Nedìle 8. øíjna 1848

Officielle stenographische Berichte über die Verhandlungen des österr. Reichstages.

Zweiundfünfzigste Sitzung des constituirenden Reichstages

am 8. October 1848.

(Permanenz-Sitzung, begonnen am 6. October.)

Vorsitzender: Vice-Präs. Smolka.

Die Ministerbank leer.

Anfang um 11 Uhr Vormittags.

Vice-Präs. Der Abg. Turco wünscht das Wort.

Abg. Turco. Das gestrige Abendblatt der "allgemeinen österreichischen Zeitung" enthält in einem Artikel über die Tagsbegebenheiten folgende Stelle: "Der Reichstag war die ganze Nacht permanent; es wurde die Absetzung Jellaèiès, die Zurücknahme der kaiserlichen Manifeste, die Verbannung von Erzherzog Ludwig und der Erzherzogin Sophie, die Bildung eines neuen volksthümlichen Ministeriums beantragt, beschlossen, und wie wir hören, von Sr. Majestät dem Kaiser bereits genehmiget, der erklärt haben soll, künftig Niemanden mehr um sich zu dulden, der sich zwischen ihn und die Liebe des Volkes drängen und der die Interessen der Dynastie anderwärts suchen wolle, als im Interesse des Volkes."

Diese Stelle enthält manches Irrige, besonders aber ist mir weder von einem Antrage, viel weniger von einem Beschlüsse auf Verbannung des Erzherzogs Ludwig und der Erzherzogin Sophie etwas bekannt, und ich muß es tief bedauern, daß ein Blatt, welches so verbreitet ist, solche falsche Daten enthält, wodurch in den Provinzen und im Auslande die vom Reichstage eingenommene Stellung mißdeutet werden könnte. Ich achte die Presse und die freie Presse, aber eben in dieser Achtung finde ich eine Aufforderung an sie, sich in diesem Momente irriger Angaben von Thatsachen zu enthalten, besonders über Reichstagsbeschlüsse, und nicht durch entstellte Thatsachen, sondern durch freie Aeußerungen und Ansichten über die Tagsbegebenheiten ihre ehrenvolle und schwere Aufgabe zu lösen.

Ich mache daher den Antrag, daß die Redaction der allgemeinen österreichischen Zeitung angewiesen werde, diese Stelle alsogleich zu widerrufen, und daß, wenn durch die Post noch nicht alle Exemplare versendet worden wären, diese in Beschlag genommen werden.

Vice-Präs. Ohne in dieser Beziehung der Ansicht der hohen Kammer vorgreifen zu wollen, würde meine Ansicht seyn, daß die vom Abg. Turco vorgebrachten Thatumstände und Bemerkungen hinreichen werden, die Presse zu veranlassen, und namentlich das bezogene Blatt, diese irrigen Thatsachen sogleich zu widerrufen und darüber zu wachen, daß künftig durch das Organ der Presse nur wahrhafte Thatsachen zur Kenntniß des Publikums gelangen. (Beifall.)

Abg. Löhner. Ich habe nur hinzuzufügen, daß bereits hiefür Maßregeln getroffen worden sind, und daß man erwartet, daß in wenigen Stunden die Widerrufung dieser irrigen Angabe in diesem Blatte erfolge.

Abg. Pøibyl. In Beziehung auf die vom Abgeordneten für Saaz gemachte Bemerkung verzichte ich auf das Wort, nur muß ich weiter beifügen, daß in der Wiener officiellen Zeitung noch nicht die gestern beschlossenen Proclamationen an die Völker Oesterreichs kundgemacht erschienen; ich fordere deßhalb das Präsidium auf, daß doch ein Extra-Blatt, welches vielleicht als Beilage der heutigen Wiener Zeitung versendet werden könnte, erscheinen möchte.

Vice-Präs. Ich halte den vom Abg. Turco vorgebrachten Gegenstand für erledigt, und glaube nur sprechen lassen zu dürfen über den Antrag des Abg. Pøibyl.

Abg. Umlauft. In Bezug auf die vom Herrn Abg. Pøibyl gemachte Bemerkung habe ich nur zu erwiedern, daß ich heute im Auftrage des permanenten Ausschusses bei der Redaction der Wiener Zeitung war, welche tief bedauert hat, daß sie gestern nicht durch eine Abschrift des hier beschlossenen Manifestes an die Völker Oesterreichs in den Stand gesetzt worden ist, die Einrückung des Actenstückes heute in die Wiener Zeitung zu veranlassen. Sie hat mir weiter mitgetheilt, daß der Druck eines Extra-Blattes für heute nicht möglich ist, da die Setzer, gestützt auf die Uebereinkunft, welche vor Kurzem mit den Buchdruckern stattgefunden hat, aus der Druckerei sich entfernt haben und durchaus weigern, heute eine Arbeit zu leisten. Morgen erscheint, wie bekannt, auch kein Blatt, das Abendblatt ist sehr wenig verbreitet, es wird also die Bekanntmachung des Manifestes aus ordentlichem Wege erst Dinstag möglich seyn.

Abg. Feifalik. Mißverständnisse haben bereits gefährliche Folgen herbeigeführt; in der gegenwärtigen Zeit würden Mißverständnisse doppelt Gefahr und Verderben bringend seyn. Unsere stenographischen Berichte kommen leider etwas zu spät zur Oeffentlichkeit. Ich stelle daher aus dem gegenwärtigen, vom Herrn Abg. Turco angeregten Anlasse, daß die Reichstagsprotokolle so schleunig all möglich in die öffentlichen Blätter eingerückt, und nachträglich auch die Protokolle über die Reichstagsbeschlüsse vom 6. und 7. October gleichfalls der Presse übergeben werden.

Vice-Präs. In Bezug auf diesen Gegenstand finde ich mich veranlaßt, nachdem ich heute dießfalls von den Herren, welche zur Durchsicht der stenographischen Protokolle bestimmt sind, aufgefordert wurde, diejenigen Herren zu bezeichnen, welche jetzt an der Reihe sind, diese Arbeit zu übernehmen; die Reihe trifft jetzt die vierte, fünfte und sechste Section; es hätte sie eigentlich schon die vorige Woche getroffen, allein die Herren der ersten, zweiten und dritten Section waren so gefällig, bis heute dieß zu verrichten. Ich fordere demnach die Herren, welche aus der vierten, fünften und sechsten Section dazu bestimmt sind, auf, unverweilt sich an die Arbeit zu machen, weil die stenographischen Protokolle sonst nicht expedirt werden könnten.

Abg. Brestel. Ich wollte nur bemerken, daß es vielleicht gut wäre, wenn man Sorge treffen würde, daß das Manifest an die Völker Oesterreichs in die Provinzen so schnell als möglich versendet werde, jedenfalls aber die Wiener Zeitung aufzufordern, es morgen in das Abendblatt einzurücken, zugleich aber auch am Dinstag in das Morgenblatt es ebenfalls zu setzen. Auf diese Weise konnte es eher in die Provinzen kommen.

Abg. Umlauft. Diesen ausgesprochenen Wunsch habe ich bereits erfüllt, indem ich die Veranlassung getroffen habe, daß trotz der wenigen Verbreitung das Manifest in das morgige Abendblatt und wiederholt am Dinstag in das Morgenblalt eingerückt werde. In Bezug auf die früher gemachte Aufforderung rücksichtlich der Redaction der stenographischen Protokolle glaube ich aber bemerken zu müssen, um keine Mißverständnisse herbeizuführen, daß die Aufforderung an die Sectionen vier, fünf und sechs sich verstehe für jene Herren, die den frühern Sectionen vier, fünf und sechs angehört haben, weil in den neuen Sectionen noch keine Wahlen vorgenommen wurden, und also jene Herren, die früher diesen Sectionen angehört haben, sich diesem Geschäfte zu unterziehen haben.

Abg. Thinnfeld. Ich habe nur zu bemerken, daß das Einrücken in das Wiener Abendblatt wenig fruchten wird, indem das Abendblatt nicht früher in die Provinzen kommt, als das nächste Morgenblatt, weil es zu spät ausgegeben wird. Es wird mit der Post fortgeschickt unter Einem mit dem Morgenblatte, und kommt zugleich mit demselben Train an, wenigstens in Steiermark ist es so.

Abg. Nadler. Ich mache eine Bemerkung in Beziehung auf das Manifest des Reichstages an die Völker Oesterreichs. Wenn durch die Einrichtung unter den Buchdruckern es nicht möglich wird, früher dieses Manifest als Dinstag Abends einzurücken, so scheint es mir bei der hohen Wichtigkeit des Gegenstandes etwas zu spät. Ich würde einen andern Weg vorschlagen, nämlich es in einigen tausend Exemplaren in einer oder der andern Sprache lithographiren zu lassen und es so schnell als möglich zu verbreiten, das könnte heute noch geschehen. Ich glaube es ist sehr wichtig und auch ausführbar.

Abg. Pøibyl. Ich würde meinen frühern Antrag dahin ändern, daß vielleicht die bereits gedruckten Exemplare, und es dürfte eine ziemlich bedeutende Anzahl seyn, die uns aus der Staatsdruckerei zugeschickt worden sind, sämmtlichen Exemplaren der Wiener Zeitung beigefügt werden, denn diese wird erst um 2 Uhr auf die Post gegeben, so viel mir bekannt ist, und da ist hinlänglicher Zeitraum vorhanden, um eine hinreichende Anzahl durch die Post verschicken zu können.

Abg. Umlauft. Gegen diesen Antrag des Abg. Pøibyl habe ich zu bemerken, daß im ganzen nur eine Auflage von 5000 Exemplaren dieses Manifestes bestimmt worden ist, während die Wiener Zeitung in 6000 Exemplaren gedruckt wird; es würde also die ganze Auflage aufzehren, und es Würde meiner Meinung nach viel besser seyn, wenn durch die Herren Abgeordneten selbst die nöthige Anzahl dieser Exemplare versendet würden; die Anordnung ist getroffen, die Exemplare sind unter der Presse, und wie sie aus der Presse kommen, werden sie hieher gebracht und können dann von einem jeden Abgeordneten in bestimmter Anzahl augenblicklich abgesendet werden.

(Abg. Pøibyl nimmt seinen Antrag zurück.)

Ein Abg. Ich stelle den Antrag auf den Schluß der Debatte. (Wird unterstützt)

Abg. Gschnitzer. In Bezug auf die Sitzung vom 6. und 7. October wird bereits im Vorsaale ein außerordentliches Sitzungs-Protokoll verkauft, worin die Vorfälle bereits veröffentlicht werden; in wiefern es aber richtig sei, kann ich nicht sagen, weil ich sie nicht durchgesehen habe; doch in Beziehung auf diesen Punct, welcher in der heutigen Sitzung wegen des Manifestes besprochen wurde, glaube ich, wäre es nöthig, die Herren Setzer zu Veranlassen, wegen der Dringlichkeit die Arbeit auch heute vorzunehmen.

Abg. Purtscher. Man hat sich heute beschwert, daß in dem gestrigen Abendblatte der "österreichischen Zeitung" die Nachricht verbreitet worden sei, es sei im Reichstage beschlossen worden, daß mehrere Mitglieder der kaiserlichen Familie proscribirt werden sollen. Ich habe hierüber mit dem Redacteur Rücksprache gepflogen und er ist bereit, diesen Artikel, der nur von einem Berichterstatter, welcher nicht immer, sondern nur für eine kurze Zeit arbeitet, herrührt, in dem heutigen Blatte zu widerrufen, welcher mir zugleich die Versicherung gab, daß er sein Blatt diesem Reichstage, der hier tagt, nicht bloß zum Schutze, zur Ordnung und Sicherheit des Volkes, sondern auch zum Schutze der Monarchie und des Thrones auf alle nur mögliche Weise zur gänzlichen Verfügung zu stellen bereit sei.

Vice-Präs. Nachdem die Debatte über diesen Gegenstand geschlossen ist, werde ich den einzig schriftlich vorliegenden Antrag zur Abstimmung bringen. Es ist der Antrag des Abg. Feifalik, er lautet: "Die Sitzungsprotokolle des Reichstages in Zukunft, und jedenfalls auch die Protokolle vom 6 und 7. dieses Monates, den Tageblättern zur Veröffentlichung zu übergeben."

Von Seite des Vorstands-Bureaus ist bereits Anstalt getroffen, baß eine Anzahl von 70 Exemplaren den Redactionen übergeben werden. Es handelt sich demnach nur darum, daß die Drucklegung sobald als möglich geschehe.

Abg. Feifalik. Es wird dadurch der Zweck nicht erfüllt, wenn bloß Abdrücke an die Redactionen übergeben werden, denn es werden nur Auszüge in die Tageblätter aufgenommen; ich wollte daher beantragen, daß die Protokolle einem oder zweien der verbreiteteren Blätter übergeben und der ganze Inhalt abgedruckt werde.

Vice-Präs. Ich würde mir erlauben zu bemerken, daß, wenn wir über ein officielles Blatt verfügen könnten, es nur die Wiener Zeitung wäre, in Beziehung auf die anderen müssen wir es den Zeitungsblättern selbst überlassen, welchen Gebrauch sie davon machen wollen.

Abg. Feifalik. Ich beschränke meinen Antrag auf die Wiener Zeitung.

Vice-Präs. Wird der Antrag, damit die Sitzungs-Protokolle, welche von den Herren Schriftführern geführt werden, in ihrem ganzen Umfange in die Wiener Zeitung aufgenommen werden, unterstützt? (Wurde unterstützt und zugleich angenommen.)

Abg. Umlauft. Um den Gegenstand, der eben in Anregung gebracht wurde, vollkommen abzuschließen, würde ich in Bezug auf das Manifest an die Völker Oesterreichs den Herrn Präsidenten ersuchen, die Herren, welche zur Uebersetzung desselben in die anderen Landessprachen bestimmt sind, zu ersuchen, sich sogleich an mich zu wenden, um die nöthigen Exemplare zur alsogleichen Uebersetzung zu erhalten.

Vice-Präs. Ich bitte diejenigen Herren, welche gewählt sind, oder vielleicht andere, welche freiwillig dieses Geschäft übernehmen wollten, an ihre Arbeit zu gehen. — Für das Böhmische ist der Herr Abg. Beck. — Die böhmische Uebersetzung ist schon fertig. — Soeben habe ich die Anzeige bekommen, daß fünfhundert Stück von dieser Proclamation hieher geliefert wurden. Ich bitte, daß Sie sich über die Verwendung dieser Exemplare ausfprechen; ich glaube, daß man hundert oder zweihundert als Plakate anschlagen sollte.

Abg. Wiser. Es sind nur fünfhundert Exemplare eingesendet worden, ich glaube, diese könnte man lieber unter die Mitglieder vertheilen, damit wir heute noch die Post benützen.

Abg. Feodorowicz. Ja, durch die Post versenden, denn die Provinzen haben es nöthiger als die Hauptstadt. Ich mache den Antrag, daß das hohe Präsidium selbst die Vertheilung vornehme, und daß wir eine gleiche Anzahl wie wir hier sitzen, bekommen. Wir werden dann besorgen, daß sie auf's Land gehe, — hier haben wir Kunde von dem, wie's geschieht, dort aber wissen sie es nicht.

Vice-Präs. Ich bitte die Vertheilung vornehmen zu lassen. Es handelt sich jetzt, die böhmische Uebersetzung drucken zu lassen. Wie viel sollen gedruckt werden.

Abg. Sidon. 3000, wenigstens 2000 werde ich ersuchen.

Abg. Beck. Ich glaube, es sind vielleicht von 90 böhmischen Deputirten für 50 bis 60 Exemplare nöthig. Wenn wir annehmen, auf jeden 100 Exemplare zu vertheilen, so müßten wir wenigstens eine Auflage von 5 bis 6000 Exemplaren haben.

Abg. Sidon. Ich glaube es genügen uns für den Augenblick 3000 Exemplare.

Vice-Präs. Bestehen der Herr Abg. Beck darauf, daß Ihr Antrag zur Abstimmung kommt?

Abg. Beck. O nein.

Ein Abgeordneter. Ich bitte 2000 Böhmische für Mähren.

Abg. Brestel. So bitte ich, 5000 drucken zu lassen, damit wir nicht Zeit verlieren durch solche Kleinigkeiten.

Abg. Wienkowski. Ich erlaube mir, die Aufmerksamkeit der hohen Versammlung auf die Unmöglichkeit eines solchen Vorschlages zu weisen. Bedenken Sie, meine Herren, daß hier ein ausnahmsweiser Zustand ist. Seit einigen Tagen sehen wir alle gewöhnlichen Blätter nicht in dem Umfange erscheinen wie gewöhnlich, weil das Personale sich nicht damit befassen kann. In den Provinzen ist dieser Zustand nicht, wir könnten also dort die Drucklegung vornehmen lassen, hier aber ist es unmöglich.

Abg. Dylewski. In diesem Geiste habe ich bemerken wollen, daß in den Provinzen so viele Zeitungen bestehen, wozu also so viele Exemplare?

Abg. Geyer. Ich habe den Antrag gestellt, daß Abg. Ambrosch dieses Manifest "An die Völker Oesterreichs" in's Krainische übersetze. (Ruf: Ist schon geschehen.)

Abg. Petranovich. Ich bemerke, daß in Dalmatien bloß zwei Zeitungen bestehen, und daß also dahin viele Exemplare abgesendet werden müssen.

Abg. Löhner. Ich stelle den Antrag, die Kammer, welche ohnehin so viel zu thun hat, wolle beschließen, daß sämmtliche Mitglieder betreffs ihrer Wünsche bezüglich der Drucklegung der Manifeste sich nur an den Präsidenten zu wenden haben. (Wird angenommen.)

Vice-Präs. Verzichten die eingeschriebenen Herren Redner auf das Wort? (Ja.)

Es wurde mir vom Abg. Pillersdorff ein Antrag vorgelegt, welcher lautet: "An die abwesenden Mitglieder des Reichstages sei eine Aufforderung ergehen zu lassen, in diesem wichtigen Zeitpuncte ihre Pflicht zu erfüllen, an den Verhandlungen desselben Theil zu nehmen, oder durch Gründe ihre Abwesenheit zu rechtfertigen."

Da erlaube ich mir zu bemerken, daß der permanente Ausschuß auch diesen Gegenstand behandelt hat, und einen Antrag vorlegen will, in welchem, wie ich glaube, auch dieser Punct berührt ist. Ich ersuche einen Herrn des Ausschusses darüber Aufschluß zu geben.

Abg. Pillersdorff. Da ich davon keine Kenntniß hatte, so nehme ich meinen Antrag zurück.

Vice-Präs. Er kann ja neben dem Antrage des Ausschusses bestehen, und wir werden sehen, in wie weit er darin schon begriffen ist. Ich ersuche den Herrn Abg. Borrosch uns Aufschluß zu geben.

Abg. Borrosch. Ich gehöre nicht in den permanenten Ausschuß, denn ich bin nicht dazu gewählt worden: es sei mir aber vergönnt, hier einen eigenen Antrag zu stellen. Er lautet:

"1. Der Reichstag, der ohnehin vor der Beendigung des Constitutionswerkes unauflösbar ist, erklärt: auch unter den bedrohlichsten Umständen, unter keiner Bedingung sich selber aufzulösen, sondern seiner Pflicht unerschütterlich getreu zu bleiben. (Bravo.)

2. Der Reichstag ist ein untheilbares Ganzes, er vertritt alle Völker Oesterreichs, welche ihn beschickt haben.

3. Der Reichstag ist zufolge des kaiserlichen Manifestes vom 6. Juni und durch die freie Wahl der auf dem Reichstage vertretenen Völker das alleinige constitutionell-legale Organ der Einigung zwischen dem constitutionellen Monarchen und der Volkssouverainität zur Wahrung der unverkümmerten Volksfreiheit und des erblichen Thrones. (Beifall.)

4. Der Reichstag, bestehend aus freien Vertretern freier Völker, wird keinem Abgeordneten einen moralischen Zwang zum Bleiben auferlegen.

5. Der Reichstag wird auf dem constitutionell-legalen Boden fest beharren, um mittelst constitutionell-legaler Maßregeln von ihm aus das Vaterland, den erblichen Thron und die Volksfreiheit zu wahren. (Beifall.)

6. Der Reichstag fordert alle mit oder ohne Urlaub abgereisten Mitglieder auf, sich binnen längstens vierzehn Tagen von heute an im Reichstage wieder einzufinden."

Ich denke, die Begründung ist in den Paragraphen selber enthalten, daher glaube ich keine Zeit darüber verlieren zu dürfen, und ihn gleich der Debatte zu unterwerfen.

Vice-Präs. Neben diesem Antrage des Herrn Abg. Borrosch, den ich irrthümlicher Weise für einen Antrag des permanenten Ausschusses gehalten habe, und der eben vorgelesen wurde, besteht noch der selbständige Antrag des Abg. Pillersdorff.

Abg. Pillersdorff. Er dürfie als selbständiger Antrag entfallen, da in dem Antrage des Abg. Borrosch ohnehin der betreffende Passus enthalten ist, und darüber die Debatte eröffnet werden wird.

Abg. Jonak. Ich glaube, es wäre vorläufig die Aufforderung zu stellen, daß der permanente Ausschuß seinen Bericht vorlege, weil es möglich wäre, daß dieser Ausschuß irgend etwas beantrage, was damit in Verbindung, mit diesem oder neben ihm steht.

Abg. Brestel. In der Beziehung mache ich aufmerksam, daß der Antrag des Abg. Borrosch, von ihm dem Ausschusse mitgetheilt, dieser denselben zur Kenntniß genommen und gegen die einzelnen Puncte gar nichts einzuwenden gefunden habe, sondern den ganzen Antrag in seiner vollen Ausdehnung unterstützen werde.

Vice-Präs. Hält der Abg. Jonak seine Bemerkung für behoben? (Ja.)

Ich werde mir erlauben, nochmals den Antrag vorzulesen (Ruf: punctweise, punctweise).

(Der erste Punct wird gelesen. — §. 1. Wird über Antrag eines Abg. per Acclamation einstimmig angenommen; die §§. 2 und 3 werden ebenfalls einstimmig angenommen; die §§. 4, 5, 6 werden auf das Verlangen des Abg. Fedorowicz nochmals im Ganzen gelesen, um einzusehen, was im Ganzen enthalten ist, da vielleicht eine Bemerkung zu machen seyn würde.)

Vice-Präs. Nun werde ich nochmal den 4. Punct lesen, welcher lautet: (liest ihn. Zum Abg. Fedorovicz.) Ich bitte, Sie haben bas Wort verlangt.

Abg. Fedorowicz. Nein, ich habe nur gesagt, ich möchte zuerst das Ganze hören, um mich dann bestimmen zu können.

Vice-Präs. Wünscht Jemand noch das Wort?

Ein Abg. Zum 6. Punct würde ich beantragen —

Abg. Dylewski. Ich begreife nicht, wohin dieser Punct zielt, denn es ist ja ohnehin Niemanden ein moralischer Zwang von Seite des Reichstages auferlegt; aber es besteht ein gewisser Zwang von Seite der Committenten. Ich kann nicht begreifen, wie der Reichstag eine Sache erledigen will, die zumeist den Committenten gehört.

Vice-Präs. Wünscht vielleicht der Herr Antragsteller das Wort?

Abg. Borrosch. Ich wünsche jedenfalls, daß dieser Paragraph bleibe, damit die hier vertretenen Völker die volle Gewißheit haben, daß keine wie immer geartete Einflußnahme auf ihre Vertreter stattgefunden hat. Es wird ausdrücklich hier im Principe anerkannt (und ich glaube, es ist der Würde des Reichstages angemessen, auch diesem Principe gemäß vorzugehen), daß keine gegentheilige Maßregeln, mögen sie nun in Ueberredung oder was immer sonst bestehen, was die moralische Willensfreiheit eines Abgeordneten lähmen solle, der als ein wahrhaft treuer Vertreter der Volksfreiheit vor jedem moralischen Zwange gesichert seyn muß.

Ein Abg. Das Wort: "moralisch" soll ausgelassen werden.

Abg. Borrosch. Ein physischer Zwang besteht ohnehin nicht, da er nicht stattfindet und an und für sich unfrei machen würde. (Heiterkeit.)

Vice-Präs. Sollte dieses als das letzte Wort des Antragstellers betrachtet werden, so würde ich diesen Punct zur Abstimmung bringen. Diejenigen Herren, welche damit einverstanden sind, wollen es durch Aufstehen erklären. (Die ganze Versammlung erhebt sich.)

Ein Abg. Ich bitte um Uebersetzung.

Vice-Präs. Es ist bereits abgestimmt, das hätte vor der Abstimmung beantragt werden sollen, indessen ich nehme keinen Anstand, diesen Paragraph übersehen zu lassen. (Viele rufen: Herr Vice-Präsident selbst!) Ich werde das zuletzt thun.

Abg. Borrosch. Ich bitte diese 6 Puncte in alle Sprachen übersetzen zu lassen.

Vice-Präs. Es wird der Antrag gestellt, daß diese Anträge in alle Sprachen übersetzt werden sollen. Wird er unterstützt? (Geschieht.)

Abg. Sidon. Wir Böhmen brauchen es nicht.

Abg. Brestel. Die einzelnen Puncte, die noch nicht abgestimmt sind, bitte ich vor der Abstimmung, die andern nach der Abstimmung übersetzen zu lassen.

Vice-Präs. Der 5. Punct lautet: "Der Reichstag wird auf dem constitutionell-legalen Boden fest beharren, um von ihm aus mittelst constitutionell-legaler Maßregeln das Vaterland, den erblichen Thron und die Volksfreiheit zu wahren."

Ich bitte daher die Herren Uebersetzer sich einzufinden.

Abg. Beck. Ich glaube, daß die Uebersetzung ins Böhmische vor der Hand noch unterbleiben dürfte, da die der deutschen Sprache nicht mächtigen Deputirten gegenwärtig nicht anwesend sind.

Vice-Präs. Der Herr Abg. Prato ist gegenwärtig nicht da, ich bitte daher einen anderen Herrn, allenfalls den Herrn Abg. Turco, die italienische Uebersetzung zu übernehmen.

(Der 5. Punct wird demnach ins ruthenische, polnische und italienische überseht vorgelesen.)

Nunmehr werde ich, nachdem auf die böhmische Uebersetzung verzichtet wurde, den 5. Punct zur Abstimmung bringen. (Der Herr Vice-Präsident liest ihn noch einmal deutsch vor, worauf die Annahme desselben erfolgt.)

Ich erlaube mir nun den sechsten Punct zur Abstimmung zu bringen, er lautet:

"Sechstens. Der Reichstag fordert alle, mit oder ohne Urlaub abgereisten Mitglieder auf, längstens binnen vierzehn Tagen sich im Reichstage einzufinden."

Abg. Uchatzy. Unter so dringenden Umständen ist die Zeit von vierzehn Tagen zu lang. Ich bitte auch zu sagen, was geschehen soll, wenn die Zeit nicht eingehalten wird. Ich würde den Antrag stellen, zu sagen, daß das Ministerium angegangen wird, in jenen Bezirken, deren Abgeordnete nicht eintreffen, neue Wahlen auszuschreiben. (Bravo.)

Abg. Langie. Ich glaube, wenn die Frist von vierzehn Tagen beibehalten wird, bemerken zu müssen, daß eingeschaltet werde, wenn es den Mitgliedern früher zu erscheinen unmöglich seyn sollte, denn es könnte auch solche geben, welche zur Kenntnißnahme dieses Beschlusses und zu ihrer Herreise keinen so langen Termin benöthigen.

Abg. Selinger. Ich beantrage ganz einfach, die Worte: "ohne Verzug" zu setzen.

Abg. Borrosch. Erstens erlaube ich mir jenem verehrten Redner, der gegen den vierten Paragraph ein Bedenken trug, darauf aufmerksam zu machen, daß er mit diesem §. 6 in innigem Zusammenhange steht. Viele, die fortgegangen sind, aus diesem oder jenem Grunde, werden durch diesen Paragraph sich veranlaßt fühlen, von selber zurückzukehren. Gegen eine Nichtbestimmung einer Frist muß ich mich entschieden erklären, denn "ohne Verzug" könnte auch Monate lang währen, wenigstens würden wir nicht im Stande seyn, den Tag zu bestimmen, von welchem an eine Maßregel zu ergreifen wäre; irgend eine Maßregel aber jetzt schon in dieser Beziehung vorzuschlagen und zu beschließen, halte ich für unzweckmäßig, weil man dann ebenso wie jetzt, wenn diese Frist wird abgelaufen seyn, debattiren muß, was zu geschehen habe. Schon gegenwärtig zu sagen: es werden dann neue Wahlen ausgeschrieben, würde die höchste Ungerechtigkeit seyn, da Viele durch Krankheit oder andere Ursachen abgehalten seyn können, sich jetzt schon zu melden. Früher ist es geschehen, daß Mitglieder wegen urlaubsloser Abwesenheit von acht bis vierzehn Tagen doch keiner Strafe unterzogen wurden. Uebrigens bin ich gegen Alles, was irgend einem moralischen Zwange, einer Beeinträchtigung der persönlichen Freiheit der Mitglieder dieses Hauses unter den obwaltenden Umständen gleich sehe. Ist diese Versammlung die Vertreterin der Volksfreiheit, ist sie bezüglich des eigenen Organismus autonom, so muß sie das Princip der moralischen Freiheit auch bei den Abgeordneten bis in die kleinsten Einzelnheiten ehren, und darüber wachen, daß hierin der Würde der Kammer nicht das Geringste vergeben werde.

Abg. Gschnitzer. Ich glaube bei der großen Verschiedenheit der Entfernung, in welcher sich die Herren befinden dürften, kann man schwer einen bestimmten Zeitraum anberaumen, binnen welchem diese Abgeordneten zu erscheinen haben. Ich wäre daher damit einverstanden, daß man sage: "unverzüglich", man könnte höchstens dazu sagen: drei Tage, nachdem sie von diesem Beschlusse Kenntniß erhalten haben, hätten sie sich hieher zu begeben.

Abg. Kutschera. Es wäre auch zweckmäßig statt dem Worte: "Abgereisten" zu setzen: "Abwesende," weil auch einige noch hier in Wien seyn können, ohne daß sie den Sitzungen beiwohnen.

Abg. Fischhof. Ich habe dagegen nur das Bedenken, daß man glauben würde, es fehle eine große Anzahl der Mitglieder, daß man so sehr darauf dringt, damit sie zurückkehren. Ich beantrage daher, daß die Anzahl der anwesenden Mitglieder gezählt und es dann mitgetheilt werde, daß es nur wenige sind, welche abwesend sind.

Abg. Podlewski. Ich trage darauf an, daß die Abzählung morgen vor sich genommen werde.

Vice-Pras. Dieses kann gleich geschehen.

Abg. Fischhof. Ich füge noch hinzu, daß auch die Anzahl derjenigen angegeben würde, welche schon vor dem sechsten October abwesend sind.

Vice-Präs. Ich habe bei Eröffnung der Sitzung von den Herren Schriftführern die Mittheilung erhalten, daß 222 Mitglieder anwesend waren; wenn die Herren es wünschen, so kann von den Herren Schriftführern während der Debatte die Abzählung vorgenommen werden.

Abg. Nadler. Ich bitte den Namensaufruf vorzunehmen.

Abg. Brestel. Dagegen muß ich mich verwahren.

Abg. Borrosch. Ich ebenfalls.

Abg. Fischhof. Meine Herren! Wir haben eben erklärt, daß wir keinem Abgeordneten einen moralischen Zwang auferlegen wollen.

Abg. Borrosch. Dieß wäre schon ein moralischer Zwang. (Ruf: keine namentliche Zählung.)

Vice-Präs. Die Herren Schriftführer werden die Zählung vornehmen, und ich bitte daher die Herren Abgeordneten, sich nicht von ihren Plätzen zu entfernen.

Abg. Skoda. Ich bemerke nur noch, daß im permanenten Ausschusse sich mehrere Herren befinden, die auch mitgezählt werden müssen.

Abg. Turco. Ich füge nur noch bei, daß bei der Verschiedenheit der Provinzen für manchen Abgeordneten eine Frist von vierzehn Tagen nothwendig seyn wird. Ich mache auf einen praktischen Fall aufmerksam. Der Abg. Pretis aus Südtirol ist abwesend. Bevor er die Nachricht erhält, vergehen fünf Tage, und fünf Tage braucht er zur Herreise; es ist daher kaum möglich, daß er vor 14 Tagen hier sei.

Abg. Podlewski. Auch aus Galizien sind Manche abwesend, und diese brauchen zur Herreise allein schon zehn Tage.

Abg. Fedorowicz. Meine Herren! ich halte es für die heiligste Pflicht eines jeden Abgeordneten, in diesem Augenblicke kein Wort fallen zu lassen, welches nicht absolut nöthig ist. Eben deßhalb aber muß ich bemerken, jeder Abgeordnete hat Pflichten in doppelter Hinsicht: er hat Pflichten gegen sein Gewissen, Pflichten gegen seinen Gott. Diese sind für ihn die höchsten. Dann hat er Pflichten gegen seine Committenten, und gesetzt den Fall, daß meine Committenten die Meinung äußern würden, daß ich nicht in ihrem Sinne handle, oder dieses meinem Gewissen zuwider wäre, so würde mir nichts anderes übrig bleiben, als die Wahl niederzulegen.

Das werden Sie mir doch zugestehen? Mehr sage ich nicht in diesem Augenblicke, behalte mir aber vor, nöthigenfalls es zu sagen.

Abg. Dylewski. Ich beharre bei meinem Worte und bitte, meine Herren, vor allem von diesem Verbesserungsantrage, sowie auch von der übergroßen Sorgfalt abzugehen und die Sachen in dieser Stylisirung zu belassen, wie sie Abg. Borrosch verfaßt hat; ich versichere, das ist der gewöhnliche Gebrauch, und es versteht sich, wenn ein Abgeordneter oder irgend Jemand dieß erfährt, so wird er dieß verstehen, und sollte er es nicht verstehen, so werden wir dann berathen, was zu thun ist.

Es ist kein Zweifel, daß jeder, der um Urlaub gebeten hat, dringender Gründe halber darum gebeten hat; gar Strenge beizusetzen, wäre nicht würdig, und zweitens nicht ersprießlich.

Ich glaube, in dem Antrage des Abg. Borrosch ist alles begriffen, und wir sollen diesen Punct ohne alle Abänderung so annehmen, wie er aufgesetzt ist.

Abg. Selinger. Nach den Bemerkungen des Herrn Vorredners will ich mich auch dem Antrage des Abg. Borrosch anschließen, obwohl es mir schien, daß die Festsetzung eines bestimmten Termines auch eine Art moralischen Zwang enthalte.

Abg. Zöpfel. Es könnte jedem Abgeordneten, dem es unmöglich ist in vierzehn Tagen einzutreffen, angedeutet werden, daß er durch die begründete Darstellung der Hindernisse sich entschuldigen könne. Aber dieß vorausgeschickt, sage ich offen, es muß ein bestimmter Termin festgesetzt werden, binnen welchem die Herren zurückkommen müssen, welcher es


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