewigen Richter da oben zu protestiren, sei man nicht lässig (Beifall), man hat dann doch das Bewußtsein erfüllter Pflicht. (Beifall.)

Präs. Wünscht noch Jemand das Wort zu ergreifen?

Abg. Sierakowski. Ich hätte noch einen Antrag zu stellen, er lautet:

"Die hohe Versammlung beschließe, das Ministerium, den Gemeinderath und alle executiven Behörden aufzufordern, diese Beschlüsse des hohen Reichstages in allen umliegenden Ortschaften von Wien durch Placate zu veröffentlichen und möglichst zur Kenntniß der Officiere und Soldaten zu bringen und außerdem noch den Grafen Auersperg und die unter dem Befehle des Feldmarschalls Fürsten Windischgrätz stehenden Generäle von diesem Beschlusse der hohen Reichsversammlung zu verständigen."

Präs. Wünscht Jemand über diesen Gegenstand zu sprechen? Falls Niemand mehr zu sprechen wünscht, ersuche ich den Herrn Berichterstatter, auf diese gemachten Einwendungen allenfalls zu erwiedern.

(Es meldet sich noch Abg. Goldmark.)

Abg. Goldmark. Ich war im Ausschusse einer Derjenigen, welche in der Minorität gestimmt haben, das heißt, der mit der Schlußfassung der Commission nicht zufrieden ist. Ich habe deßhalb


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