20

Josef Hermo aus Deutsch-Litta Nr. 109 war
am 23. März 1937 in der Notariatskanzlei des
Herrn Alexander Erdös vorstellig, um sich über
die Möglichkeiten der Beschäftigung seiner Töch-
ter in Deutschland zu erkundigen. Der Notar
lichtete an Josef Hermo die für das Ansuchen
ganz unerhebliche Frage, ob dessen Töchter orga-
nisiert wären. Als dies bejaht wurde, wies der
Notar den einschreitenden Josef Hermo in höhni-
scher und gehässiger Weise an, zum Ortsleiter
der Karpathendeutschen Partei in Deutsch-Litta
zu gehen, da könnten die Töchter 5 Jahre warten
ehe sie hinaus kommen.

Diese unterschiedliche gesetzwidrige und her-
ausfordernde Behandlung der deutschen Bevölke-
rung von Deutsch-Litta hat in der Gegend grosse
Unzufriedenheit und Erregung hervorgerufen. Die
Interpellanten fordern eine sofortige Untersu-
chung der Amtsführung des Kreisnotärs Alexander
Erdös in Deutsch-Litta und richten an den Herrn
Minister die Angrage:

1. Ist der Herr Minister bereit, die Amtsge-
barung des Kreisnotärs in Deutsch-Litta unter-
suchen zu lassen?

2. Ist der Herr Minister bereit, wegen der
nachgewiesenen dienstlichen Verfehlungen über
den Kreisnotär Alexander Erdös das Disziplinar-
verfahren einleiten zu lassen?

3. Welche Verfügungen hat der Herr Minister
wegen des gerügten Sachverhaltes getroffen?

Prag, am 20. Mai 1937.

Ing. Karmasin,

Knöchel, Knorre, Birke, Sogl, F. Nitsch, Hirte,
Dr. Hodina, Ing. Schreiber, Dr. Gruber, Ing. Kün-
zel, Illing, Nickerl, Röster, Wollner, Sandner,
Klieber.

Pùvodní znìní ad 918/XI.

Interpellation

des Abgeordneten Ing. Franz Karmasin

an den Minister für Schulwesen
und Volkskultur

wegen Beschäftigung einer der deutschen
Sprache unkundigen Lehrperson an einer
Schute mit deutscher Unterrichtssprache.

An der deutschen Staatsschule in Oberstuben,
Schulinspektorat Turèiansky Svätý Martin, wurde
am 15. Jänner 1937 als neue Handarbeitslehrerin,
die auch Haushaltungskunde vorträgt, Anna Do-
linský angestellt. Sie ist Slovakin, beherrscht die

deutsche Sprache nur sehr mangelhaft und spricht
beim Unterrichte mit den deutschen Kindern nur
slovakisch.

Die Kinder mit deutscher Muttersprache ha-
ben einen Anspruch darauf, in deutscher Sprache
unterrichtet zu werden.

Die Interpellanten richten daher an den Herrn
Minister für Schulwesen und Volkskultur die An-
frage:

Ist der Herr Minister bereit, die Lehrerin
Anna Dolinský vom Unterrichte an der deutschen
Staatsschule in Oberstuben, Schulinspektorat Tur-
èiansky Sv. Martin suspendieren zu lassen und
durch eine Lehrerin deutscher Volkszugehörigkeit
zu ersetzen?

Prag, am 20. Mai 1937.

Ing. Karmasin,

Knorre, Hollube, Klieber, E. Köhler, Hirte, Budig,

Ing. Künzel, Dr. Kellner, Nickerl, Kundt, Ing.

Schreiber, Wollner, Gruber, Sogl, Birke, Rösler,

F. Nitsch, Sandner, Obrlik, Illing.

Pùvodní znìní ad 918/XV.

Interpellation

des Abgeordneten Georg Wollner
an den Justizminister

wegen ungesetzlicher Einflussnahme
durch Organe der Ortsgruppe Holei-
schen des gewerkschaftlichen Indu-
strieverbandes, Sitz Prag, Biskupský
dvùr.

Am 23. April 1937 erschien bei der Ortsgruppe
der Sudetendeutschen Partei, Vorsitzender Kon-
rad Henlein, m Holeischen Max Sellner und ver-
langte eine Bestätigung, dass er aus der Sudeten-
deutschen Partei ausgetreten sei. Er gab an, dass
er die Bestätigung über den Austritt aus der Su-
detendeutschen Partei dazu benötige, damit er
der Drohung von Seiten der Orstgruppe des ge-
werkschaftlichen Industrieverbandes Holeischen,
er werde seiner Unterstützung verlustig erklärt
werden, wenn er nicht aus der Sudetendeutschen
Partei austrete, entgehe.

Durch diese Handlungsweise der verantwort-
lichen Organe der Gewerkschaft wurde dem Max
Seltner mit einem Nachteil an seiner Ehre, seinem
Vermögen oder Erwerb gedroht.


21

Die Interpellanten bringen dein Herrn Justiz-
minister den gerügten Sachverhalt zur Kenntnis
und richten an ihn die Anfrage:

1. Ist der Herr Minister bereit, den gerügten
Sachverhalt erheben zu lassen?

2. Welche Verfügungen hat der Herr Minister
zur Einleitung des offiziösen Verfahrens wegen
des gerügten Sachverhaltes ergriffen?

Prag, am 20. Mai 1937.

Wollner,

Knöchel, Dr. Hodina, Illing, Knorre, Hollube, Klie-

ber, Dr. Kellner, E. Köhler, Hirte, Nickerl, Budig,

Sandner, Birke, Sogl, Rösler, Ing. Schreiber,

Ing. Karmasin, Gruber, F. Nitsch, Ing. Künzel.

Pùvodní znìní ad 918/ XVI.

Interpellation

des Abgeordneten Franz Hollube
an den Minister für nationale Verteidigung

wegen Verstümmelung der deutschen

Sprache durch das Militärkommando

Reichenberg.

Eine Mitteilung des Reichenberger Militärkom-
mandos (èj. 1902/pos. -1937) lautet wörtlich:

"Gemeindeamt Althabendorf!

Ich teile Ihnen mit, dass am 22. April 1937
wird in Schönborn beim Reichenberg die Uebung
in Handgranatenwerfen durchgeführt.

Die Handgranaten werden überholt am 22.
April d. J. aus Alt-Artzdorf (heisst richtig Alt-
Harzdorf ! die Interpellanten) - Volksgarten-Art.
Kaserne-Schönborn-Ratschendorf-Feldweg auf den
wald Friedrichshain.

Ich ersuche, um sich die Bevölkerung in an-
gegebenen Tag in der Nähe des Exerzierplatzes
nicht aufzuhalten und event. gefundene Granate
ode Splitter nicht aufzuheben. «

Die deutsche Bevölkerung des Staates emp-
findet eine derartige Verstümmelung und Ver-
schändelung der deutschen Sprache als kränkend
und die Würde des deutschen Volkes herab-
setzend. Es gibt in der Èechoslovakischen Repu-
blik 3, 231. 688 Deutsche. Man müsste annehmen,
dass es im Militärkommando ein Leichtes wäre,
unter diesen 3 1/4 Millionen zur Anfertigung deut-
scher Schriften einen Staatsbürger deutscher
Volkszugehörigkeit zu finden!

Die Interpellanten richten an den Herrn Mi-
nister für nationale Verteidigung die Anfrage:

Welche Massnahmen hat der Herr Minister
zur Beseitigung und gegen die Wiederholung ähn-
licher Vorfälle getroffen?

Prag, am 20. Mai 1937.

Hollube,

Illing. Wollner, Klieber, Dr. Hodina, Budig, Gru-
ber, Knorre, F. Nitsch, Hirte, Ing. Schreiber, Sogl,
E. Köhler, Rösler, Birke, Dr. Kellner, Nickerl,
Ing. Karmasin, Sandner, Kundt, Ing. Lischka,
Ing. Künzel.

Pùvodní znìní ad 918 XVII.

Interpellation

des Abg. Ing. Ernst Peschka

an den Minister des Innern

und den Minister für Handel und

Gewerbe

wegen willkürlicher Handhabung des
»freien Ermessens« durch die Bezirksbe-
hörde in Plan.

Der Landesvertreter der Sudetendeutschen
Partei, Vorsitzender Konrad Henlein, Alfred Gie-
bisch, Plan, hat bei der Bezirksbehörde in Plan
um die öffentliche Aushängung des Plakates »Dei-
ne Hand dem heimischen Handwerk« angesucht.
Dieses Ansuchen wurde abgelehnt.

Die gegen den Bescheid der Bezirksbehörde
in Plan eingebrachte Berufung wurde von der
Landesbehörde folgendermassen beantwortet:

"Mit dem Bescheide der Bezirksbehörde in
Plan bei Marienbad vom 4. Dezember 1936, Zahl
36883, wurde Ihrem Ansuchen um die Bewilligung
zum Aushängen des Plakates »Deine Hand dem
heimischen Handwerk« nicht willfahrt. Ihrer ge-
gen diesen Bescheid eingebrachten Berufung gibt
die Landesbehörde in Prag laut § 23 Abs. 2 des
Pressegesetzes keine Folge. Da es sich um eine
Angelegenheit des freien Ermessens der Behörde
handelt, ist eine nähere Begründung der Abwei-
sung der Berufung gemäss dem § 70 Abs. 2 der
Reg. Vdg. vom 13. Jänner 1928, No. 8, Slg. d.
G. u. V. nicht notwendig. Gegen diesen Bescheid
ist eine weitere Berufung mit Rücksicht auf die
Bestimmung des Art. 8 Abs. 2 des Ges. vom 14.
Juli 1927, No. 125, Slg. d. G. u. V. unzulässig.

Für den Landespräsidenten:
Zelenka e. h. «


22

Das Werbeplakat, das zum Schütze und zui
Unterstützung des schwer darmederliegendeu
Handwerkes aufruft, verstösst in keiner Weise
gegen das Gesetz. Es muss auf eine nicht miss-
zuverstehende, dem heimischen Gewerbe feindse-
lige Handlungsweise aufgefasst werden, wenn
Werbeplakate für den unter der Wirtschaftskrise
leidenden und durch Grosskaufhäuser mit Schleu-
derwaren schwer geschädigten Gewerbestand
grundlos verboten werden.

Die Interpellanten richten an die Herren Mi-
nister die Anfrage:

Sind die Herren Minister mit der dem Ge-
werbestand gegenüber feindseligen Einstellung der
Bezirksbehörde in Plan und der Landesbehörde in
Prag einverstanden?

Prag, am 20. Mai 1937.

Ing. Peschka,

Illing, Sandner, Knöchel, E. Köhler, dr. Hodina,

Hollube, Dr. Kellner, Wollner, Knorre, Klieber,

Nickerl, Birke, Sogl, Ing. Schreiber, Budig, Ing.

Karmasin, Rösler, Gruber, F. Nitsch, Hirte.

Pùvodní znìní ad 918/XVIII.

Interpellation

des Abg. Karl Gruber

an den Minister für Post-
und Telegraphenwesen

wegen Unkenntnis der deutschen Sprache
von Seiten der Angestellten des Postam-
tes in Rabenstein a. Schnella, Gerichtsbez.
Manetin.

Aus Wählerkreisen erhalten die Interpellanten
Beschwerden darüber, dass die Angestellten des
Postamtes in Rabenstein wegen völliger Unkennt-
nis der deutschen Sprache ihren Dienst nicht rich-
tig versehen können, wodurch die Bewohner der
Stadt Rabenstein in ihrem Verkehre mit dem Post-
amte aufs schwerste behindert und benachteiligt
werden.

Die Stadt Rabenstein besitzt 344 Einwohner,
von denen 80% Staatsbürger deutscher Volkszu-
gehörigkeit sind. Trotzdem sind sämtliche Ange-
stellte des Postamtes, nämlich 1 Beamtin und 2
Briefträger, Èechen und der deutschen Sprache
nicht mächtig.

Die Unkenntnis der deutschen Sprache dieser
Postangestellten ist so gross, dass man sich mit
ihnen nicht verständigen kann und gezwungen ist,
einen Dolmetsch mitzunehmen, wenn man nicht

riskieren will, falsch bedient zu werden. Bei der
Zustellung von Postsendungen kommt es daher
vielfach zu Unregelmässigkeiten, da die Briefträ-
ger mangels Kenntnis der deutschen Sprache ähn-
lich lautende Namen verwechseln und die Post-
sendungen an falschen Adressen abgeben, wo-
durch Unannehmlichkeiten und verspätete Zustel-
lungen hervorgerufen werden. Die Bevölkerung
von Rabenstein fordert mit Nachdruck, dass bei
der Besetzung von Angestellten und Bediensteten
des dortigen Postamtes im Interesse eines gere-
gelten Postverkehres der nationale Bevölkerungs-
schlüssel eingehalten werde.

Die Interpellanten richten, daher an den Herrn
Minister für Post- und Telegrafenwesen die An-
frage:

1. Ist der Herr Minister bereit, den gerügten
Sachverhalt erheben zu lassen?

2. Ist der Herr Minister bereit, Massnahmen
zu treffen, dass auf die berechtigte Beschwerde
der Bevölkerung von Rabenstein Rücksicht ge-
nommen wird und der nationale Schlüssel bei den
Angestellten und Bediensteten des Postamtes
durchgeführt und eingehalten werde?

Prag, am 20. Mai 1937.

Gruber,

Illing, Knöchel, Knorre, Hollube, Hirte, Nickerl,

Dr. Hodina, Klieber, E. Köhler, Dr. Kellner, Budig,

Sandner, Wollner, Birke, Sogl, Röster, F. Nitsch,

Ing. Schreiber, Ing. Künzel, Ing. Karmasin.

Pùvodní znìní ad 918/XIX.

Interpellation

der Abg. Dr. Hans Neuwirth, Anton Sogl
und Dr Hodina

an den Minister des Innern

wegen grundloser Verbote von öffentli-
chen Versammlungen und Missachtung der
Bestimmungen des Sprachengesetzes
durch die Bezirksbehörde in Znaim.

Die Sudetendeutsche Partei, Vorsitzender Kon-
rad Henlein, meldete rechtzeitig Ende März 1937
folgende öffentliche Versammlungen bei der Be-
zirksbehörde in Znaim an:

1. für den 3. IV. 1937 in Schildern mit Abg.
Dr Neuwirth;

2. für den 3. IV. 1937 in Ober-Fröschau mit
Abg. Dr Hodina;

3. für den 3. IV. 1937 in Moskowitz mit Abg.
Anton Sogl;


25

4. für den 4. IV. 1937 in Alt-Petrein mit Abg.
Dr. Hodina;

5. für den 4. IV. 1937 in Tasswitz mit Abg.
Dr. Neuwirth.

Alle diese Versammlungen wurden mit gleich-
laufenden Begründungen verboten, dass mit Rück-
sicht auf die in der letzten Zeit aufgelösten Ver-
sammlungen der Sudetendeutschen Partei im hie-
sigen Bezirke und die Ortsverhältnisse die Be-
fürchtung begründet sei, dass die Strafgesetze,
öffentliche Sicherheit, Ruhe und Ordnung verletzt
würden. Ausdrücklich nimmt das Verbot auch
noch auf den § 6 des Versammlungsgesetzes Be-
zug.

Die Bezirksbehörde in Znaim scheint das Ver-
sammlungsgesetz nicht entsprechend zu beherr-
schen. Aus dem § 6 des zit. Gesetzes geht be-
kanntlich hervor, dass solche Versammlungen zu
untersagen sind, deren Zweck den Strafgesetzen
zuwiderläuft. Daraus ist ersichtlich, dass die Be-
zirksbehörde angenommen hat, die Versammlun-
gen werden zu dem Zwecke abgehalten, um gegen
die Strafgesetze zu verstossen. Gegen diese mass-
lose Unterstellung wehren sich die vorgesehenen
Redner mit allem Nachdrucke im eigenen Namen
sowie im Namen der Einberufer.

Inwieferne durch die Abhaltung der Versamm-
lungen in den konkreten Fällen die öffentliche Ru-
he, Ordnung und Sicherheit gestört sein sollte,
bleibt der Phantasie überlassen; die Behörde ist
jedenfalls nicht in der Lage, auch nur eine kon-
krete Tatsache anzuführen. Der Umstand, dass
Versammlungen der Sudetendeutschen Partei an
anderen Orten aufgelöst worden waren, ist zu-
mindest keine derartige Tatsache, weil die Gesetz-
mässigkeit der Auflösung bis heute überhaupt
nicht feststeht und die Behörde die in den ein-
zelnen Fällen geforderten Begründungen der Auf-
lösung noch nicht herausgegeben hat.

Ausserdem missachtet die Bezirksbehörde in
Znaim das Sprachengesetz. Die Bescheide über
die 5 Verbote sind in folgenden Punkten im Wi-
derspruche und Gegensatze mit dem Sprachen-
gesetz:

1. Die Bezeichnung der Behörde ist rein èe-
chisch;

2. die Geschäftszahl ebenso;

3. das Datum ebenso, soweit es nicht blos aus
Ziffern bestellt;

4. der Taufnahme des Adressaten ist rein èe-
chisch, soweit er nicht unübersetzbar ist;

5. die Ortsbezeichnungen in der Adresse sind
ebenfalls rein èechisch;

6. die Klausel "für den Bezirkshauptmann"
ebenso;

7. die Klausel "eigenhändig" ebenso;

8. und auch die Klausel über die Richtigkeit
der Ausfertigung ist rein èechisch.

Die Bezirksbehörde Znaim verletzt also acht-
mal das Gesetz, während sie in denselben Be-
scheiden vorgibt, Gesetzübertretungen zu verhü-

ten. Aus diesen Gesetzübertretungen lässt sich
auch ein Schluss auf die gesetzliche Stichhältig-
keit der oben erwähnten Versammlungsauflösun-
gen ziehen. Es ist bei den Behörden noch viel
Arbeit im Bezug auf Erziehung zur strengen Ein-
haltung der Gesetze zu leisten. Als Beweismittel
berufen wir uns auf die Bescheide der Bezirks-
behörde Zaim vom 31. 3. 1937, Zl. 12. 995-lV und
12. 958-IV, sowie vom 1. IV. 1937, Zahl 13. 144/IV,
13. 240/IV, 13. 266/IV.

Wir richten daher an den Herrn Minister des
Innern die Anfrage:

1. Ist der Herr Minister bereit, den gerügten
Sachverhalt erhaben zu lassen?

2. Ist der Herr Minister bereit, die Bezirks-
behörde in Znaim über das Sprachengesetz sowie
über die Bedeutung des § 6 des Versammlungs-
gesetzes zu belehren?

3. Ist der Herr Minister bereit, gegen die
schuldigen Beamten das Disziplinarverfahren ein-
leiten zu lassen?

4. Was gedenkt der Herr Minister zu tun, um
die Wiederholung solcher und ähnlicher Vor-
kommnisse in Hinkunft zu unterbinden?

Prag, am 20. Mai 1937.

Dr. Neuwirth, Sogl, Dr. Hodina,

Knorre, Hollube, E. Köhler, Hirte, Budig, Kundt,

Ing. Lischka, Klieber, Dr. Kellner, Nickerl, Gruber,

Wollner, Illing, Birke, Rösler, F. Nitsch, Sandner,

Ing. Künzel, Ing. Schreiber, Ing. Karmasin.

Pùvodní znìní ad 918 XX.

Interpellation

des Abgeordneten Josef Jäkel
an den Minister des Innern

wegen schikanöser Einschränkung der
verfassungsmässig gewährleisteten Ver-
sammlungsfreiheit durch den Leiter der
staatlichen Polizeiexpositur in Neustadt
a. T.

Am 1. Mai 1937 sprach Rechtsanwalt Dr Anton
Kreisl, Bodenbach, bei einer Mai - Kundgebung der
Sudetendeutschen Partei, Vorsitzender Konrad
Henlein, in Friedland. Als intervenierender Regie-
rungsvertreter war der Leiter der staatlichen
Polizeiexpositur in Neustadt erschienen. Der Red-
ner sprach zunächst über die Entwicklung der 1.
Mai - Kundgebungen und sodann von der Notwen-


24

digkeit der Schaffung einer gerechten sozialen
Ordnung, die nationalen Rechte sicherzustellen
und berührte kurz die bisherigen Fehler der
Innen- und Aussenpolitik. Der intervenierende Re-
gierungsvertreter ermähnte den Redner hieber
zweimal. Als der Redner auf die kürzlich einge-
brachten Gesetzanträge der Sudetendeutschen
Partei, Vorsitzender Konrad Henlein, zu sprechen
kam, machte ihn der Regierungsvertreter darauf
aufmerksam, dass er ihn zum dritten Male er-
mahnen müsse und in diesem Falle die Versamm-
lung auflösen werde. Als sich der Redner gegen
diese Einschränkung der Versammlungsfreiheit
verwahrte und darauf hinwies, dass die Gesetz-
anträge politische Forderungen der Sudetendeut-
schen Partei beinhalten, entgegnete der Interve-
nierende Beamte, dass dann um eine entsprechen-
de Bewilligung hätte angesucht werden müssen.

Die Mai-Kundgebung war mit dem Referat
"Der 1. Mai und die SdP" bewilligt. Um die Auf-
lösung der von Tausenden besuchten Versamm-
lung zu vermeiden, musste sich der Redner ent-
gegen dem Prinzip der freien Meinungsäusseruns
und dem Grundsatze der Versammlungsfreiheit
damit begenügen, die für das Sudetendeutschtum
wichtigen Gesetzanträge nur kurz zu streifen und
auf Zeitungsnachrichten hinzuweisen.

Die Methode einer schikanösen Versamm-
lungsintervention macht es in einem demokrati-
schen Staate der grössten politischen Partei des
Staates unmöglich, das Volk um seine politische
Meinung zu befragen.

Bezeichnend ist, dass am Nachmittag dessel-
ben Tages derselbe Redner dasselbe Referat in
Hohenelbe vollinhaltlich halten konnte, ohne dass
der Regierungsvertreter auch nur irgendwie in
den Ausführungen des Redners etwas Anstössiges
gefunden hätte. Daraus geht hervor, dass es sich
im ersten Falle um eine schikanöse Handhabung
der Versammlungsbeaufsichtigung durch den Leiter
der staatlichen Polizeiexpositur in Neustadt a. T.
handelt, gegen dessen Vorgehen die Interpellanten
die schärfste Verwahrung einlegen.

Sie richten daher an den Herrn Innenminister
die Anfrage:

1. Ist der Herr Minister mit der geschilderten
schikanösen Einschränkung der Versammlungs-
freiheit durch den Leiter der staatlichen Polizei-
expositur in Neustadt a. T. einverstanden?

2. Welche konkrete Verfügungen hat der Herr
Minister des Innern wegen des gerügten Sachver-
haltes getroffen?

Prag, am 20. Mai 1937.

Jäkel,

Kauft, Wollner, Knorre, Klieber, Kling, Holtube,

E. Köhler, Röster, Budig, Sogl, Hirte, F. Nitsch,

Dr. Kellner, Nickerl, Birke, Ing. Schreiber, Gruber,

Ing. Karmasin, Ing. Künzel, Sandner.

Pùvodní znìni ad 918/XXI.

Interpellation

des Abgeordneten Franz Nitsch
an den Minister des Innern

wegen schikanöser Handhabung der Ver-

sammlungsauisicht durch Organe der

staatlichen Polizeiexpositur in Mähr.

Altstadt.

Die Leitung der staatlichen Polizeiexpositur
in Mähr. Altstadt schien bisher bestrebt zu sein,
ein korrektes Verhältnis zur Bevölkerung zu fin-
den, was auch von der Bevölkerung mit Genug-
tuung anerkannt wurde.

Die untergeordneten Organe dieses Amtes
glauben aber eine andere Auffassung ihrer Dienst-
obliegenheiten vertreten zu müssen.

Am 27. April 1. J. hielt der Arbeitsstellenleiter
des deutschen Kulturverbandes Otto Weber aus
Mähr. Schönberg in Kunzendorf bei Mähr. Altstadt
einen Lichtbildervortrag »Heimat ist Arbeit«, der
die Besiedlung Nordmährens und die Bedeutung
der Schulschutzarbeit des DKV für dieses Gebiet
vor Augen führt. Als Wanderlehrer Weber in
seiner Lichtbildreihe die Sprachenkarte der Èe-
choslovakei zeigte, fühlte sich der diensthabende
Polizeiagent, der mit zwei Begleitern zu der Ver-
sammlung erschienen war, veranlasst, diese nach
der amtlichen Volkszählung verfertigte Karte zu
beanständen, und liess es nicht zu, dass sie ge-
zeigt wurde. Als der Redner in seinem Vortrage
fortfuhr und wörtlich sagte:

"Wir wollen uns nun einige Orte ansehen,
wo der deutsche Kulturverband in unserer Heimat
helfend eingreifen muss. Hier sehen Sie Markt-
Türnau. In diesem Orte sind 22 Kinder seit 17
Jahren ohne Schule.....", erklärte der Polizei-
agent im Namen des Gesetzes die Versammlung
für aufgelöst und forderte die Teilnehmer auf,
binnen 5 Minuten das Lokal zu verlassen, welcher
Aufforderung auch in Ruhe und Ordnung nach-
gekommen wurde. Als der Polizeiagent die Bil-
derstreifen beschlagnahmen wollte, verlangte
Wanderlehrer Weber eine schriftliche Bestäti-
gung, die ihm verweigert wurde, sodass er das
Bildband nicht ausfolgte. Er erklärte sich bereit,
nach Mähr. Altstadt mitzugehen, damit man ihm
dort die Bestätigung ausstelle. In Mähr. -Altstadt
angekommen, schienen sich die Amtsorgane eines
besseren besonnen zu haben und erklärten, dass
man diesmal »ausnahmsweise« von der Beschlag-
nahme absehen werde, dass aber Weber am
nächsten Tage bei der Polizeiexpositur erscheinen
müsse. Die Aussprache mit dem leitenden Beamten


25

verlief in durchaus höflichen Formen und ergab
keinerlei Beanständung. Dass die sachliche Dar-
stellung eines Schulfalles, wo der Kulturverband
durch Privatunterricht eingreifen muss, ein Auf-
lösungsgrund ist, ist bisher nicht vorgekommen.
Wenn die Behörden berechtigte Schulwünsche
einer Erledigung zuführen und die Gesuche nicht
10 Jahre liegen lassen würden, würde niemand
über diese Dinge in Versammlungen sprechen.
Denken wir doch an Zautke, bei Mähr. Schönberg
wo ebenfalls 22 Kinder mehr als 10 Jahre keine
Schule haben, an Königlosen bei Mähr. -Neustadt.
wo 34 Kinder keine Bildungsmöglichkeit in der
Muttersprache besitzen und an die anderen vie-
len Fälle, die schon hunderte Male in der Sude-
tendeutschen Presse erörtert wurden! Diese
brennenden Schulangelegenheiten schafft man
eben auch nicht mit Versammlungsauflösungen
aus der Welt.

Die Interpellanten richten an den Herrn Mi-
nister des Innern die Anfrage:

1. Ist der Herr Minister bereit, die gerügte
dienstliche Verfehlung erheben zu lassen?

2. Welche Massnahmen ist der Herr Minister
bereit, wegen dieser schikanösen, die Bevölkerung
beunruhigenden Handhabung der Versammlungs-
aufsicht durch Organe der staatlichen Polizeiex-
positur in Mähr. Altstadt zu ergreifen?

Prag, am 20. Mai 1937.

F. Nitsch,

Knöchel, Dr. Hodina, Knorre, Hollube, Dr. Kellner,

E. Köhler, Nickerl, Gruber, Klieber, Hirte, Budig,

Wollner, Illing, Sandner, Rösler, Birke, Sogl,

Ing. Schreiber, Ing. Karmasin, Kundt.


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