Vice-Präs. Als fünfte Art der Kundmachung erübriget noch der Antrag des Abg. Ziemialkowski, die Proclamation sämmtlichen General-Commanden zu übersenden, mit dem Auftrage, daß sie mittelst Tagsbefehl dem Militär kundgegeben werde. (Wird angenommen.)
Vice-Präs. Auf diese Art werden mehrere der Anträge entfallen, nämlich der des Abg. Schuselka, der des Abg. Doliak und des Abg. Haßlwanter, nur wegen der Anzahl der Exemplare wären sie noch zur Abstimmung zu bringen. Der Antrag des Abg. Kutschera ist auch erledigt durch die gefaßten Beschlüsse, er lautet: "Nicht nur von dieser Proclamation, sondern von allen weitern Proclamationen, die der hohe Reichstag beschließt, sind an die Herren Abgeordneten eine hinreichende Anzahl zur Weiterbeförderung an ihre Committenten mitzutheilen."
Ein Abg. Ich glaube, wir sollen dieß von Fall zu Fall erledigen, es werden viele Proclamationen erlassen werden, die nur für Wien interessant und nicht von solchem Gewichte sind, daß wir sie allgemein verbreiten sollen.
Abg. Borrosch. Es handelt sich nur um die Anzahl der Exemplare. Ich z. B. brauche für Prag gar keine, weil dort diese Proclamation in die Zeitung kommt, und überdieß an den Straßenecken angeschlagen wird; eben so brauchen auch die 15 Herren Abgeordneten für Wien keine Exemplare, es handelt sich hier nicht um die Kosten (dieß wäre das Wenigste), sondern um die Zeit.
Vice-Präs. Ich werde vor der Hand den Antrag des Abg. Kutschera zur Unterstützung bringen. (Wird unterstützt. — Ruf: Nur die wichtigsten.) Es ist auch der Antrag des Abg. Krainski so wie auch der Antrag des Abg. Geier erledigt, es bleibt nur noch die Frage zu erledigen, in Bezug auf die gewünschte Anzahl.
Ein Abgeordneter trägt 20, und der Abg. Haßlwanter trägt auf 100 an. (Ruf: 40 wären genug.)
Abg. Doliak. Ich habe 40 Exemplare in Antrag gebracht, der Antrag des Abg. Borrosch enthält das schon in sich, nach Bedarf.
Ein Abg. Ich ziehe meinen Antrag zurück, indem z. B. für Tirol gegen 100 nöthig wären, wenn es nach Bedarf geht.
Abg. Borrosch. Es ist jeder Abg. aufzufordern, seinen Bedarf anzugeben, und man soll dann in mehreren Schnellpressen die erforderlichen Exemplare drucken lassen.
Vice-Präs. Abg. Borrosch beantragt nur die Auslieferung der Exemplare nach Bedarf, einige Herren wollen eine bestimmte Anzahl. Ich werde bitten, diejenigen Herren, welche dafür sind, daß nach Bedarf die Vertheilung geschehe, wollen es durch Aufstehen kund geben. (Angenommen.)
Abg. Füster. Ich bitte um das Wort.
Vice-Präs. Sogleich, ich werde nur die Anträge ordnen.
Abg. Füster. Es ist der Herr Abg. Mayer unser Obmann, der Obmann des Ausschusses für Sicherheit und Ordnung; er hat einen dreitägigen Urlaub erhalten. Ich bitte daher das hohe Haus, einen Ersatzmann zu wählen, statt seiner. Der Abg. Mayer hat mir gesagt, daß ich proponiren soll den Herrn Abg. Szábel. (Ja, ja.) Ich habe dabei noch eine Bitte. Es häufen sich die Geschäfte so sehr, und es sind zwei Herren unpäßlich, wenn vielleicht das hohe Haus bestimmen möchte, daß noch drei oder vier Abgeordnete uns zugegeben würden, damit wir die Geschäfte leichter versehen könnten, und ich proponire dazu die Abg. Szábel, Kudlich, Bilinski.
Vice-Präs. Der Abg. Haimerl hat den Antrag gestellt, daß heute die Permanenz aufgehoben und bloß der permanente Ausschuß verstärkt werde, so, daß sich die Hälfte den nöthigen Arbeiten unterziehen, und die andere Hälfte ruhen könnte, und daß morgen die Sitzung um 9 Uhr stattfinden soll. Ich glaube, daß durch diesen Antrag die vorige Frage erledigt werden könnte.
Abg. Umlauft. Ich bitte um das Wort.
Vice-Präs. Ueber diesen Gegenstand?
Abg. Umlauft. Ja, in Bezug auf den laufenden Gegenstand. In Anbetracht der Dringlichkeit der Umstände und der so sehr gehäuften Geschäfte, welche fortwährend 10 Personen in Athem erhalten, trage ich an, daß die Mitglieder-Anzahl für die Zeit, als der Reichstag nicht permanent sitzt, durch zehn Mitglieder verstärkt werde.
Vice-Präs. Verlangt noch Jemand das Wort in dieser Angelegenheit? Vielleicht dürfte die hohe Reichsversammlung einverstanden seyn, über den ganzen Antrag zu debattiren, nicht bloß über die Verstärkung des ganzen Ausschusses, sondern auch über die Aufhebung der Permanenz für heute Nacht.
Abg. Langie. Es haben uns die gestrigen Vorfälle bewiesen, wie schwer es ist, die Abgeordneten in einem wichtigen Augenblicke zu sammeln, und ich glaube, jeder von uns fühlt diese Nothwendigkeit, daß wir gestern je eher je lieber zur Berathung in der Reichsversammlung zusammengekommen wären. Wir sind als Volksvertreter verpflichtet, an diesem unserm Platze immer zu seyn und auszuharren. Wir sollen es um so viel mehr dann, wenn außerordentliche Ereignisse die Volksfreiheit bedrängen, die wir zu wahren und zu kräftigen übernommen haben. Ich würde mir daher den Antrag erlauben, es habe als Regel ein für allemal zu gelten, so lange diese außerordentlichen Zustände dauern, daß, wenn die Volksversammlung hier nicht tagt, auf jeden in der Stadt vernehmbaren Allarmschlag die Deputirten in der Reichsversammlung zu erscheinen verpflichtet seien, ohne eine Aufforderung vom Präsidium dießfalls abzuwarten, die gewöhnlich in solchen Augenblicken unmöglich ist.
Vice-Präs. Ich glaube, das ist ein abgesonderter Antrag.
Abg. Langie. Er schließt sich an den frühern an, ob die Reichstags-Permanenz aufgehoben werde, und morgen 9 Uhr sich wieder versammle. Es ist ein Verbesserungsantrag.
Abg. Paul. Der Allarm wird in einzelnen Bezirken der Vorstadt, und oft nur wegen Katzenmusik geschlagen, dieses Zeichen dürfte keineswegs als eine Aufforderung gelten, hier zusammen zu kommen.
Abg. Langie. Ich glaube, das Allarmzeichen der Vorstädte ist hier nicht vernehmbar, ich sprach vom Allarmschlag in der Stadt selbst, — und dann halte ich den Augenblick für viel zu ernst, als daß ich der Gesinnung der Wiener Bevölkerung zumuthen könnte, daß sie sich jetzt mit Katzenmusiken belustigen wollte. Ich erachte daher meinen Antrag für zweckmäßig, und beharre dabei. (Beifall). So wie das Allarmzeichen die Nationalgarde zu den Waffen, auf ihren Posten ruft, so sei es auch für uns ein Zeichen, zu unsern Waffen, zur gewissenhaften Berathung zu eilen, denn hier ist unser Posten. (Allgemeiner Beifall.)
Abg. Kudlich. Meine Herren! Ich muß mich überhaupt gegen den Antrag des Abg. Haimerl aussprechen, weil die Umstände seit gestern nicht so freundlich geworden sind, um nach Hause gehen zu können; sie sind noch gefahrdrohender. Wenn das Volk auf dem Pflaster schläft, so können auch wir auf den Bänken ruhen; und wenn nur wenige Herren hier bleiben, so soll die Permanenz nicht aufgehoben werden, und wenn auch nur 20 Herren da bleiben, um in gefährlichen Fällen auf dem Platze zu seyn.
Abg. Borrosch. Zu diesem Behufe ist eben die permanente Commission ernannt; aber es bedarf der genügenden Anzahl von Reichstags-Mitgliedern, wenn eigentliche Beschlüsse sollen giltig gefaßt werden können. Die Berufung auf das auf dem Pflaster übernachtende Volk scheint mir nicht ganz zu passen. Wir, wenigstens der größte Theil von uns, sind nicht so abgehärtete Männer; überhaupt haben wir auch für uns in die Wagschale zu legen die stete Geistesanspannung und die Gemüthsaufregung. Wir bedürfen durchaus einer körperlichen Erholung, um mit Energie unsere Pflicht erfüllen zu können. Wir waren von gestern Früh bis heute 5 Uhr Morgens in ununterbrochener Thätigkeit. Ich würde —
Ein Abg. So eben berichtet ein Oberlieutenant der Nationalgarde, daß das Militär, welches in der Vorstadt Wieden aufgestellt ist, einige Excesse verübt, den Vorübergehenden die Gewehre weggenommen, und einige Läden mit Victualien geplündert habe. Das ist die Aussage des Oberlieutenants und ein Akademiker hat gesagt, daß auch schon geschossen werde.
Abg. Zimmer. Die drohende Stellung, welche Graf Auersperg mit dem Militär auf dem Belvedere und im Schwarzenberggarten einnimmt, die Verwundungen vorübergehender Civilisten, dann die Hemmung der Communication auf der Südbahn rufen eine Erbitterung hervor, so zwar, daß Excesse zu befürchten sind.
Ich glaube, der Reichstag sollte beschließen, das Ministerium zu ersuchen, an den Grafen Auersperg den Befehl ergehen zu lassen, seine drohende Haltung am Belvedere und Schwarzenbergi'schen Palais aufzuheben, und die Truppen entweder in die Standquartiere zu verlegen, oder aus der Stadt zurückzuziehen.
Abg. Borrosch. Ich beantrage, daß der dritte Theil der Mitglieder auf je 8 Stunden sich entfernen dürfe, und immer je zwei Drittheile anwesend bleiben sollen; so werden alle Zwecke, glaube ich, vollkommen erreicht.
Abg. Kudlich. Ich habe nur das Bedenken gegen den früheren Antrag, daß der permanente Ausschuß allein hinreichend sei, allen Gefahren hier zu steuern und vorzubeugen, weil die permanente Commission doch immer an den Reichstag appelliren muß, und der permanente Ausschuß keine Reichstags-Beschlüsse fassen kann, die in manchen wichtigen Augenblicken nothwendig seyn dürften.
Vice-Präs. Wünschen der Herr Antragsteller noch das letzte Wort?
Abg. Haimerl. Ich habe nichts weiter hinzuzufügen, als zu bitten, daß die Unterstützungsfrage gestellt werde.
Vice-Präs. Es liegt der Hauptantrag des Abg. Haimerl vor, welcher lautet: daß heute die Permanenz aufgehoben, und bloß der permanente Ausschuß verstärkt werden soll, so daß die Hälfte den Reichstagsarbeiten sich unterziehen, und die andere Hälfte ruhen könnte, und dann, daß eine Sitzung morgen um 9 Uhr anberaumt werden soll. Wird dieser Antrag unterstützt? (Unterstützt.)
Zu diesem Hauptantrage liegt eine nähere Bestimmung von Seite des Abg. Umlauft vor, der beantragt, daß dieser permanente Ausschuß durch zehn Mitglieder verstärkt werden soll. Endlich liegt hier der Antrag des Abg. Langie, welcher lautet: So lange die gegenwärtigen außerordentlichen Zustände dauern, hat es als Regel für alle Abgeordneten des Reichstages zu gelten, daß auf jeden in der Stadt vernehmbaren Allarmschlag die Mitglieder des Reichstags in den Reichstagssaal sich zu begeben verpflichtet sind, ohne eine besondere Einladung von Seite des Vorstandes abzuwarten. Es steht dieser Antrag in Verbindung mit dem Hauptantrage, da allerdings in Folge eines Allarmschlages früher eine Sitzung eintreten könnte, als morgen um 9 Uhr. Ich werde einstweilen in Bezug auf den Antrag der Abg. Umlauft und Langie die Unterstützungsfrage stellen. (Der Antrag der Abg. Umlauft und Langie wird unterstützt.)
Der Antrag des Abg. Borrosch lautet: daß die Permanenz des Reichstags in der Art fortdauern soll, daß ein Drittel der Mitgliederzahl auf je 8 Stunden sich nach Hause begeben könne. Die Permanenz ist für beschlußfähig erklärt, ein Namen- und Stundenregister ist der nöthigen Ordnung halber unerläßlich zu führen. (Wird unterstützt.)
Der Antrag des Abg. Haimerl zerfällt in zwei Theile, nämlich erstens: daß die Permanenz für heute Nacht aufgehoben erklärt werde; der andere Theil: damit der permanente Ausschuß verstärkt werde. Zum ersten Theile ist eine Art Zusatzantrag vom Abg. Langie da, welcher wünscht, daß, für den Fall die Permanenz hier aufgehoben werde, dennoch als Regel gelten solle, daß, so lange die gegenwärtigen außerordentlichen Umstände dauern, auf jeden in der Stadt vernehmbaren Allarmschlag die Mitglieder des Reichstages in die Reichstagskammer sich zu begeben verpflichtet seien, ohne erst eine Einladung von Seite des Reichstagsvorstandes abzuwarten. — In Bezug auf die gewünschte Verstärkung des Ausschusses liegt ein besonderer, der Antrag des Abg. Umlauft vor, nämlich, daß er durch 10 Mitglieder verstärkt werde. Der Abg. Borrosch macht einen Verbesserungsantrag in Bezug auf die gewünschte Aufhebung der Permanenz, nämlich daß, wenn die Permanenz in besonderer Form beantragt werde, ein Drittel-Theil der Mitglieder sich nach Hause begeben könne. Ich glaube den Antrag des Abg. Borrosch zuerst zur Abstimmung zu bringen, weil er den Antrag des Abg. Haimerl theilweise aufhebt. (Nachdem gegen diese Stellung der Frageordnung nichts eingewendet ist, wird dieser Antrag nochmals gelesen, und bei der Abstimmung verworfen.)
Vice-Präs. Er blieb in der Minorität, wodurch auch der zweite Theil des Antrages entfällt.
Nun kommt der Hauptantrag des Abg. Haimerl zur Abstimmung, nämlich: daß für die heutige Nacht die Permanenz als aufgehoben erklärt werde, unter der weiteren Bedingung, daß der permanente Ausschuß verstärkt werde. (Bei der Abstimmung blieb der erste Satz in der Minorität, wodurch auch der zweite Satz entfiel.)
Vice-Präs. Bezüglich auf den Grundsatz werde ich den Antrag des Abg. Langie nochmals lesen, und zur Abstimmung bringen. (Wird angenommen.)
Ich glaube, daß jetzt über den Antrag des Abg. Umlauft nicht abzustimmen seyn wird.
Abg. Jonak. Im Falle Herr Umlauft seinen Antrag zurückziehen würde, möchte ich ihn aufnehmen, denn aus Rücksicht für die Anstrengungen der Commission, die beinahe die Kräfte ihrer Mitglieder erschöpft haben, ist es äußerst nothwendig, daß man ihr Kräfte zuführe.
Vice-Präs. Der Antrag lautet: daß die jetzt bestehende Anzahl der Commissions-Glieder mit noch 10 vermehrt werde. Ich finde hier einen Antrag, worin zu Mitgliedern vorgeschlagen werden die Herren: Kautschitsch, Ambrosch, Haimerl, Jonak, Smarzewski, Kudlich, Prato, Catinelli, Szábel.
Jonak. Meine Herren, ich bin wirklich so unwohl, daß ich hier nur aus Pflichtgefühl sitze, und dringend einer Erholung bedarf. Ich bitte, mich für heute zu entheben, morgen bin ich bereit.
Vice-Präs. Der Name des Herrn Jonak kann jedenfalls auf der Liste verbleiben, denn es ist ohnedieß nicht nöthig, daß zu einem Beschlüsse alle 20 Mitglieder anwesend sind. Es liegt mir ein Antrag des Abg. Zimmer vor, welcher lautet: "Der hohe Reichstag wolle das Ministerium ersuchen, an den Grafen Auersperg den Befehl ergehen zu lassen, daß er die drohende Haltung am Belvedere und im Schwarzenberggarten aufgebe, und die Truppen nach einem anderen Punkte zu verlegen, oder aus der Stadt zu ziehen."
Abg. Ambrosch. Ich muß bemerken, daß ich in der Stadt keine Truppen gefunden habe, selbst aus der Salzkries-Kaserne sind die dort stationirten Truppen um 1l Uhr abgezogen.
Abg. Jonak. Ich muß mich gegen die Form dieses Antrages aussprechen. Wenn der Reichstag jetzt diesen Beschluß fassen will, so muß er consequent den früheren Verfügungen an die Commission gehen, indem die Commission über die Lokalverhältnisse und Umstände besser informirt seyn kann, als wir, und entsprechende Anträge machen kann. Uebrigens habe ich noch weiter zu bemerken, daß mir nicht räthlich scheint, daß der Reichstag das Ministerium ersuchen soll. Soll das Ministerium handeln, und verantwortlich seyn, so möge es aus eigener Machtvollkommenheit handeln. Ich glaube, daß, wenn wir das Ministerium ersuchen, das nicht die richtige Position eines verantwortlichen Ministers ist.
Abg. Umlauft. Ich muß in der gegenwärtigen Lage die Bemerkung des Abg. Jonak unterstützen. Wir haben die Commission zusammengesetzt, damit sie jene Maßregeln treffe, welche für die Wiederherstellung der Ruhe und Ordnung nothwendig sind, es ist also die Bedingung der Commission, im Einverständnisse mit dem Ministerium seine Beschlüsse auszuführen. Es wird von größerem Gewichte seyn, für die Maßregeln selbst, daß sie vom Ministesterium ausgehen. Wenn der Commandant des Militärs, das sich in Wien befindet, wenn dieser etwa den Befehlen des Ministeriums nicht Folge leisten würde, dann würde das seine Stellung auf solche Weise charakterisiren, und dann müßte es der National-Versammlung überlassen werden, darüber einen Beschluß zu fassen. Ich bitte daher, das Ministerium selbst handeln zu lassen, und den Commandanten aufzufordern, sich seinen Befehlen zu unterstellen.
Abg. Scholl. Ich muß mich um so mehr dem Antrage des Redners vor mir anschließen, als heute schon die Kammer Gelegenheit hatte, dem Ministerium ihr Vertrauen auszusprechen, und dieses in der Proclamation ausgedrückt ist; es würde das Gegentheil ein Mißtrauen gegen das Ministerium zeigen, und die Kammer mit sich selbst in Widerspruch kommen.
Ein Abg. Ich unterstütze auch die Ansicht, daß wir diesen Antrag an die Commission weisen müssen, da nur sie die Verhältnisse kennt, und wir sonst in die Lage kommen könnten, über etwas abzustimmen, was wir nicht wissen.
Vice-Präs. Wenn Niemand mehr zu sprechen wünscht, werde ich den Antrag des Abg. Jonak, den Antrag des Abg. Zimmer an die Commission zu verweisen, zur Abstimmung bringen. Diejenigen Herren, welche dafür sind, daß der Antrag des Abg. Zimmer an die Commission verwiesen werde, wollen es durch Aufstehen kund geben. (Angenommen.) Nachdem nur einer der Herrn Secretäre anwesend ist, so werde ich bitten, einer der Herren möge diesen Antrag an die Commission übergeben.
Abg. Umlauft. Ich glaube, diesen Auftrag dürfte am besten der Herr Abg. Zimmer ausführen.
Abg. Zimmer. Ich werde warten, bis die Herren Minister Zeit haben.
Vice-Präs. Ich werde mir jetzt erlauben, einen Antrag des Abg. Umlauft vorzulesen: "Der Reichstag beauftragt den Constitutions-Ausschuß, mit Zuhilfenahme des beim Ministerium des Innern bereits fertig liegenden Nationalgarde-Gesetzes, dem Reichstage den Entwurf eines Nationalgarde-Gesetzes vorzulegen, und er beschließt, dieses Gesetz sogleich nach geschehener Vorlage in Berathung zu nehmen.
Abg. Umlauft. Ich erlaube mir, Ihr Interesse für den besonders in den gegenwärtigen Umständen so hochwichtigen Gegenstand in Anspruch zu nehmen. Es ist vielfach ausgesprochen worden, wie nothwendig es ist, ein definitives Gesetz für die Nationalgarde zu erhalten; es sind vielfache Klagen hier vorgekommen, es ist aus allen Provinzen nahmhaft gemacht worden, welche Uebelstände daraus hervorgehen, daß die Nationalgarde fruchtlos um ein Nationalgarde-Gesetz bittet, besonders hier in Wien hat sich dieß als ein unersetzlicher Verlust herausgestellt.
Meine Herren, es wird davon abhängen, jene Ordnung und Sicherheit dadurch zu gewinnen, welche unumgänglich nothwendig ist. Ich habe einige Mal schon den Herrn Minister des Innern ersucht, den Entwurf des Nationalgarde-Gesetzes hier vorzulegen, und er sagte, daß nur die Aeußerung des Verwaltungsrathes, zu welchem das schon fertige Nationalgarde-Gesetz zur Revision zurückgeleitet worden ist, abgewartet werde, um es dann dem Reichstag vorzulegen. Der Entwurf dieses Gesetzes ist also schon fertig, und ich glaube, daß in den Ressort jenes Ausschusses, welchen wir zur Entwerfung der Constitution gewählt haben, auch das Nationalgarde-Gesetz gehöre, und daß uns von diesem nach 36 Stunden die Revision dieses Gesetzes vorgelegt werde (Ruf: Oho), oder es doch in einem möglichst kurzen Zeitraume einzubringen wäre. Ich bitte dringend, das nicht zu übersehen, und zu bestimmen, daß uns möglichst bald dieser Gesetzentwurf vorgelegt werde, damit die Kammer gleich in Berathung über diesen wichtigen Gegenstand eingehen könne. Meine Herren, es hängt viel von diesem Gesetze ab; wer practisch die Lage und Verhältnisse der Nationalgarde kennt, der wird einsehen, wie wichtig dieß Nationalgarde-Gesetz ist.
Minister Krauß. Ich theile vollkommen die Ansicht des Abg. Umlauft über die große Wichtigkeit und äußerste Dringlichkeit eines neuen Nationalgarde-Gesetzes, ich halte mich aber verpflichtet, anzuzeigen, in welchem Stande sich die Verhandlung darüber befindet. Es nehmen an der Verhandlung mehrere Ministerien Theil, und zwar die des Innern, der Justiz, des Krieges und zum Theil auch der Finanzen. Nun ist zur Berathung eine Commission zusammengestellt worden; nachdem sich nämlich über einige Absätze des entworfenen Nationalgarde-Gesetzes Anstände ergeben haben, wurde beschlossen, eine Commission aus Gliedern dieser Ministerien zusammenzusetzen. Diese Commission hat ihr Geschäft bereits angefangen, jedoch noch nicht beendet. Ich werde es mir angelegen seyn lassen, den Gang zu beschleunigen, doch ist der Gegenstand zu wichtig, um nach Tagen oder Stunden im Vorhinein zu bestimmen, wann, die Berathung zu Ende seyn wird, denn es kommt nicht bloß darauf an, daß das Gesetz bald erlassen, sondern, da die ganze Zukunft des Staates daran liegt, daß es zweckmäßig erlassen werde. Ich werde vielleicht morgen in der Lage seyn, der Versammlung anzuzeigen, wann die Vorlage erfolgen könne. (Bravo.) Ja, es ist äußerst dringend.
Abg. Jonak. Meine Herren, wir kommen hier in eine Collision zwischen der Dringlichkeit, mit welcher ein solches Nationalgarde-Gesetz von der Garde selbst gefordert wird, und den bleiernen Schwingen der Zeit, die sich am Ende nicht ausdehnen können. Die Dringlichkeit wird um so größer, wenn wir bedenken, (davon habe ich und auch Sie, meine Herren, sich durch mannigfache Aeußerungen der Garde Wien's überzeugt), daß es zuerst von der Garde Wiens abhangen wird, ob es eine Wahrheit oder Lüge seyn soll, daß ein großes Stück Völkerfreiheit verloren gehen soll. Andererseits muß ich gestehen, daß eben die Wichtigkeit eines Garde-Gesetzes erfordert, daß es für eine lange Zukunft ausreiche, daß es nicht einer steten Umänderung unterliege. Ich glaube, daß Sich davon um so mehr überzeugt sind, als das Institut der Nationalgarde gleich im vorhinein, wenn es zur Erlassung des definitiven Gesetzes kommt, eine feste Reglung erhalten soll. Ich will wohl glauben, meine Herren, daß wir bei dieser dringenden Frage vielleicht von der allzu scrupulosen und allzu genauen Debatte, womit wir bisher die Verhandlungen geführt haben, abgehen würden, und schneller berathen würden, ich weiß aber nicht, ob gründlich genug berathen und schnell genug für die Umstände bei einem Gesetze, welches nicht anders als aus 100 bis 150 Paragraphen bestehen kann; deßhalb um diese beiden Interessen zu vereinigen, und mit Rücksicht auf das, was der Herr Minister Krauß so eben vorgebracht hat, würde ich den Antrag des Abg. Umlauft dahin abändern: "Das Ministerium ist aufzufordern, in kürzester Frist ein provisorisches Nationalgarde-Gesetz zu erlassen." Dann bleibt es uns noch immer übrig, in nach Zeit es zu verbessern.
Abg. Borrosch. Ein Nationalgarde-Gesetz können wir jetzt unmöglich definitiv erlassen, es schlägt wesentlich mit in die Gemeindeordnung ein, und so lange die Gemeinde-Verfassung, so lange die Constitutions-Urkunde nicht bearbeitet ist, wovon die Volkswehr mit einen wesentlichen Bestandtheil bildet, können wir unmöglich derartige definitive Gesetze erlassen, ohne sie nicht hintendrein zurück-, oder Verbesserungen vornehmen zu müssen, die das Ganze selbst zu einem chaotischen Durcheinander, statt zu einem organischen Ganzen gestalten. Weil aber wegen Dringlichkeit der Gefahr alsogleich ein Reglement erlassen werden muß, so frage ich die Herrn Minister, ob nicht auch hier jenes provisorische Nationalgarde-Gesetz erlassen werde, welches schon im April für Böhmen bestand? (Ruf: Ja!) Es ließe sich also an dieses Alles dasjenige anreihen, was sich durch die bisherige Erfahrung als höchst zweckmäßig bewährt hat, und ich dächte, da könnten wir den Antrag hier erst der Berathung des Constitutions-Ausschusses für 36 Stunden zuweisen. Da bitte ich aber zu bedenken, daß wir nicht zugleich hier in Permanenz und in den Ausschüssen sitzen können, auch würde die zu einer giltigen Majorität erforderliche Mitglieder-Anzahl in den Ausschüssen in diesem Augenblicke zu gering seyn. Wir selber müssen zu diesem Behufe aus uns eine kleine Commission ernennen, die binnen 36 Stunden, statt vorzuberathen, gleich unmittelbar das Nöthige erlassen muß, was binnen wenigen Stunden geschehen kann.
Abg. Umlauft. Ich habe nur noch zweierlei zu berühren. Erstens verwahre ich mich gegen den Vorwurf, einen unbesonnenen Antrag in die Kammer gebracht zu haben. Ich kann die hohe Kammer versichern, daß es der 14. August war, an welchem der Herr Minister des Innern hier das Versprechen gab, binnen wenigen Tagen bereits das Nationalgarde-Gesetz im Entwürfe vorlegen zu können. Ich habe mich aus dem stenographischen Protokolle über das Datum überzeugt. Ich glaube also, daß es von mir keine zu sanguinische Voraussetzung war, wenn ich annahm, daß in der Zeit vom 14. August bis 7. October das Nationalgarde-Gesetz im Entwurfe hätte reif werden können, und daß ich mit vollem Fuge hoffen durfte, es so zu finden, daß eine Revision in kürzester Zeit möglich sei. So viel zu meiner Rechtfertigung. Was aber den Antrag anbelangt, ein neuerliches provisorisches Gesetz an die Nationalgarde zu erlassen, so würde ich mich mit aller Kraft unbedingt dagegen aussprechen. Ich habe so vielfältige Klagen und Verwahrungen der Chefs und Officiere der Nationalgarde gehört, baß ein solches provisorisches Gesetz, wovon ja eines bereits existirt, abermals die Zersplitterung und Nichtachtung der Nationalgarde zur Folge hätte.
Abg. Borrosch. Ich bedauere, dem Herrn Abgeordneten bemerken zu müssen, daß das wie eine Art Vorwurf gegen das Ministerium klingt. (Nein, Nein!) Ich fühle mich nicht berufen, gerade das Ministerium irgend hier zu vertreten, denn ich bin Volksvertreter; ich will aber nur bemerken, daß, wenigstens so viel ich weiß, wir die ganze Zeit über im Reichstage nicht müßig waren, und dem Ministerium wahrlich auch keine Zeit gelassen haben, müßig zu seyn. Es träfe hier das Ministerium ganz derselbe unbillige Vorwurf, wie hinsichtlich der Steuerumänderung bei der Budget-Debatte. Das Ministerium kann uns eben so wenig ein Nationalgarde-Gesetz vorlegen, auch dieses werden wir abfassen müssen, und ich erlaube mir nur auf einige Punkte aufmerksam zu machen. Die Ausdehnung des Begriffes Bürgerwehr wird gewiß eine weit größere werden, als man sie irgend in früherer Zeit bei einem Nationalgarde-Gesetze sich dachte. Wie viel an Kosten die Gemeinde als solche dazu wird beitragen müssen, ist eine noch nicht entscheidbare Frage, denn da muß die Gemeinde-Verfassung erst vorliegen, und überhaupt die Scheidung zwischen Staatshaushalt und Gemeindehaushalt. So müßte z. B. nach meiner innigsten Ueberzeugung in einem guten Nationalgarde-Gesetze seitens der Gemeinde, — wo sie nicht zureicht, seitens des Bezirkes, und endlich seitens der Provinz oder das Gouvernements die Pflicht eingegangen seyn, daß Jeder, der im Dienste als Nationalgarde als Opfer seiner Pflichttreue fällt, oder verstümmelt wird, zur vollkommenen Entschädigung bezüglich seines Lebens-Unterhaltes und jenes seiner Familie gerechte Ansprüche an die Gemeinde, an den Bezirk oder an die Provinz habe. Ich erachte dieß für eine moralische Pflicht der Gesammtheit, und eine unerläßliche Bedingung, daß der edle Eifer der Hingebung Einzelner Allen sich mittheile. Es sind noch viele Punkte, womit ich jetzt nicht die hohe Versammlung behelligen will, worin wir aber nicht vorgreifen können, schon deßhalb nicht, weil die Constitutions-Urkunde und die Gemeindeverfassung so wesentlichen Einfluß darauf nehmen. Ich verbleibe also dabei, daß für Alles, was jetzt dringend nöthig ist, insbesondere aus dem Gesichtspunkte des Dienstes, ein provisorisches Reglement in kürzester Zeit zu erlassen sei.
Abg. Jonak. Ich wollte nur bemerken, daß ein großer Unterschied zwischen einem nicht auf Erfahrungen basirten, also unzweckmäßigen Nationalgarde-Gesetz ist, und zwischen einem, wozu wenigstens die Erfahrung einiger Monate die vorzüglichsten Anhaltspunkte gegeben hat; ich besorge keineswegs, daß vielleicht einem solchen neu verbesserten oder guten provisorischen Nationalgarde-Gesetze von Seite des Bezirks-Commandanten begegnet werde — ich besorge dieß um so weniger, als gerade jetzt die Reichsversammlung selbst in Folge meines Amendements das Ministerium auffordern solle, dieses Gesetz zu erlassen, und zugleich in unserer Debatte die Nationalgarde Anhaltspunkte genug finden wird, um ein solches neues, wenn auch nur provisorisches Nationalgarde-Gesetz mit einiger Ruhe entgegen zu nehmen, um so mehr, als wir zugleich das Versprechen hier geben können und wollen, wenn wir andere eben so dringende Arbeiten abgefertigt haben, daß wir dann das Nationalgarde-Gesetz mit ruhiger Ueberlegung, und zwar nicht erst in 6 Monaten, wie dieses bisher der Fall war, erlassen werden.
Abg. Hagenauer. Da es sich aus der Debatte ergibt, daß der Antrag des Abg. Umlauft auf einer Voraussetzung beruht, und bereits eine Ausarbeitung vorliegt, und da es sich ferner aus der Debatte ergibt, daß das Amendement des Abg. Jonak bereits durch das Versprechen des Finanzministers erledigt ist, so erlaube ich mir, über diesen Gegenstand die motivirte Tagesordnung anzutragen. (Wird unterstützt und angenommen.)
Vice-Präs. Es liegt ein Antrag des Abg. Sierakowski vor, lautend: "Die hohe Reichsversammlung beschließt:
1. Eine Proclamation an die Armee zu erlassen.
2. Eine aus 5 Mitgliedern des Reichstags bestehende Commission wird von der hohen Reichsversammlung beauftragt werden, diese Proclamation an die Armee zu erlassen.
3. Die Capitulationszeit soll auf 3 Jahre festgesetzt werden.
4. Die Körperstrafen sind auf der Stelle beim Militär abzuschaffen.
5. Die Regiments-Inhabungen sollen aufgehoben werden.
6. Die Beförderungen sollen künftighin bloß nach Verdienst und Fähigkeiten stattfinden."
Vice-Präs. Wünscht der Herr Abgeordnete seinen Antrag zu begründen?
Abg. Sierakowski. Ich will die Aufmerksamkeit der hohen Versammlung nur auf folgende Punkte richten. Die von den Wienern uns erkämpften Errungenschaften haben schon einem Jeden von uns vielen Gewinn gebracht. Die Unterthanen sind freie Bürger geworden; der Jude ist von der Religions-Steuer befreit worden; für das Militär ist aber bis heute noch nichts geschehen, und dieß ist gerade von der größten Wichtigkeit, für dasselbe zu sorgen, daß es eben so gut daran wie der Bürger sei.
Abg. Prato. Ich würde den Antrag auf Trennung des Antrages stellen, der aus so vielen Punkten besteht.
Abg. Borrosch. Ich bemerke nur, daß, so lange wir keinen Kriegsminister haben, überhaupt ein solches Gesetz durchaus nicht auf die Tagesordnung gehört.
Abg. Podlewski. Ich stelle den Antrag, zur Tagesordnung überzugehen.
Abg. Umlauft. Ich habe nur gegen die Bemerkung des Herrn Borrosch zu sagen, daß wir allerdings keinen nominellen Kriegsminister haben, daß aber durch Beschluß der Kammer ausgesprochen worden ist, daß die gegenwärtig fungirenden Minister sämmtliche Portefeuilles zu versehen haben, daß wir also einen Kriegsminister haben.
Abg. Fedorowicz. Es ist vor einigen Minuten über das Gesetz für die Bürgerwehr der Beschluß gefaßt worden, daß man ein so wichtiges Gesetz in diesem Augenblick nicht vorbringen könne, daß es in die Constitution gehöre; ich bemerke, daß die Militärgesetze ebenfalls für einen Theil der Wehre des Landes gehören, und daß wir über einen einfach gestellten Antrag in so kurzer Zeit und ohne Vorlage ein so wichtiges Gesetz nicht abfassen können. Ich unterstütze daher den Antrag, zur Tagesordnung überzugehen.
Abg. Skoda. In einem constitutionellen Staate mit demokratischen Tendenzen ist vor allem andern eine Wehrverfassung nöthig, und zwar benöthigt es dazu eines Fundamental-Gesetzes für die Wehr-Verfassung der Nationalgarde und der Armee. Ich habe bereits vor längerer Zeit dießfalls Anträge zu stellen gedacht, ich glaube aber nicht, daß man auf eine Art, wie sie Herr Sierakowski vorschlägt, indem er einzelne Stücke herausreißt, zum Zwecke kommen könnte. Ich stimme daher für die bereits beantragte Tagesordnung.
Abg. Borrosch. Ich wollte erwähnen, daß wir ohne allen Zweifel die stehenden Heere nur als einen ausschließend zum Kriegsberufe gewidmeten Bestandtheil der Volkswehr betrachten, und demgemäß volksthümlich machen müssen, aber indem dieses einen der wesentlichen Bestandtheile der österreichischen Constitution bildet, hierin um so weniger vorgreifen dürfen, als es nicht bloß eine provisorische Anordnung wäre, sondern auch ein organisches Gesetz, welches zu jeder Zeit, also auch in diesen Momenten der Sanction des constitutionellen Monarchen bedürfen würde. Wir haben uns jedoch hier überhaupt vor Anträgen und Gesetzen