Pondìlí 9. øíjna 1848

Officielle stenographische Berichte über die Verhandlungen des österr. Reichstages.

Zweiundfünfzigste Sitzung des constituirenden Reichstages

am 9. October 1848

(Permanenz)

Vorsitzender: Vice-Präs. Smolka.

Die Ministerbank leer.

Anfang um 1/2 1 Uhr Nachmittags.

Vice-Präs. Ich habe mir erlaubt, die Herren aus den Abtheilungen in eine Plenarsitzung zu berufen, um die gestrigen Kammerbeschlüsse in Ausführung bringen zu können, welche bezwecken, daß dle Protokolle vom 6., 7. und 8. October sofort wörtlich in die Wiener Zeitung aufgenommen werden. Da nun diese Protokolle noch nicht verlesen und von der hohen Kammer genehmiget worden sind, so werde ich mir erlauben, sie lesen zu lassen, worauf der Herr Abg. Schuselka aus dem permanenten Ausschusse eine Mittheilung machen wird. Sodann werde ich beantragen, daß dem Vorstandsbureau einige Stunden Zeit gelassen werden, um die Rückstände aufzuarbeiten, welche durch die Permanenz entstanden sind, und dann werde ich mir erlauben, die Sitzung auf 6 Uhr Nachmittags wieder anzuberaumen (Schriftf. Wiser liest bie betreffenden Protokolle.)

Ist gegen die Fassung dieser Protokolle etwas einzuwenden?

Ein Abgeordneter. Ich würde wünschen, daß der Schriftführer nochmals die Stelle gleich im Anfange des Protokolls vorlese, wo es von dem Beschlusse der hohen Reichsversammlung Bezugs der Anarchie und Militär-Reaction handelt.

(Schriftf. Wiser liest die betreffende Stelle: "mit wirksamer Theilnahme gegen Anarchie und Militär-Reaction.")

Ein Abg. Ich glaube es soll bloß heißen: "gegen Anarchie und Reaction" nicht "Militär-Reaction" und so wurde es, glaube ich, auch anfangs gelesen.

Abg. Wiser. Ich glaube, es war: "Militär-Reaction", ich glaube mich auf die stenographischen Berichte berufen zu können. Wenn es gefällig wäre, die stenographischen Protokolle holen zu lassen, so werden Sie sehen, daß die Worte dort stehen; es heißt ausdrücklich: "gegen Anarchie und Militär-Reaction." Ich bin meiner Sache gewiß, allein wenn es verlangt wird, so streiche ich das Wort: "Militär" weg.

(Abg. Borrosch holt die stenographischen Berichte, und wünscht, daß bis dorthin die Abstimmung in suspenso gelassen werde.)

Vice-Präs. Ist sonst gegen die Fassung des Protokolles etwas zu bemerken? (Ruf: Nein!)

(Schriftf. Gleispach liest das Protokoll der Sitzung vom 8. October.)

Vice-Präs. Ist gegen die Fassung dieses Protokolles etwas einzuwenden?

Abg. Ziemialkowski. Ich finde, daß wo die Rede ist von der Uebersetzung der Proclamation an die Völker Oesterreichs, ich genannt werde statt des Abg. Borkowski. (Die betreffende Stelle wird ausgebessert.)

Abg. Borrosch. Ich habe nachgesehen wegen des beanständeten Ausdruckes; — es ist allerdings hier der Ausdruck gebraucht worden: "Versuch einer Militär-Reaction", dem ungeachtet beantrage ich, da das Protokoll nur ein Auszug ist, dieses Wort hier auszulassen. Ich finde es unbillig, eine Corporation als Ganzes, wo jetzt gewiß viele volksfreiheitsfreundlich gesinnt sind, als allein der Reaction verdächtig hinzustellen, sondern bloß den Ausdruck "Reaction" zu gebrauchen; jedenfalls kann das Mititär nur als Werkzeug gebraucht werden. (Auf Anregung des Abg. Forster wird die im Protokolle vorgelesene Stelle im Handbillete Seiner Majestät an Hornbostel statt der Worte: "in mein Hoflager nach Sieghartskirchen" umgeändert in die Worte: "ein an ihn gelangtes, von Sieghartskirchen den 8. October datirtes Handbillet Seiner Majestät mit der Aufforderung, sich zur Contrasignirung der kaiserlichen Erlässe in das Hoflager zu begeben.")

Abg. Bininger. Ich erlaube mir eine Bemerkung in Bezug auf das gestrige Protokoll. Da heißt es, daß ich mich unter dem 7. als krank gemeldet habe; da ich mich aber gestern dem Herrn Präsidenten als gesund wieder vorgestellt habe, so bine ich den Herrn Präsidenten, es zur Kenntniß zu nehmen.

Vice-Präs. Es wird in das heutige Protokoll aufgenommen, daß Sie bereits gestern als genesen sich angemeldet haben.

Abg. Latzel. Ich bitte die Stelle vorzulesen, wo von der mährischen Deputation die Rede ist. (Geschieht.)

(Ueber Anregung des Abg. Feifalik wird berichtiget, daß die vom mährisch-schlesischen Landesgubernium hieher gesandte Deputation von Nationalgarden, Studenten und Sicherheitsausschuß von der Stadt Brünn gekommen ist. — Schriftf. Wiser liest hierauf die Stelle des früheren Protokolles bezüglich der "Militär-Reaction" vor, worauf der Antrag des Abg. Borrosch, daß das Wort: Militär wegzulassen ist, zum Beschlusse erhoben wird.)

Schriftf. Wiser. Ich muß mir noch erlauben eine andere Berichtigung dem hohen Hause vorzutragen, die nämlich den Antrag des Abg. Zimmer betrifft, der aus dem Grunde nicht aufgenommen wurde, weil der schriftlich übergebene Antrag sogleich an die Sicherheits-Commission gegeben wurde, und für mich dadurch alle Spur seines Inhaltes verloren gegangen ist.

Die Stelle lautet nämlich so: "Der Antrag des Abg. Zimmer, das Ministerium zu ersuchen, daß es den Grafen Auersperg beauftrage, das Militär am Belvedere und im Schwarzenberg-Garten entweder in die gewöhnlichen Standquartiere zu vertheilen, oder gänzlich aus der Stadt hinauszuziehen, wurde der Sicherheits-Commission zugewiesen. (Das Protokoll wird hierauf als ein Ganzes genehmigt.)

Vice-Präs. Ich werde sogleich veranlassen, daß diese Protokolle in der Wiener Zeitung abgedruckt werden.

(Schriftf. Cavalcabó liest das Protokoll der Sitzung der constituirenden Reichsversammlung vom 3. October.)

Abg. Feifalik. Es ist im Protokolle angeführt, daß mein Antrag wegen Berathung der Grundrechte in den Abtheilungen zum Beschlusse erwachsen sei, es ist gleich im Anfange angeführt worden; das bedarf einer Berichtigung. Es ist zwar allerdings richtig, daß ich diesen Antrag auf den Tisch des Hauses niedergelegt habe, allein einen ganz ähnlichen Antrag hat auch der Abg. Pøibyl im Namen der sechsten Abtheilung auf den Tisch dieses Hauses niedergelegt. In Folge dieser Anträge hat sich eine ziemlich weitwendige Debatte entsponnen. Im Verlaufe derselben hat der Abg. Borrosch den Antrag gestellt, daß die Grundrechte sogleich in Vollberathung gezogen werden. Ich habe dagegen den Antrag gestellt, daß dieser Antrag eine Abänderung der Geschäftsordnung beziele, daher als ein selbständiger der Ordnung nach zur Berathung kommen soll. Dieser Antrag wurde genehmigt und dadurch der Antrag bes Abg. Borrosch beseitigt, und sohin wurde zur Abstimmung über den Antrag bes Abg. Pøibyl geschritten, welcher auch angenommen wurde. Ich habe darauf meinen Antrag zurückgezogen. Das ist der Verlauf der Debatte. Ich werde ersuchen diese Aenderung vorzunehmen.

Vice-Präs. Ich bitte diese Stelle noch einmal zu lesen.

Schriftf. Cavalcabó (liest diese Stelle und bemerkt dann:) Also der Abg. Feifalik wünscht, daß dieser Antrag als zurückgenommen angeführt werde, in Folge der Abstimmung über die anderen.

Abg. Feifalik. Es muß aber dann der Antrag des Abg. Pøibyl aufgenommen werden.

Schrift. Cavalcabó. Dieser kommt später vor. (Liest die betreffende Stelle.)

Vice-Präs. Es wird demnach der Herr Abgeordnete einverstanden seyn, wenn beigesetzt wird, daß der Antrag des Abg. Feifalik in Folge der Abstimmung über den Antrag des Abg. Pøibyl zurückgezogen wurde.

Abg. Feifalik. Ja.

Ein Abg. Ich habe gegen die Angabe der Functionäre der neunten Abtheilung etwas zu erinnern. Der Abg. Brazdil ist zum Schriftführer, nicht aber zum Berichterstatter gewählt worden, und ich bin zum Berichterstatter gewählt worden.

Vice-Präs. Ich werde diese Berichtigungen vornehmen lassen und dann zur Abstimmung bringen. Ich ersuche den Herrn Schriftf. Zwickle indessen das nächste Protokoll zu lesen. (Das Protokoll der Nachmittagssitzung vom 3. October wird verlesen und angenommen.)

(Schriftf. Cavalcabó liest die berichtigten Stellen in dem vorigen Protokolle, wornach dalselbe von der Versammlung ebenfalls genehmiget wird. — Derselbe Schriftführer verliest das Protokoll vom 4. October 1848, welches auch angenommen wird.)

Abg. Schuselka. Ich bin vom Präsidium beauftragt, der hohen Kammer über unsere Thätigkeit Kunde zu geben. Wir waren Tag und Nacht permanent und nicht müßig. Unsere Thätigkeit bestand wesentlich im Anhören von Deputationen, Beschwichtigungen, Rathsertheilungen, Auskünften und Befehlen; alle aufzuzählen würde die hohe Kammer zu lange beschäftigen, wir haben sie alle im Protokolle bezeichnet. Nur eine Maßregel möchte ich bekannt machen; sie betrifft nämlich die Brotlieferung an das Militär im Schwarzenberg'schen Garten. Dagegen hat sich nämlich beim Volke eine Mißstimmung gezeigt, und da wir es für unsere heiligste Pflicht halten, diese Brotsendungen ungehindert und regelmäßig erfolgen zu lassen, so haben wir den Beschluß gefaßt, daß die akademische Legion die Brotsendung an das Miliär zu escortiren habe, und mit größter Bereitwilligkeit hat die akademische Legion sich diesem Geschäfte unterzogen.

Nicht minder erfreulich war es, die ganze Nacht hindurch die fortwährenden Beweise von Wachsamkeit und zugleich von männlicher Besonnenheit der akademischen Garden zu erfahren, die uns zu jeder Stunde Bericht erstatteten davon, was sowohl vom Kreise der Stadt, als auch der Vorstädte zu ihrer Kenntniß gelangte. In gleicher Zeit wurden uns von dem Comité der Studenten zwei Eingaben schriftlich gemacht. (Die erste Eingabe wird gelesen und mit Beifall aufgenommen, — sie lautet:)

"Hoher Reichstag!

Mit tiefstem Bedauern nahmen wir wahr, daß die böswilligsten Gerüchte auch in die Hallen dringen, in denen die Vertreter des souverainen Volkes von Oesterreich tagen. Diese mit allen unseren bisherigen Thaten so sehr im Widerspruche stehenden Gerüchte bestimmen uns allsogleich, einem hohen Reichstage das heiligste Versprechen zu geben, daß wir nicht nur den Beschlüssen des hohen Reichsteges auf das Pünctlichste Folge leisten, sondern auch die Unverletzlichkeit aller Abgeordneten desselben, von welcher Nation oder von welcher politischen Meinung sie immer sind, mit unserem Leben aufrecht erhalten werden.

Von dem Studenten-Ausschusse.

Wien, den 8. October 1848.

Camill Heller m. p.,

Schriftführer.

Moriz Habrofsky m. p.,

Vorsitzer.

(L. S.)

(Die zweite Eingabe wird gelesen:)

Hoher Reichstag!

Laut Protokoll des Ausschusses der Studenten wurde am 6. d. M. die Nachricht vom Morde Latours von einem Arbeiter auf eine brutale Weise an dasselbe gebracht. Dieselbe wurde mit Todtenstille aufgenommen und sogleich eine ernste Rüge von Seite des Präsidiums ausgesprochen; daß man die Nachricht mit Beifall aufgenommen, dem muß feierlichst widersprochen werden. Der Ausschuß bittet um allsogleiche Mittheilung dieser unserer Erklärung an den Grafen Auersperg.

Wien den 8. October 1848."

Diesem Wunsche wurde Genüge geleistet. So hatten wir gestern Abends erfreuliche Beweise von der kräftigen und zugleich politischen Besonnenheit erfahren, und die Nacht ging auch so ruhig vorüber, daß wir uns den schönsten Hoffnungen für den heutigen Tag hingeben konnten; leider erfüllten sie sich nicht, sondern der Morgen brachte uns schwere Besorgnisse.

Es kam nämlich zuerst ein nicht vollständig begründetes Gerücht, dann aber durch einen Conducteur der Brucker Eisenbahn, der als Augenzeuge berichtet, die Nachricht, daß das Heer des Banus Jellaèiè in Bruck eingerückt sei. Soviel der Conducteur, dem Gerüchte nach, mittheilt, beabsichtiget dieses Heer bei Trautmannsdorf ein Lager aufzuschlagen. Die Zahl des Heeres wurde, ebenfalls dem Gerüchte nach, auf etwa 30.000 Mann angegeben. Dabei wurde zugleich mitgetheilt, daß das magyarische Heer 70.000 Mann stark, bei Wieselburg stehe.

Ihr Ausschuß fand sich in Folge dieser Nachricht zu einer sehr ernsten Berathung dieser höchst verhängnißvollen, wichtigen Angelegenheit berufen.

Diese Berathung pflog er in Gemeinschaft mit dem Ministerium, und der Beschluß ging dahin, daß sofort von dem Ministerium ein Ministerialschreiben an Grafen Auersperg gerichtet werde, in welchem ihm diese bestimmte Kunde von dem Einmarsche auf österreichisches Gebiet mitgetheilt, und zugleich vorgestellt wurde, wie sehr in diesem Augenblicke die Kunde von diesem Ereignisse die Gemüther in Unruhe, ja vielleicht in Erbitterung versetzen könnte, und wie sehr daher das Schlimmste zu befürchten sei. Man stellte an den Grafen Auersperg die Aufforderung, er möchte unter Vermittlung der Nationalgarde und der akademischen Legion seine Stellung im Schwarzenberg'schen Garten, durch welche er auch sehr viel beiträgt, das Volk in Wien in ängstlicher Spannung zu erhalten, aufgeben, und seine Truppen in die Kasernen einrücken lassen. Ueber die Antwort darüber werde ich in kurzer Zeit Bericht erstatten können. Zugleich fand sich aber der Ausschuß in Uebereinstimmung mit dem Ministerium verpflichtet, auch an Seine Majestät den Kaiser einen Eilboten zu senden. Dieses geschah, und er erhielt den Auftrag, Seiner Majestät an das Herz zu legen, Seiner Excellenz dem Ban Jellaèiè sofort den Befehl zukommen zu lassen, seinen Marsch nicht weiter gegen Wien fortzusehen. Noch mehr, soviel als möglich von uns zu bewirken, trug sich ein Mitglied unserer Commission an, als Deputirter in das Lager des Banns abzugehen. Es ist der Deputirte Prato, und er nimmt in Folge ihres Entschlusses die Resolution Seiner Majestät mit, worin versprochen ist, daß in einem neuen Ministerium die Angelegenheiten des Vaterlandes neu berathen werden, und dieser unverzüglich bevorstehenden neuen Berathung nicht vorgegriffen werden dürfte.

Besonders erfreulich war es dem Ausschusse, von dem neuen Gemeinderathe der Stadt Wien unterstützt zu werden. Es hat nämlich der Gemeinderath eine schriftliche Eingabe überreicht, welche folgendermaßen lautet:

"Hoher Reichstag!

In Folge hohen Auftrages vom 6. October 1848 ist der Gemeinderath der Stadt Wien zur Erfüllung seiner ernsten Pflichten zusammengetreten. Er fühlt sich gedrängt, in diesen schweren Zeiten dem hohen Reichstage, in dessen Hände das Wohl und die Zukunft der Völker Oesterreichs gelegt, seine aufrichtige Ergebenheit auszusprechen, und denselben zu versichern, daß er in seinem Wirkungskreise unermüdlich die Erhaltung der gesetzlichen Zustände anstreben werde.

Hervorgegangen aus freier Wahl theilt derselbe das glühende Freiheitsgefühl der Gesammtbevölkerung Wiens, und hofft in freisinniger und parteiloser Verwaltung der städtischen Angelegenheiten einen festen Grundstein zur Aufrechthaltung der constitutionellen Segnungen zu legen.

Vom Gemeinderathe der Stadt Wien, den 8. October 1848.

Hermann m. p.,

Alters-Präsident.

J. G. Otto m. p.,

Erster Vice-Präsident.

C. W. Koch m. p.,

Vice-Präsident.

L. W. Maurer m. p.,

Joseph Quester m. p.,

Schriftführer."

Nebst dieser Zuschrift war heute eine zahlreiche Deputation des Gemeinderathes in unserem permanenten Ausschusse, die uns der gänzlichen Ergebenheit und eifrigsten Bereitwilligkeit versicherte, mit uns im Einklange zu bleiben, und jede unserer Verfügungen, so weit es in ihrer Kraft steht, auszuführen, — darauf noch hinweisend, wie wünschenswerth es in diesem Momente wäre, daß das Militär aus der auf lange Zeit wirklich unhaltbaren Stellung sofort zu den früheren Verhältnissen zur Krone und dem Volke selbst zurückkehren möchte. Der Gemeinderath trug an, in Betreff der Verpflegung der Truppen, sowie ihrer sicheren Hereinbringung das Möglichste zu thun. Der Ausschuß sah sich veranlaßt, mit Freuden veranlaßt, im Namen des Reichstages den Dank auszusprechen, und zugleich die dringende Bitte an sie zu richten, besonders in einer wesentlichen Beziehung, die hier ausgesprochen werden muß, dahin zu wirken, nämlich daß die Nationalgarde, vergessend alle Spaltungen, alle traurigen Vorfälle in diesen so wichtigen Tagen, wo es nur ein Gesetz gibt: das Gesetz der Nothwendigkeit, für das Wohl des Vaterlandes, für die Freiheit des Vaterlandes mit gesammter Kraft einzustehen, einig und kräftig zusammen zu halten, und die schönste Pflicht des Bürgers, die Vertheidigung der Freiheit des Vaterlandes, die Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit erfülle. Bei dieser Gelegenheit muß ich der hohen Kammer mittheilen, daß der provisorische Obercommandant Scherzer heute Morgens uns die Mittheilung machte, daß er sich so angegriffen und so entkräftet finde, daß es ihm unmöglich wäre, das Commando zu führen, indem er zugleich als offener Mann offen aussprach, daß er nicht Mann vom militärischen Fache sei. Wie groß auch unsere Verlegenheit war, nach so kurzer Zeit eine neue Ernennung vorzunehmen, so hat der Ausschuß, die Dringlichkeit der Sache erkennend, sich mit dem Ministerium verständiget, und es wurde der Bezirkschef Braun zum provisorischen Stellvertreter des Obercommandanten ernannt, der sogleich mit aufopfernder, patriotischer Bereitwilligkeit erklärte, diesen schwierigen Posten anzunehmen und nach besten Kräften auszufüllen. (Beifall.)

Tröstlich war es für uns ferner, eine Deputation der Studentenschaft der Stadt Gratz zu empfangen, deren Adresse lautet:

"Die Studentenschaft von Gratz erklärt hiemit, daß sie sich in der gegenwärtigen politischen Lage vollends unter die Befehle des hohen Reichstages stelle, und um deren unmittelbare Uebermachung an ihren Ausschuß bitte.

Gratz, den 8. October 1848.

Im Namen der Studentenschaft der gefertigte Ausschuß." (Folgen die Unterschriften.)

Wir fanden uns veranlaßt, mit dieser Deputation in eine längere Besprechung zu treten, und bemühten uns, derselben die wahre Sachlage unserer Zustände darzustellen, besonders darzustellen, wie der Reichstag in Vereinigung mit den vom Kaiser selbst eingesetzten und erkannten Ministern auf legalem Boden sich bewegend, das Möglichste für Aufrechthaltung der Ordnung, der Sicherheit und Freiheit anstreben wolle. Sie dagegen machten uns leider eine Mittheilung, daß die Berichte, die von hier nach Gratz gekommen wären, theils so spät, theils so unwahr eingetroffen wären, daß dadurch in jener Stadt die ernstesten Besorgnisse angeregt wurden, und diese den Landes-Gouverneur Grafen Wickenburg bestimmt hätten, sich mit einem außerordentlichen Rathe zu umgeben. Wir theilten ihnen zugleich mit, daß vom Ministerium aus schon eine genaue Darstellung der ganzen Sachlage und des ganzen Verhältnisses, welches der Reichstag und das Ministerium zum constitutionellen Throne einnimmt, an den Gouverneur von Gratz abgegangen sei, und forderten diese Deputation auf, sofort das ihrige beizutragen, daß in jenen Provinzen und namentlich in der Hauptstadt Gratz klare und auf Wahrheit gegründete Nachrichten von den Ereignissen und ihren Folgen, und den Vorkehrungen gegen etwaige schlimme Folgen, verbreitet würden. Sie versprachen dieses auch sogleich, und beschlossen sofort einen aus ihrer Mitte nach Hause zu senden.

Zuletzt kam eine sehr zahlreiche Deputation von niederösterreichischen Bauern (Beifall) und übergab uns folgende schriftliche Adresse:

"Hoher Reichstag!

Wir unterzeichnete Abgeordnete aus den Ortschaften des Marchfeldes und des angränzenden Weinlandes haben mit Entsetzen gehört, daß am 6. October wieder ein blutiger Kampf zwischen dem Volke von Wien und den Soldaten vorgefallen ist, und weil wir uns nun von Allem genau unterrichtet haben, so kommen wir zum hohen Reichstage mit der Erklärung, daß wir jeden Augenblick bereit sind, unseren Wiener Brüdern mit Gut und Blut beizustehen.

Wir wissen recht gut, was wir ihnen zu danken haben, gewiß würden wir ohne dem, was im März und gar im Mai geschehen ist, noch in der alten Noth schmachten; wir hätten keinen Reichstag und daher auch alle früheren Lassen noch. Darum können und werden wir nicht zugeben, daß unsere Brüder fortwährend den Angriffen der Soldaten ausgesetzt sind. Diese ewige Blutvergießen muß endlich einmal aufhören, und gewiß würde ei unser gute Kaiser, wenn er wüßte, wie sich die Sache eigentlich verhält, eben so wenig dulden. Da wir nun vollends erfuhren, daß dieselben Verräther Ihn zum zweiten Male entführt haben, da können wir nicht mehr ruhig zusehen, und darum sind wir jetzt da, und bitten den hohen Reichstag, über alle unsere Kräfte zu verfügen. Auf einen Wink sind wir bereit, mit der ganzen bewaffneten Mannschaft, und das sind viele Tausende, nach Wien zu kommen, um der Soldaten-Herrschaft für immer ein Ende zu machen, und die falschen Rathgeber des Kaisers zu verjagen. (Heiterer Beifall.) Noch gestern hat uns der Graf Kinsky bereden wollen, an die ungarische Gränze zu marschiren; wir wissen aber recht gut, daß unsere Feinde nicht dort zu finden sind, und daß deßwegen die Soldaten von Wien auch nicht dahin wollten. Unsere Bitte geht nun dahin: der hohe Reichstag möge nachdrucksam darauf bestehen, daß unser Kaiser in die Mitte seiner treuen Wiener zurücklehre, ferner, daß er die treulosen Rathgeber von sich entferne, ferner, daß er den ungerechten Krieg gegen die Ungarn sogleich beendige und daß er die fortwährenden grausamen Kämpfe zwischen dem Militär und Bürgern, d. h. die augenblickliche Entfernung der Soldaten, die auch dem Marchfelde und dem angränzenden Weinlande sehr zur Last fallen, aufhören mache.

Wien am 9. October 1848.

Im Namen sämmtlicher Gemeinden des Marchfeldes und des angränzenden Weinlandes, und es werden die wegen Mangel der Zeit nicht beigefügten Unterschriften ungesäumt nachgetragen werden."

Folgen die Unterschriften.

(Großer Beifall.)

Wir glaubten uns verpflichtet, auch mit dieser Bauerndeputation ins nähere Einvernehmen zu treten und sie über den wahren Stand der Dinge, über das, was geschehen und vorbereitet ist, aufzuklären.

Dieß wären bis zu diesem Augenblicke die wichtigsten Sachen, welche ich vorzutragen von der Commission beauftragt worden bin. — Mein letzter Auftrag geht dahin, der hohen Kammer einen Antrag des Ausschusses zur Annahme vorzutragen. Es haben sich nämlich wiederholt sehr besorgliche Gerüchte bei uns kundgegeben, daß auf verschiedene öffentliche Gebäude, in denen werthvolle Gegenstände oder Geld oder sonst werthvolle Dokumente verwahrt werden, Angriffe zu befürchten sind. Wir haben allerdings, weil wir im Einverständnisse mit dem Obercommando voraussehen konnten, daß in dieser kritischen Zeit besonders dringend nothwendig ist, diese Gebäude zu bewachen, das Obercommando schon darauf hingewiesen, ja nicht zu unterlassen, so starke Posten als nur irgend möglich an alle diese Gebäude zu stellen; da aber leider nicht die gehörige Anzahl von Garden zu Gebote stand, so konnten viele dieser Gebäude nur spärlich besetzt werden. Nachdem uns nun gestern und heute wieder solche bedrohliche Aeußerungen gemacht worden waren, so glaubten wir noch etwas thun und an das Ehrgefühl der Bevölkerung appelliren zu müssen, und zwar diesen Spruch durch den Reichstag selbst zu thun. Ich erlaube mir daher folgenden Antrag vorzutragen: "In Anbetracht des gegenwärtigen exceptionellen Zustandes der Stadt Wien beschließt der Reichstag, daß alle öffentlichen Gebäude als National-Eigenthum unter den Schutz des Reichstages gestellt sind." Natürlich kann nebst diesem Beschlüsse nicht unterlassen werden, darauf Bedacht zu nehmen, daß die gehörige Nationalgarde-Mannschaft auch den Schutz übernehme. Wir haben uns aber schon überzeugt in einem verhängnißvollen Augenblicke, der leicht zu einem zweiten schrecklichen Ereignisse hätte führen können, daß der Schutz des Reichstages Gewicht hat und Macht ausübt. Wir haben es daher auch in dieser Beziehung nicht unterlassen wollen, den Schutz des Reichstages aussprechen zu sollen, und bitten die hohe Reichiversammlung diesen Antrag zu genehmigen.

Vice-Präs. Ich werde den gestellten Antrag noch einmal lesen. (Geschieht.)

Abg. Borrosch. Ich würde ebenfalls einige erkenntliche Worte beifügen; ich glaube es muß Jeden mit Freuden, mit Bewunderung in Bezug auf die Bevölkerung erfüllen, wenn er die Ereignisse erwägt, und daß in privatrechtlicher Hinsicht auch nicht ein Eingriff gegen das Eigenthum, auch nicht eine Antastung der persönlichen Sicherheit Statt gefunden habe. Ich glaube, daß dieses Jedem von uns nicht minder als das Tagen der Reichsversammlung selber die freudige Zuversicht gewähren wird, auch über diese schweren Tage glücklich hinaus zu kommen. Dann würde ich mir noch erlauben, da dieß ans Volk gerichtet ist, statt des Wortes: "exceptionell", "ausnahmsweise" oder "außerordentlich" zu setzen.

Vice-Präs. Ich werde mir jetzt erlauben, die Sitzung bis auf 6 Uhr aufzuheben, um einige Stunden zu gewinnen, damit das Vorstandsbureau die Rückstände, die die Permanenz veranlaßt hat, aufarbeiten könne; diese Unterbrechung könnte mit um so größerer Beruhigung gestattet werden, als die hohe Reichsversammlung sich überzeugt hat, daß der permanente Ausschuß seiner schweren Pflicht mit dem größten Eifer, und mit nach den Umständen möglichem Erfolge obliegt.

Vice-Präs. Der Abg. Borrosch wünscht, damit noch einige Worte von der Anerkennung über das Benehmen des Volkes von Wien vorangesetzt werden. Wird dieser Zusatz von der hohen Kammer genehmiget? (Wird einstimmig angenommen.)

Abg. Lubomirski. Es ist heute gesagt worden, daß wir uns in den Sectionen versammeln sollen. Wir sind deßhalb weniger zahlreich, weil wir nicht gewußt haben, daß wir uns hier versammeln werden.

Ich würde das Präsidium ersuchen, zu veröffentlichen, daß heute um 6 Uhr Sitzung ist.

Vice-Präs. Ich werde es veranlassen. Die Sitzung ist geschlossen. (Um 2 Uhr.)


Související odkazy



Pøihlásit/registrovat se do ISP