Vicepräs. Dann müssen Sie sich nach der Geschäftsordnung fügen und den Antrag schriftlich formuliren.
Abg. Rieger. Ich habe ihn bereits schriftlich formulirt; ich glaube, daß es keinen Paragraph in der Geschäftsordnung gibt, daß jedes Amendement auf den Tisch niedergelegt werden soll.
Vicepräs. Ich glaube, die Vorschriften sind bekannt, ich will mich daher in keine weitere Debatte einlassen. Die bisher vorliegenden Verbesserungsantrage sind Folgende:
I. Der Antrag des Abg. Dylewski, Einunterantrag zum Verbesserungsantrag des Abg. Paul. Der Abg. Paul hat den Verbesserungsahnantrag gemacht und zwar zum letzten Absatz des §. 34:,,jedoch mit Bedachtnahme der verschiedenen Nationalitäten und Provinzen nach den darüber vom Reichstage besonders zu erlassenden Bestimmungen." Der Unterantrag lautet: "jedoch mit Bedachtnahme der verschiedenen Nationalitäten und Provinzen und auch mit Bedachtnahme der Personenzahl jeder einzelnen Provinz."
II. Der Antrag des Abg. Pretis, und zwar zum Schlüsse des zweiten Absatzes: "Leben in einer und derselben Provinz zwei verschiedene Nationen, so muß jede derselben wenigstens durch Einen Abgeordneten im Konstitutionsausschusse vertreten sein.
III. Der Antrag daß Abg. Trojan lautet:"Dieser Ausschuß habe aus dreißig Personen zu bestehen, und wird vom Reichstage unmittelbar gewählt; zu diesem Behufe haben die Abgeordneten eines Gouvernements mit Rucksicht auf dessen ethnographische Eigentümlichkeit, je sechs Mitglieder aus ihrer Mitte in Vorschlag zu bringen und für jeden Regierungsbezirk wenigstens zwei Abgeordnete, und bei verschiedenen Nationalitäten aus jedem Volksstamme je eins aufzunehmen; die Übrigen können aus der gesamten Reichstags Versammlung frei gewählt werden.
IV. Der Antrag des Abg. Szaszkiewicz lautet: "Die hohe Versammlung wolle beschließen, daß statt des Ausdruckes "der einzelnen zehn Gouvernements" der Ausdruck: "der einzelnen Nationalitäten mit Rücksicht auf die Gouvernementteintheilung" in §. 34 der Geschäftsordnung gesetzt werde."
Abg. Rieger. Es ist meine Meinung, daß es nicht in der Ordnung ist, mehrere Anträge auf einmal zu debattiren, denn jeder ist auf einen ändern Grundsatz basirt, jeder muß mit ändern Grundsätzen unterstützt und mit ändern Grundsätzen angefochten werden. Es ist eine Confuston, wenn mehrere Antrage auf einmal vertheidigt und angegriffen werden. Es soll nur einer nach dem ändern zur Debatte und zur Abstimmung gebracht werden. Dieß ist meine Ansicht, und wenn diese Ansicht genehmigt wird, so werde ich es mir vorbehalten, sie später vorzubringen, weil Andere die Priorität haben; ich bitte sich darüber aufzusprechen.
Vicepräs. Ich erlaube mir die Bemerkung zu machen, daß Verbesserungsanträge noch vor dem Schluß der Verhandlung gestellt werden müssen.
Abg. Rieger. Der Schluß der Verhandlung ist, wenn kein Amendement vorliegt.
Ein Abg. Der Schluß der Verhandlung ist auch, wenn die Abstimmung verlangt wird.
Abg. Rieger. Ich glaube allerdings, daß die Abstimmung verlangt worden, indem muß es doch jedem freistehen, ein Amendement zu stellen. Ich bitte, vorerst über den Grundsatz: ob alle Amendements auf einmal angegriffen und vertheidigt werden sollen, sich aufzusprechen.
V i c e p r ä s. Ich glaube nicht, daß die? die entscheidende Frage war, ob bis nach dem Schluß der Verhandlung ein Abänderungsantrag gestellt werden kann.
Abg. Rieger. Ich glaube der Schluß ist noch nicht, wenn über ein Amendement abgestimmt worden ist, sondern wenn kein Amendement mehr vorliegt.
Vicepräs. Der Schluß der Verhandlung ist dann vorhatiben, wenn die Abstimmung von wenigstens zehn Mitgliedern der Kammer gefordert wird. Ich erlaube mir die Frage zu stellen, ob die Versammlung wünscht, daß zur Abstimmung geschritten werde? (Ja. Kein. Bitte ums Wort. Ruf nach Abstimmung.)
Ein Abg. Wann der Präsident die Frage gestellt hat, so ist kein Einwurf zu machen.
Abg. Dylewski. Wozu sollen wir uns die Hände binden? es ist möglich, daß das jetzt einen Anschein der Parteilichkeit hat; binden wir uns aber nicht die Hände für die Zukunft. Es haben mehrere gegen und für den Antrag des Abg. Lubomirski gesprochen; wenn wir aber darüber nicht entscheiden, so können wir einen ganzen Monat berathen.
Vicepräs. Erlauben sie mir, es ist deshalb vorausgesehen, indem die Ordnung zur Abstimmung hier festgesetzt ist; ich werde mir erlauben, die Frage zu stellen, in welcher Ordnung dieses zu erfolgen habe. Ich bitte durch Aufstehen zu erkennen zu geben, ob Sie die Debatte über diesen Gegenstand für geschliffen erachten.
Abg. Rieger. Über den Absatz des §. 2 oder über den Gegenstand. Es muß mir das Recht zustehen, auch darüber zu sprechen.
Abg. Lubomirski. Wenn ein Amendement gestellt wird, so muß es gelesen werden, bann ist dies in der Ordnung.
Vicepräs. Ich bitte, Sie find im Irthum. Nach der Geschäftsordnung bedarf ein selbstständiger Antrag der Unterstützung, ein Amendement aber nicht. Was den Abg. Rieger anbelangt, so erlaube ich mir zu bemerken, daß durch die Erklärung, ob die Verhandlung geschlossen ist, zugleich die Frage gelöst wirb, ob der Änderungsantrag des Abg. Rieger noch vorzulegen ist oder nicht.
Abg. Rieger. Ich bemerke das, weil die Versammlung mir das Recht absprechen will, und da gegen muß ich im Namen Ader protestiren. Es muß jedem Mitgliede das Recht zustehen — (Er wird unterbrochen durch den Ruf: Nein).
Ein Abg. Es muß erst dem Abg. R i e g e r gestattet werden, sein Amendement anzubringen nach §. 51 der Geschäftsordnung. (Dieser Paragraph wird vorgelesen.)
Vicepräs. Diejenigen Herren aus der hohen Versammlung, welche dem Abg. Rieger gestatten wollen, sein Amendement anzubringen, wollen aufstehen.
Abg. Rieger. Aber die Verhandlung war ja noch nicht geschlossen.
Abg. D y l e w s k i. Wir können nicht durch eine Parteischattierung (wird unterbrochen).
Abg. Rieger. Jetzt bitte ich weiter sich über den Gründsatz auszusprechen, ob ohne weitere Verhandlung eines Paragraphes alle Amendements auf einmal vertheidigt, oder angegriffen werden können, ob alle auf einmal vorzutragen sind, ob für jeden einzeln, oder über alle im Bausch und Bogen abzustimmen ist.
Abg. Brestel. Ich glaube wir werden darüber definitiv debattiren, wenn wir zudem entsprechenden Paragraphe der Geschäftsordnung kommen werden, wir werden dann neu debattiren, sonst werden wir uns stets von dem entfernen, mit dem wir uns beschäftigen. Übrigens bemerke ich noch Folgendes: Als eigentlicher Gegenstand liegt der Antrag dar Commission vor, über welchen debattirt wird, das ist die Grundlage; es steht jedem frei, zu diesem Antrage ein Amendement zu stellen; aber zu verlangen, daß man zuerst ausschließlich über dieses und dann über ein zweites, über ein drittes debattire, so wurde dieß den Gang der Verhandlungen schleppend machen. Die officielle Grundlage der Debatte ist der Antrag, und jedem einzelnen Abgeordneten steht es frei, zu diesem Antrage ein Amendement zu stellen. Es wird über den Antrag debattirt und dann aber das Amendement, nur muß es, wie es in der Geschäftsordnung enthalten, schriftlich dem Vorstände übergeben werden. Es steht jedoch auch der Versammlung frei, in jedem Augenblicke zu begehren, daß die Verhandlung geschlossen werde. Wird der Abschluß begehrt, so muß darüber abgestimmt werden, und nach der Abstimmung kann kein Amendement gestellt werden. Über Reihenfolge der Abstimmung hat die Gefchäftsordnung in der Art Vorsorge getroffen, daß der eigentliche Antrag nicht zuerst, sondern die Amendements nach der Ordnung zur Abstimmung gelangen, in welcher sie sich von dem Antrage selbst weiter entfernen.
Abg. Löhner. Ich muß die hohe Versammlung darauf aufmerksam machen, daß wir die Freiheit einzelner Abgeordneten nicht zum Nachtheile des Ganzen ausdehnen sollen, durch welche einzelne Abgeordnete eine Behandlung auf Tage hinauszuziehen im Stande sind. Ich will, daß der Grundsatz der Suprematie gegenüber den einzelnen Abgeordneten festgehalten werde, daß nicht Einzelne durch Schikane die ganze Versammlungsyrannistren. Sie muß das Recht haben zu erklären, sobald sie sich vollkommen belehrt findet und im Augenblicke, wo die Majorität dieses erklärt hat, die Abstimmung vorzunehmen, damit nicht die Freiheit des Einzelnen als Vorwand gebraucht werde, um den Wunsch der Gesamtheit hinanzuhalten.
Abg. Dylewski. Ich erlaube mir den Antrag zu unterstützen, oder darf man nun gestellte Anträge nicht unterstützen?
Abg. Mayer. Bei der Debatte über die Geschäftsordnung wurde bestimmt, daß alle darüber gestellte Anträge als Amendements zu betrachten seien und die Vorlage der Commission als Antrag erscheine, daher ist die Unterflitzungsfrage nicht nöthig.
(Allgemeine Bewegung und ein Sprecher nimmt dem ändern das Wort.)
Vicepräs. Die Frage hängt davon ab, ob die hohe Versammlung die Debatte für geschlossen erklärt oder nicht, ich stelle daher nochmals die Frage —
Abg. Rieger. Ich bitte, man hat mir das Recht zugestanden, meinen Antrag vorzutragen. — (Allgemeine Bewegung.)
Abg. Löhner. Ich protestire gegen jede weitere Unterbrechung.
(Unruhe. Präsident läutet zur Ordnung.)
Vicepräs. Die hohe Versammlung hat bereits erklärt, daß die Debatte geschlossen sei. (Ein Theil ruft: Ja, ein anderer: Nein.) Erlauben Sie, meine Herren, durch weitere Abstimmung wurde dem Abg. Rieger gestattet, seinen Antrag zu stellen, sobald dieses geschehen ist, dann wird der erstere Beschluß der Versammlung in Vollzug zu treten haben. Ich fordere den Herrn Abg. Rieger auf, seinen Antrag aufs Bureau niederzulegen, damit endlich zur Abstimmung geschritten werde. Es handelt sich hier um den Grundsatz; ich glaube, daß es jedem Abgeordneten freistehe.
(Unruhe. Ruf: Zur Ordnung.)
Der vorgelegte Verbesserungsantrag des Abg. Rieger besteht darin: "dieser Ausschuß wird in der Art gewählt, daß in demselben aus jeder Section zwei Mitglieder und über dieß von den Deputirten eines jeden Gouvernements ein Deputirter gewählt werde."
Abg. Dylewski. Aber die Begründung gebührt so auch nach der Ordnung.
Abg. Rieger. Ich glaube, es sind mehrere Anträge gestellt worden; ich bin viel zu bescheiden, einigen Herren, die einen Antrag früher gemacht haben, die Priorität streitig machen zu wollen. Sollten aber die Herren, die früher Amendement» gestellt haben, auf die Begründung verzichten, dann
werde ich auf die Begründung meines Antraget ein gehen.
Vicepräs. Ich erlaube mir die Bemerkung daß bereit.! ein Beschlag der Kammer vorliegt, kein weitere Debatte aber diesen Gegenstand zu eröffnen (Ruf: Nein), dal ei aber dem Abg. Riege bloß gestattet wurde, seinen Antrag vorzulegen.
(Bewegung.)
Abg. Klaudi. Ich erlaube mir die Frage an die Herren Secretäre, ob sie einen solchen Beschluß protokollirt haben?
Abg. Violand. Ich berufe mich auf den §. 63 der provisorischen Geschäftsordnung, und ersuche einige Herren, dieses zu unterstützen, denn es scheint daß einige Herren Abgeordnete die Debatte hinaus; ziehen wollen.
(Allgemeine Bewegung.)
Vicepräs. Ruft zur Ordnung.
Ein Abg. Es ist aber nicht geschehen.
Abg. Violand Ich ersuche den Herrn Präsidenten abstimmen zu lassen, ob die Verhandlung geschlossen werde, ich ersuche einige Herren, meine Ansicht zu unterstützen (Wird unterstützt).
Vicepräs. Die Herren, welche die Debatte für geschlossen erachten, wollen aufstehen. (Minorität.)
Abg. Szabel Dem Abg. Rieger ist es gestattet worden, ein Amendement vorzulegen, mit der Vorlesung ist es aber nicht abgethan, denn sonst wate es nicht nothig gewesen, ihn vorzulesen; ich fordere daher Herrn Abg. Rieger auf, sein Amendement ohne Zeitverlust zu begründen, damit wir endlich zum Beschlüsse kommen.
Abg. Löhner. Ich erlaube mir auf den §.51 der Geschäftsordnung aufmerksam zu machen. (Lieft den Paragraph vor:) "
Abänderungsanträge (Amendements) können zu jeder Zeit vor den Schlüsse der Verhandlung gestellt und so gleich berathen werden. Dieselben müssen mit der Hauptfrage in wesentlicher Verbindung stehen, und werden dem Präsidenten schriftlich, und zwar ohne Begründung übergeben."
Abg. Rieger. Ohne Begründung, aber schriftlich habe ich mein Amendement übergeben. (Ruf: Begründen.) Ich habe früher gefragt, ob diejenigen Herren, welche (Ruf: zur Sache).
Abg. Dylewski, Ich habe aber auch das Recht zu begründen. (Ruf: Nein) Warum denn? (Lärmende Unterbrechung.)
Abg. Klaudi. Das nenne ich Terrorismus, Nach der Geschäftsordnung kann man den vor Schluß der Verhandlung auf den Präsidentisch niedergelegten Antrag begründen.
(Lärm, der Präsident läutet und ruft: Zur Ordnung!)
Zu Herrn Rieger: Ich bitte für Begründung zu schreiten.
Abg. D y l e w s k i. Ich behalte mir die Bearundung vor. (Unterbrechung ).
Abg. Rieger. Meine Herren es und viele schone Worte gesprochen worden von Einheit, von Gleichheit, von Gleichberechtigung und Gerechtigkeit, auch will ich diesen meinen Antrag durch dieselben Worte, durch dieselben Grundsätze rechtfertigen. Man hat gesagt: wir sitzen hier nicht als Abgeordnete der Provinzen oder Nationalitäten, wir sitzen hier als die Vertretet aller freien Bürger des ganzen Reiches, und Angesichts dieses Grundsatzes vertheidigt man die Ansicht der Kommission, welche uns nicht als Abgeordnete des ganzen Reiches, sondern als Abgeordnete der Gouvernements betrachtet haben will. Will man einmal von den Provinzen und Nationalitäten absehen, dann muß man ganz absehen, man muß sich an den Grundsatz der Geschäfts. Ordnung, an eine Regel halten, und diese Regel ist die, daß alle Ausschusse gebildet werden durch die Wahl der Sectionen; nur auf diese Art kann man alle Unterschiede der Nationalitäten, alle unterschiebe der Gouvernements fallen lassen In Sectionen aber wird Rückficht genommen auf Befähigung jedes Einzelnen, und diese glaube ich ist hier vor Allem entscheidend. Dieser Moment ist es, worauf wir vor allem Andern Rücksicht nehmen sollen. Man hat gesagt: es hat jede Provinz gleichviel Intelligenz geschickt, und man muß auf die Intelligenz Rücksicht nehmen und diese aus allen Provinzen gleich dabei vertreten lassen. Dieß ist auch meine Ansicht, in der ich ziehe daraus eine andere Schlussfolgerung. Ich glaube die Intelligenz ist uns von allen Ländern, von allen Gouvernements in gleichem Maße hergeschickt worden; denn anzunehmen, daß eine Provinz, relativ genommen, weniger Intelligenz geschickt habe, als eine andere, wäre Beleidigung für die betreffende Provinz, das aber, meine Herren, werden wir uns gegenseitig nicht zumuthen. Man hat gesagt, der luchste Grundsatz, von dem wir auszugehen hätten, wäre die Gleichberechtigung aller Nationalitäten. Wenn wir von diesem Grundsatze ausgehen wollten, mußten wir consequent die Nationalitäten auch im Ausschusse durch gleich viele Deputirte vertreten lassen. Eines muß mich Wunder nehmen: daß derjenige Abgeordnete, der diesen Ausschuß so fest und bestimmt ausgesprochen hat, nicht auch zugleich das aus demselben nothwendig schließende Amendement gestellt tat, daß die Wahl für den Ausschuß nach Nationalitäten vorzunehmen sei, daß also aus jeder Nationalität 3 Abgeordnete zu wählen wären, und dann hatten mir für he deutsche Nationalität.3, für die böhmische 3 weiß nicht, ob sich die Mehrer für eine eigene Nationalität halten werden auch sie 3 zu schicken haben. Ferner hätten die Vertreter der übrigen Nationalitäten eben so, also die der Italiener, Wallachen, Ruthen und Polen je 3 Abgeordnete in den Ausschuß zu nahten. Ich weiß nicht ob die h. Versammlung auf diesen Grundsatz einzugehen geneigt ist. Man hat gesagt: wir müssen den historischen Boden nicht verlieren, wir müssen die Eintheilung in Gouvernements festhalten. Es ist sonderbar, daß dieselben Deputaten, die früher den historischen Boden zu einer tabula rasa machen wollten, mithin keine Convernementsabtheilung mehr anerkennen wollten, jetzt plötzlich wieder auf die historische Basis zurückkommen wollten, weil dieses ihren Parteiansichten in dieser Frage bequemer ist. Man hat gesagt: durch die vorgeschlagene Vertretung der Gouvernements nach ihrer Größe in dem Ausschüsse durch diese Vertretung nach Percenten der Bevölkerungszahl werde eine Suprematie der großen Gouvernements über die kleinen zuwege gebracht; ich behaupte wieder: im Gegentheil wird durch den Vorschlag der Commission, daß jedes Gouvernement, ob groß, ob klein, gleichviel Abgeordnete in den Ausschuß zu wählen hat, eine Suprematie derjenigen kleinen Länder, welche zufälliger Weise in mehrere kleine Gouvernements zerfallen, über die größeren zu Stande gebracht wird; das, meine Herren, ist eine Ungerechtigkeit. Wir wollen es uns nicht verleugnen, daß darin eine Ungerechtigkeit liegt, wenn man die Wahl nach Provinzen und zwar so trifft, daß die 108 Abgeordneten aus Galizien nicht mehr Deputirte in diesen Ausschuß zu stellen haben, als die 11 Abgeordneten in Dalmatien. Oder ist diese Ungleichheit der Vertretung keine Ungerechtigkeit? Wir sollten vor Allem von dem Grundsätze ausgehen, daß die Intelligenten vorzugsweise zu berücksichtigen fei. Sollte nun die Versammlung glauben, daß die Provinz Dalmatien in ihren 11 Abgeordneten mehr Intelligenz aufzuweisen hat, als die 108 Abgeordneten aus Galizien? Meine Herren, dieß anzunehmen, wäre eine Beleidigung für die Deputaten Galiziens. Ich glaube, meine Herren, die Gleichheit könne verschieden verstanden werden: es gibt eine absolute und eine relative Gleichheit; die absolute Gleichheit wird hier verlangt, man verlangt, daß die Provinzen ohne Rucksicht auf die Bevölkerungszahl durch eine gleiche Anzahl von Deputirten in diesen Ausschuß zu vertreten seien; dieses ist die absolute Gleichheit; aber eine absolute Gleichheit, meine Herren, ist immer und ewig eine relative Ungleichheit — immer eine Ungerechtigkeit. Wie kommt es, daß z. B. in einem Fabriketablissement nicht der Lehrjunge und der Arbeiter, Geschäftsführer, Colonist und Maschinist gleich bezahlt werden? Dies würde der von vielen Abgeordneten geheischte Grundsatz der absoluten Gleichheit nothwendig fordern. (Ruf: Zur Sache.)
Abg. Klaudi. In jeder Versammlung steht es frei und jedem Abgeordneten muß es freistehen Beispiele anzuführen. (Heftige Unterbrechung.)
Abg. R i e g e r fährt fort: Bei Annahme einer solchen Gleichheit müßten Galizien und Böhmen ebenfalls nur so viel in den Staatsschatz zahlen und auch nicht mehr Recruten zu stellen hat er, als die ändern Provinz.
Wir aber verlangen relative Gleichheit unter den Provinzen, und diese ist Gerechtigkeit. Sollte es aber die hohe Versammlung vorziehen, den Grundsatz einer absoluten Gleichstellung der Provinzen anzunehmen, so müßte ich consequent antragen, daß diese Provinzen eben so wenig in den Staatsschatz zu zahlen und eben so wenig Recruten zu stellen haben wie die ändern. Bedenken Sie, meine Herren, daß die größten Provinzen, namentlich Galizien, Böhmen, Mähren und Niederösterreich, zum Staatsschätze mehr beigetragen, als mehrere von ändern Provinzen zusammengenommen. Wer weiß es nicht, daß auf den Ebenen von Verona bedeutend mehr Männer aus den größten Provinzen bluten müssen, als aus den kleinern; wenn wir nun Gut und Blut in größerem Maße für die Monarchie hinopfern müssen, so sollten billigerweise wir auch in anderer Beziehung mehr berücksichtigt werden. Wenn wir mehr beitragen zum Bestände der Monarchie durch die That, warum sollen wir es auch nicht thun durch den Rath? Ich will aber von dieser Rücksicht der Billigkeit absehen und den Grundsatz festhalten, daß nicht die Nationalitäten und Provinzen in dem Ausschüsse repräsentirt werden sollen, sondern die Capacität der ganzen Reichsohrsammlung, ohne Unterschied, ob sie aus dieser oder jener Provinz kommen. Als Beispiel führe ich die Stadt Wien an, die hier durch 15 Abgeordnete vertreten ist; ich will den übrigen Provinzen nicht nahe treten, aber es wird mir Jeder zugestehen, daß von Wien als der Haupt, Residenz und Universitätsstadt vorauszusetzen wäre, daß sie mit einer größeren Summa von Intelligenz den Reichstag beschickt hat. Es kann sich finden, daß gerade diese Abgeordneten von Wien die größte Intelligenz des Reichstages find, und gerade diese sämtlichen Abgeordneten als diejenigen bekannt werden, die durch ihre staatsmännische Bildung vorzugsweise berufen sind, die Verfassung des ganzen Reichstages zu entwerfen. Warum sollen wir uns die Hände binden durch die Bestimmung, daß nur 3 Mitglieder aus einem Gouvernement zu wählen seien. Wir müssen alles zusammen suchen, was uns an Intelligenz zu Gebote steht, denn diese Frage, die hier entschieden werden soll, ist die wichtigste, für die ganze Monarchie; denn von der Entscheidung dieser Frage hängt es ab, ob Österreich künftighin noch als ein kräftiger Staat fortbestehen soll, oder ob er in seiner Verfassung den Keim der Auslösung, den Grund des Zerfallens in sich trauen soll. Denn wenn wir das Princip der Intelligenz aufstellen, so müssen wir auch an der Geschäftsordnung festhalten; denn die Geschäftsordnung sägt, daß alle Ausschüsse für Berathung und Bearbeitung von Gesetzvorschlägen durch Wahl der Sectionen zusammengestellt werden müssen. Wie kommt es nun, daß die Kommission von diesem vernünftigen Grundssitze gerade in diesem Puncte abgegangen ist? Wie kommt es daß gerade bei dieser Puncte eine Ausnahme von der Regel gemacht wird? Es scheint fast, daß man einen Grundsatz annehme, um ihn bei nächster Gelegenheit wieder fallen zu lassen, wo er nicht genehm ist. Hat man einmal den Grundsatz. die Gesetzausschüsse durch die Section wählen zu lassen, als den vernünftigsten anerkannt, warum geht man von demselben ohne Grund wieder ab? Ist etwa dieser Gesetzentwurf weniger wichtig als die andern, oder bedarf man zu diesem Gesetzentwurf weniger der Capacität? Ich glaube demnach consequent zu sein, wenn ich vorschlage,, daß diese Wahl nach der Regel, d.h. durch Sectionen geschehe. Der einzige Einwurf, den man mir machen könnte, ist wohl der, daß bei diesem Wahlmodus eine oder die andere Provinz zufälligerweise auch ganz unvertreten bleiben könnte; dieser Einwendung begegne ich dadurch, daß ich den Grundsatz der Gefchäftsordnung so zu amendiren vor schlage: daß überdies noch jede Provinz je einen Deputirten aus sich in diesen Ausschüsse wähle, damit er im Stande wärt, über ihre besonderen Interessen und Bedürfnisse Auskunft zu ertheilen. Diese Bemerkungen würden von anderen Mitgliedern des Ausschusses gewiß nach Gebühr berücksichtiget werden. Wenn aber jede Provinz 3 Abgeordnete zu wählen hätte, so hieße dieß den Grundsatz, daß die Intelligenz besonders zu berücksichtigen ist, fallen lassen; denn der Antrag der Commission berücksichtiget zwar nicht die Zahl der..Bevölkerung, nicht die Zahl der Deputirten, sondern die zufällige der Gouvernements, also nicht das Princip der Intelligenz. (Öfter unterbrechen durch den Ruf zur Abstimmung.)
Ferner ist noch Eins zu beachten, es gibt Capacitäten verschiedener Art, es kann sich treffen, daß z. B. die Provinz Dalmatien seht ausgezeichnete Mitglieder in den Reichstag schickt, aber vielleicht gerade solche, die in diesem Verfassungswerke weniger Talent und Vorbildung besitzen, vielleicht sinken wir unter den dalmatischen Deputirten solche, die sich ganz vorzüglich auf das Marinewesen verstehen. Andere die im Handelsfache ganz besonders bewandert sind, vielleicht findet sich aber Keiner unter ihnen, der sich mit politischen Wissenschaften befasset, oder es sich zur besondern Aufgabe gemacht hätte, jene Theorien zu studieren, nach welchen die Verfassungen von Staaten gebildet werden müssen, wenn sie Bestand versprechen sollen. Wollen wir nun die Provinz Dalmatien zwingen, aus ihren 11 Deputirten drei Staatmänner zu wählen, wenn sie deren nicht hat? Das hieße einem Grundsatz huldigen, der in Rußland bei der Rekrutierung in Anwendung gebracht wird. (Unterbrechen durch den wiederholten Ruf zur Abstimmung. Einige Stimmen: Man darf nicht von dem Gegenstände abweichen. Der Redner läßt sich jedoch nicht unterbrechen und fährt fort:) Dort besteht dem Vernehmen nach die Verordnung, daß die neu angeworbenen Recruten je zu 100 in einer Reihe gestellt werden, der 91. in dieser Reihe wird designiert, der 92. zum Hornbläser, der 93. zum Schuster, der 94. zum Zimmermann und in dieser Art weiter fort. Es wird nicht darauf gesehen, ob der so zu einem Berufe Designierte die Fähigkeit und Neigung hierzu besitzt, es wird nicht gefragt, ob er in diesem Fache eine Vorbildung sich erworben, noch auch ob sich unter den 100 in der Reihe finden, die zu dieser Beschäftigung mehr Reizung und Beruf hätten; das Gesetz ist unerbittlich, die letzten 10 von den 100 müssen zu jeglicher Arbeit, zu der sie der Zufall bestimmt, auch das Talent haben, sie mögen wollen oder nicht. — (Mehrmals unterbrochen durch den Ruf zur Abstimmung.)
Abg. Borrosch ruft zur Geschäftsordnung.
Vicepräs. erwiedert darauf: es wäre der Geschäftsordnung gemäß, jeden Redner die einmal begonnene Begründung seines Antrages zu Ende führen zu lassen und fügt hinzu; Auch hat Herr R i e g e r in dieser Frage erst das erste Mal das Wort.
Abg. Rieger fahrt fort: Man spricht sich so gerne und so häufig gegen russische Regierungsmaßregeln und Grundsätze aus, ich glaube man wird den angeführten russischen Grundsatz in dieser hochwichtigen Frage nicht zur Geltung bringen wollen, man wird Dalmatien nicht zwingen wollen, unter seinen Abgeordneten drei zum Verfassungsentwurfe besondere geeignete Capacitäten aufzuweisen. Meine Herren, ich wiederhole es nochmals, es Ist der vernünftigste Grundsatz, vorzugsweise auf die Capacitäten zu sehen, und das geschieht bei uns der Regel nach durch die Sectionen. Diesem Ausschüsse soll das wichtigste Geschäft des Reichtages anvertraut werden, es soll ihm da? ganze Werk übertragen werden, zu dem wir Alle hierher gekommen sind; er soll für uns, in unserem Namen, den Entwurf einer Verfassung ausarbeiten, von der das Glück unserer Völker, die Zukunft der Monarchie abhängt; wir müssen mit aller Mühe und Aufmerksamkeit zusammensuchen, was in der ganzen Reichsversammlung an politischen Capacitäten zur Disposition steht. Je intelligenter der Ausschuß sein wird, desto besser wird auch das Verfassungswerk sein; nehmen wir also die Capacität, wo wir sie immer finden, ohne Rücksicht aus die Nationalität und die Gouvernements. Meine Herren, die Monarchie ist, wenn ich mich so ausdrücken darf, in dm Geburtsnötchen (allgemeines Gelächter) — eine neue junge frische Monarchie soll nun ins Leben treten (wiederholtes Gelächter) — dieser Ausschuß soll gewissermaßen den Kaiserschnitt thun (anhaltendes Gelochtes), der, wenn er misslingt, nicht bloß den Fortbestand der alten Monarchie unmöglich macht, sondern auch das | junge hoffnungsvolle Leinen dem Untergänge weiht, darum, meine Herren, wiederhole ich noch mal, weihten wir nicht Nationalitäten, nicht Provinzialitäten in diesen Ausschuß, währen wir nie größten Capacitäten.
Vicepräs. Die hohe Versammlung hat den Ausspruch gethan, daß die Debatte geschlossen wer: de. Der Herr Berichterstatter hat das Wort, wolle er es ergreifen.
Ein Abg. Im §. 63 der Geschäfts Ordnung steht es: "Ist das Ergebniß der Abstimmung zweifelhaft, so ist die Verhandlung fortzusetzen."
Vicepräs. Ich erlaube mir noch mal die Sache vorzutragen. Auf die Anfrage des Abgeordneten Rieger, ob er noch einen Antrag stellen könne, wurde die hohe Versammlung darüber befragt und es hat sich die Überwiegende Mehrheit für den Schluß ausgesprochen. (Viele Stimmen: Nein, nein!)
Ein Abg. Ich bitte nochmals darüber abstimmen zu lassen, ob die Debatte geschlossen werde.
Vicepräs. Das thun wir nun schon zum dritten Male.
Abg. Trojan. Es haben mehrere Herren gesprochen, die gar keinen Antrag schriftlich niedergelegt hatten; ich habe meinen Antrag schriftlich niedergelegt, und frage nun ob ich mich darüber erklären darf?
Vicepräs. Damit kein Zweifel über die Frage obwaltet, ob die Debatte fortgesetzt werde, so bitte ich diejenigen Herren, welche wünschen, daß die Debatte geschlossen werde, aufstehen wollen.
Ein Abg. Die Abstimmung ist zweifelhaft, ich bitte daher, es möge das Bureau zusammentreten. (Es geschieht.)
Vicepräs. Ich bitte die Gegenprobe zu machen! Diejenigen Herren, welche dafür sind, daß die Debatte fortgesetzt werde, wollen aufstehen. (Es geschieht, die Abstimmung ist aber wieder zweifelhaft.) Bei der Abstimmung im Bureau haben sich gleiche Stimmen geäußert, die eine für zweifelhaft, die andere für Minorität.
Ich sage, daß das Ergebniß der Abstimmung zweifelhaft ist, und beantrage, daß zur Abstimmung durch Zählung geschritten werde
Ein Abg. "Ist das Ergebniß der Abstimmung zweifelhaft, so ist die Verhandlung fortzusetzen."
Vicepräs. Die Debatte wird also fortgesetzt. Herr Dylewski hat das Wort.
Abg. Dylewski. Meine Herren! Ich spreche wieder in demselben Tone, in welchem ich mehrmals gesprochen, im Tone der Betrübnis, darüber, daß Sie bei einer Sache, die doch so wichtig ist, so wenig Gehör schenken wollen denjenigen, welche darüber Aufklärung geben wollen, und mit vorgefasster Meinung zur Entscheidung schreiten; und wenn Sie auch überstimmen, ist das, was sie bestimmen, schon draußen geschehen. Berücksichtigen Sie, meine Herren, wir sind gekommen, um hier die Krankheit, die uns zu Hause drückt, zu melden, und dafür Abhilfe zu schaffen. Wenn wir aber diese Abhilfe mit so wenig Besonnenheit fassen, besorgen Sie nicht meine Herren, daß die Welt und Nachwelt und mit dem Namen Pfuscher und Brandstifter bezeichnen werde?
Das ist die Rede, die mir entfließt im ersten Augenblicke, wo ich sehe, daß Leidenschaften die Oberhand über die nötige Ruhe und Besonnenheit erhalten; ich glaube, es ist nicht der Mühe werth, die Sache so leidenschaftlich aufzufassen.
Um was handelt es sich denn? Um einen Ausschuß zu wählen, welcher die Grundsätze unserer Verfassung berathen soll. In dem Grundsätze: F r e i h e i t und Gleichheit stimmen wir Alle überein. Wenn wir nun alle davon überzeugt sind, wozu dieser Zwiespalt? ich glaube der Ausschuß ist der Referent zur Bearbeitung dessen, was der Reichstag haben will, er ist die Stimme des Reichstages im Kleinen. Nun, sobald Freiheit und Gleichheit da ist, so ist es doch gleichviel, wer im Ausschüsse sitzt, wenn mir nur die Garantie haben, daß derjenige, welcher dahin kommt, ein aufrichtiger Freund der Freiheit und Gleichheit ist. Ich muß daran erinnern, was gestern geschah, als die Botschaft von Sr. Majestät ankam. Da hat die Kammer in gerechter Würdigung der Umstände sich zum Schwünge emporgehoben, mehrere Redner haben wirklich die Meinung der ganzen Kammer hingerissen, und es wurde beschlossen, daß durch Wahl ein Ausschuß gebildet werde, welcher den Geist der Kammer in einer Adresse kundtue. Wie ist die Wahl ausgefallen? Nur ein einziges Mitglied von allen denen, die gesprochen, und das Gefühl der Kammer angeregt hatten, wurde in diesen Ausschuß gewählt.
Es wurden Andere gewählt, die ein Resultat brachten, mit welchem man nicht zufrieden war. Ich glaube diejenige Partei, welche für den Entwurf spricht, stimmt sicher in der Überzeugung dafür, daß sie in ihrer Mitte diejenigen finden werde, welche zu diesem Geschäfte die genügende Fähigkeit laben. — Hat sie dieses Bewußtsein? Das ist keine Parteifrage, sondern eine Frage des Gewissenswein wir aber diese Sicherheit nicht haben, wer sann es uns übel nehmen, wenn wir denken: Ha! bei dieser Unsicherheit müssen wir auf uns selbst sehen und trachten, daß wir in einer Anzahl gewählt werden, die uns Garantie gibt. Ich glaube, wir können dieses nicht mit weniger Recht ansprechen, als Sie, meine Herren! — Wir haben eine Geschichte, eine alte, und eine neue, die wirklich auf uns den Stempel schon gedruckt hatte, und sie sollen nicht fürchten, daß wir ein Recht erlangen, welches Andern, von denen solche Beweise noch nicht vorliegen, eingeräumt wird.
Dieses ist wieder keine Frage der Partei, sondern eine Frage der natürlichen Notwendigkeit.
Der Ausschuß ist nur eine vorbereitende Behörde, r arbeitet das vor, was in der Kammer zur Abstimmung kommen soll. Warum furchten Sie also en Ausschuß? Der Ausschuß beschließt ja nichts,