22

tungs- resp. Justizbeamten, durch die es ermög-
licht wurde, dass eine Wahlfälschung begangen
und ungeahndet blieb, das Disziplinarverfahren
wegen Nichterfullung ihrer Amtspflicht einleiten
zu lassen?

3. Welche Massnahmen gedenkt der Herr
Innenminister im Hinblick auf die geschilderten
Ereignisse und die dadurch hervorgerufenen Ver-
schiebung des Wahlergebnisses in der Gemeinde
Brünn zuergreifen?

4. Sind die Herren Minister bereit, dafür zu
sorgen, dass Vorkommnisse, wie die geschilderten,
weder im Bereiche der Verwaltungsbehörden,
noch im Bereiche der Rechtspflege sich wieder-
holen können?

Prag. am 9. April 1937.

Dr Hodina,

Hollube, Dr Eichholz, Fischer, Hirte, E. Köhler,

Jobst, Nickerl G. Böhm, Kleber, Illing, F. Nitsch,

Rösler, Stangl, Gruber, Birke, Axmann, Franz

Nìmec, Dr Peters, Kundt, Sandner.

Pùvodní znìní ad 864/XIV.

Interpellation

des Abgeordneten Ing. Franz Schreiber
an den Finanzminister

wegen rigoroser Pfändung in Harkau,
Bezirk Kaaden.

Es dürfte dem Herrn Minister nicht bekannt
sein, mit welcher Rücksichtslosigkeit und Strenge
Pfändungen in dem durch Arbeitslosigkeit und
Missernten schwer getroffenen nordwestböhmi-
schen Gebiete unseres Staates durchgeführt wer-
den, wobei die Bestimmungen der Exekutions-
ordnung völlig ausser Acht gelassen und auf das
gröblichste verletzt werden.

So werden den Interpellanten von ihren
Wählern folgende zwei typische Fälle mitgeteilt,
welche ein scharfes Licht auf das rücksichtslose
Vorgeben bei Pfändungen wegen an und für sich
geringfügiger Steuerrückstände werfen.

Franz Kutt, Landwirt in Harkau 15, Bezirk
Kaaden, besitzt ein Gesamtausmass von 6 ha, 16 a
Boden, davon nur 4 ha, 56 a Ackerland der Klasse
4-6 in der Seehöhe von 600-700 m. Er hat für
4 Personen zu sorgen. Seit dem Jahre 1934 trafen
ihn Missernten in der Höhe von 60% bis 80%,
weiters Unglücksfälle im Viehstande und Not-
schlachtungen. Wegen eines Gesamtsteuerrestes
von 650 Kè wurde ihm sein gesamter Viehstand,

bestehend aus drei Zuchtkühen, einem Saugkalb
und einem Mutterschwein samt 5 Jungen gepfän-
det. Franz Kutt, der ein arbeitsamer und spar-
samer Mensch ist, steht heute mit seiner Familie
vor dem Nichts.

Franz Plomitzer, Kleihäusler in Harkau 18,
Bezirk Kaaden, besitzt Boden im Gesamtausmasse
von 2 ha, 25 a, davon nur ein Hektar, 82 Aar
Ackerland der Klasse 4-7. Wegen eines Steuer-
rückstandes von 106. 30 Kè wurde ihm die ein-
zige Kuh, von der er mit seiner Familie sein kar-
ges Leben fristete, gepfändet. Er hat in seinem
Haushalte für seinen gebrechlichen alten Vater,
für ein Kind und für seine Frau zu sorgen.

Die angeführte Praxis der Pfändung steht im
krassen Widerspruche zu den §§ 251 und 252 der
Exekutionsordnung. Nach § 251 E. O. ist eine
Milchkuh nebst den zum Unterhalte und zur Streu
bis zur Zeit der nächsten Ernte erforderlichen
Futter- und Streuvorräten, soferne die bezeich-
neten Tiere für die Ernährung des Verpflichteten
und seiner, im gemeinsamen Haushalte mit ihm
lebenden Familienmitglieder und Bediensteten un-
entbehrlich sind, der Exekution ausdrücklich ent-
zogen. Darüber hinaus bestimmt § 252 E. O. aus-
drücklich, dass das auf einer Liegenschaft befind-
liche Zubehör daselbst nur mit dieser Liegen-
schaft in Exekution gezogen werden darf. Nach
den §§ 294 bis 297 ABGB ist unter Zubehör aber
auch das zur ordentlichen Bewirtschaftung eines
Bauernhofes unbedingt notwendige Vieh zu ver-
stehen. Die Vorschriften der Exekutionsordnung
gelten nach den Bestimmungen des § 263, Steuer-
gesetz vom 15. VI. 1927, im Wortlaute der Kund-
machung Slg. d. G. u. V. Nr. 227/36, auch für
Steuerexekutionen, d. h. also, es ist unzulässig
und bedeutet einen Uebergriff schlimmster Art,
wenn der Steuerexekutor einem Kleinlandwirte
die einzige Kuh pfändet, wenn diese für die Er-
nährung seiner Familie unbedingt notwendig ist.
Dasselbe gilt für den Fall, wenn der Steuerexe-
kutor den Gesamtviehstand, der zur ordentlichen
Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Liegen-
schaften notwendig ist, in die Pfändung einbezieht.

Berücksichtigt man, dass den Kleinlandwirten
und Häuslern in Nordwestböhmen wegen der
herrschenden Wirtschaftsverhältnisse nicht im
mindesten die Möglichkeit geboten ist, im Wege
eines Nebenverdienstes einen Erwerb zu schaffen,
so kommt die Art dieses rigorosen und durch
nichts zu rechtfertigenden und auserdem gesetz-
widrigen Vorgehens erst deutlich zu Bewusstsein.

Wir stellen daher die Anfragen:

1. Ist der Herr Minister bereit, den gerügten
Sachverhalt erheben zu lassen?

2. Ist der Herr Minister bereit, wegen der ge-
rügten, gesetzwidrigen Steuerpfändung über die
Exekntionsorgane umgehend das Disziplinarver-
fahren einleiten zu lassen?

3. Ist der Herr Minister bereit, Massnahmen
zu ergreifen, um die angeführten Pfändungen so-
fort rückgängig zu machen?


23

4. Ist der Herr Minister bereit, Verfügungen
zu treffen, dass sich solche rigorose und gesetz-
widrige Steuerpfändungen nicht mehr ereignen
können?

Prag, am 9. April 1937.

Ing. Schreiber,

Hollube, Fischer, Hirte, Jobst, Stangl, G. Böhm,

Dr Peters, Kling, Klieber, E. Köhler, Nickerl,

Kundt, Franz Nìmec, Axmann, F. Nitsch, Gruber,

Dr Eichholz, Sandner, Rösler, Birke.

Pùvodní znìní ad 864/XV.

Interpellation

des Abgeordneten Karl Gruber

an den Minister des Innern
und an den Justizminister

wegen ungerechtfertigter Beschränkung
der Reisefreiheit und gesetzwidriger Per-
sonsdurchsuchung und Beschlagnahme
durch Organe der Gendarmeriestation und
Staatspolizei in Wallern.

Aus Wählerkreisen wird den Interpellanten
folgender Sachverhalt mitgeteilt:

Sonntag, den 14. März 1937, wollte Herr Josef
Chwala, Arbeiter in Prachatiz, Kaserngasse 2,
mit einem gültigen Passe zu seinen Bekannten
nach Waldkirchen in Bayern fahren. Schon als
er um 9. 14 Uhr in der Haltestelle St. Marga-
retlienbad den Zug besteigen wollte, bemerkte er,
dass ein Organ der Staatspolizei in Prachatitz in
Zivil ihn beobachtete. Als er in der Haltestelle
Wallern auf den Zug nach Heidmühl wartete, er-
schien ein Inspektor der Staatspolizeiexpositur in
Wallern und verlangte von Josef Chwala, dass
er sich legitimiere. Chwala tat dies durch Vor-
zeigen des Reisepasses. Auf diesbezügliche Fra-
gen teilte er auch sein Reiseziel mit, daraufhin
wurde er aufgefordert, dem Inspektor der Staats-
polizei in Wallern zu folgen, mit der Begründung,
dieser hätte jenem noch etwas zu sagen. Chwala
wurde auf die Gendarmeriestation in Wallern ge-
bracht, wo er von einem anwesenden Gendarmen
nochmals nach seinem Reiseziel befragt wurde.
Daraufhin wurde er einer genauen Leibesvisitation
unterzogen, in deren Verlauf er sich vollkommen
entkleiden musste. Durch die Organe der Gen-
darmerie wurden dabei abfällige Bemerkungen
geäussert. Chwala musste weiters seine Taschen
entleeren und es wurde ihm das Abzeichen und
das Mitgliedsbuch der Sudetendeutschen Partei
sowie der Reisepass beschlagnahmt. Diese wur-
den allerdings inzwischen zurückgestellt! Der
Gendarm versuchte eine Aeusserung des Chwala
zu erlangen, dass ihn die Sudetendeutsche Partei
nach Deutschland geschickt hätte und dafür den
Betrag von 112 Kè von der Sudetendeutschen

Partei erhalten habe, damit er nach Deutschland
reisen könne. Chwala wies diese Vermutungen
mit Entrüstung zurück und versicherte wahrheits-
gemäss, dass er lediglich zu einem privaten Be-
such nach Waldkirchen zu fahren die Absicht
habe. Die einvernehmenden Gendarmen entfernten
sich hierauf und erst nach Mittag kehrten sie zu-
rück und eröffneten Chwala, dass er die beschlag-
nahmten Sachen im Polizeiamte in Prachatitz ab-
holen könne.

Diese Personuntersuchung und Beschlagnah-
me fand unter vollkommener Ausserachtlassung
der Bestimmungen der Strafprozessordnung statt
und ist ein weiteres Glied in der Kette vollkom-
men willkürlichen Vorgehens gegenüber Staats-
bürgern deutscher Nationalität. Wie von den In-
terpellanten schon öfters darauf hingewiesen
wurde, sind solche Handlungen wegen ihrer Will-
kür und Gesetzwidrigkeit einzig dazu geeignet,
das Vertrauen der Bevölkerung zu einer gerecht
amtierenden Behörde auf das tiefste zu er-
schüttern.

Wir stellen daher die Anfragen:

1. Sind die Herren Minister bereit, den ge-
rügten Sachverhalt erheben zu lassen?

2. Ist der Herr Innenminister bereit zu ver-
fügen, dass gegen die im gerügten Sachverhalte
bezeichneten Organe der Polizeibehörde und der
Gendarmerie in Wallern das Disziplinarverfahren
eingeleitet wird?

3. Welche Massnahmen gedenkt der Herr Ju-
stizminister zu ergreifen, dass die Organe der
Staatspolizei und der Gendarmerie darüber auf-
geklärt werden, welche Bestimmungen für die
Haus- und Personenuntersuchungen gelten und
einzig und allein zu berücksichtigen sind?

Prag, am 9. April 1937.

Gruber,

Rösler, Azmann, Dr Hodina, Jobst, Hollube, Jäkel,

Nickerl, Ing. Richter, Illing, Dr Zippelius, Wollner,

Hirte, Dr Peters, Dr Rosche, Kundt, Sandner,

Stangl, Ing. Künzel, Franz Nìmec, Wagner.

Pùvodní znìní ad 864/XVI.

Interpellation

des Abg. Ing. Franz Peschka

an den Innenminister und den
Justizminister

wegen gesetzwidriger Durchführung von

Hausdurchsuchungen durch Organe der

Staatspolizei und Gendarmerle.

Am 27. Jänner 1937 um 6 Uhr abends erschien
in der Wohnung des Franz Hauke, Landwirt in


24

Buchsdorf 54 bei Jauernig, ein Organ der Staats-
polizei in Begleitung der Wachtmeister Volný und
Žídek aus Bartsch. Sie verlangten von der anwe-
senden Frau des Franz Hauke die Herausgabe aller
Taschenzeitweiser der Sudetendeutschen Partei.
Da diese über das Vorhandensein von Taschen-
zeitweisern keine Auskunft geben konnte, begannen
die staatlichen Organe sofort mit einer Hausdurch-
suchung. Diese wurde gründlichst durchgeführt,
u. zw. in einer Weise, die erkennen liess, dass
keinesfalls die Taschenzeitweiser allein Gegen-
stand der Hausdurchsuchung sein konnten. Es
wurden nicht nur alle Küchenkredenzen, Bücher-
kästen, Schubfächer und Ofenklappen untersucht,
sondern auch der gesamte, teilweise noch nicht
geöffnete Briefwechsel durchstöbert, Schmuck-
schachteln geöffnet, Patronentaschen und vorhan-
dene Jagdgewehre usw. durchgesehen.

Frau Hauke wurde mit ihren Kindern, der
Schwiegermutter und der Magd von einem Gen-
darmen am Verlassen der Küche behindert, erst
über energischen Protest wurde gestattet, dass
eine Person zum Zwecke der Viehfütterung den
Raum verlassen durfte. Obwohl ausdrücklich ver-
sichert wurde, dass die Hausdurchsuchung wegen
der Taschenzeitweiser durchgeführt werde, wur-
den aus einer Aktentasche eine Menge Zeitungs-
ausschnitte aus tschechischen Zeitungen und einige
private Aufzeichnungen beschlagnahmt. Entgegen
den klaren Bestimmungen der Strafprozessordnung
wurde dem durch die Hausdurchsuchung betroffe-
nen Franz Hauke kein richterlicher Hausdurchsu-
chungsbefehl vorgewiesen.

Am gleichen Tage erschienen dieselben Orga-
ne bei Josef Hauke, Schlosser in Barzdorf 34 bei
Jauernig, und begannen gleichfalls unter dem Vor-
wande des Suchens nach Taschenzeitweisern eine
ungefähr 2 Stunden dauernde Hausdurchsuchung.
Auch in diesem Falle wurde diese gründlichst
durchgeführt und schliesslich 9 Stück der Bro-
schüre »Sudetendeutschtum im Kampf« beschlag-
nahmt. Der Übergriff der Untersuchungsorgane
ist hier besonders krass, weil weder ein schrift-
licher Hausdurchsuchungsbefehl vorgezeigt noch
binnen 24 Stunden nachgebracht wurde, über die
Beschlagnahme keine Bestätigung ausgestellt und
weiters entgegen den Bestimmungen der Strafpro-
zessordnung über die stattgefundene Hausdurch-
suchung kein Protokoll verfertigt wurde und keine
gerichtlichen Zeugen beigezogen worden waren.

Es hat den Anschein, dass die Untersuchungs-
organe sich an keine Gesetze und an keine ge-
setzlichen Vorschriften gebunden fühlen, sondern
in vollkommener Willkür nach eigenem Gutdünken
in die verfassungsmässig gewährleisteten Rechte
der Freiheit der Person und des Vermögens und
der Freiheit des Hauses eingreifen.

Wir stellen daher die Anfragen:

1. Sind die Herren Minister bereit, den ge-
rügten Sachverhalt erheben zu lassen?

2. Ist der Herr Minister des Innern bereit,
gegen die am 27. Jänner 1937 in den Orten Barz-
dorf und Buchsdorf die Hausdurchsuchungen durch-

führenden Beamten das Disziplinarverfahren we-
gen der willkürlichen und gesetzwidrigen Hand-
lungsweise einleiten zu lassen?

3. Welche Massnahmen gedenkt der Herr Mi-
nister zu ergreifen, dass künftighin die sich in
letzter Zeit mehrenden Fälle der vollkommenen
Ausserachtslassung der Strafprozessordnung bei
Haus- und Personendurchsuchungen nicht mehr
ereignen können?

Prag, 9. April 1937.

Ing. Peschka,

Hollube, Dr Eichholz, Fischer, Hirte, Jobst, Illing,

Nickerl, Sandner, Ing. Künzel, Kundt, Dr Peters,

Klieber, Franz Nìmec, G. Böhm, Axmann, Birke,

Stangl, E. Köhler, Rösler, F. Nitsch, Gruber.

Pùvodní znìní ad 864/XVII.

Interpellation

des Abg. Ing. Wolfgang Richter
an den Minister des Innern

wegen gesetzwidriger Versammlungsauf-
lösung durch Organe der Staatspolizei,
Expositur in Karbitz.

Am 7. März 1937 hatte die Bezirksleitung der
Sudetendeutschen Partei in Karbitz nach Schanda
eine Bezirksamtswaltertagung nach § 2 des Ge-
setzes 135/67 einberufen. Durch Organe der Poli-
zeiexpositur in Karbitz unter der Führung des
Kommissärs Dr Stelzer wurde die Versammlung,
in welcher der Abg. Ing. W. Richter sprach, nach
ungefähr einstündiger Dauer aufgelöst, u. zw. des-
halb, weil der Leiter der Versammlung in einem
Falle über den Namen und Wohnort eines Ver-
sammlungsteilnehmers von den 218 anwesenden
Personen keine Auskunft geben konnte, obwohl
dieser ihm persönlich bekannt war. Die Auflösung
des Versammlung ist daher eine schikanöse Hand-
lung der auf dem § 2 des Versammlungsgesetzes
beruhenden Rechtspraxis und ist nicht angetan,
das Vertrauen der Bevölkerung zur Polizeibehör-
de zu erhalten. Solches Verhalten muss im Ge-
genteil den Eindruck erwecken, dass die Polizei-
behörde schikanös und kleinlich ihren Aufgaben
nachgeht.

Die Interpellanten bringen dem Herrn Minister
diesen Sachverhalt zur Kenntnis und richten an
ihn folgende Anfragen:

1. Ist der Herr Minister bereit, den gerügten
Sachverhalt erheben zu lassen?

2. Welche Massnahmen gedenkt der Herr Mi-
nister wegen des gerügten Sachverhaltes zu er-
greifen?


25

3. Ist der Herr Minister bereit zu verfügen,
dass die staatliche Polizeiexpositur in Karbitz da-
rüber aufgeklärt werde, dass eine nicht sofortige
Namensnennung eines Versammlungsteilnehmers
durch den Einberufer der Versammlung kein ge-
nügender Grund zur Auflösung der Versammlung
ist?

Prag, 9. April 1937.

Ing. W. Richter,

Hollube, Rösler, Fischer, Hirte, Jobst, Axmann,
Dr Eichholz, Klieber, Dr Peters, G. Böhm, Stangl,
E. Köhler, Gruber, Birke, Nickerl, Franz Nìmec,
Illing, Sandner, Kundt, F. Nitsch.

Pùvodní znìní ad 864 XVIII.

Interpellation

des Abg. Adolf Jobst
an den Minister des Innern

wegen ungebührlichen Benehmens des

Leiters der Expositur der Staatspolizei in

Wallern, Kommissär Bican.

Am 14. März 1937 fand m Oberschneedorf bei
Wallern eine Versammlung der Sudetendeutschen
Partei statt, in welcher der Abgeordnete Adolf
Jobst sprach. Als Regierungsvertreter war zu die-
ser Versammlung der Leiter der Expositur der
Staatspolizei in Wallern, Kommissär Bican erschie-
nen. Wegen des Benehmens des Kommissärs Bi-
can während der Versammlung bemächtigte sich
der Versammlungsteilnehmer eine grosse Erre-
gung. Abg. Jobst verwies im Laufe seiner Rede
auf die Ausführungen des Herrn Staatspräsiden-
ten in Reichenberg vom 19. VIII. 1936 und zi-
tierte den Staatspräsidenten sinngemäss wie folgt:
»Es sind Fehler geschehen, die nicht mehr vor-
kommen sollen, u. zw. dahingehend, dass man èe-
chische Arbeiter in das deutsche Gebiet gebracht
und dadurch die deutschen Arbeiter um ihre Ar-
beit gebracht hat. «

Obwohl diese Redewendung tatsächlich dem
Sinne der Ausführungen des Herrn Staatspräsiden-
ten in Reichenberg entspricht, wurde Abg. Jobst
bei dieser Stelle verwarnt. Als Abg. Jobst den Ver-
sammlungsteilnehmern erklärte, er werde deshalb
verwarnt, weil er Worte des Herrn Staatspräsi-
denten zitiere, wurde er abermals verwarnt. Abg.
Jobst forderte hierauf vom Regierungsvertreter
eine schriftliche Ausfertigung über die verfügten
Verwarnungen mit Anführung von Gründen für

diese. Kommissär Bican lehnte dies rundweg ab.
Er legte während des ganzen Verlaufes der Ver-
sammlung ein Benehmen an den Tag, das mit der
Würde eines Vertreters der Behörde nicht ver-
einbarlich ist. Es hatte den Anschein als versu-
che er durch dieses Benehmen seine Geringschät-
zung und Missachtung gegenüber dem Abgeordne-
ten der Sudetendeutschen Partei, seinen Ausfüh-
rungen und den Versammlungsteilnehmern auszu-
drücken. Der genannte Kommissär hielt es auch
nicht für notwendig, bei der gegenseitigen Vor-
stellung sich vom Sitze zu erheben. Während der
Versammlung versuchte er durch spöttisches Ver-
ziehen der Mundwinkel, abfälliges Lächeln, Zu-
sammenkneifen der Augen, wegwerfende Handbe-
wegungen seine Missachtung gegenüber den Vor-
gängen in der Versammlung zum Ausdruck zu
bringen. Die Versammlungsteilnehmer waren aus-
schliesslich biedere, einfache und aufrechte Men-
schen, auf welche die grundlosen Verwarnungen
und das verhöhnende Benehmen des Kommissärs
Bican in grösstem Masse beleidigend und herab-
würdigend wirkte.

Da die bei Versammlungen intervenierenden
Vertreter der Behörde sich jeder persönlichen Kri-
tik und Stellungnahme, selbstverständlich auch der
des persönlichen Missfallens zu enthalten haben,
und da ein solches, wie im gerügten Falle geschil-
dertes Benehmen zur Beunruhigung weitester Be-
völkerungskreise geeignet ist, richten die Inter-
pellanten an den Herrn Minister die Anfragen:

1. Ist der Herr Minister bereit, den gerügten
Sachverhalt erheben zu lassen?

2. Ist der Herr Minister bereit, den Kommissär
Bican der Staatspolizeiexpositur in Wallern darü-
ber aufklären zu lassen, dass die Wiederholung
von Aussprüchen des Herrn Staatspräsidenten in
Versammlungen keineswegs ein Grund zu Verwar-
nungen ist?

3. Ist der Herr Minister bereit, Massnahmen
zu ergreifen, dass der Kommissär Bican in Wallern
darüber unterrichtet wird, wie er sich als Vertre-
ter der Polizeibehörde bei Versammlungen zu be-
nehmen hat?

4. Was gedenkt der Herr Minister zu verfü-
gen, dass sich ähnliche Vorfälle, durch welche die
Bevölkerung aufgereizt und beunruhigt wird, künf-
tighin nicht mehr ereignen können?

Prag, 9. April 1937.

Jobst,

Hollube, Fischer, Hirte, Nickerl, Axmann, Illing,

Dr Eichholz, Sandner, Kundt, Ing. Künzel, Dr

Rösche, Franz Nìmec, Klieber, G. Böhm, Birke,

Gruber, E. Köhler, Stangl, F. Nitsch, Rösler.


26

Pùvodní znìní ad 864/XIX.

Interpellation

des Abg. Franz Nitsch
an den Justizminister

wegen einsprachig èechischer Ausferti-
gung der Erkenntnisse über die Eröffnung
des Enteignungsverfahrens durch das Be-
zirksgericht in Grulich.

Aus verschiedenen Wählerkreisen wird den
Interpellanten mitgeteilt, dass das Bezirksgericht
in Grulich entgegen den klaren Bestimmungen des
Sprachengesetzes und der Sprachenverordnung
die Erkenntnisse über die Eröffnung des Enteig-
nungsverfahrens lediglich in èechischer Ausfer-
tigung an deutsche Parteien vornimmt, obwohl
sich in dem gegebenen Falle die Tätigkeit dieses
Bezirksgerichtes auf einen Gerichtsbezirk bezieht,
in dem sich laut Volkszählungsergebnis aus dem
Jahre 1930 mehr als 20% Staatsbürger deutscher
Nationalität befinden und die betroffenen Parteien
sich zur deutschen Volkszugehörigkeit bekannt
haben, welcher Umstand dem Bezirksgerichte in
Grulich bekannt ist, bezw. bekannt sein muss.

So wurde im Bezirke Grulich u. a. den Deut-
schen Karl Scholz, Bauer in Rotfloss, Johann, Kar-
ger, Bauer in Rotfloss, Franz Rotter, Bauer in
Grulich, Albin Winkler, Bauer in Grulich, Oskar
Langer, Bauer in Grulich, Josef Vogel, Bauer in
Rotfloss, Emil Langer, Bauer in Rotfloss, Emil
Scholz, Bauer in Rotfloss, Josef Franz, Bauer in
Goldenfluss, Ferdinand Sündermann, Bauer in

Ober-Lipka, Ferdinand John, Bauer in Ober-Lipka.
Fritz John, Bauer in Ober-Lipka und Johann Fi-
scher, Bauer in Ober-Lipka, ausschliesslich ein-
sprachig èechische Beschlüsse über den Beginn
des Enteignungsverfahrens zugestellt.

Der Abgeordnete der Sudetendeutschen Par-
tei Franz Nitsch hat in einer Zuschrift an das
Präsidium des Kreisgerichtes in Köiiiggrätz, das
als Aufsichtsbehörde des Bezirkegerichtes Grulich
fungiert, von diesem Unistande mit der Bitte um
Abhilfe Mitteilung gemacht, ohne dass bisher die-
sem Ersuchen entsprochen worden wäre.

Die Sprachenpraxis des Bezirksgerichtes in
Grulich steht im krassen Widerspruche zu den
Bestimmungen des Gesetzes Nr. 122/20 u. der Reg.
Verordnung 17/26.

Die Interpellanten stellen daher die Anfragen:

1. Ist der Herr Minister bereit, den gerügten
Sachverhalt erheben zu lassen?

2. Ist der Herr Minister bereit, wegen der
fortgesetzten Verletzung des Sprachenrechtes
und der Sprachenverordnung gegen den verant-
wortlichen Beamten des Bezirksgerichtes in Gru-
lich auf Grund des § 25 des Republikschutzge-
setzes das Disziplinarverfahren einleiten zu
lassen?

3. Welche Massnahmen gedenkt der Herr Mi-
nister zu ergreifen, um eine weitere Verletzung
des Sprachengesetzes durch das Bezirksgericht in
Grulich unmöglich zu machen?

Prag, am 9. April 1937.

F. Nitsch,

Dr Eichholz, Fischer, Jobst, Hollube, G. Böhm,

Illing, E. Köhler, Nickerl, Axmann, Franz Nìmec,

Kundt, Sandner, Stand Rösler, Gruber, Birke,

Klieber, Ing. Künzel, Dr Peters, Hirte.


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