20

somit nicht als staatliche Unternehmung, sondern
als staatliches Organ oder staatliche Behörde
handelt, ausser in der èechischen auch in der
deutschen Sprache, u. zw. in gleicher Grosse u.
gleicher Aufmachung angebracht werden?

Prag, 5. Jänner 1937.

Axmann,

Dr. Eichholz, Gruber, ing. Künzel, Dr. Zippelius, Dr.
Peters, Illing, May, Sandner, Hollube, Jobst,
ing. Karmasin, ing. Peschka, Obrlik, Birke, Stangl,
ing. Lischka, Dr. Rosche, Wollner, Fischer, Franz
Nìmec, Kundt.

Pùvodní znìní ad 766/XIII.

Interpellation

des Abgeordneten ing. Ernst Peschka
an den Finanzminister

wegen schikanöser Behinderung des

Fremdenverkehres durch

Finanzwachleute.

Die Schikanen der Finanzwachleute werden
von Woche zu Woche ärger; es besteht die be-
rechtigte Befürchtung, dass hiedurch in den
Grenzgebieten der ohnedies spärliche Fremden-
verkehr vollkommen lahmgelegt wird. Dabei
führen manche Finanzwachleute ihre Schikanen
in Zivil durch; es ist sogar vorgekommen, dass
ein Finanzwachmann seine Frau mitgenommen
hat, um Touristen bei Grenzüberschreitungen zu
betreten.

Im Nachfolgenden bringen die Interpellanten
einen Fall zur Kenntnis, der für die Methoden der
Finanzwachleute besonders typisch ist.

Am 15. September 1936 wollte der Tierarzt
Dr Franz Gabriel aus Mähr. Altstadt mit dem
Magister Rudolf Kristen einen Ausflug auf die
Sennhütten bei Stubenseifen unternehmen. Im
Orte Stubenseifen trafen die Ausflüger noch den
Besitzer der Sennhütten, Herrn Karl Jungmann,
und gingen mit diesem gemeinsam weiter. Beim
letzten Haus in Stubenseifen begegneten die Aus-
flügler um 3 Uhr nachmittags dem Finanzwach-
mann Weiss vom Zollamte in Spieglitz. Weiss
hielt die Ausflügler an und forderte den Magister
Kristen zur Legitimierung auf. Da Kristen zufällig
keinen Ausweis bei sich hatte, wollte er ihn zum
Zollamte nach Spieglitz mitnehmen. Hierauf frag-
te der Finanzwachmann Weiss Herrn Dr Gabriel
einige Male in èechischer Sprache; Dr Gabriel
verstand die Fragen nicht und verlangte, dass
der Finanzwachmann Weiss mit ihm deutsch
sprechen solle, weil dieser die deutsche Sprache

beherrscht. Weiss wandte sich jedoch hierauf
neuerdings in èechischer Sprache an Herrn
Jungmann mit der Aufforderung, er möge dem
Gabriel die Fragen übersetzen. Jungmann wei-
gerte sich natürlich mit Recht, dies zu tun. Erst
nach dieser Weigerung wandte sich der Finanz-
wachmann Weiss in deutscher Sprache an den
Tierarzt Dr Gabriel und fragte ihn, was er in
der umgehängten Ledertasche habe. Dr Gabriel
zeigte ihm sogleich den in der Ledertasche be-
findlichen Feldstecher und fragte, ob er einen
Photoapparat in der Tasche vermutet hätte. Hier-
auf antwortete der Finanzwachmann Weiss dem
Tierarzt Dr Gabriel, er solle ihn nicht für einen
dummen Jungen halten. Er bemerkte weiter zu
Dr Gabriel: »Sie müssen wissen, dass die Amts-
sprache bei uns Èechisch ist, folglich hätten
Sie auch wissen müssen, was ich mit den èe-
chischen Fragen von Ihnen wollte.«

Das Verhalten des Finanzwachmannes Weiss
ist wegen seines ganzen Auftretens bei der Amts-
handlung disziplinär. Es ist aber auch gesetz-
widrig und verfassungswidrig, weil Weiss das
Sprachengesetz, also ein Verfassungsgesetz, gröb-
lich verletzt hat; denn seine Amtshandlung bezog
sich zweifellos auf einen Gerichtsbezirk, in dem
nach der letzten Volkszählung mehr als 20% èe-
choslovakische Staatsbürger wohnen, die sich bei
der letzten Volkszählung zur deutschen Nationa-
lität (ethnischer und sprachlicher Zugehörigkeit
bekannt haben.

Der Finanzwachmann Weiss war daher ver-
pflichtet, mit den Èechoslovakischen Staatsbür-
gern deutscher Nationalität Dr Gabriel, Magister
Kristen und Jungmann in deutscher Sprache zu
sprechen. Er hat dies nicht getan und daher ver-
fassungswidrig und disziplinär gehandelt. Es
stand ihm auch nicht das Recht zu. dem Herrn
Jungmann zuzumuten, ihm Dolmetscherdienste in
seinem Verkehr mit Dr Gabriel zu besorgen.

Wir stellen an den Herrn Minister die Au-
fragen :

1. Ist der Herr Minister bereit, den gerügten
Sachverhalt erheben zu lassen?

2. Ist der Herr Minister bereit, gegen den Fi-
nanzwachmann Weiss das Disziplinarverfahren
einleiten zu lassen?

3. Ist der Herr Minister bereit zu veranlas-
sen, dass in Hinkunft alle Finanzwachleute im In-
teresse des Fremdenverkehres die Republik wür-
dig vertreten und in ihrem Verkehr mit Ausflüg-
lern die Verfassung, das Gesetz, die Disziplinar-
vorschriften und den guten Ton beachten?

Prag, am 31. Dezember 1936.

ing. Peschka,

Sandner, Birke, Franz Nìmec, Jobst. Obrlik,
Dr. Eichholz. Dr. Rösche. Dr. Zippelius, ing. Kar-
masin. Kundt, Dr. Peters, ing. Lischka. Axmann. ing.
Kanzel, Hollube, Wollner. May, Gruber, Stangl,
Illing, Fischer.


21

Pùvodní znìní ad 766/XIV.

Interpellation

des Abgeordneten ing. Franz Karmasin

an den Minister für Schulwesen
und Volkskultur

betreffend die schikanöse Bestrafung
Egerer Wandervögel durch die Schul-
behörden, insbesondere durch Be-
zirksschulinspektor Rohn.

Am 7. November 1935 wurde das Wander-
vogelheim in Eger von der geheimen Staatspoli-
zei umstellt. Eine Gruppe der Egerer Jungturner-
schaft hatte gerade Heimabend. Die geheimen
Agenten hatten ziemlich lange aussen zugehört,
was gesungen und vorgelesen wurde. Sie bega-
ben sich dann in das Innere des Heimes, nahmen
eine Hausdurchsuchung vor, beschlagnahmten das
vom Hordenführer vorgelesene Buch, betitelt
»Herrgottsbacher Schülermarsch«, das nicht ver-
boten ist, ferner ein Hordenanmerkheft und Lie-
deraufzeichnungen.

Am 8. November 1935 wurden drei Septimaner
des Egerer Gymnasiums auf dem Polizeikommis-
sariate in Eger einem stundenlangen Verhör un-
terzogen. Einer von ihnen wurde ungefähr zwei
Stunden lang festgehalten. Hausdurchsuchungen
fanden bei zwei von ihnen statt. Als Folge dieser
polizeilichen Untersuchung erhielt einer von die-
sen Septimanern einen 16stündigen Karzer mit
consilium abeundi und den beiden Uebrigen wur-
de jegliche Mitgliedschaft im örtlichen Turn-
vereine verboten. Allen übrigen Mittelschülern
des Gymnasiums wurde der Besuch von Heim-
abenden und Fahrten bis auf zwei Turnstunden
wöchentlich von der Direktion des Gymnasiums
eingestellt. Im weiteren Verlauf der polizeilichen
Untersuchungen wurden die übrigen 18 Jungen,
die damals den Heimabend im Egerer Wander-
vogelheim mitmachten, auf das Polizeikommissa-
riat vorgeladen und verhört. Einige von ihnen
unterschrieben in ihrer Angst sogar Èechische
Protokolle. Bei 14 von diesen Jungen fanden
auch Hausdurchsuchungen statt. Am 25. April 1936
wurde an allen Egerer Schulen das Turnen für
Schüler verboten.

Die Polizeidirektion hatte unterdessen von
dem besagten Heimabend der Jungturnerschaft
im Wandervogelheim Anzeige an die Staatsan-
waltschaft erstattet.

Der Bezirksschulinspektor Rohn, der sozial-
demokratischer Gesinnung ist und mit dem Ege-
rer Gymnasialdirektor Lizalek befreundet ist,

hält sich für verpflichtet, in den Bürgerschulen
und Volksschulen hochnotpeinliche Untersuchun-
gen durchzuführen, die alle Grenzen überschrei-
ten und mit Disziplinaruntersuchungen schon gar
nichts mehr zu tun haben. Ueber einen Teil die-
ser Untersuchungen steht den Interpellanten fol-
gendes Gedächtnisprotokoll zur Verfügung:

Vernommen wurden ca 20 Schüler der 3. u.
4. Klasse der Knabenvolksschule Oberthor. Bei
dieser Vernehmung waren Lehrpersonen anwe-
send: Ignatz Klier, Lehrer der 5.b Klasse, Emma
Widtmann, Lehrerin der 4. Klasse, Auguste Klatz,
Frl. Schöner, Lehrerin der 3. Klasse und vorüber-
gehend auch Oberlehrer Punzet.

Ein Teil der Verhörten namentlich: 5.b Klasse
Ernst Markl, Felix-Dahnstr. 20, Johann Schopper,
Gerhard Markl, Sonnenstrasse, Anton Maier,
Sensenschmidtstrasse; 5.a Klasse Franz Dietz,
Barbarossastrasse, Ottomar Brusch, Nürnberger-
strasse; 4. Klasse Heinrich Heini, Kohl, Schacht-
ner, Hans Stengl. Als Sprecher für alle wurde der
Schüler Heinrich Heini der 4. Klasse herausge-
nommen.

In Schlagworten einige der Fragen:

1. Warst Du nach dem Verbot wieder in dem
Heim (Hütte) gewesen? Ist sonst einer noch dort
gewesen? Nein!

2. Was habt Ihr für Lieder gesungen? Die
Schüler geben an: Kameraden, wir marschieren,
Blaue Dragoner, Samma Brüder Samma (Ver-
stümmelung).

3. Wer ist Euer Führer? Josef Meier, Beam-
ter der Cirine-Werke, Eger.

4. Was habt Ihr für Bücher aus der Nest-
bibliothek gelesen und nennt mir Bücher Eurer
Bücherei. Seeschlachten, Indianerkämpfe, Kriegs-
geschichten, SOS-Fliegeralarm.

5. Welche Bilder hängen in Eurem Heim und
im Wanderheim am Perlsberg? Sind Hakenkreuze
oder sonst verbotene Sachen dort zu sehen? Die
Schüler verneinen die letzte Frage und geben auf
die erste die Antwort durch Beschreibung ihres
Heimwandschmuckes. Bild von Erni Hatzak,
einige allgemein gehaltene Bilder.

6. Welche Spiele in- und ausserhalb des Ne-
stes?

7. Zu welchen Fähnlein gehörte jeder Ein-
zelne?

8. Wann waren Nestabende? Wurden diese
über 9 Uhr ausgedehnt?

9. Wer von Euch hat zuhause Hitlerbilder
oder Hakenkreuze?

10. Wessen Eltern haben zuhause das Buch
Volk und Welt? Es melden sich 3 Schüler: Ernst
Markl, Kohl und Bäuml.

11. Habt Ihr bei Euren Wanderungen im Wald
unter anderen Liedern auch das Horst-Wessellied
gesungen?


24

12. Wurde dieses. Lied eventaell im Hatzak-
Heim am: Perlsberg gesungen oder wurden dort
verbotene Sachen aufgeführt?

13. Habt Ihr im Nest oft über unseren Staat
oder über Deutschland: gesprochen?

Vor der Aussage ermähnte er die Schüler,
ihm die Wahrheit zu sagen,, denn er würde alles
aufschreiben und jeden, der lüge, ertappen. Nach
der. Aussage liess er sich vom Sprecher das
Ehrenwort, geben und; auch von einigen anderen
verlangte: er durch Handschlag das Ehrenwort
über die.- Wahrheit ihrer Aussagen Als letzte Er-
mahnung führte er ungefähr ans: »Das. sollt Ihr
nun wissen und unsere Aussprache soll ein, Ge-
heimnis, bleiben, selbst für Eure Eltern und Mit-
Wandervögel.«

Wir stellen an den Herrn Minister die An-
fragen:

1. Ist der Herr Minister, bereit, den gerügten
Sachverhalt erheben zu lassen?

2. Ist der Herr Minister bereit, zu veranlas-
sen,, dass mit diesen Inquisitionsprinzipien gegen-
über hilflosen Schülern Schluss gemacht wird?

3. Ist der Herr Minister bereit, zu veranlas-
sen, dass gegen alle Lehrpersonen, die bei diesen
Untersuchungen die. Schüler in einer, die staats-
politische Erziehung gefährdenden schikanösen
Art gequält haben, das Disziplinarverfahren ein-
geleitet wird?

Prag, am 31. Dezember 1936.

Ing. Karmasin,

Dr. Eichholz, ing. Künzel, ing. Peschka, Kundt,

Franz Nìmec, Axmann, Fischer,. Dr. Zippelius,

Obrlik, Dr. Rosche, May, Wellner, Illing, Gruber,

Birke, Jobst, Sandner, Stangl, Hollube,

ing,. Lischka, Dr Peters.

Pùvodní znìní ad 766/XV.

Interpellation

des Abgeordneten Franz Nitsch
an den Handetsmlntster

wegen Beteiligung des ehemaligen Mini-
sters Mlèoch an der jüdischen Boykott-

hetze gegen deutsche- Waren in seiner
offiziellen Funktion als Präsident der
Handels- und Gewerbekammer in Olmütz.

Der ehemalige èechoslovakische Minister Ru-
dolf Mlèoch, der heute Präsident der Handels-
und Gewerbekammer in Olmütz ist, findet es
nicht unter seiner Würde, gemeinsam mit jüdi-
schen Kreisen gegen deutsche Waren zum Boy-
kott zu hetzen. Der Herr Exminister Mlèoch scheut
sich nicht, in einem Rundschreiben an die In-
teressentenverbände, sogar das. Wort »Boykott«
zu verwenden. Der Herr Exminister sollte sich
jedenfalls bewusst sein, dass er als Präsident der
Handelskammer auch die Intentionen des Aussen-
ministers unseres Kabinetts, Herrn Dr Krofta zu
beachten hat; der wiederholt hervorgehoben hat,
dass er zu Deutschland freundnachbarliche Be-
ziehungen anstrebt. Die Propagierung der jüdi-
schen Boykotthetze gegen deutsche Waren steht
mit diesen Intentionen in gröblichem Wider-
spruch. Eine derartiger Handlungsweise eines Ex-
ministers in seiner offiziellen Eigenschaft als
Handelskammerpräsidsat muss vom Deutschen
Reiche zumindest als unfreundlicher Akt aufge-
fasst werden und gefährdet die redlichen Bemü-
hungen unseres Herrn Aussenministers Dr Krofta
um eine Verbesserung der Beziehungen zum
Deutschen Reiche.

Der Brief des Exministers Mlèoch und seines
Sekretärs Dr Svìrák, in dem sich diese öffentli-
chen Funktionäre offenbar mit der jüdischen
Boykottpropaganda gegen deutsche Waren iden-
tifizieren; läutet wie folgt:

»Obchodní a živnostenská komora v Olomouci.
Handels- und Gewerbekammer in Olmütz.

Èís. 15.934 EA.

Zl. Olmütz, am 19. IX. 1933.

An die Interessenverbände!

Nach einer Mitteilung des èsl. Generalkonsu-
lates in New York ist H. Jerome Elexander, M.
Sc. Consulting Chemist, nach Europa abgereist
und wird auch die È. S. R. zur Propagierung des
Boykotts deutscher Waren besuchen.

Genannter ist Sekretär d. Société de Chemie
Industrielle 50 East 41 st St., New York City und
wird mit den jüdischen Organisationen in Prag
in Verbindung, treten.

Wir ersuchen dortige Interessenten in ge-
eigneter Form gefl. hievon verständigen zu
wollen.

Handels und Gewerbekammer

Der Präsident der Verwaltungskontmission:
Rudolf Mlèoch m. p.

Der Sekretär:
Dr. Svìrák m. p.


25

Wir stellen an den Herrn Handelsminister
die Anfrage:

1. Ist der Herr Minister bereit, den gerügten
Sachverhalt erheben zu lassen?

2. Ist der Herr Minister bereit, gegen den
Exminister Rudolf Mlèoch und dessen Sekretär
Dr Svìrák das Disziplinarverfahren einleiten zu
lassen, weil sie in ihrer Funktion als Proponen-
ten der Handelskammer durch die Forderung der
jüdischen Boykotthetze gegen deutsche Waren

die Intentionen unserer Aussenpolitik schwer ge-
fährdet und sich daher auch disziplinär vergan-
gen haben?

Prag, am 7. Jänner 1937.

Franz Nitsch,

May, ing. Künzel, Dr. Hodina, Stangl, Jobst, Illing,
Wollner, Klieber, Dr. Eichholz, E. Köhler, ing. Kar-
masin, Obrlik, G. Böhm, Jäkel, Axmann, Fischer,
Dr. Peters, Dr. Rosche, Dr. Jilly, Sandner, Kundt,
Dr. Zippelius, Gruber.


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