Officielle stenographische Berichte über die Verhandlungen des österr. Reichstages.
Zweiundfünzigste Sitzung des constituirenden Reichstages
am 20. October 1848
(Permanenz.)
Tagesordnung.
I. Berathung über das Manifest an die Völker Oesterreichs.
II. Bericht des permanenten Ausschusses.
III. Ablesung der Sitzungs-Protokolle vom 19. October 1848.
IV. Bericht über Wahlacte.
V. Bericht des Petitions-Ausschusses.
VI. Berathung über das Recrutirungs-Gesetz.
VII. Berathung über das Nationalgarde-Gesetz.
VIII. Bericht über die Reichstagsrechnungen.
Vorsitzender: Präs. Smolka.
Anfang um 11 Uhr Vormittags.
Präs. Nach vorgenommener Zählung ist die zur Eröffnung der Sitzung erforderliche Anzahl der Mitglieder anwesend. In Wiederaufnahme der gestern Abends unterbrochenen Sitzung erlaube ich mir anzuzeigen, daß der Herr Abg. Ignaz Mascha sein Mandat niedergelegt, jedoch erklärt hat, noch 14 Tage hier zu bleiben, bis etwa eine neue Wahl ausgeschrieben werden kann. Das Gesuch lautet:
"Hoher Reichstag!
"Der Unterzeichnete kann nicht länger von seinen häuslichen Geschäften getrennt bleiben ohne einen bedeutenden Nachtheil. Auch aus Gesundheitsrücksichten findet er sich veranlaßt, die Stelle als Abgeordneter zurück zulegen, und zwar mit dem Bemerken, daß er noch 14 Tage auf seinem Posten verbleiben will, innerhalb welcher Zeit die Wahl eines neuen Abgeordneten vor sich gehen kann."
Es wird das Nöthige veranlaßt werden, damit eine neue Wahl ausgeschrieben wird.
Nachdem der Herr Berichterstatter über das an die Völker Oesterreichs zu erlassende Manifest noch nicht erschienen ist, so ersuche ich den Herrn Secretär das Protokoll der gestrigen Sitzung vorzulesen.
(Schriftf. Wiser liest das Protokoll der Sitzung vom 19. October 1848.)
Präs. Ist in Bezug auf die Fassung dieses Protokolles etwas zu erinnern? Wie werden das Protokoll vielleicht später genehmigen, da nach vorgenommener Zählung nur 178 Mitglieder anwesend sind; wenn die Commission erscheint, welche mit der Redaction des Manifestes an die Völker Oesterreichs betraut ist, werden wir vielleicht vollzählig sein. — Wollen der Secretär Gleispach einstweilen die eben eingelangten Adressen vorlesen.
Abg. Gleispach. Es sind von einem Herrn Abgeordneten zwei Adressen übergeben worden. Die eine ist an Seine Majestät den Kaiser stylisirt, die andere an den hohen Reichstag. Ich werde die Ehre haben, die letztere zu verlesen; sie ist von mehreren Gemeinden in Böhmen.
"Dank-Adresse an den hohen Reichstag in Wien.
"Für die hohe Reichstagsschlußfassung, wegen Aufhebung der Unterthänigkeit, von den dorfschaftlichen Gemeinden Großlippen, Skupitz, Mallnitz, Horzan, Oppotschna, Høiwitz, Nehassitz, Saazer Kreises in Böhmen.
"Hohe Reichstags-Versammlung!
"Die gefaßten hohen Reichstagsbeschlüsse vom 31. August 1848, welche durch die von unserem allerdurchlauchtigsten, constitutionellen Kaiser und König, dem allverehrten und innigstgeliebten Landesvater Ferdinand I. unterm 7. September d. J. geschehene Sanctionirung zur gesetzlichen Kraft erwuchsen — berühren unsere Interessen in so hohem Grade, daß wir unmöglich schweigsam bleiben können, wenn wir in Erwägung bringen, was wir ehedem waren, und was wir geworden sind! — Die Art und Weise, wie der hohe Reichstag den Inhalt seiner Beschlüsse gestellt, hat unsere Erwartungen in so hohem Grade befriediget, und die Gefühle des Dankes durchdringen ganz gewiß die innersten Gefüge aller niedern Schichten der Bewohner des großen constitutionellen österreichischen Kaiserreiches.
"Warum sollten wir es uns versagen, unsere Freude — unsere Dankesgefühle in so schlichten Worten der hohen Reichstagsversammlung bekannt zu geben? — Ja! wir danken innigst dafür, daß die hohe Reichstageversammlung durch Weisheit geleitet — nach Recht und Billigkeit über diesen wichtigsten Punct — der das Ziel unseres unverrückten Augenmerkes gewesen, so glücklich — so zufriedenstellig für uns entschieden hat. Wir sind zu jedem billigen Opfer bereit — wollen auch in Ruhe und Ordnung mit aller Geduld ausharren, bis das große Werk der Verfassung vollendet ist — welches alle Nationen des großen constitutionellen Kaiserstaates Oesterreich auf jene Stufe des Glückes bringen soll — dessen Menschen zu genießen fähig sind.
"Wir wissen und verstehen es zwar nicht, auf welch durchgreifende Art und Weise die hohe Reichstagsversammlung diesen Riesenbau zu erstreben gewillt ist; aber Gott bitten wir täglich, er möge alle Glieder der hohen Versammlung zu Wien mit dem Geiste der Wahrheit und Friedfertigkeit überschatten und kräftigen, damit eine alle Nationen einigende und befriedigende, auf der Bahn der Volksfreiheit fest stehende, das Vaterland beglückende, unserm allerdurchlauchtigsten, constitutionellen Monarchen Recht und Macht dauerhaft sichernde Staatsverfassung ins Leben treten, welches gewiß dann geschieht, wenn ein jeder von den großen Baumeistern der Stimme seines guten Gewissens, den warmen Schlägen seines ehrlichen, durch Weisheit und gesunden Verstand geleiteten Herzens — stets Gehör und Folgsamkeit schenkt und nur Recht und Wahrheit — die Grundpfeiler aller moralischen Festigkeit, bei jeder Gelegenheit zum Ziele sich steckt!
"Dieß ist unser Gebet zu Gott; er wird es erhören — und das Werk wird einst seine Meister loben!!! "In Kürze wollen wir jedoch noch einige Wünsche aussprechen, die für die Wohlfahrt der gefertigten Landbewohner von wesentlichem Belange sind:
1. Das Stämpelpatent vom Jahre 1840 übt auf uns niedere Schichten einen ungerechten und harten Druck aus;
2. unser Schulwesen bedarf dringend Verbesserung;
3. unsere Nationalgarde möchte durch ein Gesetz und Reorganisirung zu jenem Körper gekräftiget werden, welcher der feste Schutz und Schirm für die wahre Volksfreiheit und den constitutionellen Thron ist;
4. ein Jagdgesetz, ähnlich dem Mährischen, wäre für das Land zur Aufrechthaltung der Ordnung schon jetzt sehr wünschenswerth;
5. bitten wir für unsere Herren Landbeamten! Es wäre traurig, wenn viele aus denselben dem Zufalle — dem Nothstande und der Verzweiflung mit ihren Familien ausgesetzt sein sollten. Besonders würde dieses den ehrlichen Mann treffen; denn er war nicht in der Lage, von seinem Gehalte etwas aufzusparen, vielmehr mußte er, um ehrlich zu bleiben, nach und nach sein Privatvermögen zusetzen, weil die Gehalte dieser Beamten in der Regel ganz knapp zugemessen waren. Endlich
6. haben wir bei dem hohen Ministerium eine Bitte eingebracht, wo möglich in Postelberg ein Bezirksgericht zu creiren; um Unterstützung dieses Petitums wollen wir recht angelegentlichst die hohe Reichsversammlung anflehen!
"Sollte die nahe Berücksichtigung dieser Wünsche in der Weisheit des hohen Reichstages liegen — so bitten hierum ganz vertrauensvoll
die hochachtungsvoll gefertigten, dankbaren Committenten eines Antheiles des Saazer Wahlbezirkes durch ihren Ausschuß:
Johann Klucker, Richter und Obmann. Franz Czerwenka, Richter in Horzan. Iacob Rudolph aus Mallnitz. Anton Thierfeld. Joseph Klucker. Franz Richter aus Hrziwitz. Jacob Pietschmann, Handelsmann aus Opotschna. Carl Kluker, Gardeführer. Johann Hartmann. Wenzel Becker. Adalbert Naxer, Richter in Nehasitz. Jacob Woska aus Mallnitz. Wenzel Fleißig. Adalbert Bachmann, Hauptmann der Garde in Großlippen. Jacob Lukas. Joseph Tutschka. Wenzel Selbr. Joseph Fleißig. Joseph Klucker. Anton Türken. Joseph Hülbert. A. Czerney, Skupitzer Richter. Joseph Wolfram, m. p.
Der Verein für Ruhe und Ordnung. Recht und Wahrheit zu Großlippen, am 24. September 1848.
Stanislaus Morzin m. p., Berichterstatter des Vereines.
Johann Nep. Sacher m. p., Schriftführer."
Präs. Es wird diese Dankadresse zur Wissenschaft genommen und die betreffenden Puncte dem Petitions-Ausschusse überwiesen werden. Ich ersuche den Herrn Berichterstatter des permanenten Ausschusses zur Berichterstattung zu schreiten.
Abg. Schuselka. Unsere Verhältnisse sind dieselben geblieben. Ein neuer Schritt zur friedlichen Ausgleichung ist geschehen vom Gemeinderathe der Stadt Wien, welcher eine Deputation an Seine Majestät den Kaiser geschickt hat. — Aus der Provinz ist die Nachricht eingelaufen, daß in Brünn bedeutende Unruhen ausgebrochen sind. (Sensation.) Schon gestern Abend hieß es hier, daß man den Brünner Nationalgarden in Lundenburg Schwierigkeiten in Betreff ihrer Waffen gemacht habe. Heute früh erhielten wir die gewisse Nachricht mit dem Nachttrain, daß man denselben in Lundenburg die Waffen abgenommen habe, und zwar in frechem Uebermuthe auch das Geld und die Wäsche. — Hiedurch ist nicht nur die Nationalgarde, sondern überhaupt die Bevölkerung in hohem Grade erbittert und aufgeregt worden, und es bildeten sich überall Gruppen, die drohten, als Repressalien die Garnison zu entwaffnen. Jussian, Teschek und andere Chargen der Garde begaben sich zum Ober-Commandanten Malter, und mit diesem an der Spitze zum Commandirenden, worauf mit dem Telegraphen die kategorische Weisung nach Lundenburg ging, über den Vorfall mit der Garde genauen Bericht zu erstatten, und den commandirenden Officier des Militärs zur Verantwortung zu ziehen und die abgenommenen Waffen der Garden herzuschicken. Nach erfolgter Nachricht ergab es sich, daß die von Wien zurückkehrenden Garden scharf geladen hätten, und dieß wurde als Grund der Waffenabnahme angegeben. Andere Berichte mit dem Nachmittagstrain bringen die Nachricht, daß die Lundenburger und Prerauer Garde auch entwaffnet sein soll. So lauten in diesem Augenblicke die mündlichen Aussagen. Inzwischen hatte sich die ganze Nationalgarde versammelt und ist auf den großen Platz aufmarschirt, um die Handhabung der Ordnung zu übernehmen. Das Volk machte ernstlich Miene, um die Militär-Hauptwache auf dem großen Platze, welche verstärkt worden war, zu stürmen. Die Nationalgarde hat auch diese Hauptwache übernommen und stark besetzt, und das Militär wurde von dort unter Nationalgardebedeckung in die Kaserne gebracht. (Lachen und Beifall.) Ebenso sind auch die sämmtlichen Thore der Stadt von der Nationalgarde besetzt, die zugleich patrouillirt, während alle Gewölber gesperrt sind. Zu etwas Ernsterem scheint es für dießmal nicht zu kommen. Dank dem guten Einflusse, den die Nationalgarde auf die Bevölkerung hat. Freilich schimpfen die Arbeiter über die Stadtbewohner als Schwarzgelbe; ich glaube aber nicht, daß sie weiter gehen werden. Uebrigens glaubt man hier, daß auf Nachricht der hiesigen Zustände unverzüglich mehr Militär einrücken werde. — Zur Schlichtung der Angelegenheiten in Lundenburg ist von Seite des Commandirenden der Major Schmidt dahin beordert worden, der, nebst dem Ober-Commandanten Malter und einer Deputation des Verwaltungsrathes und der Nationalgarde, bereits nach Lundenburg abgegangen ist, weil die Antwort auf die telegraphische Weisung als nicht genügend erklärt wurde. Sie soll sich darauf stützen, daß unter den jetzigen Verhältnissen überhaupt keine bewaffnete Nationalgarde zwischen Wien und hier reisen dürfe, und zur Zurückstellung der Waffen erst höhere Befehle abgewartet werden müssen. (Zischen.) Jedenfalls halte das dort stationirte Militär nicht das Recht, der Nationalgarde und den Studenten auch das Geld und die Wäsche abzunehmen, und zwar auf eine höchst brutale Weise. Bis zur Rückkehr der Deputation wird wohl ohne Zweifel Alles ruhig bleiben, da das Volk sich wieder ruhig verhält, seitdem das Militär von der Hauptwache weggenommen wurde. Bis zum Abgang der Post sind auch alle übrigen Militärwachen von diesen abgelöst und durch die Nationalgarde besetzt worden, so das letztere nun den ganzen Wachdienst in der Stadt ohne Militär versieht. Alles Militär ist in den Kasernen. Der Telegraph ist ebenfalls in den Händen der Nationalgarde. (Beifall.)
Präs. Erlauben Herr Berichterstatter, daß ich auf einen Augenblick unterbreche; wir sind in diesem Augenblicke 193 anwesend, und ich werde mir daher erlauben, das vom Herrn Schriftführer Wiser vorgelesene Protokoll zur Genehmigung zubringen. Wenn sonst Niemand mehr gegen das Protokoll etwas einzuwenden hat, so ersuche ich, die Genehmigung durch Aufstehen kund zu geben. (Geschieht.) Das Protokoll ist genehmiget. (Zum Berichterstatter Schuselka gewendet:) Ich bitte fortzufahren.
Abg. Schuselka. Es sind an den hohen Reichstag zwei Dank- und Anerkennungs-Adressen eingelaufen. Wir halten uns mehr aus Rücksicht für die wohlwollende Gesinnung Derer, die uns diese Adressen sendeten, als aus Rücksicht für uns selbst, denen es wirklich Ueberwindung kostet, so vieles Lob, welches vielleicht wie Eigenlob klingen könnte, bekannt zu geben, verpflichtet, diese Adresse zu verkünden. (Liest:)
"Hoher Reichstag!
"Die Tage der Gefahr, in denen über Oesterreichs, und mit ihm über halb Europa's Schicksal das Schwert an einem Haare hing, haben uns den Reichstag in einer Höhe des Muthes und der Ausdauer gezeigt, welche seinen Namen der dankbaren Verehrung der Zeitgenossen und dem Andenken der spätesten Nachwelt aufbewahren muß.
"Kann auch gegenüber solcher Größe der schwache Ausdruck unserer Gesinnung kein Gewicht in die Schale seines Ruhmes legen, so bitten wir den Reichstag doch, daß derselbe unseren vollen Dank dafür annehmen möge.
"Recht und Freiheit können nimmer verloren gehen, so lange ein solcher Reichstag als deren Wächter sie schützet.
"Görkau, Kaitz, Weingarten, Hannersdorf und Göttersdorf, im Saatzer Kreise, Böhmen, am 15. October 1848."
(Folgen die Unterschriften.)
Es sind die beigelegten Unterschriften sehr zahlreich.
Vom deutschen Central-Vereine in Böhmen, der Stadt Reichenberg, ist folgende Zuschrift an die hohe Reichsversammlung ergangen. Sie lautet:
"Vom deutschen Central-Vereine für Böhmen, in Reichenberg.
"Hohe Relchsversammlung!
"Die letzten Ereignisse Wiens haben neuerlich auf eine schreckenvolle Weise den Körper der ganzen Monarchie erschüttert, und das Gemüth jedes Staatsbürgers erbebt vor dem Bilde der Zukunft, welches man in seinen blutigen Conturen ihm vor die Seele heraufbeschwor. — Für kein Land der Erde können die Folgen einer Revolution, der Art wie sie sie uns die letzten Tage brachten, und mit welcher der Bürgerkrieg Hand in Hand wüthet, unheilbringender sein, als für Oesterreich, kein Land der Erde muß solche politische Erschütterungen mehr fürchten als Oesterreich, indem durch ein derartiges Ereigniß der Zerfall dieses Ländercomplexes das Ablösen der einzelnen heterogenen mit aller Mühe seit der letzten Neugestaltung unserer politischen Existenz zusammengehaltenen Gebiete, von seinem Stamme, seine einzige Zukunft ist. — Schon damals, als der Reichstag in Wien zusammentrat, konnte man die Macht nicht nennen, welche im Stande wäre, die nationalen Interessen Österreichs zu vereinigen, und so eine Harmonie für die Zukunft zu begründen. Schon damals konnte man bange Ahnungen nicht unterdrücken, und jetzt — wie durch einen Zauberschlag stehen wir am gefürchteten Abgrunde.
"Mitten in diesen erschütternden Ereignissen haben wir unsere vertrauungsvollen Blicke auf unsere Vertreter gerichtet, in der sicheren Voraussetzung, sie allein seien durch die traurige Nothwendigkeit angewiesen, mit Kraft und Ausdauer die Geburt der Anarchie und die Zerstückelung der österreichischen Macht zu unterdrücken.
"Wir haben uns in unseren Hoffnungen nicht getäuscht; — die hohe Reichsversammlung hat durch ihre, in den letzten Tagen an den Tag gelegte Handlungsweise eine große That gethan, sie hat den Boden der constitutionellen Monarchie, trotz des gefahrvollen Lebens nicht verlassen, — sich vielmehr vereint zum heilbringenden Wirken für die Völker Oesterreichs.
"Leider aber waren viele Mitglieder der hohen Versammlung nicht so stark, oder wollten es nicht sein, den Augenblick zu verstehen, sie verließen mitten in der härtesten Bedrängniß unseres gemeinschaftlichen Vaterlandes den Reichstag, und wollen auch die Beschlüsse der für Ordnung und Ruhe fühlenden Ausharrenden als Minoritätsbeschlüsse nicht mehr beachten. Diese Handlungsweise, als ein Verrath am Vaterlande, muß uns mit Schmerz erfüllen, zugleich aber die heiligste Pflicht auferlegen, der, Gott sei Dank, noch immer in der Majorität sich befindenden Reichsversammlung hiemit die heiligste und ungeheucheltste Versicherung laut auszusprechen, an ihren, für das Wohl und Heil der Monarchie getroffenen Verfügungen in diesem furchtbaren Schwanken fest zu halten, und ihre dießfälligen Beschlüsse für legal und als geheiliget durch die Wichtigkeit des Augenblickes für die Zukunft auch ferner anzuerkennen.
"Möge Eine hohe Reichsversammlung diese Versicherung so hinnehmen, wie sie vom gefertigten Vereine im Namen aller Redlich- und Gutdenkenden Ihr gegeben werden, und möge Sie darauf bauen, daß das nördliche Böhmen auch diese Gesinnungen in den Herzen seiner Bewohner treu bewahren wolle.
"Reichenberg, am 14. October 1848.
Dr. Fischer m. p., Obmann.
Uchatzy m. p., Schriftführer.
Gust. Schirmer m. p., Schriftführer."
Von demselben deutschen Central-Vereine in Böhmen zu Reichenberg ist folgender Aufruf an die Wiener Reichstags-Deputirten und ihre Wähler ergangen. (Wird verlesen.)
"Vom deutschen Central-Vereine für Böhmen in Reichenberg.
Aufruf an Wiener Reichstags-Deputirten und ihre Wähler.
"Nach der Revolution des März, nach dem Sturze Metternichs und seines Systemes sah sich Oesterreich einer Aufgabe gegenüber gestellt, die, so riefengroß ihre Lösung für jedes Volk sein würde, für den Kaiserstaat und seine Einwohner noch ihre ganz besonderen Schwierigkeiten hatte, denn der völlige Umbau des Staates mußte nun mitten unter einer unsäglichen Verwirrung, unter Waffengetöse, unter dem Streite feindlicher Volksthümlichkeiten begonnen werden.
"Als Oesterreichs Völker Diejenigen aus ihrer Mitte wählten, welche sie für die Unterrichtetsten in Bezug auf die Bedürfnisse des Landes, für die Treugesinntesten und Biedersten zu erkennen glaubten, und als sie diese Männer im Juli nach Wien sandten, um daselbst am Reichstage zu berathen und zu beschließen, über eine Maße von Institutionen, deren Ermöglichung selbst dem Kühnsten bange machte, erkannten die Völker die große Aufgabe, welche ihren Vertretern zu lösen oblag, nicht weniger, als diese selbst sie kannten. Und es war nicht abzusehen, daß die Abgesandten der Völker würden ruhig tagen können, bis sie zu Ende wären mit der Verfassung und dem Preßgesetze und mit der Ordnung für die Volksbewaffnung, mit der Steuerfrage und mit der Regelung der bäuerlichen Verhältnisse, mit der Gemeindeverfassung und der Neugestaltung des Volksunterrichtes. Denn feindselige Bewegungen im Innern und tobente Stürme von Außen her bedrohten ein Berathungswerk, das vor Allem Besonnenheit und Einigkeit erforderte, um zur Reife zu gelangen.
"Was der Reichstag bisher geleistet, und wie er des Volkes Recht ins Auge zu fassen und es zu wahren gestrebt habe, ist jetzt nicht zu erörtern, wohl aber geben uns die neuesten Ergebnisse in Wien zu einer Frage an die Reichstagsabgeordneten Anlaß, und dieselbe ist wichtig genug, um sie durch den Mund ihrer Wähler an sie gelangen zu lassen.
"Sie lautet:
"Welche Stellung hat der Reichstag gegenüber einer Regierungsgewalt eingenommen, welche durch die abermalige Flucht des Kaisers, durch die faktische Auflösung des Ministeriums und durch eine angedrohte Belagerung Wiens zu einem Schattenbilde grworden ist?
"Der Reichstag hat diese Frage zum Theile beantwortet, er hat sich permanent erklärt und sich zu einem Wohlfahrtsausschusse umgestaltet, welcher sich vor der Hand damit beschäftiget, eine Gewaltsmaßregel von der Hauptstadt abzuwenden, für deren Ausführung weder Jellaèiè mit seinen Croaten, noch der Fürst Windischgrätz mit seinen Grenadieren eine Berufung oder ein Creditiv vorzuweisen vermögen.
"Nur eine kleine Anzahl, meist dem Lande Böhmen ungehörigen Reichsdeputirten, hat die Gefahr, in welcher Oesterreichs Hauptstadt schwebt, zu ihrer eigenen gemacht, und sich von dem Posten eigenmächtig entfernt, welcher ihnen durch das Vertrauen des Volkes angewiesen war, und welchen sie ebenso wenig verlassen durften, als der Soldat seine Fahne, soll anders nicht das Urtheil über sie ergehen, daß sie pflichtvergessen und feige gewichen sind vor einer Gefahr, die, wenn sie ihnen wirklich persönlich gedroht haben sollte, unter den gegenwärtigen Verhältnissen nur als ein Anklagepunct gegen sie erschiene, ein Anklagepunct, der durch den Umstand gravirend wird, daß diese Flüchtlinge sich nun in Prag und Brünn zusammenschaaren und Berathungen Pflegen, von denen mit Recht vermuthet werden kann, daß ihnen eine ganz andere Tendenz zum Grunde liegt, als diejenige, welche in diesem Augenblicke noch 202 Deputirte in Wien zur ihrigen machen: die Tendenz, die Ruhe in Wien um jeden Preis wieder herzustellen und als wahre Patrioten die Errungenschaften des März vor den Gelüsten der Reaction, vor den Gelüsten schlechtverhüllter Separations-Ideen zu bewahren.
"Es ergeht sohin an alle jene Bezirke der österreichischen Monarchie, welche Deputirte zum Wiener Reichstage absendeten, der Aufruf: es nicht zu dulden, daß ihre Abgeordneten Wien eher verlassen, als nicht die Kammer als aufgelöst erklärt wird, daß sie mit allem Ernste auf die Rückkehr derjenigen dringen, welche treulos oder furchtsam den Ehrensitz verlassen haben, dessen sie ihre Committenten würdig erachteten, und sie dieses Gebot auch auf diejenigen Abgeordneten ausdehnen, welche sich, besonders berücksichtigenswerthe Verhältnisse ausgenommen, mit Urlaub außer dem Bereiche ihrer übernommenen heiligen Pflichten begeben haben.
"An Euch aber, Ihr Vertreter des Volkes, ergeht die dringende Aufforderung, Eueren Pflichten als Männer nachzukommen und auszuharren auf dem Felde der Ehre, bis entweder der Sieg errungen, oder Euerem Kampfe durch eine Verfügung Einhalt gethan wird, welchen sich das souveraine Volk selbst anzuerkennen, keinen Anstand nimmt.
"Reichenberg, den 14. October 1848.
Dr. Fischer m. p., Obmann.
Uchatzy m. p., Schriftführer.
Gust. Schirmer m. p., Schriftführer."
Abg. Pitteri. Ich trage auf Drucklegung dieser Zuschrift an.
Abg. Schuselka. Der permanente Ausschuß findet diesen Aufruf durch die bereits gestern gefaßten Beschlüsse ganz im Sinne der Antragsteller und Aufruferlasser fast erlediget.
Präs. Es wird der Antrag auf die Drucklegung dieses Aufrufes, oder dieser Adressen gestellt.
Abg. Pitteri. Beider.
Präs. In welcher Art soll diese Veröffentlichung Statt finden?
Eine Stimme. Durch Vertheilung an die Mitglieder.
Präs. Wird der Antrag auf die Drucklegung dieser Zuschrift und dieses Aufrufes und auf die Vertheilung an die Mitglieder des hohen Hauses unterstützt?
(Wird unterstützt und angenommen.)
Abg. Umlauft. Ich würde mir erlauben, den gefaßten Beschluß dahin zu interpretiren, daß die Zahl der Exemplare eine solche sein möge, daß jeder Deputirte in den Besitz mehrerer komme, damit er sie in seinem Wahlbezirke verbreiten kann.
Präs. Es wird veranlaßt werden.
Schuselka. Im Zusammenhange mit den Klagen der mährischen Nationalgarde, welche wir so eben vernommen haben, steht auch ein Gesuch vom Obercommandanten der Nationalgarde zu Liesing, welches durch den Abg. Pillersdorf überreicht, und zur thunlichsten Berücksichtigung empfohlen worden ist. Das Gesuch lautet:
"Hohe Reichsversammlung!"
"Das ergebenst gefertigte Commando fühlt sich gedrungen, Einem hohen Reichstage die Anzeige zu unterbreiten, daß am 14. October die Nationalgarde der Gemeinde Liesing von der Brigade des Herrn General-Majors Sanchez entwaffnet, und 56 Stück dieser um den Preis von 13 Gulden Conventions-Münze pr. Stück angekauften und somit eigenthümlicher Gewehre gegen eigenhändige Quittung des Herrn Generals mit fortgeführt worden sind."
"Da die entwaffneten Garden jedoch die Besorgniß nicht unterdrücken können, einer anderweitigen Bestimmung ihrer abgenommenen Gewehre entgegenharren zu müssen, so unterbreitet das in tiefster Ehrfurcht gefertigte Commando Einem hohen Reichstage die Bitte, dieses Eigenthum der Gemeinde Liesing unter seinen hohen Schutz zu stellen, dagegen das vollste Vertrauen und die aufopferndeste Hingebung, der an sich unbemittelten Gemeinde huldvollst entgegen zu nehmen."
In tiefster Ehrfurcht
Commandant der Nationalgarde in Liesing
Joseph Huber m. p."
Der permanente Ausschuß trägt an, daß an den commandirenden General Grafen Auersperg, in Bezug auf diese Klage der Nationalgarde von Liesing ein gemessenes Schreiben erlassen werde, worin der Umstand hervorgehoben wird, daß die Nationalgarde am flachen Lande, wie die der Städte, durch das kaiserliche Wort gesetzlich gebildet worden sei, und daß dieses kaiserliche Wort nicht zurückgenommen wurde; dabei den Herrn General, welcher durch eine öffentliche Antwort erklärt hat, nur den Befehlen Seiner Majestät zu gehorchen, zu erinnern, daß er in dieser Beziehung gegen den Befehl Seiner Majestät handle, weil er die Nationalgarde, welche durch die Sanction des Kaisers bewaffnet wurde, entwaffnet hat; ihn aber zugleich aufzufordern, die Waffen an die Nationalgarde von Liesing und den anderen Ortschaften sogleich zurückzuerstatten.
Abg. Pillersdorf. Ich bin vollkommen einverstanden mit der Berichterstattung des Ausschusses, dissen Antrag ich unterstütze, glaube aber doch, daß eine Alternative eingeleitet werden soll. Diesen Gemeinden, und ich glaube, in demselten Falle sind alle Gemeinden, welche so behandelt worden sind, — diesen liegt es vorzüglich daran, künftighin in den Besitz der Waffen zu gelangen, diese Waffen nicht zu verlieren. Wenn nun der commandirende General Anstand nehmen würde, sie jetzt auszufolgen, so soll das Begehren dahingestellt werden, daß sie sogleich eingeliefert und hier deponirt werden, um ihnen die Beruhigung zu verschaffen, daß sie in ruhigeren Verhältnissen wieder in den Besitz ihrer Waffen gelangen.
Abg. Sierakowski. Ich bin der Ansicht, noch das Ministerium aufzufordern, daß es dem Commandirenden den Befehl ertheilen soll, der Nationalgarde die Waffen abzugeben.
Abg. Löhner. Ich beantrage, daß vom Ministerium ein Protest gegen eine solche Verletzung der Gesetze des Eigenthumsrechtes zugleich nach Olmütz geschickt werte an den dort gegenwärtig functionirenden Minister. Wahrscheinlich wird es dort auch keine Wirkung haben; es wird aber doch zeigen, daß einzelne Personen des Militärs mehr thun, als es in der Absicht des Commandirenden selbst liegt. Es ist dieß der Uebergriff eines einzelnen Generals; aber es wäre zweckmäßig, darauf hinzuweisen, daß wenn man noch einige Tage mit der Ernennung eines Kriegsministers verzieht, es von bedeutenden Folgen sein könnte. Keine Regierung der Welt kann eine so eigenmächtige Maßregel gut heißen.
Präs. Wenn ich recht vernommen habe, so wünscht der Herr Abg. Löhner, daß von Seite des Reichstages ein Protest an das Ministerium gelange.
Abg. Löhner. Ja, dieser Protest soll von Seite des Reichstages an das Ministerium gelangen, um im constitutionellen Wege vorgelegt zu werden. Weil hier ein Minister ist und einer in Olmütz, so müßte er durch das Ministerium nach Olmütz geschickt werden.
Abg. Hubicki. Ich muß mich gegen den Antrag des Abg. Löhner erklären, denn das Haus kann nicht protestiren. Dem Hause ist das Ministerium verantwortlich. Ich bin also gegen einen Protest an das Ministerium.
Präs. Ich ersuche die Herren Antragsteller, mir ihre Anträge schriftlich zu übergeben, nachdem sie sich so mehren, daß ich dann nicht würde im Stande sein, sie der Ordnung nach zur Abstimmung zu bringen. — Der Antrag des Abg. Pillersdorff geht dahin, daß eine Alternative gestellt werde, nämlich für den Fall, als die Ablieferung an die Eigenthümer nicht sogleich geschehen könnte, diese Waffen nach Wien zu schaffen, damit sie dann seiner Zeit an die Eigenthümer ausgeliefert werden könnten. — Dann kommt der Antrag des Abg. Sierakowski.
Abg. Sierakowski. Ich werde ihn schriftlich übergeben.
Präs. Und dann noch der Antrag des Abg. Löhner. — Wünscht noch Jemand über diesen Gegenstand zu sprechen?
Abg. Dylewski. Ich glaube, daß die Alternative nicht an der Zeit ist; es ist auf jeden Fall nicht gesetzlich, daß die Waffen der Liesinger Nationalgarde genommen wurden, so lange es nicht klar ist, daß sich diese Nationalgarde gegen das Militär vielleicht feindlich benommen hat. Dieß ist uns nicht bekannt, wir können daher keine Alternative stellen. So erscheint der erste Satz derselben geschwächt zu werden. Zeigt sich, daß Anlaß dazu war, daß ein feindliches Auftreten dazu einen Anlaß gegeben hat, wird zu einem weiteren Schreiben der zweite Absatz den Gegenstand liefern, so aber würde nur der erste Absatz den zweiten schwächen. Was die Bemerkung über den Protest betrifft, so finde ich sie sehr richtig. Wie soll der Reichstag gegen die Handlungen protestiren, die ein General aus feindlicher Machtvollkommenheit ausführen ließ? Ueberhaupt hat man den Protest schon öfter in Verruf gebracht, überhaupt sollen wir solche Mittel nicht gebrauchen, sondern was an das eine Mitglied des Ministeriums geht, soll auch an das andere nach Olmütz gehen.
Abg. Löhner. Ich ziehe meinen Antrag zurück.
Abg. Umlauft. Ich glaube, daß man um so fester auf dem Antrage des Ausschusses beharren müsse, als eben, wie der Abg. Dylewski bemerkt hat, nicht nur dadurch die Wirkung des Schreibens vom Anbeginne geschwächt, sondern vorausgesetzt würde, daß von Seite unserer bewaffneten Mitbürger irgend ein Verstoß geschehen sei. Das können wir nicht glauben; wir müssen glauben, daß sie vollkommen auf dem legalen Wege geblieben. Ich glaube, daß der Antrag der Commission gewiß als so loyal