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dig gemacht, welche ihm die Parteien bei seinem
Dienstgange anvertraut haben. Er wurde deshalb
aus den Diensten der Postverwaltung mit dem
31. Dezember 1935 entlassen und ausserdem mit
dem Urteile des Kreisgerichtes in Neutitschein
vom 23. März 1936 für diese strafbare Handlung
zu einer Strafe von 6 Monaten schweren Kerkers
unbedingt verurteilt.

Der Vorstand des Postamtes in Pohl, wel-
cher infolge ungenügender Aufsicht verschuldete,
dass die Veruntreuungen Prochaskas verhältnis-
mässig spät aufgedeckt wurden, ist zu einem an-
deren Postamte versetzt worden.

Dem Ansuchen der geschädigten Parteien um
Schadenersatz konnte nicht entsprochen werden,
da sie von dem Postboten Prochaska keine In-
terimsaufgabescheine verlangt hatten, was gemäss
den Bestimmungen der Postordnung ihre Pflicht
gewesen wäre; wenn sie dies getan hätten, so
hätte Prochaska seine Veruntreuungen nicht vor-
nehmen können.

Da es sich jedoch durchwegs um sozial
schwache Parteien handelt, hat die Postverwal-
tung jene von ihnen, welche gegen die abweis-
liche Entscheidung über den Ersatz des Schadens
Berufung eingelegt und nachgewiesen hatte, dass
sie dem Prochaska tatsächlich Geld übergeben
haben, ganz ausnahmsweise aus Billigkeitsgrün-
den mit der Hälfte des Betrages der veruntreuten
Einlagen entschädigt.

Die Postverwaltung ist ständig und allseitig
dahin bemüht, dass die Sicherheit der Postbeför-
derung auch vor Unehrlichkeit geschützt werde.
Die Statistik zeigt, dass dieses Streben vom Er-
folg begleitet ist, da die Zahl der Verluste dauernd
sinkt.

Prag, am 17. Oktober 1936.

Der Minister für Post- und Telegraphenwesen:
Tuèný, m. p.

Pøeklad ad 663/VI.

Antwort

des Justizministers

auf die Interpellation des Abgeordneten
G. Stangl

wegen Einholung eines Gutachtens des

Obersten Gerichtes über unbestellte

Druckschriften (Druck 577/IX).

Durch die bei allen Bezirksgerichten gepflo-
gene Erhebung wurde festgestellt, dass die Zahl

der in der Interpellation erwähnten Prozesse ver-
hältnismässig sehr gering ist und dass die Mehr-
zahl dieser Stritte durch Zurückziehung der Kla-
ge, durch Vergleich oder durch, das Ruhen des
Verfahrens abgeschlossen wurde. Soweit merito-
risch entschieden wurde, geschah dies stets auf
Grund der Bestimmungen der §§ 861 ff. des abGF
oder der Art. 319 ff. und Art. 279 HBG., was s
wohl der Ansicht der Literatur, die sich -
ähnlichen Prägen ziemlich häufig beschäftigt
als auch der Literatur des Obersten Gerichtes
entspricht. Von sich gegenseitig widersprechenden
Entscheidungen kann nicht gut gesprochen wer-
den, da die Divergenz der Schlüsse mancher Ur-
teile in der Mehrzahl eine mehr scheinbare, häu-
fig durch die Besonderheiten der Tatgrundlage
der einzelnen Fälle erklärbare ist. Man muss sich
vor Augen halten, dass gerade in den Fragen, für
die sich die Interpellation interessiert, die ent-
scheidenden Umstände des konkreten Falles sehr
verschiedenartig sein können und dass alle diese
Umstände namentlich vom Standpunkte des § 863
abGB. (Art. 279 HBG. ) sorgfältig bewertet wer-
den müssen.

Eine Stellungnahme des Obersten Gerichtes
könnte sich nur mit allgemein formulierten Fra-
gen beschäftigen, also mit Fragen, deren Lösung,
wie die gepflogenen Erhebungen zeigen, den Ge-
richten eigentlich keine Schwierigkeiten bereitet.
Eine solche Stellungnähme könnte jedoch niemals
auf alle jene vielgestaltigen Umstände Bedacht
nehmen, welche in konkreten Fällen auftauchen
und für deren Entscheidung sie gerade von Be-
deutung sind. Man darf auch die Gefahr nicht
übersehen, dass manche Gerichte, wenn sie sich
nur an die allgemeinen Schlüsse des Gutachtens
des Obersten Gerichtes halten würden, gerade den
Besonderheiten des zu beurteilenden Falles nicht
die gehörige Aufmerksamkeit zuwenden würden.

Dementsprechend erachte ich es nicht für
notwendig, sich mit den in der Interpellation er-
wähnten Fragen an das Oberste Gericht zu wen-
den.

Prag, am 20. Oktober 1936.

Der Justizminister:
Dr Dérer, m. p.


9

Pøeklad ad 663|VII.

Antwort

1

4. des Ministers des Innern

auf die Interpellation des Abgeordneten
Ing. Wolfgang Richter

wegen Vornahme von Schein-Amtshand-
lungen aus nationalchauvinistischen Mo-
tiven durch den Gendarmerie-Oberwacht-
meister in Salesel (Druck 603/XXIX).

Der Turnverein in Salesel hat am 19. Juli
1936 Wettschwimmen und abends eine Tanz-
unterhaltung im Gasthause des Wenzel Reinl ver-
anstaltet. Bereits bei den Wettbewerben hat der
Kommandant des dortigen Gendarmeriepostens
den Turnerobmann auf das Verbot der Beteiligung
von Jugendlichen unter 16 Jahren an abendlichen
Tanzunterhaltungen aufmerksam gemacht.

Auf dem Dienstgange hat er nach 21 Uhr im
Schankraum (nicht im Tanzsaale) neuerlich den
erwähnten Obmann auf diesen Umstand aufmerk-
sam gemacht, liess sich aus dem Tanzsaale die
Leoppldine Anders herausrufen und forderte sie
auf, ihre Tochter Marie möge, wenn sie noch
nicht 16 Jahre alt sei, die Tanzunterhaltung ver-
lassen. In der gleichen Weise hat er die Ilse
Meissner aufmerksam gemacht, worauf er den
Schankraum mit dem ihm zugeteilten Gendarmen
verliess.

In Gesellschaft der Anders befanden sich auch
die Adolfine Cerny und die Blažena Jarý.

Nach 22 Uhr hat auf Betreiben des genannten
Turnerobmanns der zugeteilte Wachtmeister auch
die Cerny und Jary auf das geltende Verbot auf-
merksam gemacht und sie zum Verlassen der Un-
terhaltung aufgefordert, wenn sie noch nicht 16
Jahrs sind.

Am 20. Juli 1936 hat die Gendarmerie die
Anders, Èerny und Jary auf das Gemeindeamt
zur Sicherstellung der Personaldaten vorgeladen.
Mit ihnen war auch die Mutter der Anders er-
schienen. Auf die Bemerkung der Jary, sie seien
wohl aus dem Grunde vorgeladen worden, weil
sie sich als Èechinnen an einer von Deutschen
veranstalteten Unterhaltung beteiligt hatten, hat
der Postenkommandant den wahren Grund der
Vorladung mitgeteilt; hiebei wurde festgestellt,
dass die Marie Anders im März 1921, die Adol-
fine Èerný am 11. November 1920, die Blažena
Jary am 2. Juli 1920 und die Ilse Meissner am
24. April 1921 geboren ist.

Die Anders, Èerný und Meissner wurden der
Bezirksbehörde in Aussig a. E. wegen Uebertre-
tung nach § 6 der Verordnung des vormaligen
Statthalters für Böhmen vom 4. April 1917, Nr.
19-853/54, LGBI. Nr. 31. angezeigt.

Die Anders und Meissner sind deutscher, die
Èerny und Jary Cechischer Nationalität.

Die Interpellationsbehauptung über das Vor-
gehen und die Aeusserungen der Gendarmen ent-
sprechen auf Grund der Untersuchung nicht den
Tatsachen; die Gendarmerie hat ihre Pflicht er-
füllt und ist nach den geltenden Vorschriften vor-
gegangen; ein nationales Moment ist hiebei über-
haupt nicht in Erwägung gekommen.

Demgemäss habe ich aus Anlass der Inter-
pellation keinen Grund zu irgendeiner Verfügung.

Prag, am 22. Oktober 1936.

Der Minister des Innern:
Dr Èerný, m. p.

Pøeklad ad 663/VIII.

Antwort

des Justizmlnisters

auf die Interpellation des Abgeordneten
Dr A. Kellner

betreffend den Begriff »Minoritäten-
gerichte« (Druck 603/XXIII).

Der in der Interpellation verlangte Hinweis,
betreffend die Anschaffung neuer Werke auf dem
Gebiete der juridische Literatur, ist nicht not-
wendig, weil in dieser Richtung keine Beschrän-
kung besteht. Nicht nur jene Gerichte, deren
Kompetenz sich auf Bezirksgerichte mit einer
sprachlichen Minderheit bezieht, sondern auch die
anderen Gerichte können innerhalb der Grenzen
der vorhandenen Mittel für die Amtsbüchereien
alle notwendigen zweckentsprechenden Werke
der juridischen Literatur, also auch in deutscher
Sprache herausgegebene Werke anschaffen.

Im konkreten Falle hat es sich jedoch um ein
Uebersetzungswerk gehandelt, dessen früher er-
schienene Èechische Ausgabe die Gerichte bereits
besassen, und nur aus diesem Grunde erschien es
zweckmässig, bei dem Mangel an den für den


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Ankauf aller Werke erforderlichen finanziellen
Mittel die übliche Empfehlung im Amtsblatte we-
nigstens auf einige Gerichte einzuschränken. Die
heutige Zeit erfordert für neue juridische Werke
verhältnismässig hohe Aufwendungen und schon
deshalb kann man sich beim Ankaufe derselben
für die Amtsbüchereien nur nach dem sachlichen
Bedarfe richten. Diese Erklärung macht es über-
flüssig, sich in eine Analyse des angewendeten
Ausdruckes »Minoritätengericht« einzulassen. Die
Gerichte haben niemals daran gezweifelt, dass
dies jene abgekürzt bezeichenten Gerichtsbezirke
sind, in deren Sprengel sich eine sprachliche Min-
derheit im Sinne der Sprachenvorschriften be-
findet.

Prag, am 22. Oktober 1936.

Der Justizminister:
Dr Derer, m. p.

Pøeklad ad 663/IX.

Antwort

des Justizministers

auf die Interpellation der Abgeordneten
F. Nitsch und Dr Hodina

betreffend die deutschfeindliche, gesetz-
widrige Boykottparole »Svùj k svému«
(Druck 607/IV).

Die Stelle aus dem »Zábøeh døíve a nyní« be-
titelten und in der Nr. 4 der Zeitschrift »Stráž
Moravy« vom 24. Dezember 1935 veröffentlichten
Artikel des Dr Jaroslav Koutecký, den die Inter-
pellation betrifft, wurde deshalb nicht beschlag-
nahmt, weil sie eine Schilderung der Verhältnisse
darstellt und in ihr nicht der Tatbestand irgend-
einer strafbaren Handlung erblickt werden kann.

Prag, am 29. Oktober 1936.

Der Justizminister:
Dr Dérer, m. p.

Pøeklad ad 663/X.

Antwort

des Ministers für Handel, Industrie und
Gewerbe

auf die Interpellation des Abgeordneten
Frank

betreffend gesetzwidrige Anordnungen
über den Sprachengebrauch im Gastge-
werbe (Druck 523/ VIII).

Der Standpunkt des Obersten Verwaltungs-
gerichtes über die seinerzeit seitens der Gewer-
bebehörden auf Grund des § 54 der Gewerbeord-
nung im Gast- und Schankgewerbe erfolgte ge-
werbe-polizeiliche Regelung hat damals die Be-
achtung aller Gewerbebehörden gefunden und ist,
wie das Handelsministerium mehrere Male sich
zu Überzeugen Gelegenheit hatte, bei diesen Be-
hörden immer noch in guter Erinnerung.

Dem Handelsministerium ist nicht bekannt,
dass die Unterinstanzen nach Herausgabe des Ju-
dikates Nr. 673/1926 in konkreten Fällen in der
Frage der sprachlichen Ausstattung des Gast- und
Schankgewerbes ungesetzlich vorgegangen wä-
ren. Es wird allerdings darauf aufmerksam ge-
macht, dass dort, wo die für das betreffende Ge-
werbe normierte gewerbepolizeiliche Regelung in
Rechtskraft erwachsen ist, deren Bestimmungen
zu beachten sind, trotzdem das Oberste Verwal-
tungsgericht in anderen Fällen ihre Rechtsgrund-
lage als unzureichend erklärt hat. Wo diese Rege-
lung also rechtskräftig ist, ist es ganz einleuch-
tend und gesetzmässig, wenn mit einem Konzes-
sionsinhaber, der seinen aus der polizeilichen Re-
gelung erwachsenden Verpflichtungen nicht Genü-
ge leistet, das Strafverfahren eingeleitet wird.

Die Anschauung der Interpellation, dass seit
der Zeit der Judikate des Obersten Verwaltungs-
gerichtes, welche den Mangel einer Rechtsgrund-
lage der gewerbepolizeilichen Regelung bei den
Gast- und Schankgewerben ausprechen, sich die
Rechtsgrundlage für die Beurteilung der Angele-
genheit nicht geändert habe, ist ganz irrig, wovon
man sich im übrigen aus der nach dieser Zeit
erflossenen Gesetzgebung überzeugen kann.

Seit dem Zeitpunkte, wo durch das Oberste
Verwaltungsgericht über die gewerbepolizeiliche
Regelung judiziert worden ist, hat das Handels-
ministerium den Unterbehörden nicht aufgetragen,
auf ihrer bisherigen Praxis trotz der Anschauung
des Obersten Verwaltungsgerichtes zu beharren.

Unter diesen Umständen erachtet es das Han-
delsministerium auch nicht für notwendig, die UM-


11

terstellten Behörden auf die Judikatur des Ober-
sten Verwaltungsgerichtes hinsichtlich der gewer-
bepolizeilichen Regelung des Gast- und Schank-
gewerbes aufmerksam zu machen.

Ohne Rücksicht auf die rechtliche Seite der
Angelegenheit bemerkt das Handelsministerium
des weiteren noch, dass es aus der eigenen Amts-
tätigkeit den wirtschaftlichen Stand der Gast- und
Schankgewerbe in den national gemischten Gebie-
ten kennt, welcher Stand jedmögliche Unterstüt-
zung des Touristen- und Badeverkehrs in diesen
Gebieten verlangt. Dass die sub. 2. ) der einge-
brach t en Interpellation erwähnten Handlungen die-
sen Zwecken dienlich sein würden, kann entschie-
den nicht vorausgesetzt werden, ja man kann ge-
rade im Gegenteile behaupten, dass eine blosse
Erwähnung in der Oeffentlichkeit darüber, die

Sprachenfrage werde an manchen Orten im Gast-
und Schankgewerbe durch Beseitigung der Auf-
schriften in der Staatssprache zu lösen versucht,
den sich vielversprechend entwickelnden Touris-
ten- und Badeverkehr ernstlich gefährden könnte.

Aus Gründen der ressortmässigen Zuständig-
keit habe ich an Stelle des Herrn Ministers des
Innern die Beantwortung der Interpellation über-
nommen.

Prag, am 16. Oktober 1936.

Der Minister für Industrie, Handel und Gewerbe:
Najmau, m. p.


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