Sobota 5. srpna 1848

ständigen oder auch, was ihm immer freisteht, durch den Präsidenten der Reichsversammlung seine Frage mündlich an den betreffenden Minister stellen. Das Wesen und der Begriff einer Interpellation drängt mich daher für den Antrag des Abg. Violand, nämlich dafür zu sprechen, daß die Geschäftsordnung in der ursprünglichen Fassung mit den §§. 83 und 84 und mit den nachfolgenden §§. 84 und 85 beibehalten werde, Ein Abg. Ich habe einen schriftlichen Verbesserungsantrag gestellt, ich war der Erste und muß auf das Wort warten; es wirb jetzt über §. 84 debattirt, in Bezug dessen mein Antrag gestellt ist.

Vicepräs. Ich habe diesen Antrag nicht zur Sprache gebracht, weil noch vor der Hand der §. 83 in der Debatte ist, und erlaube mir vor der Hand bei der Ordnung zu bleiben. Der Abg. Rieger hat das Wort.

Abg. Rieger. Ich theile vollkommen die An sieht des Abg. Violand und kann eine solche Beschränkung des Interpellationsrechtes, wie sie die Kommission anträgt, durchaus nicht gut heißen. Das Interpellationsrecht ist eines der wichtigsten Rechte der Abgeordneten; es hat den Zweck, die Minister auf bestehende Übelstände aufmerksam zu machen, und den Minister dadurch in den Stand zu setzen, diesem Übelstande abzuhelfen. Wollten wir zur Behebung jedes Übelstandes einen Antrag stellen, so würde dieß viel mehr Zeit rauben, als durch einfache Fragen an das Ministerium. Wir setzen durch solche Interpellationen das Ministerium in die Lage, dem angedeuteten Überstande abzuhelfen, ohne den Reichstag mit Anträgen und Gesetzentwürfen zu belästigen. Ein zweiter Grund des Interpellationsrechtes liegt darin, daß man die Ansicht des Ministeriums über gewisse Zustände und die Richtung, welche das Ministerium in wichtigen Zeitfraßen einzuschlagen gesonnen ist, erfährt; dadurch werben wir in die Läge gefetzt, falls wir mit dem Ministerium nicht übereinstimmen, einen Antrag zu stellen, durch dessen Annähme das Ministerium gezwungen weiden könnte, nach der Ansicht der Reichsversammlung vorzugehen. Warum dieses wichtige Recht beschränken? Die Commission beschränkt es dahin, das die Interpellation 24 Stunden vorher angekündigt sein muß; ich finde es begreiflich, daß die Commission einen solchen Antrag stellt, sie hat volles Vertrauen in das gegenwärtige Ministerium, und glaubt, daß vom gegenwärtigen Ministerium keine Subversion zu fürchten sei; aber das gegenwärtig» Ministerium, welches so viel Vertrauen in der Versammlung zu haben scheint und auch bei mir hat, wird den Bestand der Geschäftsordnung möglicherweise nicht überleben. Es ist möglich, daß ein Ministerium an seine Stelle tritt, welches das Vertrauen nicht in dem Grade besitzt, wie das gegenwärtige. Warum durch diesen Paragraph sich so sehr die Hände binden? Ich glaube ein Ministerium ist wie der Hausvater eines großen Hauswesens zu betrachten: ein ordentlicher Hausvater muß im Stande sein, jedem Gaste seine Wirtschaft vorzuweisen und augenblicklich nachzuweisen, wie alles in Ordnung ist.

Wenn ein Gast dein Hausvater angemeldet wird, oder der Hausfrau, da ist er in die Lage gesetzt, im Laufe des Tages alles in Ordnung zu bringen. Es wird mancher Übelstand verdeckt, mancher Schmutz hinweggeräumt, binnen 24 Stunden ist Vieles gethan, insbesondere, wo die Eisenbahnen und die Telegraphen nicht uns, sondern der Regierung zu Gebote stehen. So kann der Interpellwant in die Lage kommen, daß er in 24 Stunden die beabsichtigte Frage nicht mehr stellen kann, indem mittlerweile die eigentlichen Übelstände behoben sind. Ist er aber im Stande, an dem Tage die Frage zu stellen, wo er sie stellen will, dann ist das Ministerium nicht in der Lage, diese Übelstände wegzuräumen, und muß in dem Augenblicke Rede und Antwort geben, um zu beweisen, daß diese Wirtschaft in der Ordnung ist.

Aus diesem Gründe ist es durchaus unzweckmäßig, eine Interpellation 24 Stunden früher anzukündigen. Die Kommission hat sich zu diesem Paragraphe vorzüglich deßhalb bewogen gefunden, weil sie glaubt, daß in unserer Versammlung schon damit Mißbrauch gemacht worden ist. Meine Herren, ich finde dieß natürlich. Ist ein Mißbrauch vorgekommen, so hat dieß gewiß seinen Grund in der Neuheit unserer Zustände: es ist natürlich, daß man eine Waffe, die man erst in der Hand bekommen hat, gern prüft und untersucht.

Ich unterstütze daher den Antrag des Abg. Violand.

Ein zweiter Grund, und zwar der wichtigste, sind die vielen Übelstände, die von dem absoluten Regime auf uns übergekommen sind, die vielen Übergriffe der Bueaukraten in den Provinzen, auf welche hingewiesen werden muß. — Ist einmal der Staat in volle Ordnung gebracht, dann glaube ich, dürfen wir nicht befürchten, daß sich Interpellationen öfter wiederholen werden. Es wird dann nicht mehr nöthig sein, die Sache, nämlich das Mittel der Interpellation, wird nicht mehr nöthig sein. — Man wird sich nicht mehr so leicht versucht fühlen, es anzuwenden, und dann muß man es dem Schicklichkeitsgefühl eines jeden Einzelnen überlassen, nur dann zu interpellieren, wenn er eine wichtige Sache anzubringen hat; und daher glaube ich, daß wir uns nicht so weit beschranken, daß wir es dem Schicklichkeitsgefühl, vielleicht auch dem guten Rathe des Präsidenten bei der Übergabe der Interpellation überlassen, nur dann zu interpeliren, wenn wirklich ein wichtiger Grund dazu vorhanden ist.

Vicepräs. Ich erlaube mir zu bemerken, daß vor der Hand nur §. 83 vorgelesen wurde; die Debatte erstreckt sich mitunter auch auf den neuen, in Antrag gebrachten §. 84. Falls die hohe Versammlung wünscht, daß die Debatte über beide Paragraphe gleichzeitig geführt werde, würde ich mir erlauben, den Herrn Berichterstatter zu ersuchen, auch den §. 84 vorzulesen.

Berichterst. Mayer (liest den §. 84 vor.)

Vicepräs. Der Abg. Klaudi hat das Wort.

Abg. Klaudi. Ich finde mich eben im Hinblicke auf unsere Zustände bewogen, den Antrag des Abg. Violand gleichfalls, und zwar auf die Art kräftigst zu unterstützen. Die Theorie aller Zeiten hat anerkannt, daß Minister nur aus dem Gründe an den Verhandlungen der Kammer Antheil nehmen, weil sie im Interesse der Regierung Berichte und Auskünfte geben.

Das Bedürfnis nach einem solchen Medium hat in England und in Frankreich die Minister nach und nach in die Kammer gerufen, und nur jenen Ministern ein Recht, an den Verhandlungen Theil zu nehmen, gegeben, die zugleich als Abgeordnete gewählt waren. Weil aber die Minister an den Verhandlungen in ihrer Eigenschaft als Minister Antheil nehmen, und eben darum zunächst berufen sind, der Kammer und durch die Kammer dem Volke Auskunft zu geben, so wird das Ministerium auch jederzeit bereit sein, die Auskunft so gut es kann zu geben, und die verlangte Abhilfe, so gut es geht zu schaffen.

Daß eine Interpellation eine bloße Frage sei, scheint mir mit den Bestimmungen des Paragraphes in Widerspruch zu sein. — Ist die Interpellation eine bloße Frage, so braucht sie keine Unterstützung. Die Unterstützung braucht nach den Vorschriften der Geschäftsordnung bloß einen Antrag. Wird die Interpellation aber als Antrag behandelt, dann verliert sie das Wesen, und mit dem Wesen zugleich den Zweck der Interpellation, was der Abg. Rieger detailliert auseinander gesetzt hat. Eine Darstellung des Grundes, warum man interpellirt, scheint mir eben nicht als Discussion bezeichnet worden zu sein, sondern als eine dein Abgeordneten zustehende Rechtfertigung, warum er von seinem, der Versammlung allerdings einige Zeit raubenden Rechte Gebrauch machte, um im Namen der fünfzigtausend Menschen, die er hier zu repräsentiren die Ehre hat, die er daher in allen ihren Angelegenheiten auf das gewissenhafteste zu vertreten schuldig ist, die Interessen dieser Personen vor die Regierung durch ihre hierzu bestimmten Organe zu bringen.

Der Reichstag allein kann selbst, wenn er über eine Interpellation als Antrag beschließen wollte, ohne die Sanction der Regierung die gehoffte Abhilfe nicht eintreten lassen, und es scheint mir daher ganz zweckmäßig, daß diese Abhilfe, weil sie nach den uns gegebenen Zeitumstanden in der Regel so bald als möglich geleistet sein muß, eben von der Regierung durch ihre Organe zunächst geleistet wird. Das Frankfurter Parlament kann uns, der Kammer Österreichs und seiner Völker, um so weniger zu einer Richtschnur dienen, weil die Interpellationen in Frankfurt kaum von jener Bedeutung sein können, als es die der Abgeordneten der österreichischen Völker sind. Wir stehen auf positiven Boden: wir haben ein Reich, wir haben eine große österreichische Monarchie, wir haben die Regierung dieser großen österreichischen Monarchie, und die Abgeordneten der Völker dieser Monarchie haben ein Recht, sie haben die Pflicht, von den Organen der Regierung Abhilfe zu verlangen.

Die Regierung hat die Gewalt, hat die Macht, von einem Abgeordneten in der Mitte des Reichstags um Abhilfe angegangen, diese zu schaffen. Die Völker Österreichs sehen mit Vertrauen auf den Reichstag, und wir müssen uns gewiß freuen, daß die Völker das Vertrauen zu jener Versammlung hegen, in welcher wir zu sitzen die Ehre haben.

Aber wir müssen auch trachten, daß sie dieses Vertrauen erfüllt sehen, das sie in uns gefetzt haben, und nur, wenn unsere Committenten für die Zukunft die Gewißheit haben, wenn es möglich gemacht ist, durch ihre Vertreter in ihren inconstitutionellen Zuständen und drückenden Verhältnissen Abhilfe zu erlangen, so wird das Vertrauen erhalten werden, und nur auf das Vertrauen des Volkes gestützt kann der Reichstag segnend wirken; nur so kann eine Regierung Das erhalten, was zu einem glücklichen Gedeihen die erste Bedurfniß ist. (Ruf: Zur Sache.) Das Frankfurter Parlament kann daher für uns kein Beweis, kein Beispiel sein, weil das Reich, welchem das Frankfurter Parlament vorsteht, erst geschaffen wird. Darum sage ich, das österreichische Parlament steht auf einem positiven Boden, und das Recht der Interpellation ist unumgänglich nothwendig, weil die Zeitverhältnisse es gebieten, weil die Umstände es verlangen, Interpellationen auch ohne Rücksicht auf die Tagesordnung zur Sprache bringen zu können, damit die Abhilfe unserer Bedürfnisse nicht darunter leide. —Und was den Übelstand betrifft, den man durch die Stylisirung des Paragraphes beseitigen will, nämlich die Zeitversäumnis, so muß ich bemerken, daß er so unseren Bedürfnissen nicht entspricht, weil die Zeitverhältnisse es nöthig erscheinen lassen, daß eine Abhilfe sogleich eintrete. Und wer von uns kann wissen, ob er von seinen Committenten aus jenem Bezirke, den er hier vertritt, nicht eine Frage erhält, die nach seiner innigsten, gewissenhaften Überzeugung eine sogleich Abhilfe erheischt, und daher sogleich zur Sprache gebracht werden muß? Es kann Umstände geben, deren Dringlichkeit nur jene fünfzigtausend Männer angeht, die jenem Wahlbezirk angehören, den der Abgeordnete vertritt, und er nur allein vielleicht in der Lage ist, die Verhältnisse, die örtlichen und zeitlichen Verhältnisse jenes Bezirkes zu kennen und genau zu würdigen.

Deshalb ist eine Unterstützungsfrage aus diesem Gesichtspuncte unzulässig; und daß ein Mißbrauch bei Interpellationen stattfinden kann, dieß scheint mir das Recht nicht aufheben zu dürfen; denn es existirt kein Gesetz in der Welt, daß nicht einen Mißbrauch zumäßt, und die Gründe, die Herr Abg. Violand hierüber angeführt, scheinen mir triftig genug, um die Hoffnung zu hegen, daß ein solcher Mißbrauch nur selten eintrete« wird. Ich erkenne aber vollkommen, daß wir vor Allem einen Hauptzweck haben, und diesen durch Fragen an das Ministerium, durch Bitten um sogleich Abhilfe nicht hintanhalten türken; ich sehe aber diesen Hauptzweck, wie schon angenommen, durchaus nicht gefunden, eilen weil ich nicht annehmen kann, daß das Recht in einen Mißbrauch ausgeartet betrieben werden wird. Ist aber ein Mißbrauch zu beseitigen, so glaube ich, darf uns das durchaus nicht abschrecken, von einem für die gegenwärtigen Verhältnisse der Völker so wichtigen Siechte Interpellation Gebrauch zu machen. Ich stimme daher für den Antrag des Herrn Abg. Violand.

Abg. Jonak. Ich unterstütze den Antrag des Abg. Violand mit den Gründen, die er vorgebracht, mit jenen, welche das verehrte Mitglied für Kuttenberg jetzt ermahnt hat. Ich muß gestehen, ich liebe die Consequenz, und mit dieser Consequenz stimmt der Paragraph nicht sehr überein. Wir wollen Früchte haben, wollen uns frei bewegen, und doch sollen wir hier wieder Fesseln bekommen, deren Zweck ich nicht einsehen kann.

Es kann (ich lediglich darum handeln, ein Bollwerk aufzubauen, hinter das sich allenfalls das Ministerium verkriechen kann, wenn es nicht Rede und Antwort in jenem Momente zu geben für zweckmäßig findet. Man beruft sich auf Erfahrung; eben das Ministerium, welches jetzt auf den Bänken sitzt, hat bewiesen, daß eine solche Vorsichtsmaßregel überflüssig sei, und ich hoffe, daß in der Zukunft das Ministerium ebenso die Überflüssigkeit factisch darthun wird. Man hat uns gesagt, die Erfahrung spreche dafür, daß von diesem Rechte ein Gebrauch gemacht wird, welcher sich mit der weisen Sparsamkeit der Zeit nicht mehr vereinigen läßt. Sonderbar, daß man in manchen wenigen Fällen und ich möchte sagen, in einem Falle, auf den gedeutet hat, schon Schlüsse für die Folge macht; sonderbar, daß man wegen einer nicht ganz günstigen Anwendung dieses Recht schon im Vorhinein für alle zukünftigen Fälle beschränket will Man hat gesagt, es ist ein Unterschied zwischen Frage und Discussion. Hier hat das verehrte Mitglied für Kuttenberg hinreichend geantwortet. Ich finde es sonderbar, daß in jedem einzelnen Falle hier ein Unterstützung vorkommen soll, eine Unterstützung die man allenfalls durch ein vorläufiges Gespräch meinen politischen Freunden erreichen kann. Wenn in solches Gespräch in vorhinein vermutet und ausgesetzt wird, so ist ja jede Unterstützung überhaupt eine Illusion, dann brauchen wir die Unterstützungsfrage gar nicht in Anregung zu bringen, und ist sie illusorisch, so brauchen wir die Unterstützung überhaupt nicht.

Gehe ich aber weiter, so will ich sogar vermuhen, daß hier die Beschränkung durch die Unterstützung weiter geht, als sie eigentlich gehen soll. Der Abgeordnete für Rumburg hat vor einigen Tagen eine Interpellation an den Minister des Innern gemacht, die, wie sich nicht leugnen läßt, von der höchsten Wichtigkeit ist. In ersten Augenblicke hatte es vielleicht den Anschein, daß hier bloß das isolierte Interesse einiger Gemeinden zur Sprache lebrecht wäre, verfolgt man aber die Sache, so wird sich zeigen, daß dieser Territorialreckes, aus Anlaß des Verhältnisses einiger Gemeinden hier zur Sprache gebracht, für ein Land der Monarchie, ja für die Monarchie selbst von der höchsten Wichtigkeit ist. Wie sollen wir nun hier die Unterstützungsrage von einiger Bedeutung finden, um so mehr, da sie gestellt werden kann, wenn es sich lediglich um das Interesse des Einzelnen zu handeln den Anschein hat? Weiter selbst aber, wenn es auch nur das Interesse des Einzelnen wäre, oder das Interesse einiger Weniger, so muß ich mit Energie auf die Ausübung des Interpellationsrechtes bestehen, wenigstens im Interesse der 50,000, die ich die Ehre habe, hier zu vertreten. Es können Fälle eintreten, wo Einzelne oder Mehrere irgend eine Handlung, irgend eine Consequenz in der Ausübung eines Gesetzes erfahren, die nicht zu entschuldigen, m Gegentheile, die der sogleichen augenblicklichen dringlichen Abhilfe bedarf. Wenn ich mich mit meinen politischen Freunden bespreche, und sie zur Unterstützung auffordere, so, ich wiederhole es, ist Unterstützung ein Kinderspiel, denn sie mögen dieß thun aus freundschaftlichem Interesse für mich, für meine Perron, aber nicht für die Sache, und bei der Unterstützungsfrage kann es sich lediglich darum handeln, die Sache selbst zu unterstützen, nicht aber ans persönlicher Freundschaft für Diesen oder Jenen sich für die Unterstützung auszusprechen. Man hat gesagt, es werden selten Fälle der Dringlichkeit vorkommen, die hier im §.84 nicht schon ihre Erledigung gefunden haben. — Sollten wir von Zeit zu Zeit immer die Frage in Antrag und zur Abstimmung bringen, ob der Fall dringlich ist oder nicht? Auf der einen Seite wird immer von Zeitersparung gesprochen, von der ändern von Abstimmungen, die uns so viel Zeit rauben. Ich frage, wo ist da das Princip der Zeitersparniß in seiner Consequenz durchgeführt? Weiter hat man gesagt, der alte Entwurf sei noch viel strenger als der neue, denn der alte Entwurf im §. 84 gestattete es dem Minister gleich, später oder gar nicht zu antworten, während nach dem neuen Entwürfe nach §. 84 die Antwort stattfinden muß.

Das ist gesagt worden—ich glaube über, das ist eine Unrichtigkeit, denn es heißt in der neuen Vorlage, die Paragraphenzahl ist geändert, da ergibt sich, daß der alte §. 84 zum §. 85 erwächst, daß also nach dieser neuen Ordnung der Dinge die Interpellation einmal angemeldet werden muß, 24 Stunden vorher, später kann er sich bei seinen guten Freunden bewerben, die Unterstützungsrage hier mit Ja zu beantworten, später steht es dem Ministerium doch noch frei, zu antworten, die Antwort zu verschieben oder abzulehnen. Wo ist hier das Princip der Zeitersparniß? Ich muß gestehen, das sind Bemerkungen, die ich lediglich gegen den einen Sprecher zu richten habe, welcher den §. 84 des neuen Entwurfes verteidiget hat. Im Übrigen aber habe ich so ziemlich bei allen Sprechern vor mir gefunden, daß sie der Ansicht des Abgeordneten für Krems beipflichten. Diele so wie andere beigegebene Gründe unterstütze ich auf das bestimmteste.

Abg. Tomicek. Ich glaube mich auch der Ansicht des Abg. Violand anschließen zu müssen, daß wir den §, 83 annehmen sollen, wie es in der Geschäftsordnung enthalten ist, aber ich glaube, man sollte statt des letzten Satzes fetzen: "In keinem Falle darf jedoch durch die Interpellation eine bereits begonnene Verhandlung unterbrochen werden," da jede Interpellation eine Störung verursacht, deßhalb sollte stehen im Allgemeinen: "In keinem Falledorf jedoch durch die Interpellation eine bereits begonnene Verhandlung unterbrochen werden."

Abg. Löhner. Ich bin nicht im Stande, alle die Grüne zu widerlegen, die so ausführlich gegen den Antrag der Commission vorgebracht worden. Ich möchte mit nur erlauben auf das Principielle der Sache zurückzugehen, und zugleich auf das Praktische, nämlich auf das Verhältnis, welches die Interpellation als eines der Bestandtheile des constitutionellen Legalismus einnimmt, auf die Stelle, welche sie zwischen der Kammer, als dem Ausdruck des Landes, und dem Ministerium als der durch die Kammer getragenen Erecuthievgewalt haben soll und haben kann.

Ich glaube, eine Interpellation ist ganz richtig eine Frage. Man hat geltend gemacht, diese Frage habe aus dem etymologischen Standpuncte das Unerwartete an sich, es sei eine überraschende Fraggleichsaum ein Ubersallen des Gefragten. Ich muß aber bemerken, daß wir den Zweck nicht erreichen, wenn wir den Charakter der Interpellation in dem Sinne auffassen — einmal praktisch deswegen nicht, weil es unmöglich ist, das Ministerium zu zwingen, eine Antwort zu geben. Das Ministerium wird, so lange eine Reichsversammlung existirt, sich der Beantwortung entschlagen können, wenn sich ein Ministerium mit Ausreden auf sein Gedächtniß, auf die vorliegenden Acten, eine kürzere oder längere Zeit erbitten wird, um zu antworten. Die einfachste klügste Art zu antworten wird sein, daß der Minister sagt: Mir ist officiell nichts bekannt. Gegen diese Antwort wird Niemand etwas einzuwenden vermögen; es scheint mir aber die Frage nicht gelöst. Wenn wir von einem Minister voraussetzen, daß er kein Jüngling ist, dem das Blut in die Wangen schießt, wenn eint unvorhergesehene Frage an ihn gestellt wird, sondern daß die Minister Männer sind, leeren parlamentarische Kräfte hinlangen werden, und du nöthige Kaltblütigkeit haben werden, um eine solche Antwort zu ertheilen, wie es ihre Kenntnisse möglich machen, so scheint mir, daß wir von diesem Charakter wesentlich absehen können, und daß es für eine Frage zu betrachten ist, die wohl darum immer etwas Überraschendes haben wird, weil, nach meiner Überzeugung, man den Minister eines so großen Reiches, wie Österreich ist, nicht mit einem so kleinen Reiche vergleichen kann, dessen Minister wirklich nur ein Hausvater zu nennen ist, der die Grunze seines Reiches aus den Fenstern bei der Abendbeleuchtung sehen kann. Ich glaube, meine Herren, daß ein solches Bild eines Ministers nicht einmal auf den Director eines großen Güterkomplexes anzuwenden ist, und daß der feste Director in großer Verlegenheit wäre, wenn er über einen entfernten Meierhof Auskunft geben sollte, wo er vielleicht gerade über den großen Interessen der ganzen Wirtschaft, über dem Hauptbuchs sitzt, um jede Lesering buchhalterisch zu überwachen. Ich glaube, daß wir uns da wohl auf einen höheren administrativen Standpunct stellen und bedenken müssen, daß uns der Minister, welchem das Vertrauen eines so ungeheuer großen Reiches überlassen ist, und welcher zu gleiches Zeit die Interessen einer europäischen Großmacht zu vertreten hat, daß wir von ihm wohl nicht voraussetzen können, daß er im Stande sei, sich auch nur aller der Acten zu erinnern, die er unmittelbar den Tag vorher in Händen gehabt hat. — Nun, als politisches Instrument hat die Frage an das Ministerium offenbar eine doppelte Bedeutung, nämlich es kann des wesentliche Zweck desselben eine wirkliche Auskunft sein, man kann nämlich vom Ministerium verlangen zusagen, ob ihm gewisse Thatsachen bekannt sind, oder ob das Ministerium gewisse Verordnungen getroffen habe, oder man kann das Ministerium über einen Grundsatz befragen, nämlich über einen Grundsatz, den es in einer gewissen Eventualität befolgt. In sofern ist die Frage ein Feld, das der Einzelne aus der Kammer betritt, um lediglich Daten zu bekommen zu einem weiter zu stellenden Antrage, daß er wisse, wie das Ministerium in einem gewissen Falle vorgeschritten ist, oder welches der aktenmäßige Thatbestand ist Die Interpellationen haben aber noch eine zweite und sehr wichtige Seite, sie sind ein politischer Hebel, sie sind der Hebel, mit dem man ein Ministerium aus den Wurzeln bringen kann. Insofern sind sie eine sehr wichtige und gewaltige Macht. Sie muß aber auch im Interesse eines großen Reiches so weit bestens verwahrt werden, daß sie nicht bei jeder Gelegenheit als Hebel zu benützen ist, und die ändern wichtigen Zwecke beseitiget werden. Ich bin der Meinung, daß eine Interpellation in so weit beschränkt sein muß, weil sie eben als Angriff auf das Ministerium am aller leichtesten mißbraucht werden kann, und um so mehr in der Art, wo sie Jedem frei steht ohne eine hinreichend möglichst tiefe Begründung zu geben, damit auf der andern Seite die Kammer in den Stand gefetzt werde, zu beurteilen, ob der Hebel mit Grund diesmal angewendet ist. Ich bin der Meinung, daß, um eine Cabinetsfrage zu entscheiden, und durch eine Kammerentscheidung ein Ministerium zum Abtreten zu bringen, ein Antrag, eine motivierte Tagesordnung ein viel besseres Mittel ist, ein besseres Mittel darum, weil es nicht so leichtsinnig angewendet und endlich, weil es nicht so hangersendet werden kann, daß die Kammer bei jedem Anlaß zur Anregung gebracht werde, ob sie ein Ministerium stürzen will oder nicht. Ich glaube, wenn die Zeit gekommen ist, wo ein Ministerium reif geworden ist, bringt es ein begründeter Antrag eines Mitgliedes, der eine kräftige Unterstützung der Kammer findet, ja sogar eine gewaltige Minorität zum Falle.

Die anderen Gründe, warum ich aus Rücksicht für die Pflichten der hohen Kammer mich begegnen erkläre, sind schon vorhin angeführt worden, und das ist der Grundsatz, der beliebt worden ist, zu sagen; das heiße sich neue Fesseln anlegen. Wenn sie die Konsequenz so weit fuhren, daß sie die Freihat nicht in der Ordnung sehen, nicht in der Ordnung, die der freie Mensch sich selbst gibt, wozu ist dann überhaupt die Geschäftsordnung? So viele Paragraphen hier sind, so viele Fesseln haben sie sich angelegt. Wollen sie dies als Fesseln betrachten, was all eigener Beschluß gefaßt worden ist? Dagegen muß ich mich aussprechen. Wenn überhaupt eine Beschränkung des einzelnen Individuums zum Besten des Ganzen nöthig ist, so glaube ich, kann man sich nicht im Namen der Freiheit dagegen erklären; denn was ist der Staat selbst, als dag Verzichtleisten eines Mitgliedes des Staates auf eine gewisse Portion der Freiheit, um den Schütz der übrigen Portion um so sicherer zu haben. Wenn wir zu weit in der Consequenz gehen, so entfernen wir uns von der Natur der Dinge — wir müssen auf das Praktische gehen. Das Interpellationsrecht ist allerdings eine Concession, die man dem erregten Gefühle eines Einzelnen macht, irgend eine Nachricht zu erfahren, zum Schaden der Kammer selbst.

Vicepräs. Es sind noch acht oder neun Redner vorgemerkt. Bevor ich aber zur Vorlesung des Verbesserungsantrages schreite, werde ich den Antrag des Abg. Tomjcek vorlesen, um dann die Frage zu stellen, ob der Antrag unterstützt werde, damit man während des Debattierens sich nicht darauf beziehe. Dieser Antrag lautet, daß der §. 83 in seiner Fassung verbleibe, aber der letzte Satz soll so lauten: "In keinem Falle darf jedoch durch eine Interpellation eine bereits begonnene Verhandlung unterbrochen werden." Diejenigen Herren, welche diesen Antrag unterstutzen wollen, mögen aufstehen. (Hinreichend unterstützt.) Der Antrag des Abg. Wieznicky geht dahin, daß der §. 84 folgende Veränderungen erleide. (Wird vorgelesen.) Wünscht der Antragsteller seinen Antrag zu begründen, so wolle er von seinem Rechte Gebrauch machen.

Abg. Wieznicky. Ich erlaube mir nur die Frage zu stellen, wie es denn kommt, daß ich jetzt erst zur Rede zugelassen werde, nachdem mein Antrag bereits früher vor allen andern am Tische lag? Ich habe jetzt nichts mehr zu sagen, da der Gegenstand schon durch die verschiedenen Einwendungen erörtert ist.

Vicepräs. Der Grund liegt darin, daß Ihr Antrag nebst mehreren hier am Tische lag und ich sie in diesem Augenblicke auffordern wollte, ihn zu begründen.

Abg. Wieznicky. Ich bin zufrieden.

Vicepräs. Eisernerer Antrag des Dr. Polaczek erübrigt noch. Er betrifft gleichfalls den § 84 und lautet: "Jede Interpellation, die an einen Minister gerichtet werden soll, muß schriftlich mit kurzer Darstellung der Veranlassung am Tage vor der Sitzung, in welcher sie vorgelegt werden soll, eingereicht werden; ob ausnahmsweise eine Interpellation u. s. w."

Wünscht der Herr Abgeordnete seinen Antrag zu begründen?

Abg. Polaczek. Wir können zwar nicht leugnen, daß, seitdem der Reichstag constituirt ist, Tag für Tag Anträge vorgekommen sind, deren Gegenstand wohl dem Herrn Interpellanten, keinestags aber dem ganzen Reichstage wichtig erscheint, dessen ungeachtet halte ich es doch für wichtig, daß das Interpellationsrecht auf die in der Fassung des §. 84 enthaltene Bestimmung so sehr eingeschränkt werde. In dem §. 84 heißt es: daß wenigstens 24 Stunden vor der Sitzung eine Interpellation eingereicht werden müsse. Aus dem vom Abg. Löhner angeführten Grund ist es nöthig, daß der Minister von dem Gegenstände der Interpellation voraus verständigt werde, allein die Bestimmung, daß volle 24 Stunden voraus und nicht später eine Interpellation gemacht werden dürfte, scheint mir zu viel. Es ist genug, wenn bestimmt wird, daß die Interpellation einen Tag vorher eingereicht werbe, und es wird viele und zwar sehr viele Interpellationen geben, wenn wir einem oder dem andern Abgeordneten es nöthig machen, seine Interpellation nach den 24 Stunden einzubringen, wodurch es wünschenswerth gemacht wird, daß seine Interpellation noch in der folgenden Sitzung sogleich zur Sprache gebracht wird, damit gleich Auskunft ertheilt würde. Deshalb glaube ich, daß die Bestimmung: wenigstens 24 Stunden ich weggelassen werden und festzusetzen wäre: am Tage vor der Interpellation.

Die weitere Bestimmung der Vorlesung der Interpellation folgt unmittelbar vor dem Übergange zur Tagesordnung Eine Interpellation, die nicht hinreichend unterstutzt wirb, wird zurückgelegt. Ich glaube ebenfalls, daß das Interpellationsrecht zu sehr beschrankt ist, ja fast aufgehoben wird, und daß diese Bestimmung fast ganz illusorisch ist, denn will Jemand eine Interpellation vorbringen, so wird er gewiß 26 Mitglieder zur Unterstützung finden. Andererseits bat aber Abg. Jonak richtig bemerkt, daß die Interpellation eine Discussion bedürfe Für eine Interpellation, deren Gegenstand nicht so genau vorgebracht ist, ist kaum eine Unterstützung zu verwanzen. Die Absicht, daß einer Interpellation Schranken gesetzt werden, wird durch die neue Bestimmung eben dadurch, daß es möglich sei, zu jederzeit eine Interpellation zu stellen, nicht erreicht, wohl dient aber das freie Interpellationsrecht zur Forderung dieser Abstecht, weil es sich bereits bewährt hat, daß mitwillig gestellte Interpellationen das Mißfallen der hohen Kammererregt haben.

Vicepräs. Es sind jetzt zwei Antrage für die Unterstützungsfrage zu stellen, und zwar zuerst der Antrag des Abg. Wieznicky, er geht, wie schon erwähnt, dahin, daß in der vierten Zeile die Worte: "wenigstens 24 Stunden" weggelassen werden. Der zweite Antrag läßt in demselben Sinne in der fünften Zeile die Worte: "welche dem betreffenden Minister ohne Verzug zur Kenntnis zu bringen sind," weg. Diejenigen Herren, welche sich für die vom Abg Wieznicky ausgesprochenen Worte aussprechen, wollen aufstehen. (Minorität.) Ich werde den Antrag des Abg. Polacjek noch einmal vorlesen, um die Unterstützungsfrage stellen zu können.

Diejenigen Herren, welch; sich für den so eben vorgelesenen Verbesserungsantrag des Abg Polaczek auszusprechen wünschen, mögen es durch Aufstehen kundgeben. (Minorität.)

Abg. Umlauft. Ich schließe mich durchaus und unbedingt dem Antrage des Abg. Violand an, und stelle ihm anheim, seinen Antrag durch seine eigenen Gründe selbst zu unterstutzen, ich werde noch einige Andere vorzubringen trachten Warum ich das unbedingte Interpellationsrecht gewahrt wissen will, dieß scheint mir auch aus polischen Gründen notwendig, welches auch durch mehrfache Gründe unterstützt worden ist Es ist dagegen vorgebracht worden, wie es selbst der Berichterstatter der Commission zuerkannt hat, daß einige Gründe in der Ersparnis der Zeit liegen sollen. Ich finde dieß durchaus illusorisch. Der Abg. Brestel war es, welcher darauf hingewiesen hat, daß der Minister gehalten sein wurde, nach dem neuen Antrage, die Interpellation nach 24 Stunden bestimmt zu beantworten. Erstens ist in dem zweiten Paragraphe darüber gar nichts enthalten, und ich Glaube, daß nichts wird aufgenommen werden können, wenn auch dieselben Gründe, die Abg. Brestel vorgebracht hat, anwendbar sind. In Fällen, wo es sich um die Beantwortung einer politischen Frage handelt, gerade in solchen Fällen kann der Minister, wo es sich um eine so wichtige Frage handelt, nicht verhalten werden, dieselbe bestimmt und unweigerlich binnen 24 Stünden zu beantworten; er kann 48 Stunden, und vielleicht noch langer brauchen Es ist daher nothwendig, daß die Bestimmung des §. 84 aufrecht gehalten werde, daß der Interpellierte nicht gezwungen werde, augenblicklich, und auch nicht binnen 24 Stunden zu beantworten, besonders wenn es die Wichtigkeit des Regenspantes fordert, daß er eine umsichtige, und in alle Theile der Frage eingehende Antwort er» theile. Dann hat noch Niemand angedeutet, was geschehen kann, wenn die Interpellation auch in der Tagesordnung angekündigt ist, und wenn der Minister gar nicht hier erscheint, dann ist diese Bestimmung illusorisch. Er wird nicht erscheinen, er wird dazu genügende Ursachen haben, und wird den Verdacht rege machen, daß er nicht erscheint, um die Interpellation nicht beantworten zu müssen. Das ist ein Grund, der nicht aus dem Auge geruckt werden darf, Übrigens erwirken wir allerdings durch diesen Paragraph der Gefchäftsordnung die nöthigen Fesseln, welche unser Organismus einfordert. Und daß wir uns nur solche Fesseln aufgelegt haben. Aus demselben Grunde geht aber gerade hervor, daß solche Fesseln nicht nothwendig sind, weil sie nicht zum Ziele führen, was wir im Auge haben.

Übrigens kann ich mir wohl eine Interpellation ohne Motivirung denken, aber nicht denken, wie über die Gründlichkeit einer Interpellation debattirt werden könne, wovon im zweiten Absätze die Sprache ist, ohne daß dem Interpellanten gestattet sein soll, seine Interpellation zu motivieren, bevor die Debatte eröffnet sein und die Beschlagnahme richtig möglich sein wird. Ich frage, ob in diesem Falle bei einer so dringlichen Interpellation ein Zeitersparnis eintritt, oder im Gegenteil eine Verzögerung. Ich frage, bestehen Interpellationen, die nothwendig ertheilt sein müssen, bevor noch eine Beschlußnahme erfolgt von dein Zeitersparnisse ist keine Rede, sondern davon, ob Interpellationen statt ideal dürfen oder nicht?

Abg. Hein Ich träge auf den Schluß der Verhandlung an, ich hoffe, dieser Antrag wird unterstützt werben.

Vicepräs. Ich ersuche diejenigen Herren, welche sich für den Schluß der Verhandlung aussprechen, mochten es durch Aufstehen zu erkennen geben. (Wird angenommen.)


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