Abg. Löhner. Zur Beruhigung des vorhin gesprochen habenden Collegen kann ich nur anführen, daß mir bekannt ist aus der officiellen Zeitung, daß das Comité, welches mit der Vertheilung der Gelder beauftragt war, bereits am achten seine Thätigkeit einstweilen eingestellt hat. Es hat sie eingestellt bis auf bessere, ruhigere Zeiten, also ist in dieser Hinsicht die Besorgniß des Abgeordneten indirect behoben, da das Comité allerdings noch Geldmittel hat. Es hatte überhaupt erst seine weitläufige Arbeit begonnen gehabt, und immer nur theilweise jenen Einzelnen diejenigen Beträge zukommen lassen, welche bereits untersucht worden sind. Es ist aber wirklich so, wie der Herr Berichterstatter angeführt hat, daß nachdem dieses Comité jetzt seine Functionen eingestellt hat, eigentlich die Nützlichkeit und der Zweck dieses Comité's erfüllt werden wird, theilweise dadurch, daß man dem Antrage des Ausschusses nachkommt, indem wirklich auch eine Masse gerade von unseren wackersten Nationalgarden solche Männer sind, welche in friedlichen Zeiten Anspruch darauf gehabt hätten, um ihrem Gewerbe nachkommen zu können. Das können sie nun nicht, und wir müssen ihnen danken, daß sie so bereitwillig sind, den Zeitverhältnissen sich zu opfern. Uebrigens ist ohne allen Zweifel noch Geld da, und der Herr Abgeordnete kann sich vollkommen beruhigen.
Abg. Sadil. Ich bin nicht verstanden worden; ich bin für jede derartige Bewilligung; nur glaube ich, der Antrag müßte gestellt werden, für den Fall, als etwa von den zwei Millionen nichts mehr vorhanden wäre.
Abg. Szembera. Ich beantrage, daß der Finanz-Ausschuß sich erst darüber äußere.
Abg. Machalski. Nach dem letzten Berichte, welchen das Finanz-Comité erstattet hat, ist mir bekannt, daß das Comité nicht mehr als 300.000 Gulden ausgegeben hat; diese 300,000 fl. und die 200.000 fl., welche jetzt bewilliget werden sollten, werden diese Summe bei Weitem nicht erschöpfen.
Abg. Borrosch. Ich wollte nur sagen, daß das mit dem Finanz-Ausschusse gar nichts zu thun hat. Der Finanz-Ausschuß hat über Steuerbewilligungen, über noch zu untersuchende, zu prüfende Gegenstände des Finanzwesens zu berathen; über Ausgaben aber, die absolut nothwendig sind, kann keine Commission der Welt etwas Anderes sagen, als was der Herr Berichterstatter eben so gründlich als treffend vortrug.
Abg. Peitler. Eben weil es keinem Zweifel unterliegt, daß der Antrag einhellig angenommen wird, trage ich auf den Schluß der Debatte an.
Abg. Uchatzy. Da Diejenigen aus dem Staatsschatze bezahlt werden, welche die Mauern bedrängen, so sollen auch Diejenigen bezahlt werden, welche dieselben vertheidigen.
Viele Stimmen: Abstimmen!
Präs. Der Abg. Szembera macht den Antrag, daß dieser Gegenstand dem Finanz-Ausschusse zur Berichterstattung zugetheilt werde. Wird dieser Antrag unterstützt? (Bleibt ohne Unterstützung.) Ich werde nun den Antrag der Commission zur Abstimmung bringen; er lautet: (Liest ihn.) Wird der Antrag der Commission unterstützt? (unterstützt) und angenommen? (Einstimmig angenommen.)
Abg. Brazdil. Ich bitte den Herrn Berichterstatter, uns den Namen Desjenigen bekannt zu geben, der den Brief aus Brünn geschrieben hat.
Abg. Schuselka. Ich muß den Herrn Abgeordneten erinnern, daß ich mich persönlich gesträubt habe, den Brief vorzulesen; die hohe Kammer wird bemerkt haben, daß er mir hier übergeben wurde, und ich habe auch früher nichts davon gewußt. Ich habe es in der That etwas geschäftsordnungswidrig gefunden, ihn vorzulesen; allein da mir der Herr Präsident des Ausschusses versichert hat, die Mittheilung sei ganz authentisch, habe ich ihn vorgelesen, müßte mich aber früher erst erkundigen, ob ich den Briefsteller namhaft machen darf. (Viele Stimmen: nein, nein!)
Präs. Es ist soeben eine Adresse der Nalionalgarde von Gmunden eingelangt. Ich sinde mich veranlaßt, sie dem hohen Reichstage vorlesen zu lassen.
Abg. Gleispach (liest:)
"An den hohen Reichstag!"
"Die Kunde von den Ereignissen in Wien, am 6. 7. und 8. October, haben uns tief erschüttert; denn unsere Blicke sind stets dahin gewandt, wo unsere Vertreter tagen für unsere Freiheit und unser Wohl, und wo die Legion für die kostbarsten Güter die Waffen trägt. Wien ist das Herz, dessen Schläge auch die Provinzen fühlen."
"Der Reichstag hat in den Tagen, wo die Freiheit am höchsten bedroht war, da Bürger und Militär gegen ihre eigenen freiheitsbegeisterten Brüder wütheten, das Vaterland nicht aufgegeben und nicht verlassen. Er hat die vollziehende Gewalt übernommen. Wir sprechen aber mit Offenheit unsere Mißbilligung über Jene aus, die in eiliger Flucht ihren Sitz im Reichstage verließen, und die ihnen anvertrauten Interessen ihres Wahlbezirkes Preis gaben."
"Die Ereignisse in Wien haben uns gezeigt, wer die wahren Vertreter des Volkes sind. Die Entflohenen sind es nicht, und können es nicht mehr sein." (Großer Beifall.)
"Wir bedauern, daß der Kaiser seine Residenz abermals verlassen hat. Wie auch der Sieg im Kampfe der Gegenrevolution mit der Freiheit ausfallen möchte, der Kaiser war nicht gefährdet, das Volk weiß zu gut, daß sein Herz voll Güte, aber sein Blick getrübt ist von seiner Umgebung. Vermag sich der Kaiser nicht selbst zu befreien von seinen ärgsten Feinden, so muß ihn das Volk davon befreien."
"Wir erkennen alle Errungenschaften der März- und Maitage, und alle vom Reichstage bisher entworfenen und angenommenen Gesetze; wir wollen auch ferner uns seinen Entschlüssen unterwerfen, wenn er, wie bisher, auf dem Boden constitutioneller Freiheit sich bewegt."
"Darum, wenn Wien und der Reichstag unser bedarf, sind wir bereit seinem Rufe augenblicklich zu folgen; denn wir sind bereit, auf diesen Ruf mit Gut und Blut die erworbene Freiheit zu vertheidigen und den Reichstag in seinen Entschlüssen zu schützen."
"Im Namen der Nationalgarde von Gmunden, Vöcklamarkt, Vöcklabruck, Lambach, Feankenburg, Frankenmarkt, Schörfling und Wels."
(Folgen viele Unterschriften.)
Abg. Krause. Ich stelle den Antrag, daß diese Adresse ebenso gedruckt werde, wie die früheren.
Präs. Wird dieser Antrag unterstützt? (unterstützt) und angenommen? (angenommen.)
Abg. Fleischer. Ich bitte um das Wort. Hohe Reichsversammlung! Nach der gestrigen Verlesung einer Zuschrift aus Steiermark hat der Abgeordnete für Krakau ganz gewiß im bescheidensten Sinne die Namhaftmachung der anwesenden Mitglieder als ein unzeitiges Lob erklärt. Wie wäre es aber, wenn eben durch diese Namhaftmachung der pflichtgetreue Reichstags-Abgeordnete sich vom Verdachte zu reinigen hat? Ich habe am 26. September meinen vierzehntägigen Urlaub angetreten. Noch vor Beendigung dieser Urlaubszeit hörte ich am 8. in Rumburg die ersten mündlichen Nachrichten von den Ereignissen zu Wien. Noch an demselben Tage, und trotz dem Sträuben meiner Familie bestieg ich den Eilwagen und fuhr augenblicklich nach Wien, traf den 9. hier ein, und meldete mich am 10. Vormittags im Vorstands-Bureau als anwesend. Dennoch hat eine böswillige, auf jeden Fall böswillige Feder, meinen Namen in der Prager Zeitung mit dem Beisatze: "Reichstags-Abgeordneter" einrücken lassen. Dieses konnte mir nicht gleichgiltig sein, und heute bekomme ich schon den zweiten Brief aus meinem Wahlbezirke, wo man mir schreibt, daß in dem gesammten Bezirke die Stimme eine mißbilligende sei. Ich sehe es also als die einzige Satisfaction an, daß ich hier öffentlich erkläre, wie mich derlei Nachrichten schmerzlich berühren müssen. Ich verlange nichts Anderes, aber ich hoffe, mein Wahlbezirk wird es hören, daß ich mich hier öffentlich erklärt habe.
Präs. Ich muß bestätigen, daß sich Herr Abg. Fleischer bei mir gemeldet hat, als zurückgekommen vom Urlaube, und ich glaube, es dürfte dieser Umstand im heutigen Protokolle aufgenommen werden. Auf diese Art dürfte der Herr Abgeordnete hinlänglich gerechtfertiget erscheinen.
Ein weiterer Gegenstand der heutigen Tagesordnung ist die Berathung über das Manifest an die Völker Oesterreichs. Ich ersuche die Herren Mitglieder der Commission, anzuzeigen, ob dieses bereits abgefaßt wurde.
Abg. Goldmark. Um dem Auftrage des hohen Reichstages vollkommen zu entsprechen, um die Proclamation als ein Ganzes aus einem Gusse vorlegen zu können, hat die Commission beschlossen, Einem Mitgliede die Ausarbeitung derselben aufzutragen. Der Herr Abg. Borrosch wurde mit dieser Aufgabe beehrt, und er unterzog sich derselben mit dem bekannten unermüdlichen Eifer. Gestern fand die Berathung derselben Statt, es haben sich bei der Berathung die Schwierigkeiten einer solchen Abfassung, einer solchen Aufgabe, wie sie gelöset werden sollte, herausgestellt; es hat sich dann herausgestellt, daß das neue Elaborat mehr einer Denkschrift nahe kommt, denn einer Proclamation, und es wurde einstimmig beschlossen, den früheren Entwurf zur Grundlage zu nehmen und ihn einer neuen Revision zu unterziehen. Ich habe daher die Ehre, diesen neuen Entwurf auf Grundlage der früheren Arbeit vorzulesen. (Liest:)
"Völker Oesterreichs!
"Durch Euer Vertrauen, zu dem Friedenswerke der Constituirung unserer Freiheit berufen, ist der Reichstag durch die Gewalt der Ereignisse plötztich mitten in den Kampf der Zeit gestellt. Der Reichstag mußte in diesem Kampfe vor Allem seinem Friedensberufe getreu bleiben, deßhalb hat er bis zu dieser Stunde alle seine Kräfte aufgeboten, um das Losbrechen des Gewaltkampfes zu verhindern, und aus den verworrenen Verhältnissen des Augenblickes den Pfad der Versöhnung und des Friedens zu finden und zu zeigen. Die Bemühungen des Reichstages sind bis jetzt ohne den Erfolg geblieben. Zwar hat das edle Volk von Wien seine Erbitterung und Kampfeslust bezähmt, und den Angriff auf die offenbar feindselig verfahrenden Truppen vermieden; zwar haben selbst Seine Majestät der Kaiser Allem, was der Reichstag zur Hintanhaltung der drohenden Anarchie verfügte, seine volle Anerkennung gezollt: aber nichts destoweniger ist Wien noch immer in derselben kriegerischbedrohten Lage, und nur dadurch allein ist die Möglichkeit aufrecht erhalten, daß der blutige Kampf, und in Folge dessen die Auflösung der gesetzlichen Ordnung losbreche."
"Der Einmarsch des dem constitutionellen österreichischen Boden gänzlich fremden croatischen Heeres bedrohte unmittelbar die Thore Wiens; vergebens bot der Reichstag unter Mitwirkung des verantwortlichen Ministeriums Alles auf, den Rückzug dieses Heeres durchzusetzen, vielmehr bildete dasselbe nur den Vortrab immer größerer Truppenmassen, welche bereits die Hauptstadt Wien eng umschlossen haben. Ihre Vorposten dringen bis an die zu Wien gehörigen Ortschaften, bis an die Linien der Stadt. Die auf des Kaisers Wort gesetzmäßig organisirten Nationalgarden der Umgebung Wiens werden entwaffnet, friedliche Reisende werden gefänglich zurückgehalten, Briefe erbrochen, die Zufuhr von Lebensmitteln abgesperrt. Abgeordnete zum Reichstage festgehalten und mißhandelt, ja es flogen bereits Kanonenkugeln in die Straßen der Vorstädte, kurz mit jedem Tage erfährt Wien immer mehr und mehr das schwere Verhängniß einer belagerten Stadt. Vergebens hat der Reichstag, mit dem ganzen Gewichte seines Ansehens dagegen protestirt. Solchen Thatsachen gegenüber mußte der Reichstag das Bestreben des Wiener Volkes, sich in Vertheidigungszustand zu versehen, als Nothwendigkeit anerkennen. Wien ist die durch das Ansehen der Jahrhunderte geweihte Hauptstadt des Reiches, keine andere Stadt kann es sein. — Wien ist der Mittelpunct aller Völker Oesterreichs — jedes Unglück, welches Wien trifft, wird bis in die entferntesten Theile des Reiches schmerzlich empfunden. — Wien ist der einzige mögliche Sitz des Reichstages, welcher der Gleichberechtigung der verschiedenen Völker entsprechen kann — Wien ist die Wiege und die Burg unserer Freiheit."
"Völker Oesterreichs! Ihr alle seid in der Bevölkerung Wiens vertreten, Wien ist euch allen stets die heimatliche Hauptstadt gewesen; wer daher für das Vaterland, wer für den constitutionellen Thron, wer für die Volksfreiheit ist, der muß für Wien sein."
"Der Reichstag erkennt es daher als seine heilige Pflicht, sowohl der Reaction als der Anarchie entgegen zu wirken; die Reaction soll uns nicht den kleinsten Theil unserer Freiheit rauben, die Anarchie nicht den ganzen Schatz derselben vernichten. Dieß will der Reichstag, dieß will er für alle Stände des Volkes, für den freien Bürger, wie für die tapferen Krieger des Vaterlandes. Um dieses vollbringen zu können, muß Wien gerettet sein, muß es in der Kraft und Fülle der Freiheit erhalten werden."
"Völker Oesterreichs! vertraut Denen, die Ihr zur Wahrung Eurer, und Eurer Kinder Rechte erwählt habt; vertraut Denen, die Euren Boden von Robot und Zehent und von anderen ungerechten Lasten befreit haben, die eben damit umgehen, Gesetze zu schaffen, wodurch die volle Freiheit auf fester Grundlage gesichert wird. Kräftiget uns daher mit Eurer ganzen moralischen Macht für das bedrängte Wien, unterstützt unser offenes Wort durch Eure Stimme, helft uns den Kaiser beschwören, durch Einsetzung eines neuen volksthümlichen Ministeriums, durch Zurückziehung der Truppen aus Niederösterreich, die Beeidigung des Militärs auf die freien Volksrechte, der Stadt Wien und dem Reiche den Frieden zu geben, damit im Segen des Friedens das neue Heil des Vaterlandes gedeihe."
Präs. Wünscht noch Jemand das Wort?
Abg. Dylewski. Ich möchte auch die Denkschrift lesen, die war ja vom Abg. Borrosch ausgearbeitet.
Abg. Goldmark. Die Adresse des Herrn Abg. Borrosch ist nicht corrigirt, nicht vollständig ausgearbeitet. Von unserer Seite, von der Commission ist sie einstimmig und vom Abg. Borrosch selbst als eine nicht entsprechende Aufgabe zurückgelegt worden.
Abg. Borrosch. Der Wunsch, die historische Darstellung mit einzuverleiben, führte unvermerkt zu einer Denkschrift und bewahrheitete die Prophezeiung des Berichterstatters der permanenten Commission, daß man viel leichter eine Broschüre, als eine Proclamation schreibe.
Abg. Umlauft. Der Inhalt dieser Proclamation wurde bereits in einer früheren Sitzung des Reichstages beschlossen, sie wurde einmal hier vorgelesen, es erhoben sich einzelne Stimmen gegen einzelne Ausdrücke, es wurde über meinen Antrag eine Commission zusammengesetzt, welche die Revision dieses Manifestes zu übernehmen hätte. Das ist geschehen. Der Erfolg dieser Commission ist uns gegenwärtig vorgetragen worden. Wir Alle sind überzeugt, daß jetzt ein einheitliches zusammenwirkendes Vorschreiten der Kammer vor Allem Noth thue. Nachdem wir gegenwärtig bereits durch unsere Commission, welche aus Mitgliedern sämmtlicher Gouvernements zusammengesetzt ist, die Versicherung erhalten haben, daß die Beziehungen zu allen Provinzen gewahrt worden sind, so stelle ich den Antrag: daß, um dieses Manifest um so wirksamer zu machen und demselben ein größeres Gewicht zu geben, es mit Acclamation angenommen werde. (Beifall.)
Abg. Borrosch. Der hohen Kammer glaube ich die Versicherung mitthellen zu dürfen, daß sämmtliche aus den Provinzen zur Commission beigezogenen Mitglieder die jetzige Fassung der Adresse annehmen, und sie werden auch bemerkt haben, wie gerade die verschiedenartigen Provinzial-Interessen wahrgenommen und darin aufgenommen worden sind. Gegen den Antrag der Acclamation muß ich mich unbedingt erklären. Jeder Vorschlag zu einer Acclamation ist immer ein moralischer Tereorismus. Das muß man frei überlegen lassen, wie gewöhnlich.
Abg. Gleispach. Ich muß mich ausdrücklich gegen die Acclamation zu der Adresse aussprechen, und wünsche einige stylistische Abänderungen, und zwar bei dem Passus, wo es heißt: "allen übrigen ungerechten Lasten" sollte es heißen: allen übrigen drückenden Lasten." Wenn alle Lasten, welche auf dem bisher unterthänigen Grunde liegen, als ungerecht bezeichnet würden, würde der Ausgang einfacher sein, daß allen Denen, welche bisher etwas geleistet, der Schadenersatz vorbehalten, im Rechtswege eingeklagt, oder voraus gleich zurückbezahlt werden müßte. Da jedoch das hohe Haus in großer Majorität im Gegentheile ausgesprochen, daß die Berechtigten eine Entschädigung bekommen müssen, so können nicht alle bisher bestandenen Lasten ungerecht gewesen sein. Ich verwahre mich daher gegen diese Ausdrücke. Zweitens habe ich auch eine andere Bemerkung zu machen. So viel ich weiß, ist der Fall, daß ein Mitglied dieses hohen Hauses, nachdem es als solches bekannt war, nicht nur festgehalten, sondern thätlich mißhandelt worden ist, ein vereinzelter, ich möchte daher im Contexte nicht sagen: "Abgeordnete wurden zurückgehalten und mißhandelt," sondern "Einer." Ist das aber der Fall, daß ein Mitglied des Hauses, nachdem es als solches bekannt war, dennoch mißhandelt wurde, würde ich es als ein so schweres Vergehen ansehen, daß ich es in der Gradation, zuletzt setzen möchte; ich würde nicht sagen, dieses oder jenes ist geschehen, Abgeordnete sind mißhandelt worden, sogar Kanonenkugeln sind in einige Gaffen der Vorstädte gefallen; daß eine Kanonenkugel — in eine Gasse der Vorstadt fällt, wenn wechselseitig wiederholt mit Kanonen geschossen wird, ist gar nichts Auffallendes, es ist am Ende nichts so Außerordentliches; wenn aber ein Vertreter des Volkes, der als solcher bekannt wurde, nicht nur zurückgehalten, sondern sogar mißhandelt wurde, das finde ich als etwas Außerordentliches, und meines Erachtens würde das der letzte Punct der Gradation sein. Da müßte es aber auch bestimmt sein: Einer, nicht als ob es schon gang und gebe wäre.
Abg. Peitler. Meine Herren! ich ersuche Sie, nicht viel an dieser Proclamation zu mäkeln. Sie enthält in einer zwar ernsthaften aber zugleich würdevollen Sprache nur die Wahrheit, und meine Herren, wenn der Kaiser von uns die Wahrheit nicht erfährt, von wem soll er sie erfahren? Er wird ohnehin vielseitig angelogen. (Heiterkeit.) Wollen wir der Stadt helfen, so muß das aber geschwind geschehen, damit nicht auch über uns das Verdammungsurtheil gefällt werde: Es ist zu spät! (Beifall.)
Abg. Sturm. Was mich betrifft, muß ich überhaupt gegen den Ausdruck miß handeln protestiren; ich weiß mich durchaus nicht zu erinnern, daß ich mißhandelt worden wäre, sondern ich bin gefangen genommen, und es ist mir mit schmählichen Ausdrücken begegnet worden; unter "mißhandelt" verstehe ich überhaupt etwas Thätliches.
Abg. Hubicki. Ich wollte nur die Bemerkung machen, daß nicht nur der Abg. Sturm, sondern auch der Abg. Pillersdorff aufgehalten wurde. Er ist also nicht der Einzige.
Abg. Fedorowicz. Meine Herren! da ich der Commission angehörte, welche mit der Revision dieser Adresse beauftragt wurde, so möchte ich, da diese Adresse überaus wichtig ist, an das Präsidium die Bitte stellen, sie noch einmal vorlesen zu lassen, damit alle Mitglieder dieser hohen Kammer aus meiner Provinz dieselben anhören und beurtheilen mögen.
Präs. Ist es der hohen Kammer genehm? (Ja! Nein!) Da sich Widerspruch darüber erhebt, ob die Adresse noch einmal vorgelesen werden soll, so ersuche ich Diejenigen, welche wollen, daß die Adresse noch einmal vorgelesen werde, aufzustehen. (Geschieht.) Es ist die Majorität. — (Die Adresse wird noch einmal vom Berichterstatter Goldmark gelesen.)
Abg. Dylewski. Nun, meine Herren, was ich, was unser Land für Wien thut, das heißt, was es fühlt, das haben wir wiederholt gesagt, und wiederholen es noch, aber Sie kennen die Geschichte, und unser Land kann es noch nicht sagen, daß Wien eine heimatliche Hauptstadt unseres Landes ist. Es wird, es soll es werden, aber erst dann, nachdem unsere Freiheit und unsere Lage berücksichtiget worden ist. Das habe ich gesagt, und mit Bedauern muß ich es nochmal wiederholen. Sie haben bei der Adresse an den Kaiser gesagt, es sei kein Ultimatum gestellt worden, es sind aber solche Puncte darin festgestellt, welche wie ein Ultimatum klingen. Und was dann, frage ich, wenn das nicht der Fall ist? Ueberhaupt unter den Gründen, glaube ich, daß das Erbrechen der Briefe ein so kleinlicher Grund ist, daß es nicht berücksichtiget werden kann. (Zischen.) Es ist ein kleines Ereigniß, meine Herren, aber ich glaube nicht, daß es im Auftrage der Regierung geschehen sei. Wohlan, ich sage, daß, wenn das angenommen werden wird, dieses nicht mit meiner Beistimmung geschah. Ich bitte also nochmals, meine Herren, bedenken Sie, daß der neutrale Boden sehr wichtig ist, nicht nur für Wien, sondern für alle Provinzen.
Präs. Sie stellen also keinen besonderen Antrag?
Abg. Dylewski. Nein, well ich heute dasselbe voraussehe, was ich vorgestern schon erfahren habe.
Abg. Wienkowski. Ich kann aus Erfahrung bestätigen, daß die Briefe nicht nur erbrochen, sondern auch zurückgehalten werden. Es liegt mir sehr wenig daran, wenn meine Briefe erbrochen werden, wenn sie nur weiter befördert werden. Ich mußte vorige Woche mehrere Male meiner Familie Nachricht geben, weil ich in Lebensgefahr war, und ich muß gestehen, daß nicht ein einziger Brief an dem Ort seiner Bestimmung angelangt ist. Es waren sieben Briefe, und ich habe wirklich Grund, mich sehr darüber zu beklagen. Ich habe es schon privatim dem Herrn Finanzminister gesagt, er zuckte aber mit den Achseln und sagte: er könne nicht helfen.
Abg. Stobnicki. Ein Jeder der etwas Geographie studirt hat wird wohl wissen, das Wien nicht Warschau ist, daß aber solche Unterschiede beseitiget werden müssen. Dort, wo die Freiheit bedroht ist, müssen alle Menschenfreunde jetzt ihre Augen hinwenden. (Bravo.) Das Erbrechen der Briefe betreffend verweise ich sie auf die alte englische Gesetzgebung, wo es strenger bestraft wurde, als ein nächtlicher Einbruch in ein Haus.
Abg. Schuselka. Der Herr Abg. Stobnicki hat schon angedeutet, was ich sagen wollte in Betreff dessen, was der Herr Abg. Dylewski gesagt hat. Wir Wiener wissen recht wohl, was Polen für Wien gethan hat, in ähnlicher Zeit wie die jetzige ist. Das Andenken dessen, was sie gethan haben, ist in dem Herzen keines Oesterreichers erloschen, der Name Sobieski wird immer ein gepriesener bleiben. (Beifall.) Wir wissen auch, daß Polens Interessen in Wien nicht ihren Mittelpunct finden, wir werden auch unsererseits, denn von den Wienern darf ich es versichern, nicht dagegen sein, wenn die Zeit in Erfüllung geht, und das polnische Volk seinen eigentlichen Mittelpunct wird gefunden haben. Aber, wie Herr Stobnicki sagt, jetzt ist die Freiheit aller Oesterreicher, also auch die Freiheit der freiwillig zu Oesterreich gehörigen Polen in Galizien hier in Wien bedroht, und deßwegen muß die Erinnerung und die Vergangenheit zurückgedrängt, und das nur ins Auge gefaßt werden, was zunächst Noth thut. Der Ausdruck, daß wir Wien eine heimathliche Hauptstadt nennen, scheint von dem Abg. Dylewski zu strenge interpretirt worden zu sein. Wenn er sagt, es wäre nicht so gewesen, so wird es doch so sein, wenn einmal die Freiheit hergestellt sein wird. Es ist wohl klar, daß die Polen mit dem früheren Regimente in Wien nicht so einverstanden und zufrieden sein konnten, daß sie hier ihre Heimath gefunden hätten. Es handelt sich nicht darum, die Regierung zu stützen, sondern das Volk von Wien zu unterstützen, und in dieser Beziehung haben wir den Ausdruck "heimathlich" gebraucht, weil zu allen Zeiten sehr viele Polen sehr gerne in Wien gelebt und ihre Heimath hier gefunden haben, und selbst in diesem Augenblicke leben sehr viele derselben hier und fühlen sich unter der Bevölkerung Wiens wie zu Hause. In dieser Beziehung ist das Wort gebraucht.
Abg. Peitler. Ich trage auf den Schluß der Debatte an.
Präs. Wird der Antrag auf den Schluß der Debatte unterstützt? (Unterstützt.) Diejenigen Herren, welche mit dem Schlusse der Verhandlung einverstanden sind, wollen aufstehen. (Angenommen.) Als Redner sind noch angemerkt: Abg. Paul, Turco, Polaczek und Ambrosch.
Abg. Paul. Nachdem der Ausdruck: "ein Abgeordneter wurde mißhandelt," jedenfalls nur eine thatsächliche Mißhandlung bedeuten kann, gegen welche der Abg. Sturm protestirt, so mache ich den Antrag, daß statt des Wortes: "mißhandelt", gesetzt werde: "beschimpft."
Abg. Turco. Ich wollte nur bemerken, daß ein sehr wesentlicher Umstand in der Proclamation jener ist, wodurch ausgesprochen wird, daß der Kaiser alle Bemühungen des Reichstages vollkommen anerkannt hat. Es ist sehr wichtig sowohl für den Reichstag selbst, als auch für die Völker, für welche die Proclamation bestimmt ist. Ich möchte, daß es aufgenommen werde, und es wird auch günstig einwirken, und ich möchte, daß es näher angegeben werde, wann der Kaiser diese Zusicherung gegeben, und daß es selbst in dieser Proclamation näher angegeben werde. Denn die Depesche ist nicht so sehr verbreitet wie eine Proclamation. Eine Proclamation kann in jedem kleinen Orte gelesen werden, eine Depesche aber nicht, und das ist eben unser Zweck, besonders in den kleinen Bezirken, daß es überall verbreitet werde; und ich würde es wünschen, daß dieß in der Adresse näher bezeichnet werde.
Abg. Polaczek. Ich muß dem Antrage des Abg. Gleispach meine Zustimmung geben, daß dieser Fall mit einem Abgeordneten nur als ein vereinzelter angenommen werde. Er steht vollkommen im Widerspruche mit dem Reichstagsbeschlusse, daß die Abgeordneten binnen 10 Tagen erscheinen sollen, widrigenfalls neue Wahlen ausgeschrieben werden. Wenn Abgeordnete festgehalten und mißhandelt werden, so kann man nicht verlangen, daß sie binnen dieser Zeit erscheinen; also müssen wir diesen Fall, so wie er wirklich war, erwähnen. Uebrigens ist es der Wahrheit gemäß nur ein einzelner Fall, und ich würde ihn daher als einen einzelnen Fall gerne behandelt sehen.
Präs. Ich werde den Antrag des Abg. Gleispach vorlesen, nachdem er mir erst jetzt vorgelegt wurde. Er bezieht sich auch auf die vom Abg. Gleispach beantragte Gradation, daß es nämlich heißen soll: "Kanonenkugeln flogen bereits in die Stadt, — ja selbst Reichstags-Abgeordnete wurden theils angehalten, theils unwürdig behandelt."
Abg. Polaczek. Dem stimme ich bei, daß es auf diese Art stylisirt werde; ich hätte aber auch gewünscht, daß ausdrücklich vom Reichstage erklärt werde, daß er alle seine Beschlüsse in beschlußfähiger Anzahl und frei von jedem Einflusse gefaßt habe, denn in Böhmen wurde allgemein der Ruf verbreitet, der Reichstag befinde sich nicht in beschlußfähiger Anzahl, er tage nicht frei von Einflüssen, — diesem muß unbedingt begegnet werden. Nicht allein in Böhmen, sondern auch hier lesen wir das von Tirol. Ich werde mir erlauben, einen kurzen Satz aus der gestrigen Wiener Zeitung vorzulesen, woraus ebenfalls dieses Mißtrauen hervorgeht. Es heißt: "Der ständische Ausschuß in Innsbruck und das Gubernium haben im Einverständnisse mit allen Aemtern und Magistraten beschlossen, weder Commissäre noch Beschlüsse vom Reichstage anzunehmen, wenn sie nicht vom Kaiser ihre Beglaubigung oder Bestätigung erhalten." Ich glaube, wir begegnen dem vollkommen damit, indem wir die Erklärung abgeben, daß wir hier in der beschlußfähigen Anzahl wirklich tagen. Deßhalb halte ich es für bringend nöthig, daß wir die Adresse Punct für Punct berathen (Aufregung), daß sie punctweise getheilt und wir dazu unsere Zustimmung geben, damit einzelne Ausdrücke geprüft und wo möglich auch verbessert werden. (Aufregung.)
Präs. Wollen mir vielleicht das schriftlich vorlegen wegen der beschlußfähigen Anzahl?
Abg. Ambrosch. Ich würde nur rücksichtlich der Uebersetzung ein Wort sprechen. Ich glaube, daß die hohe Kammer auch in dieser Beziehung ihre Ansicht nicht ändern wird, daß diese Proclamation in allen Sprachen hinausgegeben werde. Bis jetzt aber hat die Erfahrung gelehrt, daß man mit den Uebersetzungen erst dann angefangen hat, nachdem die Proclamation in der deutschen Sprache bereits gedruckt war. Ich würde daher den Antrag stellen, sogleich nach dem Beschlusse allen Uebersetzern für die Provinzen diese Proclamation zu dictiren, damit unter Einem die Uebersetzung aus der deutschen Sprache in die übrigen geschehe. Dann würde ich mir erlauben rücksichtlich der Stylisirung zwei Anträge zu stellen. Nachdem die Herren Abgeordneten aus Polen den Ausdruck: "heimathliche Stadt" nicht als annehmbar erachten, und politische Tendenzen damit vielleicht verbinden, so dürfte es besser gestellt werden, wenn man statt dieses Ausdruckes den Ausdruck: "astlich" nehmen würde.
Präs. Es hat der letzte eingeschriebene Redner gesprochen. Der Abg. Gleispach wünscht noch als Antragsteller zu sprechen.
Abg. Gleispach. Ich erlaube mir zu bemerken, daß ich in der jetzigen Stylisirung meines Antrages gesagt habe: "einige Abgeordnete wurden angehalten, andere aber beschimpft", das kommt daher, weil man mir eingewendet hat, der Abg. Pillersdorff sei auch angehalten worden; ich weiß nicht, ob dasselbe vielleicht auch noch anderen Herren begegnet sei — ungebührlich wurden auch behandelt Abg. Borrosch und Sturm — also in der Beziehung ist es richtig. Ich weiß nicht, in wie fern diese Stylisirung auf das Anhalten richtig sei. Also der Fall ist von Jedem wiederholt vorgekommen, demnach kann die Stylisirung als richtig betrachtet werden.
Präs. Ich halte die Debatte für geschlossen und fordere den Herrn Berichterstatter auf, das Wort zu ergreifen.
Abg. Goldmark. Im Wesentlichen ist die Proclamation nicht angefochten worden; gegen die einzelnen Amendements werde ich einige Bemerkungen machen. Wir haben gesagt: "ungerechte Lasten", das ist amendirt worden in "drückende Lasten"; ich habe nichts dagegen einzuwenden. Es ist aber gesagt worden, daß nur ein einziger Herr Abgeordneter unwürdig behandelt worden sei, und das Wort Mißhandlung wurde als thatsächliche oder thätliche Mißhandlung gedeutet. Ich glaube, man muß nicht mit Fäusten mißhandelt werden. Es ist der Herr Abg. Borrosch sehr unwürdig behandelt worden, der Abg. Kudlich ist zweimal festgenommen worden. Wir haben der Beispiele mehr und ich würde darauf bestehen, daß wir sagen, was geschehen ist. Ich kenne kein Gradativ für Mißhandlungen. Was bezüglich des Ausdruckes: "heimathliche Hauptstadt" entgegnet wurde, so ist es hinlänglich widerlegt. Es ist keine Centralisationtidee, oder sonst irgend etwas dergleichen ausgedrückt worden. Der Herr Abg. Turco will das Datum angeführt wissen, nämlich laut dem und dem Tage, an welchem die Antwort Seiner Majestät erfolgte. Ich muß sagen, es paßt nicht in eine Proclamation, es bringt Zwiespalt in die Arbeit, wenn überall das Datum angeführt wird. Uebrigens wird das Datum dem Volke ohnedem bekannt sein, denn die Antwort ist so wichtig, daß sie nicht wird mit Gleichgiltigkeit übergangen worden sein, als sie veröffentlicht wurde. Sich darauf zu beziehen, halte ich nicht einmal für rathsam, indem ich gar keine Anerkennung darin finde. Ich glaube, es ist nicht nothwendig, daß man vom Hofe aus, oder von irgend einer Seite eine Anerkennung fordert für die Thaten dieses hohen Hauses. Die Anerkennung liegt in unserer Haltung selbst. — Der Herr Abg. Polaczek will angegeben wissen, daß immer die beschlußfähige Anzahl von Mitgliedern anwesend war. Das glaube ich, gehört nicht in die Proclamation. Da wir keine Aenderung in der Geschäftsordnung vorgenommen haben, so folgt daraus, daß wir keinen Beschluß gefaßt haben, wenn nicht die erforderliche Anzahl anwesend war. Uebrigens dienen uns die Protokolle zum Beweise. — Was die Uebersetzung anbelangt, so stimme ich vollkommen bei, daß sie gleich niederdictirt und die Uebersetzung noch vor dem Drucke des Originals veranlaßt werde. — Das wäre nun für die Antragsteller zu erwiedern gewesen. Uebrigens wird im Wesen der Proclamation nichts geändert.
Präs. Ich werde nun den Gegenstand zur Abstimmung bringen.
Abg. Fleischer. Ich bitte, die Herren, welche im Vorsaale sind, zu ersuchen, hereinzukommen, da wir nicht beschlußfähig sind.
Präs. Wir waren durch die ganze Zeit 194 bis 199, ich werde aber gleich zählen lassen, wieviel wir jetzt sind.
Abg. Dzieduszycki. Wurde ber Ausdruck "heimathlich" abgeändert?
Präs. Die Debatte ist geschlossen, der Antrag hinsichtlich dieses Wortes ist gestellt, ich werde ihn zur Abstimmung bringen.
Abg. Goldmark. Der Herr Abg. Ambrosch hat den Antrag gestellt, daß statt des Wortes: "heimathlich" — "gastlich" gesetzt werden soll. Da es denselben Sinn hat, und wir nichts Anderes bezwecken wollten, so habe ich nichts dagegen einzuwenden.
Präs. Es sind 193 Mitglieder anwesend, und daher sind wir beschlußfähig. Zu dem Antrage der Commission und der eben vorgelesenen Proclamation wurden mehrere Verbesserungsanträge gestellt, und zwar: ber Antrag des Abg. Gleispach, daß statt des Ausdruckes: "ungerechte Lasten" gesetzt werde: "drückende Lasten." Die Commission hat diesen Antrag bereits angenommen, und wenn keine Einsprache dagegen Statt findet, so werde ich den Gegenstand als erledigt ansehen. (Ja! ja!) Ferner liegt vor der Antrag des Abg. Gleispach: daß in der Gradation der vorgekommenen Unbilden der Umstand, daß Reichstagsabgeordnete unwürdig behandelt worden sind, zuletzt gesetzt werde. Wird dieser Antrag unterstützt? (Unterstützt.) Diejenigen Herren, welche dafür sind, daß dieß in folgender Form aufgefaßt werde: "ja selbst Reichstagsabgeordnete wurden theils angehalten, theils unwürdig behandelt" — wollen aufstehen. (Majorität.) Dann der Zusatzantrag des Abg. Wienkowski, nämlich daß bei der Stelle: "Briefe werden erbrochen" hinzugesetzt werde: "und zurückgehalten." Wird dieser Antrag unterstützt? (unterstützt) und angenommen? (angenommen). Ferner der Antrag des Abg. Ambrosch, welcher wünscht, daß statt des Wortes: "heimathlich" gesetzt werde "gastlich." Dieser Antrag wurde von der Commission bereits angenommen, und wenn keine Einsprache dagegen gemacht wird, so werde ich den Gegenstand als behoben ansehen. (Ruf: Ja! ja!)
Abg. Borrosch. Da bitte ich doch um Abstimmung, denn für Viele ist sie jedenfalls heimathlich.
Präs. Es ist der Antrag gestellt worden, daß statt des Wortes: "heimathlich" gesetzt werde: "gastlich." (Unterstützt und angenommen.) Ferner der Antrag des Abg. Polaczek, welcher eigentlich ein Zusatzantrag ist. Es ist ziemlich gleichgiltig, ob er jetzt oder nach Annahme des Antrages der Commission zur Abstimmung kommt. Er lautet: "Es möge in der Proclamation ausdrücklich die Erklärung des Reichstages enthalten sein, daß er in diesen Tagen der Gefahr nicht aufgehört hat, in beschlußfähiger Anzahl, frei von jeglichem Einflusse, zu tagen." Wird dieser Antrag unterstützt? (Minorität.) Endlich noch der Antrag des Abg. Ambrosch, daß diese Proclamation in allen Sprachen derjenigen Völker, die hier vertreten sind, übersetzt erscheint. Wird dieser Antrag unterstützt? (Unterstützt und angenommen.) Ich werde nun den Antrag der Commission zur Abstimmung bringen. Die hohe Kammer hat den Inhalt dieser Proclamation schon gehört, und mit Rücksicht auf diese oben angenommenen Amendements bringe ich den Antrag der Commission zur Abstimmung. Wird der Antrag, daß diese so eben vorgelesene und jetzt amendirte Proclamation erlassen werde, unterstützt? (Wird unterstützt.)
Diejenigen Herren, welche sich für die Erlassung dieser Proclamation aussprechen, wollen aufstehen. (Angenommen.)
(Die amendirte Proclamation lautet:)
"Völker Oesterreichs!
"Durch Euer Vertrauen zu dem friedlichen Werke der Constituirung unserer Freiheit berufen, ist der Reichstag durch die Gewalt der Ereignisse plötzlich mitten in den Kampf der Zeit gestellt.
"Der Reichstag mußte in diesem Kampfe vor Allem seinem Friedensberufe getreu bleiben, deßhalb hat er bis zu dieser Stunde alle seine Kräfte aufgeboten, um das Losbrechen des Gewaltkampfes zu verhindern, um aus den verworrenen Verhältnissen des Augenblickes den Pfad der Versöhnung und des Friedens zu finden und zu zeigen. Die Bemühungen des Reichstages sind bis jetzt ohne den erwünschten Erfolg geblieben. Zwar hat das edle Volk von Wien seine Erbitterung und Kampfeslust bezähmt, und den Angriff auf die offenbar feindlich verfahrenden Truppen vermieden, zwar haben selbst Seine Majestät der Kaiser Allem, was der Reichstag zur Hintanhaltung der drohenden Anarchie verfügt, die volle Anerkennung gezollt, aber nichts desto weniger ist Wien noch immer in derselben kriegerisch bedrohten Lage, und nur dadurch allein ist die Möglichkeit aufrecht erhalten, daß der blutige Kampf und in Folge dessen die Auflösung der gesetzlichen Ordnung losbreche.
"Der Einmarsch des dem constitutionellen Boden Oesterreichs fremden croatischen Heeres bedrohte unmittelbar die Thore Wiens, vergebens bot der Reichstag unter Mitwirkung des verantwortlichen Ministeriums Alles auf, den Rückzug dieses Heeres durchzusetzen, vielmehr bildete dasselbe nur den Vortrab immer größerer Truppenmassen, welche bereits die Hauptstadt Wien eng umschlossen haben.
"Ihre Vorposten dringen bis in die Straßen der zu Wien gehörigen Ortschaften, bis an die Linien der Stadt; die auf des Kaisers Wort gesetzmäßig organisirte Nationalgarde der Umgebung Wiens wird entwaffnet, friedliche Reisende werden gefänglich zurückgehalten, Briefe erbrochen und vorenthalten, die Zufuhr von Lebensmitteln abgesperrt, Kanonenkugeln flogen bereits in die Straßen der Vorstädte, ja selbst Abgeordnete zum Reichstage wurden festgehalten und unwürdig behandelt, kurz, mit jedem Tage erfährt Wien mehr und mehr das schwere Verhängniß einer belagerten Stadt. Vergebens hat der Reichstag mit dem ganzen Gewichte seines Ansehens dagegen protestirt; solchen Thatsachen gegenüber mußte der Reichstag das Bestreben des Wiener Volkes, sich in Vertheidigungszustand zu versetzen, als eine Nothwendigkeit anerkennen. Wien ist die durch das Ansehen der Jahrhunderte geweihte Hauptstadt des Reiches, und keine andere Stadt kann es sein; Wien ist der Mittelpunct der Interessen aller Völker Oesterreichs, und jedes Unglück, welches Wien trifft, wird bis in die fernsten Theile des Reiches schmerzlich nachempfunden; Wien ist der einzig mögliche Sitz eines Reichstages, welcher der Gleichberechtigung so verschiedener Völker entsprechen soll; Wien ist die Wiege und die Burg unserer Freiheit.
"Völker Oesterreichs! Ihr alle seid in der Bevölkerung Wiens vertreten, Wien ist Euch allen stets eine gastliche Hauptstadt gewesen. Wer daher für das Vaterland, wer für den constitutionellen Thron, wer für die Volksfreiheit ist, der muß für Wien sein.
"Der Reichstag erkennt es daher als seine heilige Pflicht, sowohl der Reaction als der Anarchie entgegenzuwirken; die Reaction soll uns nicht den kleinsten Theil unserer Freiheit rauben, die Anarchie nicht den ganzen Schatz derselben vernichten.
"Dieß will der Reichstag, dieß will er für alle Völker und für alle Stände des Volkes, für den freien Bürger wie für den tapfern Krieger des Vaterlandes. Aber um dieses vollbringen zu können, muß Wien gerettet, muß es in seiner Kraftfülle und Freiheit erhalten werden.
"Völker Oesterreichs! vertrauet Denen, die Ihr zur Wahrung Euerer und Euerer Kinder Rechte erwählt habt; vertrauet denen, die Eueren Boden von Robot und Zehent und allen übrigen drückenden Lasten befreiten, und die so eben im Begriffe sind, jene Gesetze zu schaffen, durch welche Euere volle Freiheit auf fester Grundlage gesichert wird. Kräftiget uns daher mit Euerer ganzen moralischen Macht für das bedrängte Wien, unterstützt unser offenes Wort durch die Allgewalt Euerer Stimme, helft uns den Kaiser beschwören, daß er durch Einsehung eines neuen volksthümlichen Ministeriums, durch Zurückziehen der Truppen aus Nieder-Oesterreich, durch Beeidigung des Militärs auf die freien Volksrechte, der Stadt Wien und dem Reiche den Frieden gebe, damit im Segen des Friedens das neue Heil des Vaterlandes gedeihe.
"Wien, am 20. October 1848.
Vom constituirenden Reichstage."
Ich würde demnach diejenigen Herren, welche sich mit der Uebersetzung dieser Proclamation befassen wollen, ersuchen, nach dem Schlusse der Sitzung hier zu bleiben, um Abschriften davon zu nehmen.
Abg. Demel. Ich würde beantragen, daß Abg. Ohéral für die Mähren die Uebersetzung übernimmt.
Präs. Ich werde gleich anmerken, welche Herren die Uebersetzung übernehmen wollen. Für Mähren übernimmt die Uebersetzung der Herr Abg. Ohéral, für Galizien der Abg. Kanski, für die Südslaven der Abg. Ambrosch, für die Ruthenen der Abg. Guidkowski, für die Italiener der Abg. Festi. Ich glaube, nun sind für alle Sprachen die Uebersitzer bestimmt und die Angelegenheit ist erlediget. Ich würde mir erlauben, die Sitzung zu unterbrechen, und zwar mit Rücksicht auf die vorzunehmende Arbeit der Uebersetzung, welche mehrere Herren in Anspruch nimmt, bis morgen 10 Uhr, unter Beibehaltung der heutigen Tagesordnung.
Abg. Brestel. Es möge doch Vorsorge getroffen werden wegen der Ueberschickung der Adresse an den Kaiser.
Abg. Umlauft. Ich bitte, die Deputation zu wählen.
Präs. Ich bitte, meine Herren, wollen Sie sich darüber noch aussprechen. Die Adresse wird, wenn nichts dagegen eingewendet wird, vom Vorstandsbureau gefertiget werden, und ich ersuche sich noch darüber auszusprechen, wer mit Ueberbringung der Adresse an Seine Majestät betraut werden solle?
Abg. Borrosch. Ich würde beantragen, diese Adresse durch einen Courier, womit das verantwortliche Ministerium beauftragt wird, an Seine Majestät zu übersenden.
(Unterstützt und angenommen.)
Präs. Es wird demnach das Ministerium angegangen werden, Seiner Majestät diese Adresse durch einen Courier zu überschicken. Die Sitzung ist unterbrochen bis morgen 10 Uhr. Die Tagesordnung bleibt dieselbe.
(Um 3/4 auf 2 Uhr Nachmittags.)