Officielle stenographische Berichte über die Verhandlungen des österr. Reichstages.
Zweiundfünfzigste Sitzung des constituirenden Reichstages
am 16. October 1848
(Permanenz.)
Tagesordnung.
I. Ablesung des Sitzungs-Prolokolles vom 15. October 1848.
II. Bericht der permanenten Sicherheits-Commission.
III. Bericht über Wahlacte.
IV. Bericht des Petitions-Ausschusses.
V. Gesetz zur Hintanhaltung gewaltsamer Störuugen der Versammlung des constituirenden Reichstages und zum Schutze der persönlichen Freiheit der Mitglieder desselben.
VI. Beschluß des Constitutions-Ausschusses vom 27. September 1848 bezüglich der Veranlassung neuer Wahlen jener Abgeordneten, welche Staatsämter annehmen.
VII. Begründung des Antrages des Abgeordneten Szaszkiewicz.
VIII. Berathung über das Recrutirungs-Gesetz.
IX. Berathung über das Nationalgarde-Gesetz.
X. Bericht über die Reichstagsrechnungen.
Vorsitzender. Präs. Smolka.
Auf der Ministerbank: Krauß.
Anfang um 1/2 5 Uhr Nachmittags.
Präs. In Wiederaufnahme der gestern unterbrochenen Sitzung befinde ich mich in der angenehmen Lage, dem hohen Hause anzuzeigen, daß 222 Quittungen von den Abgeordneten abgegeben wurden, und bereits 202 ihre Diäten erhoben haben, demnach wir immer in der Lage sind, vollzählig hier zu erscheinen (Bravo!).
Ferner wollte ich der hohen Kammer anzeigen, daß die Ersuchsschreiben bereits an das Ministerium des Innern wegen Ausschreibung neuer Wahlen für Catinelli und Staudenheim abgegangen sind. Ferner erlaube ich mir, ein vom Abg. Krzyzanowski überreichtes Gesuch mitzutheilen.
"Hohe Reichsversammlung!
"Durch meiner Mitbürger Wahl zum Präsidenten des Stadtrathes in Krakau berufen, lege ich hiemit mein Mandat als Reichstags-Abgeordneter nieder, und bitte mittelst des Ministeriums eine neue Wahl für den von mir vertretenen Bezirk des Krakauer Gebietes anordnen zu lassen. Ich würde meinen hiesigen Posten in diesem ernsten Augenblicke, wo die Vertheidigung der Volksrechte jeden freisinnigen Bürger zur aufopfernden Hingebung verpflichtet, zuverlässig nicht verlassen, wenn ich hiezu nicht von meinen Comittenten durch die neue mir aufgetragene Pflicht aufgefordert wäre. Ich fühle mich um so mehr gedrungen, diesem Gebote zu folgen, da eine schleunige Entwicklung der uns garantirten institutionellen Gewährschaften, namentlich für unsere Provinz, von entschiedener Wichtigkeit ist.
"Ich scheide aus dieser hohen Versammlung mit dem herzlichsten Wunsche, daß es den edlen Völkern Oesterreichs bald gelingen möge, unter den Segnungen eines dauernd erstrebten Friedens alle Rechte der Freiheit ungeschmälert zu genießen, die sie mit ibrem Herzensblut so wacker errungen; — und gebe mich der festen Hoffnung hin, daß sie alsdann ihre treue Bruderhand dem unglücklichen polnischen Volke nicht entziehen werde.
"Gott beschütze die hochherzigen todesmuthigen Wiener!
"Wien am 16. October 1848."
(Beifall.)
Es wird das nöthige veranlaßt werden, damit sogleich eine neue Wahl für den Bezirk Krakau ausgeschrieben werde.
Weiterhin erlaube ich mir dem hohen Hause anzuzeigen, daß der galizische Abg. Bartholomäus Pietrowski vor einiger Zeit in einem Schreiben um einen Urlaub angesucht hatte; ich glaubte jedoch nicht in der Lage zu sein, mit Rücksicht auf den von der hohen Kammer gefaßten Beschluß, dem zu Folge alle auf Urlaub abwesenden Mitglieder einberufen worden sind, auf Bewilligung dieses Urlaubes antragen zu dürfen; — der Abg. Pietrowski überreichte in Folge dessen am gestrigen Tage folgendes Gesuch:
"Hoher Reichstag!
"Gehorsamst Gefertigter befindet sich ob der Altersschwäche und anderer körperlicher Gebrechen in einem Zustande, daß er seinen Pflichten als Volksvertreter nicht länger nachkommen kann — weßhalb er sein Mandat niederlegt und um geneigte Entlassung bittet.
"Ein hoher Reichstag nehme die Ueberzeugung, daß nur das vorgerückte Alter und der kränkliche Zustand die Beweggründe dieses Entschlusses sind.
"Wien am 15. October 1848.
Bartholomäus Pietrowski, Abgeordneter des Bezirkes Winiki, Lemberger Kreises.
Des Schreibens Unkundigen habe ich gefertiget
M. Popiel m. p., Abgeordneter."
Es wird die Verfügung getroffen, damit auch für diesen Wahlbezirk sogleich eine neue Wahl ausgeschrieben werde.
Ferner habe ich die Ehre, einer hohen Kammer anzuzeigen, daß der Finanzminister sich veranlaßt gefunden hat, nachdem bis gegen Mittag gar keine Nachricht von der an Seine Majestät abgesandten Deputation eingegangen ist, ein Schreiben an das Hoflager Seiner Majestät zu richten. Der Herr Finanzminister hat sich in dieser Beziehung auch mit dem permanenten Ausschusse ins Einvernehmen gesetzt, und wünschte, daß diese Zuschrift von einem Abgeordneten dieses Hauses überbracht werde, und nachdem der Ausschuß diese Sache sehr dringend gefunden hat, so hat sich das Vorstand-Bureau veranlaßt gefunden, den Herrn Secretär Wiser mit dieser Mission zu beauftragen, welcher auch mit einem separaten Train zu diesem Behufe abgereist ist.
Mittlererweile sind Nachrichten von der Deputation eingelangt, welche derart sind, daß ich sie keinen Augenblick der hohen Kammer vorenthalten will. Ich erlaube mir daher, von der Tagesordnung abgehend, den Herrn Abg. Schuselka zu ersuchen, er möge uns darüber sogleich Bericht erstatten.
Abg. Schuselka. Der Herr Präsident hat mir durch die ausgesprochenen Worte die Ordnung vorgezeichnet, in der ich Bericht zu erstatten habe; ich muß daher mit den zuletzt eingegangenen Nachrichten anfangen. Wir erhielten eine telegraphische Depesche von Olmütz, welche von dem Abg. Fischer als Mitglied der an Seine Majestät gesendeten Deputation ausgefertigt ist. Sie lautet:
"Gestern um 6 Uhr 30 Minuten Abends war die Audienz. Seine Majestät gab der Deputation folgende Antwort:
""Aus der mir überbrachten Adresse des Reichstages ersehe ich mit Vergnügen, daß derselbe das Gesammtwohl aller Völkerschaften des österreichischen Kaiserstaates vor Augen habe, und die Bemühungen des Reichstages, der drohenden Anarchie entgegen zu wirken, erhalten Meine vollkommene Anerkennung. Ich werde meinerseits Alles aufbieten, um die so nöthige Ruhe und Sicherheit in der Hauptstadt wieder herzustellen, um dem constituirenden Reichstage die mögliche Gewährschaft für seine ferneren ungestörten Berathungen zu verschaffen.""
Es liegt in dieser kaiserlichen Anerkennung unserer Thätigkeit natürlich die Aufforderung, in derselben bisher beobachteten Weise fortzufahren, und da sich die Zustände nicht geändert haben, die Armeen vor den Thoren Wiens in ihrer alten geradezu kriegerischen Stellung verharren, da die Bevölkerung der Aussenbezirke Wiens in fortwährender Gefahr des Angriffes ist, so haben und werden wir nicht unterlassen, das Nöthige vorzukehren, um auf alle mögliche Fälle gesichert zu sein. Wir haben in dieser Beziehung auch von anderer Seite höchst erfreuliche Unterstützung und Aufmunterung bekommen.
Es ist durch den Abg. Schneider aus Schlesien an den permanenten Ausschuß das Anerbieten gestellt worden, über die dortigen Kräfte sowohl von Bielitz als der Umgebung zu verfügen, mit der Bemerkung, daß auch die dortigen Bürger entschlossen seien, den Wienern zu Hilfe zu eilen. Aus det Stadt Komotau in Böhmen, vom Bürger-Ausschusse daselbst, ist folgende Adresse an den hohen Reichstag eingegangen;
"Hohe Reichsversammlung!
"Mit tiefem Schmerze beklagen wir die blutigen Ereignisse des 6. Octobers in Wien, um so bedauernder, als durch eine heillose Verirrung Bürgergarden gegen Bürgergarden im Kampfe einander gegenüber standen, und den Altar des Domes mit Bruderblut bedeckten. Schon seit Wochen zogen gewitterschwangere Wolken über dem Himmel der Freiheit zusammen, und eine Nacht der Verzweiflung gähnte uns entmuthigend entgegen. In dieser Nacht strahlte ein Sternenkranz von Männern unseres Vertrauens, unseres hohen Reichstages mit wohlthuendem Lichte uns entgegen, von Männern, die da Rath wußten, wo unheilvolle Verwirrung drohte, die das eigene Leben boten, um an dessen Wärme das stockende Blut des Staates zu erglühen, die im Sturme des heißen Kampfes das Ruder mit fester Manneshand führten, um an der Klippe res Zwiespaltes das Staatsschiff vom Scheitern zu retten.
"Mit Bewunderung sprechen wir der hohen Reichstags-Versammlung unser hohes Vertrauen in Ihre Einsicht, in Ihren Muth, in Ihre Vaterlandsliebe mit der Zusicherung aus, daß auch wir Ihrem ermunternden Beispiele folgend, in der Stunde, wo das Vaterland uns ruft, nicht zurückbleiben werden, für das heilige Wohl des freien Vaterlandes Gut und Blut einzusetzen.
Bürger-Ausschuß Komotau den 13. Oct. 1848."
Folgen 30 Unterschriften.
(Bravo.)
Aus Leitmeritz in Böhmen im Namen des deutschen Bezirks-Vereines ist folgende Adresse eingelaufen:
"Hohe Reichsversammlung!
"Gewitterschwangere Wolken zogen herauf an Oesterreichs Horizont - mit Bangen fühlten wir ihr eilendes Herannahen — sie haben sich furchtbar entladen!
"Doch Ihr! Männer des Volksvertrauens, stehet fest in dem Sturme, mannesmuthig blicket Ihr selbst dem Tode ins Auge und Eure starke Hand wird mit Gottes Hilfe das schwankende Boot, welches das köstlichste Gut — die Freiheit — trägt, in den sicheren Hafen geleiten. Harret aus auf Eurem schwierigen Posten, lasset das Beispiel Jener, welche aus Eurer Mitte eilten, keine Nachahmer finden; denn nur Ihr allein, in Eurer Vereinigung seid es, welche die Giftpflanze der Reaction, sowie die Brandfackel der Anarchie von uns abwehren können.
"Darum nochmals, harret aus für das Volk, das Euch vertraut, — der Dank des Volkes wird Euer Bemühen lohnen, und der Geschichtsschreiber Eure Namen mit goldenen Buchstaben in das große Gedenkbuch der Menschheit einzeichnen.
"Leitmeritz am 12. October 1848.
"Im Namen des deutschen Bezirks-Vereines.
Dr. J. Stradal m. p. Vorsitzender. F. Krasser m. p. Schriftführer, Th. Stradal m. p. Schriftführer, Gustav Funke m. p. Ausschußmitglied, Joseph Zompert m. p. Aussch. M., Veit Möldner m. p. Aussch. M., Ant. Ferd. Lauk m. p. Aussch. M., J. D. Manzer m. p. Aussch. M., Vinc. Mauser m. p." (Beifall.)
Aus der Stadt Rzeszow in Galizien ist uns folgende Adresse zugekommen:
"Hohe Reichsversammlung!
"Die uns am heutigen Tage vom Reichstags-Deputirten Lubomirski zugekommene Kundmachung Eines hohen Reichstages vom 7. October l. J. hat in den Herzen der wahren Freunde der Freiheit einen so lebhaften Wiederhall hervorgerufen, daß nur ein einziger allgemeiner Wunsch Alle beseelte, Einen hohen Reichstag in seinem eben so hohen als schwierigen Berufe, den die verhängnißvollen Ereignisse des 6. Octobers ihm zuwiesen, mit allen Kräften zu unterstützen.
"Der National-Rath des Rzeszower Kreises, im Vereine mit der Nationalgarde dieser Stadt, bitten Einen hohen Reichstag, diesen Ausdruck der aufrichtigsten Ergebenheit und des glühendsten Eifers für die Erhaltung der schwer bedrohten Freiheit zu genehmigen, und über ihr Gut und Blut, wo es nöthig sein sollte, in jedem Augenblicke zu gebieten.
"Rzeszow am 12. October 1848.
D. Sulikowski m. p. Präsidirender des Nationalraths. Med. Dr. J. Uibl m. p. Nationalgarde-Commandant. Kasznic m. p. Secretär. Grodzinski m. p. Oberlieutuant Adjutant. (Beifall.)"
Von Markersdorf in Niederösterreich kam heute ein Landmann, und brachte einen Betrag von 58 fl. 20 kr. C. M. für mittellose Studenten und Nationalgarden, und stellte noch weitere bedeutendere Geldbeträge in Aussicht. Eben so wurde durch eine Frau, welche nicht genannt sein will, 10 fl. C. M. für verwundete Studirende eingesendet. (Beifall). Beide Summen sind ihrer Bestimmung zugeführt worden.
Indem wie gesagt der Ausschuß, ungeachtet er mit freudigem Herzen der Hoffnung Raum gibt, daß sich die Verhältnisse, in denen wir uns befinden, friedlich lösen werden, sich dennoch für verpflichtet hält, für den schlimmsten Fall auch gefaßt zu sein, so unterläßt er in keinem Augenblicke dasjenige vorzukehren und zu verfügen, was zur Vertheidigung Wiens nothwendig und nützlich zu sein scheint. Er stellt sich dabei immer auf den Standpunct der Vertheidigung, einestheils in Anerkennung und consequenter Festhaltung des Prinzipes, welches ich schon in den neulichen Berichterstattungen hervorgehoben habe, nämlich des Prinzipes einer aufrichtigen, offenen, ehrlichen Politik, welche nicht, während sie wegen des Friedens unterhandelt, auf der anderen Seite zugleich Krieg führen will, des Prinzipes, auf constitutionell-monarchischem Boden zu bleiben, andererseits aber auch immer auf das Urtheil sachkundiger Männer gestützt, der Ueberzeugung zu leben, daß Wien, wenn es sich kräftig und einig in der Vertheidigung erhält, nicht leicht, vielleicht gar nicht zu bezwingen ist; daß im Gegentheile aber, wenn unsere tapfere Schaaren sich hinreißen ließen, ihrerseits zum Angriffe aus den Mauern der Stadt hinaus zustürmen, mit höchster Wahrscheinlichkeit der traurige Erfolg vorausgesehen werden würde, daß wir geschlagen werden, daß dann die traurigen Folgen einer solchen Niederlage unberechenbar über sie hereinbrechen würden. Wenn sich Wien auf seine Vertheidigung beschränkt, so ist es vor aller Welt, vor ganz Europa und in der Weltgeschichte in seinem wohlbegründeten Rechte, und es darf auf die Zustimmung, auf das Mitgefühl der ganzen gebildeten Welt rechnen. Obwohl wir uns der sicheren Hoffnung hingeben, und nach der heutigen Eröffnung von Seiner Majestät in dieser Hoffnung die begründete Unterstützung bekommen haben, daß es nicht zum äußersten Falle kommen wird, so sind dennoch die bedrängenden Thatsachen des Augenblickes von der Art, daß es eine unverzeihliche Saumseligkeit und Zaghaftigkeit wäre, wenn wir uns zu sehr sanguinischen Hoffnungen hingeben, wenn wir die heilige Verpflichtung, die wir im Namen dieser großen Stadt, welche das Herz der Monarchie ist, welche den Centralpunct aller Lebenskräfte der Monarchie in sich enthält, wenn wir ferner im Interesse der Humanität uns nicht für heilig verpflichtet hielten, für die Vertheidigung dieser Stadt das Möglichste zu leisten. (Beifall.)
Wenn wir uns in dieser Vertheidigung fest auf dem Standpuncte halten, den wir bisher eingenommen haben, dann wird die Geschichte über uns das Urtheil sprechen, daß wir gedrängt durch eine traurige Nothwendigkeit gethan haben, was wir thun mußten, ohne daß uns das Verschulden aufgebürdet werden könnte, daß wir unsererseits Veranlassung gegeben haben, einen Kampf hervorzurufen und zu steigern, welcher eben so sehr gegen die Interessen der Monarchie, als gegen die Forderungen der Humanität ist. Wir geben uns daher fortwährend alle Mühe, zu gleicher Zeit unsere Streitkräfte zu regeln, zu organisiren, sie unter eine feste Disciplin zu stellen; auf der anderen Seite aber strengen wir uns eben so sehr an, die Ueberzeugung in den kampfesmuthigen Scharen zu befestigen, daß sie sich lediglich auf die Vertheidigung zu beschränken haben.
In der Stellung der Armeen außer den Thoren sind außer einigen Veränderungen, vielleicht durch Witterungsverhältnisse, Verproviantirungs-Verhältnisse, keine wesentliche Veränderungen hervorgetreten Eben so ist die ungarische Armee in ihrem früheren Standpuncte auf ungarischem Boden stehen geblieben und haben die Ungarn, von Seite ihres Armee-Commando's Abgesandte in das Lager des Grafen Auersperg gesendet, um mit ihm zu unterhandeln, über Gegenstände, deren Inhalt sie uns nicht bekannt gegeben haben. Wie gesagt, Wien kann für sich allein, wenn alle die streitbaren Männer, die es in seinen Mauern zählt, fest und einig zusammenhalten, wie sie es in diesem Augenblicke auch thun, kann ohne fremde Hilfe, und wünscht ohne fremde Hilfe, sein eigenes Heil zu bewahren. Wir hoffen und wünschen, daß es zu diesem schlimmsten und äußersten Falle nicht kommen wird. Wir sind aber für den schlimmsten und äußersten Fall gerüstet, und werden nichts unterlassen, unsere Schuldigkeit zu thun. Zur näheren und besseren Erreichung dieses Zieles hat Ihr permanenter Ausschuß in Uebereinstimmung mit dem Nationalgarde-Obercommando und mit dem Ministerium für nöthig erachtet, für die zahlreichen Scharen der neu eingereihten Bewaffneten, der sogenannten mobilen Garde, um in diese Scharen eine feste Disciplin zu bringen, eine eigene provisorische Disciplinar-Verordnung zu verfassen und der hohen Versammlung zur Genehmigung vorzulegen.
Sie begreifen, daß es nothwendig ist, im Interesse des Zweckes, der durch diese bewaffneten Scharen erreicht werden soll, eine feste, kampffähige Kriegsmacht zu haben; anderseits liegt es im Interesse der Ordnung und Sicherheit, die bewaffnete Schar nicht ohne Disciplin, nicht ohne Regelung der Ordnung, ohne Gesetz in dieser Beziehung zu belassen. Dieser Grund, der Allen gewiß einleuchtet, hat uns bestimmt, folgende Entwürfe vorzulegen:
(Liest den Entwurf vor)
"Disciplinar-Verordnung für die mobile Volkswehr.
"1. Derjenige, welcher sich in die mobile Volkswehr einreihen läßt, hat zu schwören, die Rechte des Volkes und des constitutionellen Thrones zu wahren, und den Befehlen des Obercommandanten der Wiener Nationalgarde unbedingt Folge zu leisten.
"2. Kriegsrechtlich wird behandelt:
a) Derjenige, welcherden Befehlen seines Vorgesetzten im Dienste vor dem Feinde nicht Folge leistet, oder gar sich demselben thätlich widersetzt,
b) Wer ohne Befehl oder Erlaubniß seinen Posten vor dem Feinde verläßt.
"3. Dieselbe kriegsrechtliche Behandlung findet Statt gegen Denjenigen, welcher sich einen gewaltsamen Einbruch in eine Wohnung, eine Gewallthätigkeit gegen eine Person, Plündern oder etwaiges Erpressen fremden Eigenthumes durch Bedrohung mit den Waffen zu Schulden kommen läßt.
"4. Jeder Vorgesetzte, der die erhaltenen Befehle nicht alsogleich in Vollzug bringt, unterliegt der Strafe der Cassation. Steht er vor dem Feinde, und läßt er sich vor demselben ein solches Verbrechen zu Schulden kommen, so ist es nach Artikel II zu behandeln.
"5. Kleinere Vergehen, sowohl in als außer dem Dienste, sind hingegen dem Disciplinar-Verfahren des Corps-Commandanten unterzogen.
"6. Das Ober-Commando der Nationalgarde sowie die Corps-Commandanten werden für die genaue Vollstreckung dieser Verordnung strenge verantwortlich gemacht."
Der permanente Ausschuß richtet an die hohe Versammlung die Bitte, diese vorgeschlagene provisorische Verordnung in Berathung zu ziehen und zu genehmigen.
Abg. Schlegel. Nach meiner Ansicht würde ich mich des Ausdruckes "Plünderung" nicht bedienen, sondern sagen: "Verletzung des Eigenthumes oder Nichtschützung desselben."
Präs. Ich werde mir erlauben, die einzelnen Puncte zur Abstimmung zu bringen. (Der Präs. verliest den ersten und zweiten Punct, welche beide ohne Anstand angenommen werden).
Zu dem dritten Puncte liegt der Verbesserungs-Antrag des Abg. Schlegel vor, daß statt "Plünderung" gesetzt werde: "Verletzung des Eigenthumes, oder Nichtschützung desselben".
Wird dieser Abänderungs-Antrag unterstützt? (Wird nicht unterstützt).
Der dritte Punct wird in ursprünglicher Fassung angenommen. Der §. 4 (wird unterstützt und angenommen), §. 5 lautet: (wird gelesen).
Abg. Gschnitzer. Ich erlaube mir die Anfrage, was unter diesem Diseiplinar-Verfahren des Garde-Commandanten verstanden wird, hat das eine Regelung?
Abg. Schuselka. Im gewöhnlichen Laufe solcher Angelegenheiten versteht man unter solchen, irgend kleine Bestrafungen: Arrest, Waffenabnahme u. s. f. Man kann darüber nicht leicht eine allgemeine Norm, namentlich nicht im dringenden Augenblicke wie jetzt entwerfen. Es wird dem Garde-Ober-Commandanten überlassen, irgend eine Ehrenstrafe für kleine Vergehen anzuordnen.
Abg. Neuwall. Wahrscheinlich in soferne sie nicht dem gewöhnlichen Gerichtsverfahren unterliegen, denn das kann sich nicht auf Dienstsachen beziehen.
Präs. In diesem Sinne hat auch der Berichterstatter es aufgeklärt. (§. 5 wird unterstützt und angenommen).
Artikel 6 lautet:
"Das Ober-Commando der Nationalgarde, so wie die Corps-Commandanten werden für die genaue Vollstreckung dieser Verordnungen strenge verantwortlich gemacht."
Wird der Antrag auf Annahme dieses Artikels unterstützt? (Wird genügend unterstützt).
Diejenigen Herren, welche sich für die Annahme dieses Artikels aussprechen, wollen aufstestehen. (Majorität).
Der Artikel ist angenommen.
Wünscht die hohe Versammlung, daß das Ganze nochmals vorgelesen werde, um als Ganzes zur Abstimmung zu kommen? (Ja, ja!) Ich werde daher das Ganze nochmals vorlesen. (Liest es noch mals vor.) Abg. Borrosch wünscht zu sprechen.
Abg. Borrosch. Jedenfalls vermisse ich einen Paragraph. Es ist diese Disciplinar-Verordnung eine Art Martial-Gesetz, und ich muß im Interesse der persönlichen Sicherheit fordern, daß darin auch ein Paragraph aufgenommen werde, welcher die Zusammensetzung der Art und Weise eines unparteiischen Kriegsgerichtes festsetzt. Es heißt immer: "kriegsrechtlich", und es könnte demnach leicht ein Einzelner sich befugt wähnen, kriegsrechtlich gegen einen entweder wirklich Schuldigen oder nur einer Schuld Verdächtigen vorzugehen; und gerade in Zeiten, wie in gegenwärtigen, wo die Gemüther aufgeregt sind, wo der Moment sehr oft auch den Besten leidenschaftlich macht, ist es eine heilige Pflicht, in dieser Beziehung vorzusehen, wo so kostbare Güter, als mindestens die persönliche Freiheit ist, da vom Kriegsrechte die Rede ist und vielleicht noch härtere Strafandrohungen in Aussicht gestellt sind.
Abg. Schuselka. Es macht dem Herrn Abg. Borrosch sehr viel Ehre in menschenfreundlicher Beziehung darauf aufmerksam gemacht zu haben, inzwischen zur Vertheidigung des Ausschusses — (wird unterbrochen).
Abg. Borrosch. Ich will den Ausschuß nicht anklagen.
Abg. Schuselka. Als ob er ganz vergessen hätte, diesen wichtigen Punct anzuführen, erlaube ich mir zu bemerken, die Besorgniß, daß, wenn dieses Gesetz so bliebe, wie es ist, vielleicht ein Einzelner das Gericht vorstellen würde, behebt sich von selbst, da man von einem Einzelnen nicht sagen kann, daß ein Einzelner ein Gericht darstellen würde, so daß, wenn z. B. Jemand einen Einzelnen in der Leidenschaft niederschießen könnte, so könnte man unmöglich sagen, daß dieß eine kriegsrechtliche Behandlung sei. Es versteht sich von selbst, daß wie hier bei einem allgemeinen Begriffe vom Rechte, ein Protokoll und dergleichen Förmlichkeiten darunter verstanden sind, was sich von selbst versteht; und zweitens muß ich bemerken, daß dieser Paragraph, den der Herr Abg. Borrosch beantragt, zur eigentlichen Gerichts-Ordnung gehört und in diesem Augenblicke nur die eigentliche Materie eines Strafrechtes gegeben worden ist, und daß das Ober-Commando in Vereinigung mit seinem Generalstabe und den Bezirkschefs eben daran denkt und über die Art und Weise der Zusammensetzung des Kriegsgerichtes arbeitet, um vielleicht morgen schon eine Vorlage zu machen, die dann als zweiter Theil, als Gerichts-Ordnung wird vorgelegt werden.
Abg. Borrosch. Ich erlaube mir, es ist noch immer der Ausdruck: "kriegsrechtlich," und da könnten sich drei oder vier, es braucht nicht Ein Individuum zu sein, für befugt erachten, kriegsrechtlich vorzugehen, und in der Schnelligkeit ein solches Kriegsgericht zu improvistren. Ich würde jedenfalls, und zwar als eine Gewissenssache, darauf beantragen, daß das in Einem mit diesem Artikel vereiniget werde.
Abg. Maffei. Wer eine Kenntniß von einem Kriegsgericht hat, muß wissen, daß von einer jeden Charge Einer dabei sein muß, um das Gericht zu bilden; also ein Gemeiner, ein Corporal, ein Feldwebel, ein Lieutenant und ein Oberofficier, und dann ist noch ein Individuum dabei, das den Angeklagten vertheidiget. So ist das Gericht zusammengestellt und so wird es auch sein.
Abg. Borrosch. Ich stelle also jedenfalls den Antrag, als siebenten Paragraph, daß in allen Fällen nur in der gesetzlich vorgeschriebenen Form eines ordentlich bestellten Kriegsgerichtes vorgegangen werden könne.
Abg. Fedorowicz. Ich glaube, es bestehen in dem militärischen Codex schon Vorschriften über ein Kriegsgericht, vielleicht könnten diese benützt, und auch dieser Fall subsumirt werden. Also vielleicht könnte das Militär-Commando oder das jetzige Commando der Bürgerwehr angegangen werden, mit Benützung dieses Substrates uns morgen den Entwurf über die Zusammensetzung dieses Kriegsgerichtes vorzulegen, wo die Prämissen, die gewiß schon reiflich vorgearbeitet sind, benützt werden können.
Abg. Gschnitzer. Ich muß mir noch eine Interpellation an den Berichterstatter erlauben. Ich bitte über den Ausdruck: "vor dem Feinde", ist da unsere gesammte Stellung begriffen, oder nur die Vorposten, oder die in einem Gefechte befindlichen?
Abg. Schuselka. Das ist etwas, was die Zukunft entscheiden wird, wer unser Feind sein wird. Ich glaube, wir müssen, wenn wir in die Gelegenheit kommen, uns wirklich mit den Waffen in der Hand zu vertheidigen, Denjenigen der uns bekämpft, unsern Feind nennen, und wer vor dem eines solchen Verbrechens sich schuldig macht, wird darnach zu behandeln sein. Ich kann jetzt wirklich nicht sagen, wen wir unsern Feind nennen sollen.
Abg. Gschnitzer. Es geschieht fast täglich, daß unter den Vorposten geplänkelt oder gegen einander geschossen wird, da muß man sich doch feindlich begegnen.
Abg. Schuselka. Dieses Plänkeln auf den Vorposten müßte auf andere Weise auch unter dieses Strafgesetz subsumirt werden, weil diese Vorpostengefechte ganz gegen den strengen Befehl des Ober-Commandanten sind; aber weil von beiden Seiten dieses geschieht, und dieses ist gewiß, weil wir oben im Ausschusse die Zeugen haben — wir haben eine Kanonenkugel, die uns hereingeschickt worden ist — so ist das allerdings in dieser Beziehung ein Feind gewesen, der mit Sechspfündern hereingeschossen hat, und wir werden also keinen Anstand nehmen, zu sagen: wer in diesem Augenblick dieses gethan hätte, der würde vor dem Feind feig gewesen sein, und der würde allerdings bestraft werden.
Präs. Bis mir der Herr Abgeordnete für Prag, vierten Wahlbezirk, seinen Antrag wird vorgelegt haben, erlaube ich mir einen Antrag vorzubringen, welcher in Bezug auf die eben stattgehabte Berichterstattung vom Abg. Wienkowski mir übergeben wurde. Er lautet: "Zur Beruhigung der Bevölkerung, besonders in den Provinzen, trage ich auf Drucklegung der heutigen telegraphischen Depesche und Veröffentlichung mittelst Plakaten an. (Wird unterstützt und angenommen.)
Abg. Brestel. Ich habe an die hohe Kammer das Ersuchen zu stellen, daß sie mir gestatten möge, aus dem permanenten Ausschusse auszutreten. Ich bin durch die Anstrengung der letzten Tage so physisch herabgekomnen, daß ich dermaßen unwohl bin, daß ich fürchte, bei einem längern Verbleiben im permanenten Ausschusse krank zu werden. Ich muß daher bitten, daß die hohe Kammer mir gestatte, aus dem Ausschusse auszutreten.
Präs. Wünscht sich die hohe Kammer über den Antrag des Abg. Brestel auszusprechen? — Wenn kein Widerspruch stattfindet, so werde ich es für die Genehmigung der hohen Kammer gelten lassen. Ich bitte mir allenfalls einen anderen Ersatzmann vorzuschlagen.
Abg. Brestel. Ich würde allenfalls den Abg. Smreker vorschlagen.
Präs. Wenn die hohe Kammer damit einverstanden ist, so möge sie es durch Aufstehen kund geben. (Wird angenommen.)
Abg. Goldmark. Ich sehe mich bei dieser Gelegenheit veranlaßt, um den Ersatz eines anderen fehlenden Mitgliedes im permanenten Ausschusse zu ersuchen. Es ist der Abg. Pfretschner in den permanenten Ausschuß gewählt, seit einigen Tagen aber weder in dem Ausschusse noch in der Versammlung erschienen.
Abg. Sterz. Ich mache auch die Bemerkung, daß in der zweiten Abtheilung kein Präsident und kein Schriftführer ist, daher wir auch heute keine Sitzung hatten.
Präs. Dieß ist ein Gegenstand, dem im Augenblicke nicht abzuhelfen ist; ich hoffe aber, daß in einigen Tagen alle Mitglieder anwesend sein werden. Wenn übrigens die Abtheilung vollzählig oder wenigstens die Hälfte versammelt sein sollte, so ist kein Anstand, einen neuen Präsidenten und Schriftführer zu wählen.
Abg. Sterz. Ich bitte auch die Herren zu bestimmen, in der Abtheilung zu erscheinen, heute erschienen bloß fünf Mitglieder.
Präs. Ich ersuche also die Mitglieder dieser Abtheilung, wenn eine Sitzung angekündigt wird, sich zahlreich einzufinden. In Bezug auf den vom Abg. Goldmark angeregten Umstand bitte ich die hohe Kammer, sich über einen Ersatzmann für den ausgetretenen Abg. Pfretschner auszusprechen.
Abg. Zimmer. Es ist ein Ersatzmann um so nothwendiger, als die Mitglieder des Ausschusses sehr angestrengt sind. Ich würde mir also erlauben, den Abg. Polaczek vorzuschlagen.
Präs. Ich muß auch anzeigen, daß der Abg. Wörz aus Tirol sich angeboten hat, im Falle er dem Ausschusse in irgend einer Beziehung seine Kräfte anbieten könnte, er dazu bereit wäre. (Bravo.) Ich ersuche, sich also darüber auszusprechen, ob es der Herr Abg. Wörz oder Polaczek sein soll.
Abg. Polaczek. Ich muß bemerken, daß ich schon in mehreren Ausschüssen beschäftiget bin, und also auch dafür stimmen würde, daß der Herr Abg. Wörz in den Reichstags-Ausschuß gewählt werde.
Präs. Diejenigen Herren, welche dafür sind, daß der Herr Abg. Wörz in den Ausschuß gewählt werde, wollen aufstehen. (Wird angenommen.)
— Der Herr Abgeordnete für Prag hat mir die Zusatzanträge zu dem zu erlassenden Disciplinargesetze vorgelegt. Sie sind in zwei Paragraphe zusammengefaßt, und lauten: