22

einen Vorwand zur weiteren Verhetzung der
Völker zu bieten, fragen wir die Regierung:

1. Ist die Regierung bereit, das an der Frau
Auguste Hanemann verübte Unrecht schleunigst
gutzumachen?

2. Ist sie bereit, den schuldigen Beamten exem-
plarisch zu bestrafen?

3. Ist sie bereit, alle nötigen Vorkehrungen zu
treffen, damit sich derartige Unterdrückungsakte
gegenüber den Angehörigen der nicht èechoslova-
kischen Nationen nicht mehr wiederholen?

P r a g, am 3. Feber 1937.

B. Köhler,

Dr. Clementis, Široký, Kosik, Schenk, Vodièka,
Klima, Dölling, Prochazka, Kopøiva, Nepomucký,
Kopecký, Vallo, Hodinová-Spurná, Machaèová,
Slanský, Synek, Šverma, Krosnar, Zápotocký,
Zupka.

Pùvodní znení ad 771/VII.

Interpellation

des Abgeordneten Dr. Adolf Kellner
an den Ministerpräsidenten

wegen Beschleunigung der Erledigung von
Sprachenbeschwerden und der Untersu-
chungsverfahren in politischen Straf-
sachen.

I. Es wird amtlich gemeldet, daß am 27. Jänner
1937, 11 Uhr vormittags, im Ministerratpräsi-
dium eine Sitzung des Rechtsbeirates über die
Maßnahmen zur Beschleunigung der Amtstätig-
keit beraten wird.

Aus diesem Anlasse bringen die Interpellanten
zur Kenntnis, daß auch über Sprachenbeschwer-
den sehr langsam verhandelt und entschieden
wird, obwohl gerade in solchen Fällen der Ver-
letzung verfassungsmäßiger Grundrechte schleu-
nigste Amtsführung imperativ angeordnet ist.

Wir begrüßen es, daß das Ministerratspräsi-
dium zur Behebung dieser Mängel die Initiative
ergreift, und bringen von den zahllosen Fällen
unberechtigter Verzögerung folgenden typischen
Fall der Verzögerung eines Beschwerdeverfahrens
in Sprachensachen zur Kenntnis.

Das Sudetendeutschtum empfindet es seit lan-
gem besonders kränkend, daß die èechoslovaki-
schen Staatsbahnen die Sprachenrechte der Deut-
schen verletzen. Das Oberste Verwaltungsgericht
hat in seiner Entscheidung vom 16. September
1924, Z. 15.755, B 3903, besonders auf jene Fälle
verwiesen, in denen die Bahn nicht als Anstalt,
sondern als Staatsbehörde Kundmachungen er-
läßt, und dabei folgendes hervorgehoben:

"Damit ist aber nur gesagt, daß die Verwal-
tungsorgane einer Eisenbahnunternehmung, so-

weit sie in dieser ihrer Funktion handeln, nicht die
Verpflichtung haben, die Minderheitssprache im
Sinne des § 2 zu gebrauchen. Es ist aber damit
noch nicht die Frage der Sprache der Aufschrif-
ten und Kundmachungen in den Eisenbahnzügen
beantwortet. Bei der Lösung dieser Frage muß
unterschieden werden, welcher Art die gegen-
ständlichen Aufschriften, bezw. Kundmachungen
sind. Soweit eine solche Kundmachung irgendeine
Vorschrift, ein Gebot oder ein Verbot enthält, wo-
mit sich der Staat kraft seines Imperiums an die
die Eisenbahn benutzenden Bürger wendet, han-
delt es sich nicht um eine Kundmachung einer
staatlichen Unternehmung, sondern um eine
Kundmachung eines staatlichen Organes oder
einer staatlichen Behörde, die unter die Bestim-
mungen des letzten Absatzes des § 2 des Spra-
chengesetzes fällt." (Siehe Entscheidung des
OVG. vom 16. September 1924, ZI. 151.755, B
3903).

Am 5. Feber 1936, also vor nahezu einem Jahr,
hat ein èechoslovakischer Staatsbürger deutscher
Nationalität, gestützt auf diese Entscheidung des
Obersten Verwaltungsgerichtes, bei der Staats-
bahndirektion in Pilsen darüber Beschwerde ge-
führt, daß im Motorzug Neuhof-Weseritz fol-
gende Aufschriften im Gegensatz und im Wider-
spruch zur Judikatur des Obersten Verwaltungs-
gerichtes ausschließlich in èechischer Sprache an-
geführt sind:

1. Vstup na plošinu za jizdy jest zakázán.

2. Mluviti s øidièem za jízdy jest zakázáno.

3. Neotvírejte, dokud vlak nezastaví! Nebezpeèí
úrazù.

4. Nekuøáci.

5. Nenahýbejte se z oken.

6. Weiters ist eine Kundmachung der Staats-
bahndirektion Prag-Süd angeschlagen, die unter
Hinweis auf einen Erlaß vom 7. Juli 1928, ZI.
20.290 VI-3-28, das Rauchen in Motorzügen
überhaupt verbietet.

Obwohl der Staatsbahndirektion Pilsen nicht
nur dieser unstrittige Sachverhalt, sondern auch
die Tatsache bekannt sein mußte, daß die Bahn-
strecke Neuhof-Weseritz durch Gerichtsbezirke
mit nahezu ausschließlich deutscher Bevölkerung
führt, hat die Staatsbahndirektion Pilsen keines-
wegs "schleunigst", sondern erst nach mehr als
3 Monaten(!), u. zw. mit Bescheid vom 13. Mai
1936, ZI. 702/II-1936, unter Nichtbeachtung der
Rechtsprechung des Obersten Verwaltungsge-
richtes ablehnend entschieden.

Gegen diese Entscheidung hat der in seinem
verfassungsmäßigen Rechte verletzte Beschwerde-
führer am 26. Mai 1936 im Vertrauen auf die
Rechtssprechung des Obersten Verwaltungsge-
richtes die Berufung an das Eisenbahnministe-
rium in Prag gerichtet.

Obwohl seit der Entscheidung in I. Instanz, die
ebenfalls mehrere Monate auf sich warten ließ,
seither neuerdings 8 Monate verflossen sind, hat
das Eisenbahnministerium über die Berufung
noch immer nicht entschieden. Eine solche Ver-
zögerung der Entscheidung anläßlich der Ver-
letzung verfassungsgemäß festgelegter Sprachen-
rechte steht im Gegensatz und im Widerspruch
mit dem Inhalt und dem Geiste des Sprachenge-
setzes und der Sprachenverordnung und mit allen


28

Vorschriften und Weisungen, die eine schleunige
Amtsführung anstreben.

II. Für die Maßnahmen zur Beschleunigung der
Amtstätigkeit ist als Dringendstes die Beschleu-
nigung der Untersuchungsverfahren in politi-
schen Strafsachen einer grundsätzlichen Berück-
sichtigung zu unterziehen. Die Strafprozeßord-
nung selbst sieht eine beschleunigte Erledigung
der Strafsachen vor und setzt den Staatsanwalt-
schaften eine achttägige Frist zur Einbringung
der Anklage nach Abschluß des Strafverfahrens.
Die Anklagebehörden umgehen diese achttägige
Frist dadurch, daß sie durch Beantragung immer
neuer Erhebungsakten auf Monate das Unter-
suchungsverfahren ziehen, obwohl dieser Vorgang
im Widerspruch steht zu den Gesetzen, Verord-
nungen und Erlässen über Beschleunigung des
Verfahrens in Strafsachen: Erlass vom 25. No-
vember 1873, Zl. 14.956. Verordnung des Justiz-
Ministerial-Verordnungsblattes JMVB1. vom 12.
Dezember 1900, Nr. 45, Erlaß vom 7. Dezember
1902, Zl. 24.505, Erlaß vom 12. April 1904, Z,
7673, Erlaß vom 1. Dezember 1917. JMVBl. Nr.
44, Erlaß vom 28. Juni 1929, Zahl 25.504, JMVBl.
Nr. 15.

Die gesetzes-, verordnungs- und erlaßwidrige
Praxis ist darauf zurückzuführen, daß sich die
Militärbehörden per nefas in das Untersuchungs-
verfahren eingegliedert haben, während des
Untersuchungsverfahrens inoffizielle Gutachten
abgeben, die dem Akt nach Erhebung der Anklage
nie beigeschlossen werden, und die Staatsanwalt-
schaften sich den Weisungen der Militärbehörden.
bezw. der Nachrichtenabteilung fügen.

Dadurch ist es möglich, daß sich Strafver-
fahren im Stadium der Voruntersuchung über ein
Jahr lang befinden, ohne daß die Anklageschrift
herauskommt und ohne daß überhaupt abgesehen
werden kann, wann das Untersuchungsverfahren
ein Ende findet.

Es kommt dabei weiters vor, daß auch Jugend-
liche und Kranke, vor allem auch kranke Frauen
über ein Jahr lang in Haft behalten werden, und
es ereignet sich wiederholt, daß die zuständigen
Behörden von der Schuldlosigkeit Inhaftierter
überzeugt sind, es aber auf Grund dieser einge-
rissenen Praxis unmöglich ist, die durch einen
bloßen äußerlichen Verdacht in Haft Genomme-
nen frei zu bekommen. Zum Nachweis der Rich-
tigkeit dieser Behauptungen mögen beim Kreis-
strafgerichte in Prag alle wegen § 6 des Schutzge-
setzes anhängigen und nun in Prag konzentrier-
ten Strafverfahren verlangt werden, wie auch
jene Fälle der einzelnen Kreisgerichte, die soge-
nannte Berichtstücke sind.

Mit Rücksicht auf diesen Sachverhalt stellen
die Interpellanten an den Herrn Ministerpräsi-
denten die Anfragen:

1. Was gedenkt der Herr Ministerpräsident zu
veranlassen, um das Verfahren und die Entschei-
dung über Sprachenbeschwerden zu beschleuni-
gen?

2. Was gedenkt der Herr Ministerpräsident zu
veranlassen, um das ungesetzliche Eingreifen der
Militärbehörden und Nachrichtenämter in politi-
schen Strafverfahren aufzuheben, bezw. einzu-
schränken?

3. Was gedenkt der Herr Ministerpräsident an-
zuordnen, daß auch diese Strafverfahren eine
derartige beschleunigte Erledigung erhalten, wie
dies das Gesetz, die Verordnungen und Erlässe
vorschreiben?

Prag, am 25. Jänner 1937.

Dr. Kellner,

Knöchel, Hollube, Jäkel, Ing. Schreiber, Fischer,
Ing. Peschka, May, Dr. Zippelius, Hirte, Stangl,
Illing, Dr. Hodina, Dr. Köllner, Klieber, Rösler,
Ing. Richter, Knorre, Dr. Eichholz, Nickerl, Birke,
Dr. Peters, Sogl, Ing. Karmasin, Ing. Künzel,
E. Köhler, Gruber, Sandner, Obrlik, Dr. Jilly.

Pùvodní znìní ad 771/VIII.

Interpellation

des Abgeordneten Ing. Franz Schreiber
an den Finanzminister

wegen Nichtherstellung des gesetzlichen

Zustandes entgegen dem Erkenntnis des

Obersten Verwaltungsgerichtes durch das

Steueramt in Asch.

Die Firma Christian Baumgärtl u. Söhne in
Asch hat mit Eingabe vom 29. April 1927/7 bei
der Finanzbezirksdirektion in Eger dagegen Be-
schwerde erhoben, daß das Steueramt in Asch
die Obliterierung ausländischer Schecks, welche sie
ihm vorlegte, nur mit tschehischem Siegel durch-
führe, obgleich sich der Wirkungsbereich des
Steueramtes in Asch auf einen Gerichtsbezirk be-
zog, in dem nach der letzten Volkszählung mehr
als 20 Prozent der deutschen Minderheit wohnen.
Das Präsidium der Finanzlandesdirektion in Prag
hat mit der Entscheidung vom 16. Jänner 1928,
pr. 82/36/27, dieser Beschwerde mit Rücksicht
auf die Bestimmungen des Artikels 33, Abs. 1,
der Sprachenverordnung vom 3. Feber 1926, Slg.
d. Ges. u. V. Nr. 17, keine Folge gegeben. Das
Finanzministerium hat mit Entscheidung vom 30.
Jänner 1931, Z. 1478 pres. 1929, die weitere Be-
rufung in dieser Sache abgewiesen. Die Firma
Christian Baumgärtl u. Söhne in Asch, vertreten
durch die Rechtsanwälte Dr. Erich Hönigschmied
und Dr. Richard Manner in Asch, erhob in dieser
Angelegenheit die Beschwerde an das Oberste
Vorwaltungsgericht, welches mit Erkenntnis vom
30. März 1935, Z. 13.975/35, der Beschwerde statt-
gab und die angefochtene Entscheidung des Fi-
nanzministeriums vom 30. Jänner 1931, Z. 1478
pres 1929, als gesetzlich nicht begründet aufhob.

Auf Grund dieses Erkenntnisses hat die Firma
Christian Baumgärtl u Söhne in Asch bei der
Finanzlandesdirektion in Prag zwecks Herstel-
lung des dem Erkenntnisse des Obersten Verwal-
tungsgerichtes entsprechenden gesetzlichen Zu-
standes mit Eingabe vom 6. Juni 1935 den Antrag
gestellt, daß die Steuer- und auch die Postämter,


24

soweit ihnen die Befugnisse der Obliterierung von
Stempeln eingeräumt wurde, mit doppelsprachi-
gen Obliterierungsstempeln versehen werden.
Diese Eingabe blieb unerledigt. Am 18. Septem-
ber 1935 wurde der Antrag beim Präsidium der
Finanzlandesdirektion in Prag urgiert. Da auch
diese Urgenz unerledigt blieb, sah sich die Firma
Christian Baumgärtl und Söhne in Asch veran-
laßt, am 2. Dezember 1935 an das Präsidium des
Finanzministeriums die Aufsiehtsbeschwerde mit
dem Ersuchen zu überreichen, dem Präsidium der
Finanzlandesdirektion in Prag umgehend den
Auftrag zu erteilen, die Eingaben vom 6. Juni
und 18. September 1935 durch und zu Händen der
Rechtsanwaltskanzlei Dr. Erich Hönigschmied und
Dr. Richard Manner, Advokaten in Asch, einer
sofortigen Erledigung zuzuführen Auch diese
Aufsichtsbeschwerde blieb bisher unerledigt. Auf
Grund von persönlicher Vorsprache bei dem Prä-
sidium des Finanzministeriums in Prag konnte
zwar die Erledigung der Aufsichtsbeschwerde
nicht erreicht, jedoch im Protokoll, 1. Stock. Tür
220. festgestellt werden, daß der Akt die Ge-
schäftszahl 3633/35 trägt.

Obwohl die erste Eingabe in dieser Angelegen-
heit schon am 29. April 1927 in Form der Be-
schwerde an die Finanzbezirksdirektion in Eger
erhoben wurde, und das Oberste Verwaltungsge-
richt mit Erkenntnis vom 30. März 1935, Z.
13.975/36, den strittigen Fall klar entschieden
hat. ist trotz der Aufsichtsbeschwerde an das
Präsidium des Finanzministeriums der gesetz-
mäßige Zustand bisher nicht hergestellt worden.

Die Interpellanten richten daher an den Herrn
Minister die Anfragen:

1. Ist der Herr Minister bereit, den gerügten
Sachverhalt erheben zu lassen?

2. Ist der Herr Minister bereit zu veranlassen,
daß dem Steueramte in Asch aufgetragen werde,
den gesetzlichen Zustand gemäß dem Erkennt-
nisse des Obersten Verwaltungsgerichtes vom 30.
März 1935, Z. 13.975/35, herzustellen?

3. Was gedenkt der Herr Minister zu veran-
lassen, daß das Verfahren innerhalb der seinem
Wirkungskreis unterstehenden Ämter beschleu-
nigt wird?

Prag, 27. Jänner 1937.

Ing. Schreiber,

Illing, Jäkel, Dr. Jilly, Fischer, Knöchel. Hollube,
May, Ing. Richter, Knorre, Rösler, Klieber, Dr.
Eichholz. Birke. Nickerl, Dr. Zippelius, Ing. Kar-
masin, Dr. Köllner, E. Köhler, Hirte, Gruber,
Obrlik, Ing. Peschka. Dr. Peters, Sogl, Sandner,
Stangl, Dr. Hodina, Ing. Künzel.

Pùvodní znení ad 771/IX.

Interpellation

des Abgeordneten Georg Wollner
an den Gesundheitsminister

wegen ungebührlicher Behandlung der Pa-
tienten durch den Chefarzt der Bezirks-
krankenversicherungsanstalt in Eger
Dr. Ernst Neumann.

Am Montag, den 30. November 1936, erhielt
Herr Wenzel Weigl, Zimmermann in Uschau 57,
Post Alt- Zedlisch, von der Bezirkskrankenver-
sicherungsanstalt in Eger eine Zuschrift mit der
Aufforderung, sich im Ambulatorium der genann-
ten Anstalt in Eger einzufinden. Dieser Auffor-
derung kam er am 2. Dezember 1936 nach und
meldete sich beim Chefarzt Dr. Neumann.

Bevor Herr Dr. Ernst Neumann den Zimmer-
mann Wenzel Weigl untersuchte, beanständete er,
daß Weigl das Abzeichen der Sudetendeutschen
Partei trug. Unter anderem äußerte er sich: "Sie
dürfen nicht glauben, daß Sie im Dritten Reiche
sind, dort dürfen Sie sich so etwas erlauben." Auf
den Einwand des Wenzel Weigl, daß das Abzei-
chen der Sudetendeutschen Partei nicht verboten
wäre, entgegnete Dr. Neumann: "Nicht mehr
lange wird es dauern!"

Herr Weigl verwahrte sich gegen dieses Be-
nehmen des Herrn Dr. Neumann und brachte beim
Direktor der Bezirkskrankenversicherungsanstalt
mündlich Beschwerde ein. Dort wurde ihm ange-
raten, eine schriftliche Beschwerde an den Vor-
stand der Anstalt einzubringen. Diese schriftliche
Beschwerde wurde vom Herrn Weigl am 2. De-
zember 1936 bei der Bezirkskrankenversicherungs-
anstalt in Eger überreicht, ohne daß bis heute
eine Erledigung dieser Beschwerde erfolgt wäre.
Es ergibt sich daher die Vermutung, daß die Be-
schwerde allein nicht die geeignete Maßnahme ist,
das gerügte Verhalten des Chefartztes Dr. Neu-
mann wirksam abzustellen. Es besteht im Gegen-
teil die Vermutung, daß dieser in der Behandlung
der ihm zugewiesenen Patienten weiterhin Unter-
schiede nach der politischen Gesinnung der zu Be-
handelnden macht.

Die Interpellanten richten daher an den Herrn
Minister die Anfragen:

1. Ist der Herr Minister bereit, den gerügten
Sachverhalt erheben zu lassen?

2. Welche Maßnahmen gedenkt der Herr Mini-
ster zu ergreifen, damit eine weitere Politisierung
der Bezirkskrankenversicherungsanstalt in Eger
vermieden wird?

3. Ist der Herr Minister bereit, den Chefarzt
der Bezirkskrankenversicherungsanstalt in Eger,
Herrn Dr. Ernst Neumann, darüber aufzuklären,
daß er verpflichtet ist, alle seine Patienten ohne
Rücksicht auf ihre politische Gesinnung freund-
lich zu behandeln?

Prag 27. Jänner 1937.

Wollner,

Illing, Jäkel, Ing. Schreiber, Dr. Jilly, Fischer,
Nickerl, Knöchel, Dr. Köllner. Sogl. E. Köhler,
Sandner. Stangl, Obrlik, Rösler, Klieber, May,
Ing. Künzel, Gruber, Knorre, Hollube, Ing. Richter,
Dr. Eichholz, Birke, Ing. Karmasin, Dr. Peters,
Dr. Zippelius, Hirte, Dr. Hodina, Ing. Peschka.


25

Pùvodní znìní ad 771/X.

Interpellation

des Abgeordneten Franz Nitsch
an den Minister des Innern

wegen dienstlicher Verfehlungen des Gen-

darmeriewachtmeisters Hawranek des Gen-

darmeriepostena Barn in Mähren.

Am 25. September 1936 wurden vom Druckerei-
und Verlagsunternehmen Emil Hykel in Bärn,
Mähren, für die Ortsgruppe der Sudetendeutschen
Partei Brockersdorf Einladungsplakate zu einem
Kirchweihkränzchen in Brockersdorf gedruckt,
die auch in Bärn, als Nachbargemeinde, durch
die Plakatierungsansta.lt Schramm öffentlich aus-
gehängt wurden.

Diese Plakate wurden herabgerissen. Es wurde
erhoben, daß der Gendarmeriewachtmeister Ha-
wranek des Gendarmeriepostens in Bärn dem
Organ der Gemeinde Bärn, Engelbert Sponer, be-
fohlen hatte, die Plakate herunterzureißen. Es
wurde weiters erhoben, daß der genannte Gendar-
meriewachtmeister, ohne von seiner ihm vorge-
setzten Dienstbehörde (Bezirksbehörde in Bärn)
beauftragt zu sein, Engelbert Sponer zum Her-
unterreißen der Plakate veranlaßt hatte. Die Pla-
kate mußten neu gedruckt werden, wodurch der
Ortsgruppe Brockersdorf der Sudetendeutschen
Partei, bezw. dem Druckerei-u. Verlagsunter-
nehmen Emil Hykel in Bärn, beträchtlicher Scha-
den erwuchs. Das willkürliche Benehmen des Gen-
darmeriewachtmeisters Hawranek hat bei der Be-
völkerung des Gebietes Erbitterung hervorge-
rufen.

Die Gefertigten richten daher an den Herrn
Minister folgende Anfragen:

1. Ist der Herr Minister bereit, den gerügten
Sachverhalt erheben zu lassen?

2. Ist der Herr Minister bereit, gegen den Gen-
darmeriewachtmeister des Gendarmeriepostens in
Bärn, namens Hawranek, wegen des gerügten
Sachverhaltes das Disziplinarverfahren einleiten
zu lassen?

3. Was gedenkt der Herr Minister zu veran-
lassen, daß sich ähnliche Fälle nicht mehr
ereignen können?

Prag, 26. Jänner 1937.
F. Nitsch,

Klieber, Illing, Dr. Hodina, Jäkel, Dr. Jilly, Ing.
Schreiber, Rösler, Obrlik, Fischer, Ing. Karmasin,
Ing. Künzel, Knorre, Ing. Richter, Birke, Nickerl,
Dr. Köllner, Knöchel, Sandner, Hirte, May, Sogl,
E. Köhler, Ing. Peschka, Dr. Zippelius, Hollube,
Gruber.

Pùvodní znìní ad 771/XI.

Interpellation

des Abgeordneten Ing. Ernst Peschka

an den Minister des Innern und den
Minister für Industrie, Handel und Gewerbe

wegen unbegründeter Verweigerung der
Kanunerauszeichnung und Nichtbeachtung
der Bestimmungen des Sprachengesetzea
durch die Handels- und Gewerbekammer in
Pilsen.

Die Handwerksmäßige Genossenschaft in Berg-
reichenstein hat die beiden Herren Viktor Fux,
Sattlermeister in Bergreichenstein, und Kreuss,
Spenglermeister in Bergreichenstein, der Handels-
kammer in Pilsen zur Auszeichnung für die
50jährige, bezw. 45jährige Meisterschaft vorge-
schlagen. Dem Spenglermeister Kreuss wurde die
Auszeichnung zugestellt, jedoch nur in einspra-
chig èechischer Ausfertigung.

Da sich in diesem Falle der Wirkungsbereich
der Handels- und Gewerbekammer in Pilsen auf
einen Bezirk bezieht, in dem nach der letzten
Volkszählung mehr als 20 Prozent der deutschen
Minderheit wohnen, wäre die genannte Kammer ,
nach den Bestimmungen des Sprachengesetzes
vom 29. Feber 1920, Slg. 122,, verpflichtet, dem
Spenglermeister Kreuss in Bergreichenstein eine
Ausfertigung der zuerkannten Auszeichnung auch
in deutscher Sprache zu überreichen.

Dem Sattlermeister Fux wurde die Ehrung ver-
weigert. Die handwerksmäßige Genossenschaft in
Bergreichenstein hat daraufhin bei der Handels-
und Gewerbekammer in Pilsen nach den Gründen
nachgefragt. Als Antwort erhielt sie folgenden
Bescheid:

"Obchodní a živnostenská komora
v Plzni.

V Plzni. dne 30. 12. 1936.

Èíslo: 20.210 Bl/È.

Vec: Kammerauszeichnung.

Genossenschaft der handwerks-
mäßigen Gewerbe
Kašperské Hory.

Über Ihre Anfrage vom 21. d. M., Zahl 67/36,
teilen wir mit, daß Herrn Viktor Fux, Sattlermei-
ster in Bergreichenstein, die beantragte Kammer-
auszeivhnung nicht erteilt werdten konnte, weil
nach den gepflogenen Erhebungen derselbe nicht
staatlich loyal ist, indem er nicht nur selbst, son-
dern auch die übrigen Familienangehörigen als
Mitglieder der durch den Staat aufgelösten
DNSA-Partei, deren Programm offenbar gegen-
staatlich war, angehört haben.


26

Die Verwaltungskommission
der Handels- und Gewerbekammer in Pilsen:

Der Präsident:
Unterschrift unleserlich.

Der Sekretär:
Unterschrift unleserlich."

Diese in dem Bescheide enthaltene Begründung
entspricht nicht der Wahrheit und zeigt eine
äußerst mangelhafte Erhebungspraxis auf. We-
der Herr Viktor Fux noch seine Söhne haben je-
mals der aufgelösten Deutschen Nationalsoziali-
stischen Arbeiterpartei angehört, sondern sowohl
Viktor Fux als auch ein Sohn waren seit jeher
Mitglieder der Gewerbepartei, während seine
zwei anderen Söhne Mitglieder der 1933 einge-
stellten, aber 1935 über Regierungsbeschluß wie-
der zugelassenen Deutschen Nationalpartei gewe-
sen sind. Der angeführte Bescheid der Handels-
und Gewerbekammer in Pilsen entspricht außer-
dem nicht den Bestimmungen des § 2 des Spra-
chengesetzes. Er führt die Bezeichnung des
Amtes, die Geschäftszahl, die Sache, das Datum
und die Ortsbezeichnung ausschließlich einspra-
chig èechisch und nicht auch in deutscher Sprache
an, obwohl sich im gegebenen Falle der Wir-
kungsbereich der Handels- und Gewerbekammer
in Pilsen auf einen Bezirk bezieht, der nach der
letzten Volkszählung mehr als 20 Prozent der
deutschen Minderheit enthält. Durch diese Art
der Ausfertigung muß bei der deutschen Minder-
heit des betroffenen Gebietes die Meinung er-
weckt werden, daß die Handels- und Gewerbe-
kammer in Pilsen zur Einhaltung des Sprachen-
gesetzes nicht verpflichtet sei.

Die Interpellanten richten daher an die Herren
Minister die Anfragen:

1. Sind die Herren Minister bereit, den gerüg-
ten Sachverhalt erheben zu lassen?

2. Sind die Herren Minister bereit zu veran-
lassen, daß den Bestimmungen des Sprachenge-
setzes durch die Handels- und Gewerbekammer
in Pilsen entsprochen wird?

3. Was gedenkt der Herr Minister für Indu-
strie, Handel und Gewerbe zu veranlassen, daß
der Sattlermeister Viktor Fux aus Bergreichen-
stein in den Besitz seiner verdienten Auszeich-
nung gelangt?

Prag, 27. Jänner 1937.
Ing. Peschka,

Ing. Schreiber, Dr. Jilly, Dr. Peters, Jäkel,
Sandner, Illing, Rösler, Fischer, Ing. Richter,
Dr. Rösche, Knorre, Birke, Nickerl, Ing. Karmasin,
Dr. Köllner, Dr. Zippelius, Ing. Künzel, Franz
Nìmec, Hollube, Jobst.

Pùvodní znìní ad 771/XII.

Interpellation

der Abgeordneten Appelt, Beuer und
Schenk

an den Innenminister

wegen völlig unbegründeten Verbotes
öffentlicher Versammlungen der Kommuni-

stischen Partei durch die Bezirksbehörde
. Kaplitz.

Der Bezirkshauptmann von Kaplitz Dr. Mareš
hat wiederholt öffentliche Volksversammlungen
der Kommunistischen Partei in Deutsch-Beneschau
verboten. Bei den Verboten beruft er sich auf die
angeblich zu befürchtende Störung der öffentlichen
Ruhe und Ordnung. Am 21. Jänner wurde mit Z.
2007-4-2-3-B-6 neuerlich eine ordnungsgemäß an-
gemeldete Versammlung der KPè. unter Beru-
fung auf § 6 des Gesetzes vom 15. November 1867,
Z. 135 R. G. Bl. mit der Begründung verboten:

"Die Versammlung soll um ½ 10 Uhr vormittags,
d. h. zu einer Zeit, wo die Gottesdienste stattfin-
den, abgehalten werden und durch die gleichzeitige
Veranstaltung einer öffentlichen Versammlung der
kommunistischen Partei könnte es zur Erregung
öffentlichen Ärgernisses, gegebenenfalls zur Stö-
rung der öffentlichen Ruhe und Ordnung kommen."

Die Begründung, daß Versammlungen deshalb
nicht stattfinden dürfen, weil zu gleicher Zeit völlig
getrennt von ihnen und an einem ganz anderen
Ort ein Gottesdienst stattfindet, ist vollkommen
ungesetzlich. Dies umso mehr, als keinerlei Anlaß
zur Befürchtung vorliegt, daß eine öffentliche Ver-
sammlung die Ruhe und Ordnung in Deutsch-Be-
neschau stören könne. Durch Erhebungen im Orte
bei zahlreichen Ortsbewohnern ohne Unterschied
der politischen Zugehörigkeit wurde vielmehr das
gerade Gegenteil festgestellt. In Deutsch-Be-
neschau kam es in den letzten Jahren zu keinem
einzigen Zwischenfall in irgendeiner Versamm-
lung. Die Bevölkerung fühlt sich - auch nach
Aussage des Ortspolizisten von Deutsch-Beneschau
- durch Versammlungen in keiner Weise beunru-
higt und von ihrem Ärgernis kann keine Rede sein.
Dagegen erweckt es Beunruhigung und Empörung-,
daß in der letzten Zeit mehrere Versammlungen
ohne stichhältige Begründung verboten wurden,
und die Bevölkerung erblickt darin eine Gefähr-
dung ihrer politischen staatsbürgerlichen Grund-
rechte, besonders der Versammlungsfreiheit, die
ihr durch die Verfassung der Èechoslovakischen
Republik gewährleistet ist.

Wir fragen den Herrn Minister:

1. Ist er bereit zu veranlassen, daß im Kaplitzer
Bezirk die verfassungsmäßige Versammlungsfrei-
heit wieder hergestellt und öffentliche Versamm-
lungen der KPè. nicht unter völlig unstichhäl-
tigen und ungesetzlichen Begründungen verboten
werden ?

2. Ist er bereit, den Bezirkshauptmann Dr. Ma-
reš darüber zu belehren, daß Verbote mit derarti-
gen Begründungen ungesetzlich sind und der Ver-
fassung widersprechen?

P r a g, am 4. Feber 1937.

Appelt, Beuer, Schenk,

Nepomucký, Hodinová-Spurná, Kosik, Klima,

Kopøiva, Procházka, Dölling, Dr. Clementis, Vallo,

Machaèová, Vodièka, Zupka, Krosnáø, Slanský,

Šverma, Široký, Zápotocký, Kopecký.

Státní tiskárna v Praze - 824-37


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