Officielle stenographische Berichte über die Verhandlungen des österr. Reichstages.
Zweiundfünfzigste Sitzung des österreichischen constituirenden Reichstages.
7. October 1848.
Vorsitzender: Vice-Präs. Smolka.
Auf der Ministerbank: Krauß, Hornbostl.
Anfang: Früh 3/4 10 Uhr.
Vice-Präs. Von der permanenten Commission wurde mir folgender Antrag übergeben: "Der Reichstag beschließe: Der neuerwählte Gemeinderath der Stadt Wien hat sogleich zusammenzutreten, sich zu constituiren, und seine Amtswirksamkeit zu beginnen." Abg. Lasser will diesen Antrag in Kürze begründen. Abg. Lasser. Der Gemeinderath für die Stadt Wien ist bereits vor einigen Tagen gewählt worden, jedoch noch nicht zusammengetreten, und hat sich noch nicht constituirt, folglich besteht die Stadt Wien als solche gegenwärtig ohne eigene Autorität. Das Bedürfniß einer solchen Behörde ist so augenfällig, daß ich nichts weiteres beifügen zu sollen, glaube.
Abg. Umlauft. Meine Herren! Ich glaube, heute sind Sie überzeugt, daß es ein unglücklicher Mißgriff des gestürzten Ministeriums war, am 23. August die letzte, Vertrauen genießende Behörde Wiens aufzulösen, und die unmittelbare Leitung der Polizei in seine Hände zu nehmen. Ich habe mir erlaubt, dieß am 23. August dem Herrn Minister des Innern auszusprechen. Es war augenscheinlich, daß in einem solchen Momente das Ministerium das Vertrauen verlor, und Wien unmittelbar ohne Rath und Schutz stand, ohne eine, das Vertrauen genießende Behörde. Nunmehr hat sich eine solche constituirt durch neue Wahlen. Es sind darunter Männer vom vollkommensten Vertrauen gewählt worden, und es ist voraus zu sehen, daß, so wie der neue Gemeinderath zusammentritt, eine neue, Vertrauen genießende Behörde für Wien existirt, auf welche wir einen Theil der Verantwortlichkeit zurückkommen sehen können, welcher der executiven Gewalt zusteht.
Abg. Pøibyl. Ich schlage vor, die Textirung dieses Antrages dahin zu ändern, daß es heiße: Der neuerwählte Gemeinderath wird aufgefordert, sogleich zusammenzutreten u. s. w." — (Dieses Amendement wird verworfen, der Antrag der Commission aber einstimmig angenommen.)
Abg. Pillersdorff. Es waren mehrere von den verehrten Herren Mitgliedern gestern durch Hindernisse abgehalten, den Verhandlungen zu folgen; es dürfte daher, um ihnen eine Uebersicht dessen zu verschaffen, was gestern verhandelt wurde, angemessen seyn, wenigstens eine kurze Darstellung zur Kenntniß aller Mitglieder zu bringen.
Vice-Präs. Ich glaube, diesem Wunsche könnte entsprochen werden, wenn das Protokoll vom gestrigen Tage verlesen würde.
Abg. Umlauft. Ich stimme dem Antrage des verehrten Herrn Mitgliedes Pillersdorff bei, nur würde ich glauben, daß wir unseren Zweck besser erreichen, wenn die Verlesung des Protokolls noch um einige Zeit verzögert wird, indem noch so wenig Mitglieder versammelt sind, daß es nur eine halbe Maßregel wäre.
Abg. Pillersdorff. Ich nehme meinen Antrag zurück, da ich nicht wußte, daß ein Protokoll gelesen werden wird.
Schriftf. Wiser. Ich habe das Protokoll zwar so ziemlich vollständig vorgemerkt, muß mir aber doch vorbehalten, wegen dessen Richtigkeit mich mit den Stenographen ins Einverständniß zu setzen. In der Hauptsache habe ich es bereits vollendet.
Abg. Pøibyl. Gestern wurde beschlossen, daß die Provinzen von den Vorgängen und Beschlüssen in Kenntniß gesetzt werden; ich erlaube mir die Anfrage, ob der Vollzug auch wirklich stattgefunden habe?
Vice-Präs. Es ist in dieser Beziehung der Auftrag an die permanente Commission ergangen, und ich bin überzeugt, daß sie demselben entsprochen hat: ob sie aber wirklich factisch abgegangen sind, kann ich nicht verbürgen, indem wir nicht wissen, ob die Post nicht unterbrochen ist.
Abg. Schuselka (als Berrichterstatter der permanenten Commission, besteigt die Tribune). Es wird zur Beruhigung vieler Herren Abgeordneten dienen, wenn ich Ihnen mittheile, daß nach den von uns eingezogenen Erkundigungen die Absendung der Posten keine Unterbrechung bisher erlitten hat, und wir haben die Zusicherung erhalten, daß auch in Zukunft keine Unregelmäßigkeiten eintreten werden, Nebstbei habe ich im Namen der Commission einen sehr dringenden Antrag an die Kammer zu stellen. Wir haben die Nachricht erhalten, daß das Volk in großen Massen aus dem Zeughause sich bewaffnet, und es ist mit Gewißheit voraus zu sehen, daß das wackere Volk keinen der Freiheit, der persönlichen Sicherheit und dem Eigenthume gefährlichen Gebrauch davon machen wird. Es ist aber sehr zu fürchten, daß von Seite des vom Schwarzenberg'schen Palais bis zum Belvedere aufgestellten Militärs in Folge der Kunde von der Volksbewaffnung Angriffe geschehen könnten. Wir baben zwar vom Commandanten Auersperg die Versicherung erhalten, daß er seine feste Stellung bloß zum Schutze seiner Truppen eingenommen habe, und daß er, wenn sie nicht herausgefordert werden, keinen Angriff unternehmen werde. Wir haben auch eigenhändige Vollmacht, das kaiserl. Zeughaus inventarisch einer Deputation des Reichstages als Staatseigenthum zu übergeben. Der einzige Schutz der Freiheit, der Ordnung und Sicherheit, oder vielmehr die einzige Hoffnung, die so arg gestörte Sicherheit und Ruhe der Stadt wieder herzustellen, liegt in der Volkswehr, und es wäre eine dringende Aufgabe, daß der Reichstag sich durch eine einstimmig angenommene Proclamation an den Patriotismus, den Rechtssinn und die Freiheitsliebe dieser Nationalgarden wende, damit sie sich zahlreich einfinden, und im Einverständnisse mit den beiden, vom Kaiser in das neue Ministerium aufgenommenen Ministern und dem bereits eingesetzten Ober-Commandanten sowohl gegen Anarchie, als auch gegen jeden Versuch einer Militär-Reaction entgegenstellen. Demnach hat der Ausschuß folgende Proclamation dem Reichstage vorgelegt, und bittet, sie wo möglich ohne Debatte, oder wenigstens nach einer kurzen Debatte anzunehmen, damit sogleich der Druck veranlaßt, und von unserer Seite das Möglichste geleistet werde. Der Entwurf dieser von der Commission einstimmig genehmigten Proclamation lautet:
"National-Garden!
"Der Reichstag hat das Wohl und die Freiheit des Vaterlandes, die Unverletzlichkeit des constitutionellen Thrones und des Reichstages unter den Schutz der National-Garde gestellt; den höchsten Gütern des Volkes, den ruhmvollen Errungenschaften unseres hochherzigen Volkes droht Gefahr. Sie kann nur durch einiges, kräftiges Zusammenwirken der Volkswehr und der Volksvertreter beschworen werden. National-Garden! Das Vaterland ruft, erfüllen wir einig und kräftig die heiligste Pflicht des Bürgers, die Freiheit des Vaterlandes zu schützen."
Wir haben gedacht, uns nur in kurzen, zum Gefühle, zum Herzen gerichteten Worten auszudrücken, in der Hoffnung, daß diese Worte auch am ehesten den Weg zum Herzen finden würden. Ich bitte also nochmals, so rasch als möglich einen Beschluß zu fassen, damit der Druck veranlaßt werde. (Ruf: Ohne Debatte. — Der Antrag wird einstimmig angenommen.)
Vice-Präs. Es ist von mehreren Herren der Wunsch ausgesprochen worden, daß das gestrige Protokoll gelesen werde, damit die gestern hier nicht anwesenden Herren von den Beschlüssen in Kenntniß geseht werden.
Schriftf. Wiser. (Liest das Protokoll.)
Ein Abg. Ich mache die Bemerkung, daß nicht eine Commission, wie es im Protokolle heißt, sondern eine Deputation abgeschickt worden ist. (Nach Berichtigung dieser Stelle wird das Protokoll angenommen.)
Vice-Präs. Ich erlaube mir die Mittheilung zu machen, daß eine von Seite des Finanzministeriums gemachte Anzeige an mich gelangt sei, welche lautet: "Der Gefertigte übersendet 500 Exemplare des 1. Heftes des Staatsvoranschlages, und hofft im Laufe des heutigen Tages das 1. Heft der Bedeckung vorlegen zu können." — Ferner ist mir eine Anzeige zugekommen, daß bei den Casernen Unordnungen vorkommen, indem das Volt in dieselben eindringt. Ich habe dieses alsogleich der permanenten Commission mitgetheilt, damit unverzüglich die nöthigen Vorkehrungen getroffen werden.
Abg. Borrosch. Ich glaube, daß es eine sehr zweckmäßige Vorsichtsmaßregel von Seite des Reichstags wäre, aus seiner Mitte Commissäre zu erwählen, um in den Provinzen die dort möglicherweise eintretenden feindseligen Gesinnungen von vornherein zu bekämpfen, und den Provinzen vollkommen die Ueberzeugung zu gewähren, daß der Reichstag hier seine Pflichten gegen das Vaterland, die Volksfreiheit und den erblichen Thron erfülle. Ueber die Zweckmäßigkeit dieses von mir so eben begründeten Antrages möge die hohe Kammer entscheiden.
Vice-Präs. Ich bitte, denselben schriftlich vorzulegen.
Abg. Plaèek. Ich unterstütze diesen Antrag um so mehr, als ich weiß, wie sehr in den Provinzen die Wiener Ereignisse vom Monate Mai entstellt worden sind. Man hatte wirklich solche Begriffe von diesen Ereignissen, daß man ihnen abgeneigt seyn mußte. Erst später sind wir unterrichtet worden.
Abg. Demel. Auch ich unterstütze diesen Antrag des Abg. Borrosch, nicht nur aus den vom verehrten Herrn Redner angeführten Gründen, sondern auch deßwegen, weil Anwesende aus den Provinzen bereits erklärt haben, daß man daselbst an den Reichstag eine Proclamation zusammenzustellen sich befleiße, in der Art, daß man seine Befehle und Weisungen nicht anerkenne.
Abg. Fedorowicz. Ich unterstütze den Antrag des Abg. Borrosch desto mehr, da ich die Ueberzeugung habe, daß man, je mehr man sich vom Brennpunkte der Freiheit, von Wien, entfernt, desto mehr das alle System antreffe, was besonders in unseren Ländern der Fall ist. Ich würde also ebenfalls der Meinung seyn, daß der Reichstag zum Wohle des Vaterlandes eine Commission an die Provinzen schicke, und zwar aus doppelten Gründen, erstens, damit sie die nöthige Beruhigung ertheile, und zweitens, damit sie sich über den Zustand der Provinzen vollständig überzeuge.
Abg. Selinger. Ich wollte den Antrag des Abg. Borrosch lebendigst unterstützt, und nur das gesagt haben, was bereits von den Herren Vorrednern gesagt worden ist.
Abg. Borrosch. Es hat der Herr Redner näher berührt, was ich zur Motivirung noch beifügen wollte, nämlich, wie jetzt Alles davon abhängt, daß wir sorgen, den reaktionären Tendenzen, welche die Provinzen aus sich geltend machen dürften, kräftig entgegen zu wirken.
Abg. Trojan. Ich mache die hohe Versammlung, da es sich zugleich um den Zustand der Provinzen handelt, aufmerksam, daß, falls über den Antrag des Abg. Borrosch ein solcher Ausschuß zusammengesetzt wird, er aus 9 Mitgliedern zu bestehen habe.
Abg. Borrosch. Es ist ein Mißverständniß. Es müssen Commissäre des Reichstages mit einer Vollmacht desselben in die Provinzen abgehen, damit dort auf keine Weise, wie dies bei der Mai-Revolution geschah. Wien, dieser Brennpunkt der Volksfreiheit, von wo aus ihre Strahlen sich über die Provinzen verbreiten, irgend verdächtigt, oder der Mißdeutung Raum gegeben werde, als fehle dem Reichstage der Wille und die Macht, das gesetzliche Organ zur Wahrung der Volksfreiheit und des erblichen Thrones zu seyn.
Vice-Präs. Wünscht noch Jemand das Wort?
Abg. Plaèek. Für den Fall, daß dieser zweckmäßige Antrag beliebt werden sollte, füge ich weiter bei, daß diese Commissäre mit möglichst authentischer Darstellung der hiesigen Ereignisse von gestern versehen würden.
Vice-Präs. Ich bitte wegen Abkürzung der Debatte, daß die Herren sich auch zugleich aus sprechen wollen über die Anzahl der Mitglieder, und wie die Wahl vorgenommen werden soll.
Abg. Dylewski. Ich wollte eine kleine Bemerkung beifügen. Es ist bekannt, daß in den Provinzen die Gewalt und Meinungen mehr getheilt sind, und nicht so energisch vertreten werden, als hier. Wir haben gestern schon von Sr. Majestät die Versicherung erlangt, daß ein volksthümliches Ministerium ernannt werden wird. Ich spreche hier nicht, um Doctrinen über das constitutionelle System zu entwickeln, sondern um diesen Commissären mehr Wirkung und Erfolg in den Provinzen zu verschaffen. Ich bitte daher zu beherzigen, ob nicht diese Commissäre nicht bloß vom Reichstag, sondern auch zugleich vom Ministerium autorisirt werden sollten, damit sie nicht etwa auf Hindernisse stoßen, die in den Provinzen noch immer bestehen.
Abg. Fedorowicz. Mit Rücksicht auf die besondern Zustände unserer Provinz mache ich die Bemerkung, daß es sehr wünschenewerth, ja vielleicht nothwendig wäre, damit die den Commissären ausgestellte Vollmacht vom hohen Reichstage Sr. Majestät vorgelegt werde, weil eine mit der Fertigung Sr. Majestät versehene Vollmacht bei unserm Volke wenigstens vollen Eingang finden würde.
Abg. Hein. Ich unterstütze diesen Antrag, denn der Grund hat auf alle Provinzen Anwendung.
Abg. Prato. Ich erlaube mir zu bemerken, daß nach Tirol zwei Commissäre geschickt werden dürften, ein deutscher und ein italienischer, da bekanntlich in Tirol ein deutscher und italienischer Volkstheil besteht.
Vice-Präs. Wollen der Herr Abgeordnete mir diesen Antrag schriftlich überreichen?
Ein Abg. Es müssen Commissäre seyn, die das Land kennen und die Verhältnisse.
Vice-Präs. Ich frage, wie sollen die Wahlen vorgenommen werden, wohl provinzenweise?
Ein Abg. Ich beantrage, daß für jede Provinz Einer gewählt werde.
Abg. Herzig. Ich trage an, daß auch für unsere Provinz Böhmen 2 Commissäre gewählt werden, damit für sie überall volles Vertrauen vorhanden sei.
Abg. Nadler. Ich unterstütze diesen Antrag, daß für Böhmen 2 Commissäre gewählt werden.
Abg. Brazdil. Ich mache den Vorschlag, daß auch für Mähren eine Wahl von 2 Commissären stattfinde.
Vice-Präs. Ich bin draußen benöthigt, meine Herren, und bitte mir zu erlauben, daß ich die Sitzung aus einen Augenblick unterbreche. Ich werde gleich wieder erscheinen. (Eine Viertelstunde Unterbrechung. — (Nach der Unterbrechung.) Ich bitte, meine Herren, es ist mir von der permanenten Commission ein sehr dringender Antrag übergeben worden. Ich werde die Ehre haben, ihn vorzulesen: "Der Reichstag gibt hiemit den ausdrücklichen Befehl, daß die Lecalitäten des Zeughauses jetzt gänzlich zu schließen sind, und Niemand, als die zur Schützung des Staats-Eigenthumes aufgestellte Nationalgarde, darin zn verbleiben habe." (Mehrere rufen: Angenommen.) Es ist nämlich der Fall eingetreten, daß das Volk eindringt, und die Waffen wegnimmt. Diejenigen Herren, welche dafür sind, wollen aufstehen. (Wird einstimmig angenommen.) Zurückkehrend auf den Gegenstand der unterbrochenen Debatte, erlaube ich mir zu bemerken, daß mir hier verschiedene Anträge vorgelegt wurden. Es sind zwölf Anträge.
Abg. Prato. Ich erlaube mir, Herr Präsident, eine kurze Interpellation. Es hat sich in der Kammer das Gerücht verbreitet, Se. Majestät der Kaiser wäre nicht mehr in Schönbrunn. Ich frage, ob dieses Gerücht eine Grundlage hat, ob es blos vages Gerücht ist, oder eine Unwahrheit.
Vice-Präs. Ich habe eben davon vernommen, und es sind Anstalten getroffen worden, um von der Wahrheit des Gerüchtes sich zu überzeugen. (Bravo.) Verlangt noch Jemand das Wort?
Abg. Borrosch. Als Antragsteller erlaube ich mir zu bemerken: es haben ein Paar Herren gemeint, daß eine Proclamation hinreichen würde. Diese kann allerdings auch erlassen werden, sie würde jedoch nicht genügen, denn es gehören vollkommen ausgerüstete Vollmachtsträger des Reichstages dazu. Die Volksfreiheit kann nur in einer wahrhaften Verbrüderung aller hier vertretenen Völker verwirklicht werden, einer Verbrüderung, wie sie auch aus der Ermöglichung eines den Bürgerkrieg endenden Völker-Congresses gehofft werden konnte, als die ungarische Deputation vor den Schwellen dieses Hauses stand. Nur Commissäre, die vom Reichstage mit Vollmacht ausgestattet sind, werden auch ihrerseits die Macht haben, in den Provinzen dem Reichstage die volle Wirksamkeit zu verschaffen.
Abg. Kaim. Ich muß den Antrag um desto mehr unterstützen, indem auf dem Lande die Herrschaften sagen, daß die Reichsversammlung etwas dummes zusammenplausche; aber Niemand soll das sagen. Ich bin somit ganz einverstanden, daß die Commissäre in die Provinzen abgesendet werden.
Abg. Scholl. Ich habe den Antrag gestellt, daß, falls unter dem Ausdrucke "Provinz" ein Gouvernement-Bezirk verstanden ist, für Illirien zwei Commissäre und zwar einer für Kärnthen, und einer für Krain bestimmt werde, weil sowohl Kärnthen, als auch Krain eine selbstständige Provinz ist, und Beide hinsichtlich ihrer Verhältnisse wesentlich von einander verschieden sind; in der einen ist das deutsche, in der andern das slavische Element vorherrschend.
Abg. Goldmark. Meine Herren, ich glaube, wir haben schon öfter Gelegenheit gehabt, die Vortheile, aber auch die Nachtheile einer schnellen Plenarberathung kennen zu lernen, besonders wo es sich um einen so hochwichtigen Gegenstand handelt, wie der gegenwärtige, und ich glaube, baß wir zu keinem guten und festen Resultate gelangen, wenn uns nicht eine Vorlage zur Hand liegt, die von einer Commission ausgeht, welche uns darüber Bericht erstattet; nur dann können wir mit aller Schnelligkeit einen Beschluß fassen. Ich erlaube mir daher, anzutragen, daß die gegenwärtige Debatte ihrer permanenten Commission zur allsogleichen Berichterstattung übergeben, und dann darüber der Beschluß gefaßt werde. (Auf Anfrage der Herrn Präsidenten wird dieser Antrag sowohl unterstützt, als auch angenommen.)
Abg. Fischhof. Ich stelle den Antrag, daß die Sitzung auf eine Stunde sistirt werde. (Dieser Antrag wird ebenfalls angenommen.)
Vice-Präs. Ich sistire sonach die Sitzung mit dem Bemerken, daß sich keiner der Herren aus den Räumen des Hauses entfernen möge. (10 3/4 UHr. — Um halb 12 Uhr wird wieder begonnen.)
Abg. Kudlich. Meine Herren, es hat die ganze Zeit in der Stadt ein sehr widerwärtiges Gerücht geherrscht, und die Erbitterung gegen einige Garden gesteigert. Es hat geheißen, daß die Garden des Kärnthner-Viertels im Zeughause versteckt seien und herausgeschossen haben. Das Gerücht war so verbreitet, daß man sie sogar gesehen haben wollte, wie sie herausgeschossen haben. Indessen ist gar kein wahres Wort daran, ich war schon um 3 Uhr in der Salzgries-Gasse, und habe den Commandanten gefragt, ob die Garden da seien. Er gab mir sein Ehrenwort im Beiseyn aller Offiziere, baß keine Garden da sind. Ich habe die Localitäten untersucht, und mich überzeugt, daß keine Spur davon zu finden war. Ich glaube, es läge sehr viel daran, dieses Gerücht durch öffentliche Kundmachung zu widerlegen, denn es ist die Erbitterung wirklich sehr groß. (Ruf: Ja! an die Commission.)
Vice-Präs. Wollen Sie vielleicht die Proclamation selbst redigiren?
Ein Abg. Es ist allerdings ganz richtig, daß wir eine Proclamation erlassen sollen, jedoch nur dann, wenn wir die vollkommene Ueberzeugung haben, daß keine Garden da sind; im entgegengesetzten Falle kämen wir in die Klemme.
Abg. Kudlich. Meine Herren, es könnte eine Ermahnung beigegeben werden, daß man die Garde erinnert, sie möge fest zusammen stehen und einig seyn.
Vice-Präs. Wollen Sie diese Proclamation redigiren. — Es hat indessen der Herr Finanz-Minister eine wichtige Mittheilung zu machen. (Unruhe.)
Finanz-Minister Krauß. Ich habe heute vor beiläufig einer Stunde von Schönbrunn durch einen Mann der Burgwache ein versiegeltes Schreiben empfangen. Diesem Schreiben lag ein Aufsatz, der mit der Unterschrift Sr. Majestät versehen ist, bei; ich wenigstens fand die Schriftzüge der Art, daß ich sie nur für die Sr. Majestät erkennen kann. Dabei lag ein Zettel. Dieses, von Sr. Majestät unterschriebene Manifest lautet folgendermaßen: (liest es.)
Was ein Herrscher an Güte und Vertrauen seinen Völkern erweisen kann, das habe ich erschöpft. Mit Freuden entsagte ich der unbeschränkten Gewalt, welche meine Vorfahren mir hinterlassen, um durch größeren Spielraum der Selbstständigkeit die Kraft, den Wohlstand, das Selbstgefühl meiner Völker zu heben. Bereitwillig gestattete ich die Verfassung nach dem Vorbilde, welches die Richtung der Zeit und der allgemeine Wunsch zu erfordern schien, und wenn die Gewaltthat des 15. Mai mich die Wohnung meiner Ahnen zu verlassen zwang, so ward ich doch nicht müde, zu geben und zu gewähren, und auf breitester Grundlage des Wahlrechtes ward ein Reichstag berufen, welcher mit mir zur Feststellung einer, alle Interessen möglichst befriedigenden Verfassung zusammenwirken sollte. Hierauf kehrte ich in meine Hauptstadt zurück, ohne für meine Sicherheit eine andere Bürgschaft zu verlangen, als das Rechtsgefühl und die Dankbarkeit der Oesterreicher. Doch eine an Zahl geringe, durch Verwegenheit starke Partei bedroht die Hoffnungen jedes Vaterlandsfreundes mit Vernichtung. Die Anarchie hat ihr Aeußerstes vollbracht. Wien ist mit Brand und Mord erfüllt; mein Kriegsminister, den schon sein Greisenalter hätte schirmen sollen, hat unter den Händen einer meuchlerischen Rolle geendet. In diesem entscheidungsvollen Augenblicke vertraue ich auf Gott und mein Recht, und verlasse die Nähe meiner Hauptstadt, um Mittel zu finden, der unterjochten Bevölkerung von Wien Hilfe zu bringen, und die durch die empörendsten Frevel bedrohte Freiheit zu retten.
Wer Oesterreich, wer die Freiheit liebt, schaare sich um seinen Kaiser! Schönbrunn am 7. October 1848.
Ferdinand m. p.
Der beigelegene Zettel lautet folgendermaßen:
Dieses Manifest soll im Allerhöchsten Auftrage von Sr. Excellenz dem Herrn Minister Baron Krauß contrasignirt, und dann sogleich promulgirt werden. Sollte es nicht contrasignirt werden können, so soll es uncontrasignirt vom Commandirenden, Herrn Grafen Auersperg veröffentlicht werden.
Schönbrunn den 7. October 1848.
Im hohen Auftrage. Unterschrift unleserlich.
Als ich dieses Schreiben empfangen hatte, hielt ich es für meine Pflicht, mit den übrigen Herren Ministern Rücksprache zu Pflegen, da ich glaube, daß ein constitutionelles Ministerium nur dadurch bestehen kann, wenn alle seine Acte solidarisch sind. Ich habe getrachtet, den Minister Doblhoff zu finden, ich konnte es aber nicht. Eben so trachtete ich, mich mit dem Minister Wessenberg zu besprechen; er soll aber auch nicht anwesend seyn. Der Minister Hornbostl hat mit mir Rücksprache gepflogen, und wir sind einstimmig darüber gewesen, daß ich dieses Allerhöchste Manifest nicht contrasigniren könne.(Beifall.) Als ich in die Hände Sr. Majestät den Eid als constitutioneller, verantwortlicher Minister ablegte, war ich entschieden, nicht anders als nur im Geiste der Constitution zu handeln. Ich kann aber im Geiste der Constitution kein Actenstück unterzeichnen, das ich nicht vorgeschlagen habe, oder welchem ich nicht nachträglich beistimme. Nun ist aber bei diesem Actenstück weder das Eine, noch das Andere der Fall. Ich glaube, indem ich Sr. Majestät nicht dazu gerathen hätte, daß ich dem Throne einen Dienst leiste, wenn ich die Contrasignatur nicht beifüge. (Allgemeiner anhaltender Beifall.)
Es blieb mir kein anderer Weg übrig, als der hohen Versammlung den ganzen Gegenstand hiermit zu überliefern, was ich nun thue, und unterziehe es der Weisheit Ihrer Beschlüsse, welche weiteren Einleitungen zu treffen wären.
Ich habe noch einen zweiten Gegenstand in Kürze zu berühren. Der Herr Kriegsminister ist einige Male interpellirt worden rücksichtlich der Geldsendungen nach Croatien. Ich habe ihn vor 3 Tagen ersucht, mir die Acten mitzutheilen, ich wollte sie durchsehen, damit er sie dann auf den Tisch des Hauses niederlege — leider kann er diese Pflicht nicht mehr erfüllen; es ist nun an mir, ich lege diese Schriften des Herrn Kriegsministers auf den Tisch des Hauses.
Abg. Pøibyl. Ueber die eben erhaltene offene Erklärung des Herrn Finanzministers erlaube ich mir, den Antrag zu stellen, daß sofort eine Commission zusammengesetzt werde, bestehend aus zwei Mitgliedern jeder Provinz, deren Wahl wir bei der Dringlichkeit der Sache dem Herrn Präsidenten überlassen, welche uns den weiteren Antrag über dieses Manifest zur Beschlußnahme vorlegen soll.
Abg. Kudlich. Ich trage darauf an, daß dieser Gegenstand der schon bestehenden Commission überwiesen werde. (Ruf: Sie ist schon zu sehr mit Geschäften überhäuft.)
Vice-Präs. Ich werde die Sache zur Abstimmung bringen. Diejenigen Herren, welche dem Antrage des Abg. Pøibyl beistimmen, damit eine Commission ernannt werde, bestehend aus zwei Mitgliedern jeder Provinz, wollen es durch Aufstehen kund geben. (Angenommen.) Ferner beliebe auch das hohe Haus sich darüber auszusprechen, ob ich die Mitglieder dazu vorschlagen solle. (Ja, ja.) Ich würde also beantragen: für Böhmen die Abg. Borrosch und Brauner.
Abg. Borrosch. Herr Brauner ist abwesend, wir müssen uns aber überzeugt halten können, daß Jeder die Verpflichtung dazu übernimmt, sonst müßten wir wegen der Eile einen andern Herrn ersuchen.
Vice-Präs. Für Steiermark die Herren Abg. Krainz und Königshofer (einverstanden); für Illirien Ambrosch und Scholl (einverstanden); für Niederösterreich die Abg. Fischhof und Schuselka (einverstanden); für Dalmatien Filippi und Androvich (einverstanden); für Oberösterreich Peitler und Gschnitzer (einverstanden); für Galizien Abg. Borkowski und Szaszkiewicz (einverstanden); für Mähren Feifalik und Hein (einverstanden); für Tirol Abg. Turco und Gredler (einverstanden); für Küstenland Gobbi und Madonizza (einverstanden.)
Abg. Ganzwohl. Ich erlaube mir die Bemerkung, daß der Herr Abg. Brauner das Haus verlassen haben muß, da er nirgends zu finden ist, ich habe ihn überall gesucht.
Abg. Lubomirski. Ich habe ihn vor fünf Minuten gesprochen.
Vice-Präs. Ich werde mir erlauben, für den Fall, als der Abg. Brauner nicht da wäre, den Abg. Pøibyl vorzuschlagen (Ruf: ja, ja), und ich würde bitten, daß die Commission sich in ein Commissionszimmer begebe, um die geeigneten Anträge dann zu machen. Ich würde bitten, in möglichst schneller Zeit, vielleicht in einer Stunde.
Ein Abg. Der Herr Abg. Androvich ist nicht hier.
Vice-Präs. Daher vielleicht der Herr Abg. Petranovich; ich würde die Herren bitten, sich in das Commissionszimmer des Finanz-Ausschusses zu begeben. Es wurde noch von einigen Herren der Wunsch geäußert, daß es rathsam wäre, daß zwei Abg. der Stadt Wien auch beigezogen würden; ich glaube, es steht dem nichts im Wege, und für diesen Fall würde ich die Herren Abg. Brestel und Goldmark vorschlagen. (Ruf: auch der Abg. Pillersdorff, alle drei.) Ich erlaube mir, die Sitzung zu unterbrechen, werde aber bitten, die Räume des Reichssaales nicht zu verlassen. (12 Uhr.)
(Um 3/4 2 Uhr.)
Abg. Löhner. Ich schlage in Betracht der Dringlichkeit, da wir jetzt so ziemlich zahlreich versammelt sind, vor, daß die hohe Kammer ihrem Beschlusse gemäß, nach dem sie neulich die zweite Lesung des Entwurfes in Bezug auf die Steuerbewilligung bereits vollzogen hat, und über die Formulirung der vier Punkte, respektive des fünften Zusatzpunktes vollkommen einig gewesen ist, die dritte Lesung vornehme, und zwar, nachdem sie neulich bezüglich der Form sich ausgeglichen hat, der Entwurf mit Acclamation annehme. (Allgemeiner Beifall.) Ich erlaube mir nicht viel zur Begründung hinzuzufügen, ich glaube, daß in eines jeden Patrioten Brust die Pflicht gegen das Vaterland, gegen die hohe Kammer selbst, gegen die Herren des Ministeriums, denen die Kammer ihr Vertrauen gezeigt hat, uns auffordern muß, zu zeigen, daß die Kammer im Gefühle für das Land, für ihr Ministerium einstehe. (Allgemeiner Beifall.)
Finanz-Minister Krauß. Ich kann dem Herrn Abg. Löhner nur danken, daß er diese Angelegenheit auf diesen Punkt gestellt hat. Ich würde nur so frei seyn, eine einzige Bemerkung zu machen, nämlich rücksichtlich der Bewilligung der indirecten Steuern auf ein halbes Jahr; das hieße für das Aerar, das hieße für das Volk einen Verlust von 1 1/2 Million Geld verursachen. Ich würde daher die einzige Aenderung mir erlauben vorzuschlagen, daß, wo bei den indirecten Abgaben von einem halben Jahre die Rede ist, und dagegen bei den Weg-, Brücken- und Wassermauthen von einem ganzen Jahre, hinzuzufügen wäre: diejenigen indirecten Abgaben, welche durch Abfindung oder Verpachtung benützt werden.
Abg. Löhner. Ich unterstütze diesen Antrag. (Wird allgemein unterstützt.) Ich schlage vor, daß die hohe Kammer mit einem einzigen Beschlusse dem Ministerium die Mittel an die Hand gebe, seine Pflicht zu erfüllen.
Abg. Jonak. Ich glaube, Herr Präsident, zögern wir gar nicht, die Unterstützung ist ja beinahe einstimmig geschehen, so wie es der Herr Abg. Löhner beantragt, und der Herr Finanzminister amendirt hat; so stehen wir Alle für Einen in diesem Augenblicke, und die Sache ist behoben. (Allgemeiner Beifall. — Angenommen.)
Abg. Borrosch (als Berichterstatter). Ich habe hier vorauszuschicken, daß die Commission vollkommen im Sinne des Volkes zu handeln glaubte, indem sie den Herrn Finanzminister Krauß für einen sich volksthümlich bewährt habenden Mann erachtete (großer allgemeiner Beifall), denn es hätte ganz in seiner Macht gestanden, das ihm übersandte Schreiben, statt es uns sogleich mitzutheilen, in irgend einer Weise nicht zu unserer Kunde gelangen zu lassen. Ich bitte den Herrn Präsidenten, die ausgesprochene Ansicht der Commission als einen Antrag auf ein Vertrauens-Votum zu behandeln, oder darf vielleicht dieser einstimmige Beifall als Beschluß der Kammer angesehen werden? (Ruf: Ja, ja. — Großer allgemeiner Beifall.)
Finanzminister Krauß. Wenn es mir erlaubt ist, einige Worte hinzuzufügen, so sind es bloß die des Dankes. Ich habe seit dem 10. April d. J., ohne mein Zuthun, den Ruf erhalten, das Finanzministerium zu übernehmen. Ich habe gehorcht, ich habe gethan, was in meinen geringen Kräften stand. Es sind seitdem schwere Ereignisse über uns hinweggegangen, ich kann sagen, ich bin auf der Bresche geblieben, ich habe ausgeharrt, ungeachtet die Umstände sehr ungünstig waren. Ich habe es gethan, in der Hoffnung, daß es mir gelingen werde, das Vertrauen der hohen Versammlung zu erringen. Ist mir das Vertrauen geworden, so ist es für mich der schönste Lohn, und ich hoffe, daß ich dieses Vertrauen auch in der Zukunft zu rechtfertigen im Stande seyn werde, so weit meine sehr beschränkten Kräfte reichen. Von dem guten Willen dürfte die hohe Versammlung überzeugt seyn. (Allgemeiner Beifall.)
Abg. Borrosch. Als Berichterstatter erlaube