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Karbitz:
Bei dem Morgenumzug, den die kommunistische
Partei am 1. Mai durch den Ort veranstaltete,
wurde lediglich die Parteifahne verwendet, ohne
jedoch dem Zuge eine Staatsfahne voranzutragen.
Rumburg:
Die Anschlagezettel der Deutschen Sozialdemo-
kratischen Partei zum 1. Mai 1937, in der Farben-
zusammenstellung schwarz-weili-rot, wurden un-
beanständet zur Plakatierung freigegeben, wo-
gegen die Plakáte der Sudetendeutschen Partei in
dieser Farbenzusammenstellung verboten wurden.
Der von Fillippsdorf und Georgswalde zum
Kundgebungsplatz nach Rumburg marschierende
Zug der Kommunistischen Partei führte nur die
Parteifahnen mit sich. Eine Staatsfahne wurde
nicht vorangetragen.
Bei dem Umzuge der Kommunistischen Partei
durch die Stadt Rumburg wurde den im Zuge mit-
getragenen zahlreichen Parteifahnen, mitunter in
überdimensionierten AusmaBen eine unverhältnis-
mäßig kleine Staatsfahne vorangetragen, ohne
daB die Behörde einen Grund zum Einschreiten
gefunden hätte.
Demgegenüber wurde in der Bewilligung des
1. Mai-Umzuges der Sudetendeutschen Partei aus-
drücklich vermerkt, daB die Staatsfahne, die dem
Zuge vorangetragen wird, gröBer sein müsse, als
die verwendeten Parteifahnen.
Im Umzuge der Kommunisten waren zahlreiche
Hoheitszeichen und Bilder ausländischer Staats-
männer, u. a. der Sowjetstern, Bilder von Stalin,
Dimitroff, Lenin usw. zu sehen, während der Su-
detendeutschen Partei das Mitführen von Bildern
und Transparenten ausdrücklich untersagt wurde.
Warnsdorf:
Wahrend die deutsche Sozialdemokratische Par-
tei und die Kommunistische Partei die Erlaubnis
erhielten, im geschlossenen Zuge zum Kund-
gebungsplatz, zu ihrem Vereinsheim bzw. zum
Aufstellungsplatz zurückzumarschieren, wurde
der Sudetendeutschen Partei der geschlossene Ab-
marsch von Kundgebungsplatze verboten. Die
Teilnehmer der Kundgebung muBten sich sofort
nach Beendigung derselben einzeln vom Kund-
gebungsplatze entfernen.
Obwohl die Deutsche Sozialdemokratische Ar-
beiter-Partei aus AnlaB der Kundgebung rote
Nelken und die Kommunistische Partei Abzeichen
verkauften, wurde das Ansuchen der Sudeten-
deutschen Partei um Bewilligung des Verkaufes
von Kornblumen und Eichenblättern dahingehend
beantwortet, daB der Verkauf von Kornblumen
wegen Gefährdung der öffentlichen Ruhe und
Ordnung verboten sei. Der Verkauf von Eichen-
blättern wurde nicht ausdrucklich erlaubt.
Wegstádtl:
Die Plakáte der Deutschen Sozialdemokratischen
Partei wurden in der Farbenzusammenstellung
schwarz-weiB-rot ohne Beanständung zum Aus-
hang gebracht, während die Ordnerbinden der
Sudetendeutschen Partei in der gleichen Farben-
zusammenstellung verboten wurden.
Der Sozialdemokrat Mangold, Wegstädtl, hatte
sein Haus mit einer Parteifahne geschmuckt, ohne
jedoch gleichzeitig eine Staatsflagge zu hissen.
Unter Führung des Herrn Mangold marschierte
ein Zug Sozialdemokraten durch die Straßen von
Wegstädtl, die neben den aufgerollten Partei-
fahnen überhaupt keine Staatsfahne im Zuge mit-
führten.
Hingegen wurde der Sudetendeutschen Partei
ausdrücklich vorgeschrieben, daß die Staatsfahne
die Parteifahnen an Ausmaßen überragen müsse.
Außerdem wurde aufgetragen, daß der Fahnen-
träger der Staatsfahne in jeder Hinsicht einwand-
frei und Mitglied der Bezirksleitung sein müsse.
Die Interpellanten richten an den Herrn Innen-
minister die Anfrage:
Welche konkreten Verfügungen ist der Herr
Minister des Innern bereit zu treffen, um eine
kleinliche Handhabung der gesetzlichen Bestim-
mungen des Flaggengesetzes, des Versammlungs-
gesetzes und der Einführungsartikel des Organi-
sationsgesetzes gegenüber der Sudetendeutschen
Partei, Vorsitzender Konrad Henlein, hintanzu-
halten, zumindest aber eine gleiche Behandlung
aller politischer Parteien vor dem Gesetz durch
die unteren Verwaltungsbehörden zu gewähr-
leisten ?
Prag, am 12. Juni 1937.
May,
Dr. Hodina, Hollube, Gruber, Axmann, Fischer,
Sandner, Klieber, Franz Nìmec, dr Eichholz, Ing.
Peschka, Stangl, Nickerl, Sogl, Knöchel, Birke,
Rösler, Knorre, Illing, Ing. Lischka, Ing. Kar-
masin.
Pùvodní znìní ad 996/VIII.
Interpellation
des Abgeordneten Ludwig Wagner
an den Innenminister
wegen unbegründeter Einschränkung der
Versammlungsfreiheit durch den
Kommissär der politischen Verwaltung und
jetzigen Polizeikommissär Dr. Kukaèka
in Kaplitz.
Am 24. April 1937, 8 Uhr abends fand in Kap-
litz eine Versammlung der Sudetendeutschen Par-
tei, Vorsitzender Konrad Henlein, mit dem Sena-
tor der èechoslovakischen Nationalversammlung
Wilhelm Maixner der Sudetendeutschen Partei
als Redner statt.
Als intervenierender Beamter war der damalige
Kommissär der politischen Verwaltung, Dr. Ku-
kaèka, Kaplitz, anwesend. Senator Maixner sprach
über das Memoir III. Nach einer einmaligen Ver-
warnung löste Dr. Kukaèka die Versammlung auf.
Abgesehen davon, daß eine einmalige Verwar-
nung zur Auflösung einer öffentlichen Versamm-
lung nicht genügt, sehen die Interpellanten in der
Besprechung des Memoirs III keinesfalls einen
genügenden, die Auflösung der Versammlung
rechtfertigenden Grund.
20
Da sich in letzter Zeit die Fälle mehren, daß
durch intervenierende Regierungsbeamte die Be-
sprechung des historischen Dokumentes, genannt
Memoir III zum Anlaß der Auflösung von öffent-
lichen Versammlungen genommen wird, richten
die Interpellanten an den Herrn Minister des In-
nern die Anfrage:
1. Ist die Erörterung des Memoirs III in öf-
fentlichen Versammlungen verboten?
2. Auf Grund welcher gesetzlicher Bestimmun-
gen geschieht dies?
3. Welche Maßnahmen gedenkt der Herr Mi-
nister zu ergreifen, um die ihm unterstellten und
die Versammlungspolizei ausübenden Versamm-
lungsorgane darauf aufmerksam zu machen, daß
die Erörterung des Memoirs III in öffentlichen
Versammlungen keinesfalls dem Gesetze wider-
streitet ?
4. Welche konkreten Maßnahmen hat der Herr
Minister des Innern wegen des gerügten Sach-
verhaltes getroffen?
Prag, am 12. Juni 1937.
Wagner,
Knöchel, Dr. Hodina, Hollube, Gruber, Stangl,
Fischer, Sandner, Klieber, Illing, Nickerl, Sogl,
Franz Nìmec, Dr. Zippelius, Dr. Rösche, Axmann,
Ing. Peschka, Rösler, Birke, Knorre Dr. Eichholz.
Pùvodní znìní ad 996/IX.
Interpellation
des Abgeordneten Ing. Wolfgang Richter
an den Innenminister
wegen gesetzwidriger Beschlagnahme von
Fahrradwimpel der Sudetendeutschen
Partei, Vorsitzender Konrad Henlein.
Den Interpellanten werden aus verschiedenen
Gegenden des Staates Berichte darüber gegeben,
daß die Fahrradwimpel der Sudetendeutschen
Partei, welche ungefähr 24 cm lang sind und in
weiß-roter Ausstattung das Wappen der Sudeten -
deutschen Partei, Vorsitzender Konrad Henlein,
tragen, von verschiedenen Polizeiorganen bean-
ständet und beschlagnahmt werden.
So wurde u. a. einem Mitgliede der Sudeten-
deutschen Partei am 23. Mai 1937 in Herrnskret-
schen von einem Organ der nicht uniformierten
Sicherheitswache, das sich lediglich mit einem
Abzeichen und nicht mit einer Legitimation aus-
wies, ein solcher Fahrradwimpel beanständet und
beschlagnahmt.
Da, abgesehen von der gesetzwidrigen Vor-
nahme der Beschlagnahme, zur Beanständung des
Fahrradwimpels der Sudetendeutschen Partei im
diesbezüglichen Flaggengesetz 269/36 keinerlei
gesetzliche Grundlage besteht, richten die Inter-
pellanten an den Herrn Minister des Innern die
Anfrage:
Ist der Herr Minister bereit, im Wege eines Er-
lasses an die ihm unterstellten Behörden bekannt-
zugeben, daß der öffentliche Gebrauch von Fahr-
rad- und Autowimpeln der Sudetendeutschen Par-
tei, Vorsitzender Konrad Henlein, keinesfalls dem
Gesetze widerspricht und daher alle Beanständun-
gen durch die unteren Verwaltungsbehörden zu
unterlassen sind?
Prag, am 12. Juni 1937.
Ing. Richter,
Hollube, Illing, Rösler, Knöchel, K Köhler, Klie-
ber, Dr. Hodina, Gruber, Axmann, Fischer, Dr.
Zippelius, Franz Nìmec, Stangl, Nickerl, Ing.
Peschka, Sogl, Birke, Dr. Eichholz, Knorre
Sandner.
Pùvodní znìní ad 996/X.
Interpellation
des Abgeordneten Ernst Köhler
an die Regierung
wegen Benachteiligung von arbeitslosen
Staatsbürgern deutscher Volkszugehörig-
keit durch die Bezirksarbeitsvermittlungs-
stelle in Lobositz.
Zu einer Schleußenregulierungsarbeit in Lobo-
sitz a. E. wurden 10 Arbeiter angefordert. Am
5. April 1937 trug sich in der Bezirksarbeitsver-
mittlungsanstalt in Lobositz folgendes zu:
Als sich ungefähr 40 Arbeitsuchende eingefun-
den hatten, wurden ihnen die Soziallegitimationen
abverlangt. Über eine von Herrn Holik in èe-
chischer Sprache gerichtete Aufforderung, über-
prüften 2 èechische Arbeitsuchende in einem
gesonderten Räume die abverlangten Legitima-
tionen. Der Zweck dieser Kontrolle war den Ar-
beitsuchenden vollkommen unbekannt. Es muß
aber angenommen werden, daß die Überprüfung
zu dem Zwecke geschah, um die Nationalität der
einzelnen Arbeitswerber festzustellen, denn nach
der Kontrolle wurden von den 10 zu vergebenden
Arbeitsplätzen 9 an Arbeitswerber èechischer
Volkszugehörigkeit vergeben, obwohl von den
40 Arbeitsuchenden sich 28 Deutsche um die
10 freien Arbeitsplätze bewarben.
Die Vergabepraxis bedeutet eine schwere Be-
nachteiligung der Arbeitswerber deutscher Volks-
zugehörigkeit und hat dieses ungerechte Vorgehen
in der Bevölkerung größte Erbitterung hervor-
gerufen.
Die Interpellanten sind nicht gewillt, diese Ver-
letzung des verfassungsmäßig gewährleisteten
Gleichheitsgrundsatzes stillschweigend hinzuneh-
men.
21
Die Interpellanten richten daher an die Regie-
rung die Anfrage:
1. Ist die Regierung bereit, den gerügten Sach-
verhalt auf das dringendste untersuchen zu las-
sen?
2. Welche Maßnahmen ist die Regierung bereit
zu ergreifen, um die Benachteiligung deutscher
Arbeitswerber bei der Vergabe von freien Stellen
durch die Bezirksarbeitsvermittlungsstellen un-
möglich zu machen?
Prag, am 12. Juni 1937.
Ernst Köhler,
Knöchel, Hollube, Klieber, Dr. Hodina, Gruber,
Stangl, Axmann, Fischer, Dr. Zippelius, Sandner,
Franz Nìmec, Ing. Peschka, Sogl, Illing, Dr. Eich-
holz, Nickerl, Rösler, Knorre, Birke, Ing. Lischka.
Pùvodní znìní ad 996/XI.
Interpellation
des Abgeordneten Adolf Jobst
an den Innenminister
wegen Verbreitung unwahrer Gerüchte
durch den Gendarmeriewachtmeister
Sladek von der Gendarmeriestation
Unterhaid.
Am 25. April 1937 sollte in Zarteisdorf im Be-
zirke Kaplitz eine von der Bezirksbehörde bewil-
ligte Versammlung der Sudetendeutschen Partei,
Vorsitzender Konrad Henlein, stattfinden. Am
Tage der Versammlung verbreitete der Gendar-
meriewachtmeister Sladek von der Gendarmerie-
station Unterhaid das Gerücht, die Versammlung
sei verboten worden. Äußerungen in dieser Hin-
sicht machte er gegenüber Ferdinand Passler,
Trojern 10, Post Unterhaid, den er am 25. April
1937 beauftragte, dem Einberufer der Versamm-
lung von dem Verbote Mitteilung zu machen. In
gleicherweise und mit gleichem Auf trage äußerte
sich Wachtmeister Sladek auch gegenüber Anton
Kopatsch, Trojern 5, Post Unterhaid. Dem Ma-
thias Zackinger, Landwirt in Zarteisdorf 12, Post
Unterhaid, gab Wachtmeister Sladek den Auftrag,
er möge den Gastwirt Richter Leopold, Zarteisdorf
2, Post Unterhaid, in dessen Lokal die Versamm-
lung abgehalten werden sollte, verständigen, daß
die Versammlung nicht stattfindet. Daß die zu-
ständige Bezirksbehörde in Kaplitz keinerlei Ver-
botsbescheid erlassen hat, mußte in der Verbrei-
tung dieser unwahren Gerüchte eine Übertretung
der Dienst- und Amtsbefugnisse gesehen werden.
Die Ausübung der Versammlungspolizei steht aus-
schließlich der Bezirks- bzw. Staatspolizeibehörde
zu. Es bedeutet also eine Anmaßung nicht zu-
stehender amtlicher Befugnisse, wenn Wacht-
meister Sladek aus eigenem ein Versammlungs-
verbot auszusprechen versucht. Durch Verbrei-
tung des unwahren Verbotsgerüchtes wurden ver-
schiedene Staatsbürger getäuscht, von ihrer Ab-
sicht, die Versammlung zu besuchen, abgebracht
und somit ungerechterweise in der Ausübung
ihres verfassungsmäßigen Rechtes gehindert.
Die Interpellanten bringen dem Herrn Minister
den gerügten Sachverhalt zur Kenntnis und rich-
ten an ihn die Anfrage:
1. Ist der Herr Minister bereit, den gerügten
Sachverhalt erheben zu lassen?
2. Ist der Herr Minister bereit, gegen den
Wachtmeister Sladek von der Gendarmeriestation
in Unterhaid, wegen der gerügten dienstlichen
Verfehlung das Disziplinarverfahren einleiten zu
lassen ?
3. Welche konkrete Verfügungen hat der Herr
Minister wegen des gerügten Sachverhaltes ge-
troffen?
Prag, am 12. Juni 1937.
Jobst,
Knöchel, Hollube, E. Köhler, Gruber, Stangl,
Axmann, Franz Nìmec, Fischer, Dr. Hodina,
Illing, Klieber, Dr. Rösche, Birke, Dr. Eichholz,
Knorre, Rösler, Nickerl, Sogl, Ing. Peschka,
Sandner.
Pùvodní znìní ad 996/XII.
Interpellation
des Abgeordneten Ing. W. Richter
an den Innenminister
wegen Nichtentfernung des Karel Komprta,
Polizeibeamten in Aussig vom Dienste,
trotz gerichtlicher Verurteilung wegen
Mißhandlung.
Das Kreis- als Berufungsgericht in Leitmeritz
hat mit Urteil CV 292/35 vom 16. April 1937 den
Karel Komprta, Polizeibeamten, schuldig erkannt,
dem Tischlergehilfen Georg Schmidt jun. in Bokau
den Betrag von 210 Kè samt 5% Zinsen seit
29. März 1935 binnen 14 Tagen bei Exekution zu
bezahlen.
Das Berufungsgericht hat als erwiesen ange-
nommen, daß Georg Schmidt jun. durch den Po-
lizeibeamten Karel Komprta in der Zeit seiner
Verhaftung vom 24. Jänner 1934, 1/212 Uhr vor-
mittags bis zum 26. Jänner 1934 nachmittags
6 Uhr, Verletzungen zugefügt wurden.
Dessenungeachtet wurde festgestellt, daß trotz
der erwiesenen groben dienstlichen Verfehlungen
der Polizeibeamte Karel Komprta nach wie vor
seinen Dienst bei der staatlichen Polizei-Behörde
ausübt.
Wir stellen daher an den Herrn Innenminister
die Anfrage:
1. Ist der Herr Minister bereit, den gerügten
Sachverhalt erheben zu lassen?
22
2. Ist der Herr Minister bereit, bekanntzugeben,
was gegen den schuldigen Beamten gem. Art. IV
des Gesetzes Slg. 125/27 veranlaßt wurde, weil er
in Ausübung seines Dienstes mit einer Partei
zweifellos ungehörig umgegangen ist?
3. Ist der Herr Minister bereit, bekanntzugeben,
was mit dem schuldigen Beamten gemäß Dienst-
pragmatik 15/14 veranlaßt wurde, weil dieser
offenbar die ihm durch die Disziplinar-Ordnung
auferlegten Pflichten gröblichst verletzt hat?
Prag, am 12. Juni 1937.
Ing. Richter
Axmann, Franz Nìmec, Hollube, Ing. Karmasin,
Illing, Wollner, Gruber, Ing. Peschka. Jobst,
Nickerl, Rösler, Fischer, Stangl, Kundt, Frank,
Ing. Künzel, Dr. Zippelius, Sandner, Wagner, Dr.
Hodina, Sogl.
Pùvodní znìní ad 996/XIII.
Interpellation
des Abgeordneten Guido Klieber
an den Innenminister
wegen gesetzwidriger Handhabung der
Versammlungspolizei durch die staatliche
Polizeibehörde Tachau.
Am 3. April 1937 veranstaltete die Deutsche
Sozialdemokratische Arbeiterpartei in Tachau im
Saale des Vereinshauses in Tachau eine Versamm-
lung mit dem Redner Abg. Wenzel Jaksch aus
Prag.
Es wurde festgestellt, daß die staatliche Poli-
zeibehörde in Tachau in Ausübung der Versamm-
lungspolizei ihre dienstlichen Vorschriften auf
das gröblichste verletzt hat.
Zu der erwähnten Versammlung verteilte die
deutsche sozialdemokratische Arbeiterpartei in
Tachau Einladungen, aus denen hervorging, daß
die Versammlung a contrario § 2 des Vers. Ge-
setzes 135/1867 auf geladene Gäste beschränkt
sein sollte.
Die Einladungen waren aber nicht vom Ein-
berufer, sondern mit "der Lokalausschuß" ge-
zeichnet.
Ferner war vor dem Hause des Konsumvereines,
in welchem sich das Sekretariat der deutschen
Sozialdemokraten befindet, ein großes Plakat mit
Holzrahmen angebracht, auf welchem folgender
Text stand: "Heute abend spricht Abgeordneter
Wenzel Jaksch im Vereinshaus".
Die Einladungen wurden teilweise vor dem Ver-
sammlungslokal lediglich pro forma ausgegeben,
sodaß in der "vertraulichen Versammlung" unge-
fähr 350-400 Personen anwesend waren, ohne
daß sich ein intervenierender Beamter der staat-
lichen Polizeibehörde von dem Charakter der Ver-
sammlung, der entschieden dem einer vertrauli-
chen Versammlung widersprach, überzeugt hätte.
Es ist ganz unmöglich, daß der Versammlungs-
Einberufer alle anwesenden Personen dem Narien
und ihrem Wohnort nach gekannt hätte, ein Um-
stand, der von den intervenierenden Regierungs-
beamten bei vertraulichen Versammlungen der
Sudetendeutschen Partei unbedingt gefordert
wird. Es ist ferner eine Verletzung des Versamm-
lungsrechtes, wenn für eine vertrauliche Ver-
sammlung öffentlich mit einem Plakat zum Be-
suche dieser Versammlung geworben wird. Es be-
deutet eine Vernachlässigung der der Staats-
polizei obliegenden dienstlichen Versammlungs-
polizei, wenn eine solche öffentliche Werbung
erst über Intervention der Zivilbevölkerung ent-
fernt wird.
Die Interpellanten protestieren auf das Ent-
schiedenste gegen eine solche ungleichmäßige
Handhabung der Versammlungspolizei, denn es
ist nachgewiesen, daß gegen Mitglieder der Su-
detendeutschen Partei bei Nichteinhaltung der
sich auf den § 2 des Versammlungsgestzes auf-
bauenden Rechtspraxis bezüglich vertraulicher
Versammlungen sofort gerichtliche Strafvenfah-
ren anhängig gemacht wurden, wie u. a. aus den
Akten GZ T 515/36 des Bezirksgerichtes in Mies
hervorgeht.
Die Versammlung der deutschen soz. dem. Ar-
beiterpartei am 3. April 1937 in Tachau war auf
Grund der öffentlichen Werbung durch Aushängen
eines Einladungsplakates, durch öffentliches Ver-
teilen der Einladungen und Ausfertigung solcher
unmittelbar vor dem Versammlungslokal, ferner
durch die Zahl der Beteiligten, welche an und für
sich zwar nicht überwältigend, doch über den
Rahmen einer vertraulichen Versammlung hinaus-
ging, als öffentliche Versammlung zu werten.
Dem gegenüber wurde aber der Bevölkerung
von Tachau der allgemeine Zutritt zur Versamm-
lung im Hinblick auf die angebliche Vertrau-
lichkeit unmöglich gemacht.
Aus dem Angeführten Fehl hervor, daß unter
den Augen und wohlwollender Duldung der staat-
lichen Polizeibehörde in Tachau von Seiten der
deutschen soz. dem. Arbeiterpartei in Tachau das
Versammlungsgesetz verletzt werden konnte, nur
zu dem Zweck, um politisch Andersgesinnte von
der Teilnahme an der Versammlung auszuschlie-
ßen, ohne aber andererseits individuelle, im Vor-
hinein bestimmte, dem Einberufer bekannte und
von ihm auserwählte Personen einzuladen und den
Charakter einer vertraulichen Versammlung tat-
sächlich zu wahren.
Weil die die Versammlungspolizei ausübenden
Verwaltungsbehörden gegenüber Mitgliedern der
Sudetendeutschen Partei hinsichtlich von § 2 Ver-
sammlungen eine gegensätzliche, viel strengere
Praxis an den Tag legen, bringen die Interpel-
lanten dem Herrn Minister des Innern die dienst-
lichen Verfehlungen der staatlichen Polizeibehörde
in Tachau hinsichtlich der Ausübung der Ver-
sammlungspolizei am 3. April 1937 zur Kenntnis
und richten an ihn die Anfrage:
23
1. Ist der Herr Minister bereit, den gerügten
Sachverhalt erheben zu lassen?
2. Welche konkreten Verfügungen ist der Herr
Minister bereit wegen der gerügten Vernachlässi-
gung der Versammlungspolizei durch die staat-
liche Polizeibehörde in Tachau zu treffen ?
3. Ist der Herr Minister bereit, feststellen zu
lassen, ob wegen der Verletzungen des Versamm-
lungsgesetzes durch die Funktionäre der deut-
schen soz. dem. Arbeiterpartei in Tachau anläß-
lich der Versammlung am 3. April 1937 in Tachau
das strafgerichtliche Verfahren eingeleitet wurde ?
Prag, am 12. Juni 1937.
Klieber,
Hollube, dr Zippelius, Fischer, Dr. Hodina, Sogl,
Wolher, Illing, Frank, Sandner, Franz Nìmec,
Axmann, Ing. Karmasin, Rösler, Kundt, Nickerl,
Ing. Künzel, Ing. Peschka, Gruber, Ing. Richter,
Jobst, Stangl, Wagner.
Státní tiskárna v Praze. - 3533-37,