Officielle stenographische Berichte über die Verhandlungen des österr. Reichstages.
Zweiundfünfzigste Sitzung des constituirenden Reichstages
am 18. October 1848. (Permanenz.)
Tagesordnung.
I. Ablesung der Sitzungsprotokolle vom 16. und 17. October 1848.
II. Bericht der permanenten Sicherheits-Commission.
III. Bericht über Wahlacte.
IV. Bericht über das Recrutirungs-Gesetz.
V. Berathung über das Nationalgarde-Gesetz.
VI. Bericht über die Reichstagsrechnungen.
Vorsitzender: Präs. Smolka.
Anfang um 12 1/4 Uhr Mittags.
Präs. In Wiederaufnahme der gestrigen Sitzung ersuche ich den Herrn Secretär Gleispach, das Protokoll der vorgestrigen Sitzung zu verlesen.
(Schrift. Gleispach verliest das Protokoll vom 16. October 1848.)
Präs. Ist in Bezug auf die Fassung dieses Protokolles etwas zu erinnern? — Diejenigen Herren, welche das Protokoll genehmigen, wollen aufstehen. (Wird angenommen.) Nun ersuche ich den Herrn Schriftführer Cavalcabó das Protokoll der gestrigen Morgensitzung zu verlesen. (Wird genehmiget.) Der Herr Abg. Wienkowski wird das Protokoll der gestrigen Abendsitzung vorlesen.
(Abg. Wienkowski liest das Protokoll der Abendsitzung vom 17. October 1848.)
Präs. Ist in Bezug auf die Fassung dieses Protokolles etwas zu erinnern? — Diejenigen Herren, welche für die Genehmigung dieses Protokolles sind, wollen aufstehen. (Angenommen.)
Bevor ich den Berichterstatter der permanenten Commission auffordere, zur Berichterstattung zu schreiten, erlaube ich mir, der hohen Kammer anzuzeigen, daß mir so eben eine Zuschrift des Abg. Franz Heiß zugekommen ist, welcher sein Mandat niederlegt. Wünscht die hohe Versammlung, daß ich sie vorlese? — Sie lautet:
"Hohe Reichsversammlung!
"Der inhaltschwere Gedanke, daß die Beschlüsse des hohen Reichstages über Friede, Krieg und vielleicht über Bürgerkrieg unmittelbar entscheiden sollten, bei welcher Betrachtung mich mein beschränktes Wissen ohne alle Beruhigung ließ, gebot mir am 11. d. M. als ich mich nach einer zweitägigen Unpäßlichkeit, die ich dem Herrn Schriftführer Cavalcabó gemeldet habe, wieder in den Reichstag verfügt hatte, und dort von einem ehrenwerthen Mitgliede den Austritt aus dem Ministerium der Herren Minister Doblhoff und Hornbostel vernehmen mußte, den Reichstag und Wien zu verlassen, um nicht an, Beschlüssen Theil zu nehmen, von deren Erfolg ich mir kein Bild zu entwerfen vermochte.
"Damit nun meinen Sitz in der hohen Versammlung ein tüchtiger Mann einnehmen könne, bitte ich, mich desselben zu entheben und die Verfügung zu treffen, daß die neue Wahl ausgeschrieben werde.
"Schließlich ersuche ich, mich vom hohen Kammerbeschlusse verständigen zu wollen.
Spital in Kärnthen, den 14. October 1848.
Franz Heiß m. p."
Es wird die Verfügung getroffen werden, daß sogleich eine neue Wahl ausgeschrieben werde. — Ferner ist zu gleicher Zeit vom Abg. Sterle ebenfalls ein Schreiben eingelaufen, welches, nachdem es ein bedingtes, und auf einer irrthümlichen Voraussetzung beruhendes Ersuchen um Enthebung ist, ich auch der hohen Kammer vorlesen zu müssen glaube. Es lautet:
"Hohe Reichsversammlung!
"Die höchst beklagenswerthen Ereignisse vom 6. d. M. haben einen großen Theil der Mitglieder des hohen Reichstages bewogen, den Ort der Versammlung zu verlassen, worunter sich auch der Gefertigte befindet. — Der Grund meiner Entfernung lag hauptsächlich darin, sowohl meine Familie als auch einen großen Theil der Bewohner meines Wahlbezirkes zu beruhigen.
"Nach einem Verweilen von 2 Tagen am 8. und 9. dieses traf ich bereits am 10 Abends auf der Rückreise nach Wien in Wiener Neustadt ein, um am folgenden Tage, den 11., daselbst anzukommen. Aber schon am Semmering begegnete ich einer Masse von Wiener Flüchtigen, ähnlich einer Völkerwanderung, und in Gloggnitz verlauteten die schauerlichsten Gerüchte über den Zustand Wiens. Diese schienen mir unglaublich, und ich beschloß daher, den eigentlichen Stand der Dinge in Wiener Neustadt zu erforschen. Die Nachrichten lauteten daselbst am folgenden 11. stündlich betrübender, und gegen Abend hieß es mit Bestimmtheit, daß Wien gänzlich geschlossen sei, um die übermäßige Auswanderung zu hindern. Es wurde mir daher von allen meinen Bekannten abgerathen, die Reise fortzusetzen, vielmehr erschien die Rückreise in meine Heimat als nothwendiger, indem sich die Nachricht verbreitete, daß Banus Jellaèiè mit seiner Armee den Rückzug über Steiermark nehmen würde, aus welchem Grunde meine Anwesenheit zu Hause unentbehrlich schien. Ich kehrte wieder um, jedoch mit dem festen Vorsatze, meinen Sitz im Reichstagssaale wieder einzunehmen, sobald ich die Reise dahin ohne Gefahr unternehmen könnte. Aber das Abendblatt der Allgemeinen österreichischen Zeitung vom 12. dieses, Nr. 193 enthält Verhandlungen der hohen Reichsversammlung vom nämlichen Tage, worunter ein Beschluß, daß Jedermann ohne Ausnahme die Waffen ergreifen und den Dienst der Nationalgarde theilen müsse, wovon weder das Alter, noch irgend eine Eigenschaft befreie.
(Präs. Ich brauche nicht zu erwähnen, daß dieß eine ganz unrichtige Auffassung war.)
"Da nun auf die Bemerkung des Abg. Gleispach, daß, wenn man von der Bewaffnung Niemand ausnimmt, der Reichstag nicht in der Lage sein dürfte, Beschlüsse kundzumachen, die Erwiederung erfolgte: der Präsident halte sich ermächtiget, Personen, die er benöthiget, auszunehmen — so ist es hieraus klar ersichtlich, daß der Schutz, die Sicherheit und Befreiung der Mitglieder des Reichstages vom Nationalgardedienste bloß von der Willkür des Präsidenten abhängig gemacht würde. (Heiterkeit.)
"Obschon ich in der Liebe zum Vaterlande keinem Staatsbürger nachstehe, und schon im Jahre 1809 den Beweis geliefert habe, indem ich schon damals in den Reihen der Landwehr stand, so besitze ich gegenwärtig im 66. Jahre meines Alters nicht mehr die physische Kraft, einen so beschwerlichen Dienst zu verrichten. (Heiterkeit.) Ich kann schließlich nicht umhin, zu bemerken, daß ein so harter Beschluß noch von keiner gesetzgebenden Versammlung gefaßt wurde, wodurch sogar das Greisenalter zu den Beschwerden der Manneskraft gezwungen wird. (Heiterkeit.) Ich bringe daher zur Kenntniß der hohen Reichsversammlung, daß ich nur dann meinen Sitz im Saale einnehmen werde, wenn ich durch officielle Kundmachung erfahre, daß ich von obiger Nationalgarde-Dienstverpflichtung befreit sei. (Heiterkeit.)
"Bruck an der Mur, den 16. October 1848.
Franz Sterle m. p., Abgeordneter des Wahlbezirkes Bruck an der Mur."
Präs. Wenn in dieser Beziehung Niemand von der hohen Versammlung etwas beantragt, so werde ich mir erlauben, privatim an den Abg. Sterle einen Brief zu schreiben, und ihn versichern, daß er ganz im Irrthume war. — Weiterhin erlaube ich mir der hohen Kammer anzuzeigen, daß in Folge des gestrigen Kammerbeschlusses wegen der Wahl der Mitglieder zur Commission, welche über den Antrag des Abg. Szaszkiewicz einen Gesetzentwurf vorzulegen hätte, gewählt wurden, für Galizien: Abg. Dylewski, für das Küstenland: Abg. Pitteri, für Ober-Oesterreich und Salzburg: Abg. Peitler, für Illyrien: Abg. Rack, für Steiermark: Abg. Plicker, für Nieder-Oesterreich: Abg. Pillersdorff, für Mähren und Schlesien: Abg. Carl Richter, für Dalmatien: Abg. Radmilli, für Böhmen: Abg. Strádal. Die Wahl für Tirol wurde noch nicht vorgenommen, ich ersuche daher die Herren Abgeordneten dieses Gouvernements, diese Wahl vorzunehmen und allenfalls morgen um 9 Uhr zusammenzutreten, um den Vorstand zu constituiren. — Ich ersuche den Herrn Berichterstatter des permanenten Ausschusses, zur Berichterstattung zu schreiten.
Abg. Schuselka. Der permanente Ausschuß hält sich für verpflichtet, vor der hohen Versammlung und vor der Oeffentlichkeit sich auszusprechen über den Umstand, der durch einige Tage die Bevölkerung von Wien in großer Spannung erhielt, nämlich über die Stellung der ungarischen Armee. — Es hatte sich gestern die für ganz sicher ausgegebene Nachricht verbreitet, daß die ungarische Armee bereits den österreichischen Boden betreten, die Vorposten sogar schon einige kleine Gefechte mit den dießseitigen Vorposten bestanden hätten. Heute Nacht dagegen ist dem permanenten Ausschusse von einem Manne, der aus dem ungarischen Lager kam, die Anzeige gemacht worden, daß die ungarische Armee in Folge eines Beschlusses des ungarischen Reichtages auf dem Rückzuge begriffen und bereits auf dem ungarischen Boden angelangt sei. Ob dieses in Folge der Unterhandlungen, die durch eine bei uns anwesende, von uns mit einem Geleitscheine versehene Gesandtschaft der Armee an den Grafen Auersperg gepflogen wurden, geschehen ist, oder in Folge, wie die Zeitungen wissen wollen, einer drohenden Note von Seite Rußlands, ist uns nicht bekannt; soviel aber ist sicher gestellt und muß als Factum öffentlich ausgesprochen werden zur Berichtigung der mancherlei in der Irre herumschweifenden Urtheile in der Stadt, daß durch den in ungarischen Angelegenheiten sehr bedeutend wirksamen Herrn von Pulßky dem permanenten Ausschusse schriftlich der gute Rath ertheilt worden ist, sich an den Erzherzog Johann, Reichsverweser, zu wenden, um seine Vermittlung anzusuchen. Wir haben, um in dieser wichtigen Angelegenheit klare und bestimmte Nachrichten zu bekommen, eben vor einer Stunde an den Ober-Commandanten der Nationalgarde den Auftrag ergehen lassen, uns Alles, was er in dieser Beziehung Officielles weiß, sofort mitzutheilen, und wir werden nicht ermangeln, auch das hohe Haus in Kenntniß zu setzen.
Es sind uns abermals von mehreren Landgemeinden nicht unbeträchtliche Geldsummen für mittellose Garden und Studirende zugekommen, und zwar:
Durch den Abgeordneten, Mitglied unseres Hauses, Thar, von der Pfarrei Hainoldstein, für Studirende und Nationalgarden ... 69 fl. — kr. C.-M.
Durch den Abg. Mitterndorfer, von dem Bauer Stirmayer, für bedürftige Studenten ... 11 fl. — kr. C.-M.
Von der Gemeinde Wagram ob der Traisen ... 120 fl. — kr. C.-M.
Von der Gemeinde Neusiedel an der Traisen ... 21 fl. 26 kr. C.-M.
Durch den Abg. Thar, in Folge einer von Herrn Ollischer veranstalteten Sammlung von den Gemeinden Knoking, Ordentling, Haarlanden und Steimand, Holzing, Brunn, Rompersdorf, Zelting, Golliug, Röhrapoint, Dorf Pöchlarn, Krumnußbaum, Stadt Pöchlarn, 3 Beamten von Recher, Matzleinsdorf — die Summe von ... 343 fl. 43 kr. C.-M.
Durch denselben Abgeordneten, von der Gemeinde Loschdorf, für Legionärs und Nationalgarden ... 147 fl. 56 kr. C.-M.
(Bravo!)
Der permanente Ausschuß hat diese patriotischen Gaben mit Dank in Empfang genommen, sich für die zweckmäßige Vertheilung derselben verpflichtet, und wird zugleich diese edelmüthige Unterstützung, welche das Landvolk unsern Waffenträgern zu Theil werden ließ, durch die Zeitungen veröffentlichen.
Ich habe gestern die Ehre gehabt anzuzeigen, daß der permanente Ausschuß in Folge eines Gerüchtes, daß im Lager draußen fünf Studenten erschossen worden seien, daß ein Abgeordneter, der die That uns selbst mitgetheilt, von den Soldaten gefänglich eingezogen und wörtlich und thätlich mißhandelt worden sei, eine energische Zuschrift an den commandirenden General, Grafen Auersperg, gesendet habe. Wir haben darauf folgende Antwort bekommen: (liest)
"An den löblichen Ausschuß der hohen Reichsversammlung in Wien.
"Mit Befremden entnehme ich aus der geschätzten Zuschrift vom 16. d. M., daß Ein löblicher Ausschuß Gerüchten über eine standrechtliche Hinrichtung von fünf Individuen Glauben schenkt, ferner sich über schmähliche Behandlung eines Deputirten und Schmähungen und Drohungen gegen den Reichstag beklagen zu sollen glaubt.
"Ich weiß nicht, woher der löbliche Ausschuß diese und ähnliche Nachrichten erhält, muß sie aber jedenfalls als ganz lügenhaft bezeichnen.
"Obwohl ich durch die häufig vorgekommenen Versuche zur Verführung meiner Soldaten alle Ursache gehabt hätte, für dieses Verbrechen das Standrecht zu publiciren, so habe ich es bis jetzt vermieden, dieses ernste Wort auszusprechen, und es kann somit von — in meinem Lager geschehenen Hinrichtungen durchaus keine Rede sein.
"Eben so wenig ist mir von schmählicher Behandlung eines Deputirten, sowie von Schmähungen und Drohungen gegen den hohen Reichstag die geringste Kunde zugekommen.
"Das Erfinden und Ausbreiten solch' lügenhafter Gerüchte, die, trotz vielfachen Erfahrungen über ihre Grundlosigkeit dennoch nur zu leicht Eingang finden, gehört unzweifelhaft mit zu jenen Mitteln, wodurch eine gewisse Partei allenthalben Besorgnisse zu unterhalten und Haß und Erbitterung gegen das Militär zu erwecken bemüht ist.
"Hauptquartier Inzersdorf, am 17. October 1848.
Graf Auersperg m. p., F. M. L."
Wie befriedigend nun diese Antwort, in Betreff des Gerüchtes, daß die fünf Studenten standrechtlich erschossen seien, lautet, so ist dadurch die Thatsache, daß ein Mitglied dieses Hauses in wirkliche Gefangennehmung gerathen und einer wirklichen Mißhandlung durch Soldaten, und nicht etwa durch gemeine Soldaten, sondern durch Officiere, ausgesetzt gewesen ist, nicht entkräftet.
Durch den Abg. Forster ist dem permanenten Ausschusse folgende Mittheilung zugekommen, mit dem Ersuchen, sie dem hohen Reichstage vorzutragen. Es ist eine Erklärung der Bürgerschaft und des Bürgerausschusss der Stadt Eger in Böhmen. Sie lautet:
"Erklärung.
"Die neuesten blutigen Ereignisse in Wien erinnern zu lebhaft an die Zeit der ersten französischen Revolution schauderhaften Andenkens, daß sie nicht auch an den Terrorismus, an die auf dem Schaffete vergossenen Ströme Blutes, und als Ende davon an die durch Militärdespotie niedergedrückte Freiheit erinnern sollten.
"Die Völker Oesterreichs, Deutsche, Slaven, Magyaren und Italiener wollen die Freiheit, die ihnen ihr guter Kaiser freiwillig im vollsten Maße gewähret hat, sie wollen jedoch die wahre, die beglückende Freiheit des Friedens, nicht die von entmenschten Hyänen entweihte, von Strömen Blutes triefende Freiheit.
"Um diese heiligsten Güter zu retten, um der Anarchie einen festen Damm entgegenzusetzen, müssen alle Nationalitätsfragen in den Hintergund treten, alle Völker Oesterreichs müssen gemeinschaftlich mit Bruderhand an der Errichtung dieses Dammes arbeiten.
"Geleitet von diesen Ansichten erklären die Bürger der Stadt Eger, daß sie zur Wiederherstellung der Ordnung, zur Erhaltung einer großen und mächtigen constitutionellen Monachie im Einklange mit Deutschland, ihren czechischen Brüdern des Landes die Hand reichen, der Regierung aber gegen jeden usurpirenden Eingriff willfährig alle ihre Kräfte zur Verfügung stellen.
"Sie erklären aber auch mit aller Entschiedenheit, daß sowie sie in ihrer Liebe, Treue und Anhänglichkeit zu ihrem constitutionellen Kaiser nie wanken werden, sie als unerschütterlichen Fels, auf dem der Thron allein sicher stehen kann, nur den Reichstag anerkennen, dessen Beschlüsse als Wille des Volkes zu achten sind.
"Jeder andere Boden ist wankend, die Stürme würden ihn unterminiren, und die blutigen Wogen der Zeit über den verwüsteten Bau dahin brausen.
"Sie erklären daher, daß es Feigheit oder Verrath am Volke, Verrath am Kaiser wäre, wenn jetzt die Repräsentanten des Volkes den Reichstag verließen; dort ist der Kampfplatz, dort gehören sie hin, dort allein kann die Anarchie bekämpft werden.
"Eger den 12. October 1848.
"Im Namen der gesammten Bürgerschaft:
Der Bürgerausschuß.
Dr. Köstler m. p., Vorsitzender.
J. U. Dr. B. Kreß m. p., Schriftführer."
Es ist die zuletzt an Seine Majestät gesandte Deputation zurück gekommen und hat uns durch das Mitglied derselben, Herrn Abg. Fischer, folgenden Bericht zur Bekanntgebung an die Kammer mitgetheilt:
"Die vermöge Beschlusses des hohen Reichstages vom 13. October 1848 an Seine Majestät den constitutionellen Kaiser abgeordnete Deputation ging in Wien am 14. d. M. früh um 5 Uhr ab und kam in Olmütz Nachmittags um 2 Uhr an.
"Seine Majestät der Kaiser traf 2 eine halbe Stunde später, also um halb 5 Uhr Abends in dieser Stadt ein.
"Nach 6 Uhr fragte sich die Deputation bei dem Fürsten Lobkowitz, der im Gefolge des Kaisers ist, um die Zeit an, zu welcher sie Seine Majestät zu empfangen bereit sei. — Der Fürst nahm alsogleich mit dem Kaiser Rücksprache und zeigte der Deputation an, daß die Audienz am folgenden Tage, d. i. am 15. d. M. 11 Uhr früh stattfinden werde.
"Am 15. d. M. um 10 Uhr Morgens ließ Seine Majestät der Kaiser der Deputation eröffnen, er wünsche, daß sie sich vor der Audienz über den Zweck ihrer Mission mit dem Herrn Minister Wessenberg benehme.
"Dieß geschah. Die Deputation übergab dem Minister die Adresse des hohen Reichstages und bestrebte sich, ihn auf jene Höhe zu stellen, von welcher aus er die Nothwendigkeit des Völker-Congresses ermessen und bei Seiner Majestät vertreten könne.
"Nachmittag wurde der Deputation durch den Minister die Eröffnung gemacht, Seine Majestät werde die Deputation um halb 7 Uhr Abends empfangen.
"Nachdem der Abg. Hagenauer [*) In der Originalschrift dieses Berichtes wird Abg. Wierzchlejski genannt.] an Seine Majestät eine entsprechende Anrede gehalten hatte, zog der Kaiser die anliegende Schrift aus seinem Rocke, verlas sie in Gegenwart Ihrer Majestät der Kaiserin und des Fürsten Lobkowitz und begab sich wieder in seine Gemächer zurück."
Abg. Schuselka (den Bericht unterbrechend). Diese Schrift enthält den Inhalt, der uns bereits durch eine telegraphische Depesche mitgetheilt wurde.
(Liest weiter:)
"Nachdem der entscheidende Einfluß Seiner kaiserlichen Hoheit des Erzherzogs Franz Carl auf alle Staatsangelegenheiten allgemein bekannt ist, so hielt es die Deputation für ihre Pflicht, Ihm den Zweck ihrer Mission mit allen Gründen, und insbesondere mit der unumwundensten Schilderung der Gefahr darzulegen, in welche die Fortsetzung des ungarisch-croatischen Krieges das Gesammtvaterland zu stürzen bedroht. Seine kaiserliche Hoheit der Erzherzog erklärte hierauf, er werde Alles, was in seinen Kräften liegt, beitragen, daß die obwaltenden Zerwürfnisse eine friedliche Erledigung finden werden.
"Auf die telegraphische Nachricht des Abg. Wiser hat die Deputation ihre Rückreise bis auf Weiteres verschoben.
"Olmütz, am 17. October 1848.
Fischer m. p."
Der nächste Gegenstand meines Berichtes im Auftrage der permanenten Commission betrifft die gestern beschlossenen beiden Schriften, nämlich dle Adresse an Seine Majestät und die Proclamation an die Völker Oesterreichs. — Die permanente Commission hat mit der Abfassung dieser Schriften je zwei Mitglieder beauftragt, und in allgemeiner Berathung hat sich die Mehrheit der Commission für folgende Fassungen ausgesprochen.
Die Adresse an Seine Majestät lautet:
"Euere Majestät!
"In der Antwort, welche Euere Majestät auf die Adresse des constituirenden Reichstages vom 13. October zu ertheilen geruhten, haben Euere Majestät die Absicht geäußert, Alles aufbieten zu wollen, um die Ruhe und Sicherheit in der Hauptstadt wieder herzustellen und dem constituirenden Reichstage die mögliche Gewährschaft für seine ferneren ungestörten Berathungen zu verschaffen.
"Der constituirende Reichstag hält es für seine Pflicht, Euerer Majestät die bestimmteste Versicherung zu ertheilen, daß dem erwähnten Allerhöchsten Ausspruche ein Irrthum über den wahren Sachverhalt zu Grunde liege, indem die Ruhe und Sicherheit im Inneren der Hauptstadt keiner Wiederherstellung bedarf, sondern einzig die in der Umgebung Wiens lagernden Truppen, und die von denselben unternommenen drohenden und feindseligen Handlungen die Bevölkerung Wiens in jener Aufregung und wachsamen Rüstung erhalten, welche gegenüber einem stündlich besorgten Angriffe und einer immer näher rückenden Cernirung eine unabweisbare Nothwendigkeit ist.
"Der Reichstag spricht demnach im Interesse wahrer Volksfreiheit, welche zu verwirklichen Euere Majestät Ihren Völkern schon so oft die heiligsten Zusicherungen gegeben haben, so wie im Interesse des constitutionellen Thrones, seine volle Ueberzeugung dahinaus, daß die Garantien der Aufrechterhaltung der Ruhe und Sicherheit nur in der schleunigen Bildung des von Euerer Majestät zugesagten volksthümlichen Ministeriums, in der allsogleichen Zurückziehung der gegenwärtig in Nieder-Oesterreich concentrirten Truppen und in der Feststellung der Garnison Wiens auf ein Minimum, unter sofortiger Beeidigung des Militärs auf die von Euerer Majestät sanctionirten Errungenschaften, sowie unter widerholter Anerkennung des Grundsatzes, daß das Einschreiten des Militärs im Innern des Landes nur über Aufforderung der Civilbehörden erfolgen dürfe, gefunden werden können.
"Zugleich hält der Reichstag zur Wahrung seiner Würde die feierliche Erklärung für nothwendig, daß er niemals in seiner vollkommen freien Berathung von irgend einer Seite gestört worden ist, und daß er seine Verlegung an einen anderen Ort für keine Gewährschaft der ferneren Freiheit in der Berathung, sondern nur als eine hiemit zurückgewiesene Anmuthung betrachten könnte, als habe er seine hohe Stellung, seine heilige Pflicht jemals auf Einflüsse von Außen her außer Augen gelassen, oder als sei er fähig, dieß in Zukunft zu thun.
"In derselben Rücksicht hat sich der constituirende Reichstag bestimmt gefunden, sich in einer Ansprache an die von ihm vertretenen Völkerschaften über seine gegenwärtige Stellung und Wirksamkeit offen zu erklären, und Euere Majestät werden in der beiliegenden Abschrift dieses Manifestes die Grundsätze ausgesprochen finden, von welchen aus die gesetzlichen Vertreter Oesterreichs für das Heil des Gesammtvaterlandes zu wirken entschlossen sind.
"Dieselbe Treue, mit welcher der Reichstag für die Freiheit des Volkes einsteht, wird er auch gegenüber dem constitutionellen Throne bewahren. Euere Majestät mögen daher vertrauensvoll dem dargelegten wahren Sachverhalte und den darauf gestützten Anträgen des Reichstages williges Gehör geben, und dadurch die Lösung der höchsten Aufgabe eines Monarchen — das Glück der Völker — verwirklichen.
"Wien, den 18. October 1848.
Vom constituirenden Reichstage."
Abg. Schuselka. Ich frage die hohe Versammlung, ob sie zuerst die Adresse für sich in Ueberlegung nehmen, oder ob ich sogleich das Manifest an die Völker verlesen soll?
Präs. Wünscht die hohe Versammlung, daß das Manifest an die Völker Oesterreichs verlesen werde?
(Ruf: ja!)
Abg. Schuselka. Das Manifest soll lauten:
"Völker Oesterreichs!
"Durch Euer Vertrauen zu dem friedlichen Werke der Constituirung unserer Freiheit berufen, ist der Reichstag durch die Gewalt der Ereignisse plötzlich mitten in den Kampf der Zeit gestellt.
"Der Reichstag mußte in diesem Kampfe vor Allem seinem Friedensberufe getreu bleiben; deßhalb hat er bis zu dieser Stunde alle seine Kräfte aufgeboten, um das Losbrechen des Gewaltkampfes zu verhindern, um aus den verworrenen Verhältnissen des Augenblickes den Hafen der Versöhnung und des Friedens zu finden und zu zeigen.
"Die Bemühungen des Reichstages sind bis jetzt ohne den erwünschten Erfolg geblieben. Zwar hat das edle Volk von Wien seine Erbitterung und Kampfeslust bezähmt, und den Angriff auf die offenbar feindlich verfahrenden Truppen vermieden, zwar haben selbst Seine Majestät der Kaiser Allem, was der Reichstag zur Hintanhaltung der drohenden Anarchie verfügt, die volle Annerkennung gezollt; aber nichts desto weniger ist Wien noch immer in derselben kriegerisch bedrohten Lage, und nur dadurch allein ist die Möglichkeit aufrecht erhalten, daß der blutige Kampf und in Folge dessen die Auflösung der gesetzlichen Ordnung losbreche.
"Große Truppenmassen stehen vor Wien, erhalten fortwährend Zuzug und zeigen die unverkennbare Absicht, die Hauptstadt zu umzingeln. Ihre Vorposten dringen bis in die Straßen der zu Wien gehörigen Ortschaften, bis an die Linien der Stadt, die auf des Kaisers Wort gesetzmäßig organisirte Nationalgarde der Umgebung Wiens wird entwaffnet, friedliche Reisende werden gefänglich zurückgehalten, Briefe erbrochen, die Zufuhr von Lebensmitteln abgesperrt, ja selbst Abgeordnete zum Reichstage wurden festgehalten und mißhandelt, ja es flogen bereits Kanonenkugeln in die Straßen der Vorstädte, kurz, mit jedem Tage erfährt Wien mehr und mehr das schwere Verhängniß einer belagerten Stadt. Vergebens hat der Reichstag mit dem ganzen Gewichte seines Ansehens dagegen protestirt. Solchen Thatsachen gegenüber mußte der Reichstag das Bestreben des Wiener Volkes, sich in Vertheidigungszustand zu versetzen, als eine Nothwendigkeit anerkennen.
"Wien ist die durch das Ansehen der Jahrhunderte geweihte Hauptstadt des Reiches, und keine andere Stadt kann es seyn. Wien ist der Mittelpunct der Interessen aller Völker Oesterreichs, und jedes Unglück, welches Wien trifft, wird bis in den fernsten Theilen des Reiches schmerzlich nachempfunden. Wien ist der einzig mögliche Sitz eines Reichstages, welcher der Gleichberechtigung so verschiedener Völker entsprechen soll. Wien ist die Wiege und die Burg unserer Freiheit. — Völker Oesterreichs! Ihr alle seid in der Bevölkerung Wiens vertreten, Wien ist Euch Allen stets eine heimatliche Hauptstadt gewesen. Wer daher für das Vaterland, wer für den constitutionellen Thron, wer für die Volksfreiheit ist, der muß für Wien sein.
"Der Reichstag erkennt es daher als seine heilige Pflicht, sowohl der Reaction, als auch der Anarchie entgegen zu wirken; die Reaction soll uns nicht den kleinsten Theil unserer Freiheit rauben, die Anarchie nicht den ganzen Schatz derselben vernichten. Dieß will der Reichstag, dieß will er für alle Völker und für alle Stände des Volkes, für den freien Bürger, wie für den tapferen Krieger des Vaterlandes; — aber um dieses vollbringen zu können, muß Wien gerettet, muß es in seiner Kraftfülle und Freiheit erhalten werden.
"Völker Oesterreichs! Vertrauet Denen, die Ihr zur Wahrung Euerer, und Euerer Kinder Rechte erwählet habet; vertrauet Denen, die Eueren Boden von Robot und Zehent und allen übrigen ungerechten Lasten befreiten, und die so eben im Begriffe sind, jene Gesetze zu schaffen, durch welche Euere volle Freiheit auf fester Grundlage gesichert wird. Kräftiget uns daher mit Euerer ganzen moralischen Macht für das bedrängte Wien, unterstützt unser offenes Wort durch die Allgewalt Euerer Stimme, helfet uns den Kaiser beschwören, daß er durch Einsetzung eines neuen volksthümlichen Ministeriums, durch Zurückziehung der Truppen aus Niederösterreich, durch Beeidigung des Militärs auf die freien Volksrechte, der Stadt Wien und dem Reiche den Frieden gebe, damit im Segen des Friedens das neue Heil des Vaterlandes gedeihe.
"Wien den 18. October 1848.
Vom constituirenden Reichstage."
Präs. Wünscht die hohe Versammlung vor Allem über die an Seine Majestät abzusendende Adresse zu verhandeln? — Der Abgeordnete Dylewski hat das Wort.
Abg. Dylewski. Ich frage den Herrn Berichterstatter, was ist das für ein Factum mit der Mißhandlung der Deputirten? Es wird davon in der Proclamation gesprochen und wir wissen nichts.
Abg. Sturm. Ich sehe mich auf die Rückschrift des Commandirenden veranlaßt, öffentlich zu erklären, daß ich auf meiner Rückreise von Steiermark, als ich in Wiener Neustadt angekommen war, dort von einem Bataillon Baumgarten unter dem Commando des Majors Baron Augustinez gefangen genommen worden bin, und zwar auf eine lehr brutale Weise, und daß man auf meine mehrfache Erklärung, daß ich ein Abgeordneter des Reichstages bin, nur erwiederte, und zwar Stabsofficiere erwiederten, daß hier in Wien kein Reichstag mehr bestehe, daß nur die Mörder des Latour hier sitzen und daß über die bluttriefende Partei bereits die Würfel geworfen sind, und daß man mit dieser Partei dort Rechnung machen werde. Das bezeuge ich hier öffentlich. (Zischen.) Daß ich dennoch nach Wien gekommen bin, habe ich einem Mißverständnisse zu verdanken, denn ich verlangte als windischer Abgeordneter mit dem Jellaèiè früher zu sprechen und auf Grundlage dieser Angabe wurde ich mit Militärescortirung nach Baden befördert, und von Baden aus kam ich mit einem Lohnkutscher nach Wien.
Präs. Wünscht die hohe Versammlung, daß allenfalls die Adresse an Seine Majestät verlesen wird?
Abg. Potocki. Es that mir sehr leid, daß über die Mission der letzten Deputation kein weitläufiger Bericht erstattet war, und es that mir auch leid, daß von dieser Deputation selbst nicht ein Berichterstatter über die ganze Mission einen Vortrag gemacht hat, und daß es in sehr kurzen Worten nur von der permanenten Commission zu unserer Kenntniß gekommen ist. Ich habe Gelegenheit gehabt, heute Morgen mit einigen von den Heeren zu sprechen, und habe erfahren, daß eine Proclamation von Seite Seiner Majestät an die Völker von Oesterreich, ich glaube am heutigen Tage, oder längstens morgen, erlassen werden soll; über den Sinn dieser Proclamation hat mir der Herr auch Einiges gesagt und ich glaube, daß es von einer großen Wichtigkeit wäre, wenn früher jene Proclamation zur Kenntniß der hohen Versammlung käme, weil diese meiner Ansicht nach einen großen Unterschied in unserer Proclamation herbeiführen könnte, wenn wir voraus wissen, in welchem Sinne dieselbe von Seiner Majestät erlassen wird. Es wäre daher besser, bis heute Abends oder morgen das Erscheinen der kaiserlichen Proclamation abzuwarten. Ich würde auch den Antrag stellen, daß Einer der Herren Deputirten, welcher jener Mission beigegeben war, aufgefordert werde, einen Vortrag zu halten und einen Bericht zu erstatten, wie es bis jetzt immer