Ètvrtek 12. øíjna 1848

Officielle stenographische Berichte über die Verhandlungen des österr. Reichstages.

Zweiundfünfzigste Sitzung des constituirenden Reichstages,

am 12. October 1848.

(Permanenz.)

Vorsitzender: Vice-Präs. Smolka.

Auf der Ministerbank: Finanzminister Krauß.

Anfang 10 Uhr Morgens.

Präs. In Fortsetzung der gestern unterbrochenen Sitzung ersuche ich den Herrn Schriftf. Wiser das Protokoll der gestrigen Sitzung zu lesen. (Schriftf. Wiser liest es.)

Ist in Bezug auf die Fassung des Protokolls etwas zu bemerken?

Abg. Borrosch. Ich erlaube mir einige Bemerkungen zu machen. Gleich am Eingange scheint das etwas irrthümlich aufgestellt zu sein; ich habe nämlich meine Person, als Alois Borrosch, genau geschieden von der Reichstagsdeputation. In meinem Zettel, den wir hereinschickten, und auf den ich mich berief, stand nichts von der irrthümlichen Aeußerung im Reichstagsblatte, welcher zu Folge eine unziemliche Behandlung der Reichstagsdeputation stattgefunden. Das war es, was ich widerlegt haben wollte; und ferner, was in jener Meldung vom Belvedere-Lager aus von uns berichtet worden war, das ist doch in einer ganz anderen Weise ausgedrückt.

Schriftf. Wiser. Da erlaube ich mir zu bemerken, daß sich Alles beheben würde, wenn bloß statt "einem Mitgliede der Commission" gesetzt würde: "daß die Commission unziemlich behandelt worden wäre."

Abg. Borrosch. Ich will nur hinzufügen, daß Diejenigen, die bloß aus der sinnlichen Erscheinung, ohne die vorausgegangenen Motive zu wissen, den Wahn hegen, auf diesen Wahn hin jemanden verdächtigen, bei mir wohl Entschuldigung finden; was meine Person betrifft, so finde ich es immer unziemlich, jemanden als Individuum zu verdächtigen, wenn man solchen Verdächtigungen Raum gibt, ohne erst zu untersuchen. Meine Person jedoch ist viel zu geringfügig, als daß ich sie hier nicht strenge scheiden müßte von der Eigenschaft der Deputation, die als solche nicht im mindesten unziemlich behandelt wurde.

Schriftf. Wiser. Ich habe aus diesem Grunde die Berichtigung in diesem genannten Blatte genau getrennt von dem, was über die Verdächtigung der Person stattgefunden hat. Das war die Ursache, warum ich diese beiden Tatsachen vollständig getrennt habe, indem ich meine, daß es sehr nothwendig ist, diese Unrichtigkeit, wie sie in das Blatt aufgenommen war, darzustellen, den Hergang der Sache und die Widerlegung dagegen auf der anderen Seite mit Auslegung der dort gefallenen Worte auf diese Art zu erwiedern, wie es die That erfordert, und der Vorgang in der Kammer wirklich war.

(Diese Stelle wird berichtiget in: "daß die Commission unziemlich behandelt wurde." Sodann wurde die vom Abg. Borrosch angeregte Veränderung der Stelle, wo es heißt: "um Seine Majestät zu bitten," vom Abg. Borrosch selbst wieder aufgegeben, und endlich die Stelle des Protokolles: "Borrosch übernahm auf Antrag des Abg. Demel die Verfassung der Adresse" über Anregung des Abg. Borrosch verändert in: "auf Antrag des Abg. Demel und durch den Beschluß des Hauses." Das Protokoll wird hierauf angenommen.)

Schriftf. Cavalcabó (liest das Protokoll der Abendsitzung, und hierauf auf Ansuchen des Abg. Potocki nochmals die Stelle bezüglich der Zuschrift an den commandirenden General.)

Abg. Potocki. Ich habe diesen Punct nicht so gemeint, und glaube die hohe Versammlung hat es auch nicht so angenommen. Meine Idee war, daß eine im gleichen Sinne verfaßte Zuschrift auch an das Obercommando der Nationalgarde und an den Gemeinderath von der Commission aus gesendet werde; nicht daß dieselbe ihnen bloß bekannt gemacht werde, sondern daß das gleich auch hier dem Ober-Commandanten der Nationalgarde und dem Gemeinderathe von Seite der Commission gesagt werde. Es ist darin, glaube ich, ein großer Unterschied.

Schrift. Cavalcabó. Ich habe es so aufgefaßt, daß diese Zuschrift an den commandirenten General auch zur Wissenschaft des Nationalgarde-Obercommando's, und des Gemeinderathes gelange; unter "Verständigung" verstehe ich das.

Abg. Sierakowski. Der Herr Abg. Potocki hat gesagt, daß das Nationalgarde-Obercommando und der Gemeinderath auch aufgefordert werden, ihrerseits alle Feindseligkeiten gegen die kaiserlichen Truppen einzusterlen. (Häufige Bestätigung.)

Schriftf. Cavalcabó. Dann wurde aber vom Abg. Umlauft gesagt, daß so eine Aufforderung schon stattgefunden habe, und es wurde noch angetragen, daß davon, wie es auch geschehen ist, in der Zuschrift an den commandirenden General die Rede sei.

Präs. Die Schuld dieser Unrichtigkeit muß ich auf mich nehmen, weil ich die Herren nicht aufgefordert habe, ihre Anträge schriftlich zu stellen. Ich hatte Anfangs gedacht, daß es sich bloß um stylistische Verbesserungen handelt, aber dann sind auch materielle Aenderungen eingetreten, und ich muß bestätigen, daß die Bemerkung des Abg. Potocki richtig sei, — es ist auch in dieser Art die Aufforderung ergangen.

Schriftf. Cavalcabó. Es wäre also der erste Antrag des Abg. Potocki so, daß im gleichen Sinne wie an den commandirenden General eine Zuschrift an das Nationalgarde-Obercommando und an den Gemeinderath der Stadt Wien erlassen werde.

Abg. Potocki. Ja.

Abg. Borrosch. Ich habe auch noch etwas zu fragen. Ich glaube gestern aufmerksam genug gewesen zu sein, als der Herr Finanzminister wegen der Einhebung der Accise den Antrag stellte, daß mehrere Artikel von der Accise freigelassen werden sollen, und ich vermisse diese Artikel im Protokolle erwähnt.

Schriftf. Cavalcabó. Es sind die Paragraphe citirt, ich habe sie wohl notirt, aber der Kürze des Pro!otolles wegen diese Artikel nicht angeführt. Wenn es aber gefällig ist, so werde ich sie anführen.

Präs. In Bezug auf die Paragraphe des Verzehrungssteuer-Patentes ist keine Einsprache gemacht worden, und wenn sonst nichts zu bemerken ist, so bitte ich durch Aufstehen die Genehmigung des Protokolles kund zu geben. (Geschieht.) Das Protokoll ist genehmiget.

Der permanente Ausschuß wird Bericht erstatten über seine Thätigkeit seit dem gestrigen Tage. Ich ersuche den Herrn Berichterstatter Schuselka zum Vortrage zu schreiten.

Abg. Schuselka (von der Rednerbühne.) Das wichtigste Geschäft, welches wir gestern Abends bis heute Morgen hatten, betrifft ein Ereigniß, welches auch bereits die Bevölkerung der ganzen Stadt kennt, und welches eires der wichtigsten Ereignisse dieser Tage genannt werden muß: nämlich der Abmarsch des commandirenden Generalen Grafen Auersperg, aus seiner festen Position im Schwarzenbergischen Garten. Die Veranlassung, daß wir in dieser Beziehung mit dem Herrn Generalen in Verhandlung traten, wurde seinerseits gegeden durch ein Schreiben, welches gestern ankam, worin der Graf Auersperg meldete, daß er bestimmte Anzeigen habe, es rücke eine ungarische Armee heran, daß er demgemäß fürchten müsse, daß unser Gebiet der Schauplatz des Kampfes in der ungarisch-croatischen Angelegenheit werden möchte. Dabei bemerkte er, daß unter den gewöhnlichen Verhältnissen er keinen Augenblick zögern würde, sich mit der Armee des Ban Jellaèiè zu vereinigen, um den Ungarn Widerstand zu leisten, daß aber die Ausführung dieses Beschlusses in diesem Augenblicke, und nach der Stellung, in welcher sich die Stadt Wien, und er sich zur Stadt Wien befindet, nicht leicht thunlich sei, daß er sich deßhalb an den hohen Reichstag, und respective an das Organ desselben, den permanenten Ausschuß, und zugleich an das hohe Ministerium wende, um von diesen hohen Behörden die nöthige Auskunft und Weisung zu erlangen. Dabei wurde von Seite des Grafen Auersperg bemerkt, daß, wie gerne er auch gemäß seiner früher gemachten Erklärung in die Stadt einrücken und in die früheren Verhältnisse eintreten möchte, dieses doch nicht früher geschehen könne, als bis das Proletariat in Wien entwaffnet sein würde. Auf diese Zuschrift wurde nach vorhergegangener Berathung mit dem Ministerium sogleich Antwort ertheilt.

Es wurde dem Herrn Grafen Auersperg zunächst und vor allem andern in bestimmtester Weise ausgesprochen, daß von einer Entwaffnung des Volkes, oder nach seinem Ausdrucke des Proletariates, durchaus keine Rede sein kann.

Es wurde ferner bedeutet, daß der einzige für den Augenblick möglich zu nennende Weg die Stadt zu beruhigen nur der sein könnte, daß der Ban von Croatien sich unverzüglich zurückziehe. (Beifall.) Er wurde von Seite des Ministeriums zugleich auf seine eigene Stellung als commandirender General von Niederösterreich hingewiesen; als solcher hat er den Oberbefehl über alle auf österreichischem Gebiete stehende k. k. Truppen. Da nun der Ban in seiner öffentlichen schriftlichen Erklärung ausdrücklich hervorgehoben hat, daß sich seine Truppen es zur Ehre rechnen, den k. k. anzugehören, folglich evident ist, daß der Ban von Croatien den Befehlen des Grafen Auersperg unterstehen müsse: so wurde an den Grafen mit Hinweisung auf seine Vollmacht als commandirender General das Ansuchen gestellt, dem Ban von Croatien den Befehl zu ertheilen, er möge sich mit seinen Truppen zurückziehen; dann würde vielleicht noch, und zwar der einzige Augenblick gekommen sein, wo man auf friedlichem Wege aus diesen verhängnißvollen Verwickelungen heraus kommen könnte. Hierauf kam gestern Abends, oder eigentlich in der Nacht, ein Schreiben des commandirenden Generalen mit dem Inhalte, daß er über den Rückzug der Croaten für sich allein noch keine Entscheidung geben könne, und daß er erst darüber mit dem Ban in Conferenz treten würde. Heute Morgens erhielten wir in der Dämmerung ein Schreiben von Auersperg, welches ich so wie die anderen, weil sie sich auf das Factum beziehen, ausführlich mittheilen werde, weil wir, um selbst unsere Correspondenz auf legalem Boden zu erhalten, im Geschäftsgange bei dem Ausschusse dieselbe durch das Ministerium geführt haben. Die Zuschrift ist also an den Herrn Finanzminister gerichtet. (Sie lautet:)

"An Seine des k. k. Herrn Finanzministers Freiherrn van Krauß, Excellenz.

"Ich erhalte täglich, ja stündlich neue Beweise von dem immer sich steigernden bösen Willen des übel gesinnten Theiles der Bevölkerung Wiens, indem auf jede Art und Weise die Verpflegung meiner Truppen erschwert, das Ansichziehen ihrer Effecten aus den Casernen verhindert, und ihre Communication allenthalben feindselig, mitunter selbst gewaltthätig unterbrochen wird.

"Diese Umstände, für welche auch nach den in der verehrlichen Note vom gestrigen Tage erhaltenen Andeutungen irgend eine Abhilfe nicht eintreten kann, — und welchen mit Gewaltmitteln abzuhelfen ich aus Schonung für die Stadt und Rücksicht für die darin sich befindlichen hohen Behörden vermieden habe, — sowie andere wichtige Rücksichten haben mich zu dem Entschlusse bewogen, die Truppen aus ihrer dermaligen Stellung zu nehmen.

"Unter diese Rücksichten muß ich ganz vorzüglich die Erklärung zählen, die Euer Excellenz in Ihrer verehrlichen Note vom heutigen Tage aussprechen, daß nämlich von einer Entwaffnung des Proletariates durchaus keine Rede sein kann, daher ein Ende des gegenwärtig bestehenden feindlichen Zustandes zwischen der gesetzmäßig und der ungesetzmäßig bewaffneten Macht noch lange nicht abzusehen ist.

"Ich gedenke mit meinen Truppen zunächst eine Cantonirung in der Gegend von Inzersdorf, somit ziemlich weit außer dem Bereiche der äußersten Vorstädte zu beziehen, und gebe mir die Ehre, mit dieser Benachrichtigung zugleich das dringliche Ersuchen zu verbinden, die betreffenden politischen Organe nachdrücklichst anweisen lassen zu wollen, sowohl diesen als den unter dem Befehle des Banus von Croatien stehenden k. k. Truppen die benöthigenden Quartiere, Lager- und Verpflegsbedürfnisse beizustellen.

"Endlich muß ich noch die Vermittlung Eurer Excellenz ansprechen, damit die einzelnen Truppenkörper bei Abholung der in ihren Casernen noch enthaltenen eigenthümlichen oder ärarischen Effecten nicht behindert werden, indem sonst bei Verweigerung des Zutrittes der Militär-Individuen zu ihren Wohnstätten und Behebung ihres Eigenthumes die bedauerlichsten Conflicte zu besorgen stünden.

"Indem ich übrigens alle bisher unter militärischer Bewachung gestandenen Aerarial-Gebäude unter den Schutz der gesetzlichen Gewalt stelle, ersuche ich Eure Excellenz das Nationalgarde-Obercommando zu beauftragen, daß das in den evacuirten Militär-Gebäuden verwahrte ärarische und Privat-Eigenthum sorgfältig bewachet werde, und füge nur noch die Bitte bei, meine vorstehende Eröffnung geneigtest zur Kenntniß der hohen Reichsversammlung bringen zu wollen.

"Hauptquartier Schwarzenberg-Sommer-Palais in Wien den 11. October 1848.

Graf Auersperg m. p."

II.

"An Seine des k. k. Herrn Finanzministers Freiherrn von Krauß, Excellenz.

Bei dem in meiner mitfolgenden ergebensten Mittheilung angekündigten Abmarsche der Garnison habe ich den Herrn Platz-General von Matauschek beauftragt, in seinen Functionen zu verbleiben, da es selbst den Behörden in Wien erwünscht sein muß, über militärische Angelegenheiten mit einer competenten Local-Militärbehörde verkehren zu können. Er wird zu diesem Behufe seinen Aufenthalt im Invalidenhause nehmen, welche Anstalt ich so wie seine eigene Person und jene aller anderen dem Militärstante angehörigen Individuen, die in Wien zurückbleiben, dem Schutze des hohen Reichstages und Ministeriums empfehle.

Hauptquartier fürstlich Schwarzenberg-Palais in Wien den 11. October 1848.

Graf Auersperg m. p., FML."

Abg. Schuselka (fährt fort:) Das Ministerium hat im Einverständnisse mit dem permanenten Ausschusse in Folge dieses Schreibens sogleich die nöthigen Verfügungen getroffen, und namentlich als die erste nöthige Verfügung erkannt, Sorge zu tragen, daß die Stellung, welche der commandirende General Auersperg inne hatte, von der Nationalgarde besetzt werde. Wenn dabei, was die Bewachung der dort befindlichen Gegenstände betrifft, im ersten Augenblicke vielleicht, ich sage vielleicht, mancherlei Unfug eingetreten sein mag, so trifft die Verantwortung weder uns noch die Nationalgarde, sondern es trifft die Verantwortung vielmehr entweder den Commandanten oder alle Diejenigen, welche seine Befehle auszuführen hatten; denn der Abmarsch der Truppen erfolgte viel früher, als wir eine officielle Kenntniß bekommen haben, und dieser Abmarsch erfolgte in solcher Eile und in einer fast einer Flucht ähnlichen Unordnung, daß eine Menge von Sachen: Koffer der Officiere, Holz, Brot u. s. w. zurückgelassen wurde. Wie gesagt, es ist, sobald wir eine officielle Kenntniß erhielten, die Verfügung getroffen worden, daß die Nationalgarde diesen Ort besetze, und das dort befindliche Eigenthum ist unter dem Schutz der Nationalgarde gestellt worden.

Zu gleicher Zeit kam heute einer derjenigen Deputirten, die an das Hoflager Seiner Majestät früher schon geschickt wurden, zurück. Der permanente Ausschuß hat sich nämlich veranlaßt gesehen, obwohl bereits der Abg. Löhner abgegangen ist, auch noch einen Abgeordneten mit der Antwort des Banus Jellaèiè abzusenden, weil wir es für wichtig hielten, daß diese Erklärung ihrem Charakter nach am Hoflager bekannt werde.

Der Deputirte Zbyszewski, der damit beauftragt war, ist zurückgekommen und hat erklärt, daß er nicht so glücklich war, bei Seiner Majestät vorgelassen zu werden, und daß bis zu seiner Abreise auch der Abg. Löhner einer solchen Ehre noch nicht theilhaftig geworden wäre, daß aber die bestimmte Versicherung gegeben worden sei, der Abg. Löhner würde heute Morgens eine bestimmte Antwort von Seiner Majestät bekommen. Wir dürfen also dieser als einer bestimmten Antwort angekündigten Eröffnung Seiner Majestät bis heute Mittags entgegensehen. Zugleich kam die Kunde, daß der Minister, oder eigentlich Exminister, Hornbostel mit einem Schreiben Seiner Majestät an den Reichstag von Hadersdorf abgegangen sei, und es ist zu bedauern, und erregt faßt Besorgniß, daß Hornbostel noch nicht angekommen ist. Ueber die Stellung ungarischer Truppen haben wir bloß unbestimmte Gerüchte. Nach den letzten Nachrichten soll ein bedeutender Truppenkörper vor Bruck an der Leitha stehen und noch bedeutende Zuzüge erwartet werden.

Nebst diesen Mittheilungen hat sich der permanente Ausschuß durch ein Ansuchen vom Obercommando der Nationalgarde veranlaßt gesehen, der hohen Reichsversammlung einen Antrag zur Fassung einiger die Disciplin in der Nationalgarde betreffenden Verfügungen vorzutragen. Es ist nämlich bereits häufig schon in den friedlichen Tagen, die diesen bewegten vorangegangen sind, geklagt, und fast von allen Seiten geklagt worden, daß ein so wichtiges Institut, als die Nationalgarde es ist, einer regelfesten Organisirung entbehre, und es hat sich nun dieser traurige Mangel in diesen Tagen der Aufregung und der Gefahr sehr fühlbar gemacht. Um diesem Mangel soviel als möglich für den Augenblick abzuhelfen, sind im Einverständnisse mit dem Gemeinderathe manche Verfügungen getroffen worden, auch der Verwaltungsrath der Nationalgarde hat alles Mögliche gethan; jedoch hat das Nationalgarde-Obercommando es für nothwendig gehalten, und zwar im Einverständnisse mit den Bezirks-Commandanten, daß der hohe Reichstag selbst einige Verfügungen zum Gesetze erheben möge, in dieser Beziehung, um einen mächtigen Eindruck auf die gesammte waffenfähige Mannschaft Wiens hervorzubringen, und sie dadurch zu einem einheitlichen, kräftigen, disciplinirten Handeln, so viel als unserer Seits möglich ist, zu vermögen.

Der Antrag lautet:

"Unter den gegenwärtigen Verhältnissen erscheint es zur Aufrechthaltung der Ordnung und Sicherheit erforderlich, daß sich für die Dauer der Gefahr,

erstens alle waffenfähigen Männer unter das Commando desjenigen Bezirkchefs, dem sie ihrer Wohnung nach angehören, zu stellen haben;

zweitens, daß sich alle Bewaffneten Wiens dem Befehl des Nationalgarde-Obercommando's unbedingt zu unterordnen haben;

drittens, daß Dienstesverweigerung, Insubordination und Verrath durch ein aus der Nationalgarde zu bildendes Disciplinargericht bestraft werden.

Der hohe Reichstag wird gebeten, das dießfalls Erforderliche zu veranlassen.

Vom Ober-Commando der Nationalgarde

Braun m. p.

provisorischer Ober-Commandant."

Ich bitte im Namen des Ausschusses und des Obercommando's der Nationalgarde, diese Anträge in Berathung zu nehmen und so rasch als möglich zu sanctioniren.

Finanzminister Krauß. Von diesen drei Puncten ist einer, nämlich der dritte, über Bestrafung der Nationalgarde im Zusammenhange mit demjenigen, was mir in der vorgestrigen Sitzung aufgetragen worden ist. Ich muß bemerken, daß ein Entwurf des Statutes bereits vollendet wurde, und ich gerade jetzt im Begriffe bin, mit einigen Herren oder dem ganzen Ausschusse des hohen Reichstages die Berathungen zu pflegen, und ich hoffe in wenigen Stunden wird das Statut erlassen werden können; (Beifall) die anderen zwei Puncte berühren nicht diese Aufgabe, rücksichtlich deren enthalte ich mich jeder Bemerkung.

Präs. (liest den ersten Punct nochmals.)

Wünscht jemand darüber das Wort?

Abg. Potocki. Ich glaube, daß seit der Zeit, als der Reichstag die Sorge für die Vertheidigung dem Ober-Commando und dem Gemeinderathe übertragen hat, müssen auch solche Beschlüsse, die nur dem jetzigen Momente und die jetzigen Zustände im Auge haben, von diesem Ober-Commando und von diesem Gemeinderathe ganz abhängig sein. Ich meinerseits finde, daß diese Beschlüsse nicht solcher Natur seien, daß wir als Reichstag hier ein Gesetz erlassen könnten. Ich glaube, daß diese Beschlüsse aus den heutigen Zuständen entspringen, können aber nicht zu einem Gesehe erhoben werden. Ich glaube alle diese Beschlüsse gehören an diese Behörden, die auch mit dem Mitwissen des Reichstages und mit der Sanction des Reichstages die Sorge der Vertheidigung haben. Ich möchte also glauben, daß das an das Ministerium oder an die Commission, oder vielmehr an den Ober-Commandanten der Nationalgarde oder an den Gemeinderath zurückgeschickt werden soll.

Präs. Wenn ich recht verstanden habe, so stellt der Herr Abg. den Antrag, daß dieses Gesuch mit Bezug auf den Umstand, daß der Reichstag alles dasjenige, was zur Vertheidigung der Stadt gehört, der Beurtheilung des Gemeinderathes und des Ober-Commandos der Nationalgarde übertragen hat, einfach diesen zwei Behörden zugestellt werde. Wollen sie diesen Antrag schriftlich vorlegen?

Abg. Scherzer. Ich bin ganz einverstanden mit der Ansicht des Abg. Potocki. nämlich dem Ober-Commando zu überlassen, und die Verfügungen zu treffen, welche hier vorgeschlagen werden.

Abg. Potocki. Ich bin nicht der Sprache so mächtig, um es zu redigiren. Wenn vielleicht jemand es übernehmen wollte.

Abg. Ziemialkowski. Ich glaube, daß es hier eben das Ober-Commando war, welches diesen Antrag der hohen Kammer vorlegt. Ich glaube, daß das Ober-Commando sich nicht ermächtiget fühlte, oder vielleicht der Ansicht war, daß ein Beschluß der Kammer viel wirksamer sein werde, als irgend ein Beschluß des Ober-Commando's oder des Gemeinderathes. Ich weiß nicht, warum es der Kammer nicht zustehen sollte, diese Beschlüsse zu fassen; und es ist allerdings nöthig, daß in dieser Hinsicht ein Beschluß gefaßt werde, von einer Behörde, die allgemein geachtet wird.

Es ist das Volk bewaffnet, diese Bewaffnung erregt, obwohl meiner Ueberzeugung nach dieses nicht nöthig sei, die Besorgniß, daß daraus Conflicte und Unsicherheit in der Stadt entstehen könne; stellt man aber diese Bewaffnung unter das Nationalgarde-Obercommando, so wird sich diese Unruhe heben, und ich glaube also, daß wir bei dem Antrage des Ober-Commando's bestehen.

Abg Potocki. Ich habe diesen Vorwurf vorhergesehen, er war ganz natürlich; aber ich glaube, daß wenn der Ober-Commandant und der Gemeinderath sich nicht ermächtiget gefühlt haben, und dieses dem hohen Reichstage vorgelegt haben, so geben wirihm diese Ermächtigung in unserer Antwort selbst. Hat er sich nicht ermächtiget geglaubt, so wird er sich in Folge des hohen Reichstags-Beschlusses ermächtiget wissen. Außerdem glaube ich, müssen wir sagen, was als ein Gesetz vom Reichstage ausgehen solle, oder nicht. Der Herr Ober-Commantant hat sich vielleicht nicht ermächtiget gefunden, so einen Beschluß zu fassen. Er hat ihn an die Commission gegeben, und von dieser ist er zu uns gelangt. Wenn wir aber in dieser Antwort beschließen, daß dem Ober-Commandanten in Verbindung mit dem Gemeinderathe diese Ermächtigung gegeben wird, so wird er sich ermächtigt wissen, und diesen Beschluß demnach fassen können. Ich glaube aber, daß wir nicht im Stande sind, solche Beschlüsse zu fassen, da dieß kein Gesetz ist; es ist bloß eine Folge der Nothwendigkeit.

Abg. Bilinski. Mir scheint, daß der Gemeinde-Ausschuß hierüber nicht beschließen kann; wir haben ihm die Vertheidigung aufgetragen, aber das sind Beschlüsse, das ist ein Gesetz. Gesetze aber kann nur die Reichsversammlung geben. Es ist ein großer Unterschied zwischen dem, was er auszuführen hat und dem, was wir zu beschließen haben.

Abg. Pillersdorff. Ich muß vollkommen den Antrag des Abg. Potocki unterstützen, weil die Consequenz es fordert. Wir haben den Beschluß gefaßt, indem es sich um Maßregeln der Nothwendigkeit gehandelt hat, daß der Reichstag alle diese Maßregeln dem Gemeinderathe und der Nationalgarde überlasse; diese Maßregel ist aber die erste dieser Art und hat dadurch ihre Erledigung gefunden. Wenn die hohe Versammlung für einen bestimmten Fall specielle Beschlüsse fassen wollte, würde die nothwendige Folge sein, daß auch jede einzelne Maßregel Gegenstand der Berathung dieser Versammlung sein sollte, was nicht nur den Zweck sondern auch die Stellung des Reichstages verrücken würde.

Abg. Hubicki. Ich bin ganz der Ansicht und unterstütze den Antrag des Nationalgarde-Commandanten um so mehr, da das Ministerium die Nothwendigkeit eines Erlasses einer neuen Organisation der Nationalgarde eingesehen und es auch zu thun versprochen hat, und ich bin der Ansicht, daß man nicht nur die zwei ersten Puncte, sondern auch den dritten Punct wenigstens provisorisch annehme; denn die Umstände sind dringend; und in dieser Hinsicht müßte man alsogleich Maßregeln treffen, wenn auch im Sinne des Abg. Potocki, der dahin geht, die Ermächtigung von Seite der hohen Kammer sowohl dem Gimeinderathe als dem Ober-Commandanten zu geben, sogleich Beschlüsse zu fassen und Gesetze zu geben.

Abg. Bilinski. Meine Herren! stellen wir uns diesen Fall vor: Das Militär ist die Executiv-Gewalt, ist es aber der Reichstag, der die Rekruten-Aushebung bestimmt oder nicht? Hier ist die Garde, wir bestimmen und die Aushebung und Verwendung wird dem Gemeinderathe obliegen.

Präs. Ich erlaube mir eine kurze Unterbrechung, um anzuzeigen, daß ich soeben eine telegraphische Depesche von der Nordbahn erhalten habe, welche lautet:

"Die Deputation ist um 9 Uhr 30 Minuten in Brünn angekommen, der Kaiser soll Mittags in Selowitz eintreffen. Die Deputation fährt nach."

Finanzminister Krauß. Ich kann mich auch nur der Meinung der Herren Abg. Potocki und Pillersdorff anschließen; die zwei ersten Puncte sind nichts Anderes als: es wird erklärt, daß diese Maßregel nothwendig sei, um die Vertheidigung von Wien zu führen, sie sind also wirklich nichts Anderes als Corollarien dessen, was schon dem Gemeinderathe übertragen ist. Man hat gesagt, daß dasjenige was erlassen werden soll, ein Gesetz sei; ich bitte zu erwägen, daß zum Behufe der Kundmachung eines Gesetzes auch die Sanction nöthig ist, und in dieser Beziehung dürfte hier eine große Schwierigkeit eintreten. Ich glaube, daß auf diese Art die Sache am zweckmäßigsten erlediget wird, es soll geschehen was nöthig ist, und Diejenigen sollen es vollziehen, denen die Macht anvertraut wurde. Ich weiß also nicht, warum auch noch der Reichstag einschreiten soll.

Präs. Ich habe mir erlaubt, den Antrag des Herrn Abg. Potocki schriftlich aufzusetzen, und ersuche den Herrn Abgeordneten anzugeben, ob er richtig aufgefaßt ist; er lautet: "Mit Bezug auf den Beschluß der hohen Kammer, daß der Gemeinderath und das Nationalgarde-Obercommando ermächtiget wurden, alles das vorzunehmen, was zur Aufrechthaltung der Ordnung und Sicherheit, sodann zur Vertheidigung der Stadt Wien nöthig erscheinen dürfte, dieses Gesuch dem Gemeinderathe und dem Nationalgarde-Obercommando zur Erledigung zuzuweisen." (Potocki stimmt bei.)

Abg. Schuselka. Ich habe durch die vorgebrachten Gründe, selbst des Ministeriums, mich nicht bestimmen lassen können, meinerseits als Antragsteller im Namen des Ausschusses von der Ueberzeugung der Nothwendigkeit solcher Verfügungen abzugehen. Es ist allerdings wahr, wie die Abg. Potocki und Pillersdorff sagten, daß wir ein für allemal dem Gemeinderathe und Obercommando den Auftrag gegeben haben. Alles zu leiten, was die Vertheidigung Wiens betrifft; wenn aber zu gleicher Zeit bei wichtigen Verfügungen, wie des Vorgeschlagenen, das Nationalgarde-Obercommando sich an uns wendet, so muß ein wichtiger Grund vorhanden sein. Ich habe diesen wichtigen Grund nur kurz angedeutet, und ich spreche ihn kurz aus: dieser wichtige Grund ist, daß der hohe Reichstag diesen wichtigen Verfügungen durch sein Ansehen die hohe Sanction verleihen soll, die sie dem Volke gegenüber brauchen; es handelt, sich darum, daß alle waffenfähige Männer sich zur Verfügung stellen sollen. Sie werden begreifen, laß es waffenfähige Männer geben kann, die wenn sie bloß das Nationalgarde-Obercommando und der Gemeinderath auffordert, sich minder zur Befolgung dieses Befehles hingezogen finden würden, als wenn es die versammelten Vertreter des Volkes durch ihren Ausspruch thun.

Wenn sie bei dieser Gelegenheit dem Gemeinderathe und dem Nationalgarde-Obercommando aber wieder sagen, wie der Herr Potocki meint: durch unsere Antwort bekommt Ihr die Ermächtigung, — wenn wir nun diese Ermächtigung geben wollen, aber nicht in einer feierlichen Art, so glaube ich, da handeln wir nicht dem feierlichen Zeitpuncte gemäß, in welchem wir uns befinden. (Beifall.) Es soll kein Gesetz sein, wir wollen kein Gesetz erlassen, es soll auch kein Gesetz im gewöhnlichen Sinne des Wortes sein, sondern eine provisorische Maßregel. Wir haben viele solche provisorische Maßregeln erlassen, Sie haben Ihrem Ausschusse dazu die Vollmacht gegeben und wir haben bei diesen Vorgängen Tag und Nacht und redlich Alles gethan. Wenn Sie nun bei diesem Gesetzvorschlage die Scruppel haben, daß Sie ein Gesetz nicht erlassen können, weil nicht alle Förmlichkeiten dabei beobachtet werden könnten, so haben Sie dadurch die ganze Vollmacht Ihres permanenten Ausschusses aufgehoben, weil Sie bei allen diesen Befehlen, die wir erlassen haben, dieselben Scruppel gehabt haben müßten, und im vorhinein den Hauptscruppel gegen die Niedersetzung eines permanenten Ausschusses selbst, der plötzlich die Executiv-Gewalt übernehmen mußte. Nachdem Sie das Große gethan haben, das Princip, daß wir auch in einem so großen Zeitpuncte nicht nur dürfen, sondern müssen in die Executiv-Gewalt eingreifen, so müssen Sie nicht vor der Consequenz dieses Principes zurückschrecken und eben thun, was gethan werden muß. (Beifall.) Es ist vom Herrn Finanzminister angeführt worden, wenn es ein Gesetz sein soll, braucht es die Sanction. Ich bin damit einverstanden, denn ich will auf constitutionellem Boden bleiben, wir alle wollen es, es soll die Sanction des Kaisers haben; allein ich frage Sie, wenn jetzt die Nothwendigkeit eine Maßregel, ein Gesetz erheischt, damit es dem ganzen Volke imponire, damit alle Männer sich darnach zu richten haben, und es, nicht durch unsere Schuld, gänzlich unmöglich ist, die Sanction einzuholen, — ich frage Sie, werden wir deßhalb die wichtige und unumgänglich nothwendige Maßregel versäumen? (Beifall.) Es wird diese Maßregel, wenn sie auch die Sanction des Kaisers nicht bekommen wird — weil diese unmöglich ist — denn das Gesetz ist dringend nothwendig für den Augenblick, und wir wissen in diesem Augenblicke nicht bestimmt, wo sich Seine Majestät befindet, — eine andere Sanction bekommen, sie wird die Sanction des souverainen Volkes bekommen. (Großer Beifall.)

Präs. Der Abg. Dylewski (viele Stimmen: Er hat das Wort nicht mehr — es ist schon der Schluß der Debatte — es hat schon der Berichterstatter zuletzt gesprochen) —

Ich bitte, der Schluß der Debatte wurde nicht ausgesprochen.

Abg. Sierakowski. Nach der Geschäftsordnung hat der Antragsteller das letzte Wort.

Präs. Nachdem der Schluß der Debatte noch nicht ausgesprochen war, so bin ich der Ansicht, daß der Abg. Schuselka nicht als Berichterstatter, sondern als Abgeordneter gesprochen hat.

Abg. Schuselka. Es hat sich Niemand gemeldet zum Wort, es war eine Pause, und da habe ich allerdings geglaubt, als Antragsteller zum letzten Male zu sprechen.


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