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vání a zatýkání. Ujmou-li se tyto zpùsoby, bude
každému hroziti nebezpeèí, že bude zatèen, koho
obviní neznámí pisálkové v nìkterém politickém
bojovném èasopise, chránìni anonymitou.

Tážeme se pana ministra spravedlnosti a pa-
na ministra vnitra:

1. Jsou páni ministøi ochotni dáti vyšetøiti
vytýkaný stav vìci?

2. Jest pan ministr spravedlnosti ochoten -
vykonávaje svou dohlédací povinnost - dáti
zjistiti, zdali si neznámí pachatelé nezákonitì opa-
tøili nahlédnutí do trestních spisù, aby informo-
vali 'Severoèeské slovo* o vìci, kterou ani soud-
ce nevzal za podnìt k nìjakým opatøením?

3. Jest pan ministr spravedlnosti ochoten dáti
zjistiti, zdali mostecká státní policie svoje opa-
tøení uèinila na uvedený anonymní èlánek v »Se-
veroèeském slovì«, kterážto opatøení hluboce za-
sáhla do práva na svobodu èeskoslovenských
státních obèanù nìmecké národnosti (ethnické a
jazykové pøíslušnosti)?

4. Jest pan ministr vnitra ochoten postarati
se, aby demagogické èlánky politických èasopisù
nebyly dùvodem trestního vyšetøováni a zatýká-
ní, než se vìc jinak vysvìtlí nenápadnì a bez
zasahováni do práv èeskoslovenských státních
obèanù na svobodu?

V Praze dne 9. øíjna 1936.

Franz Nìmec,

Fischer, Budig, May, G. Böhm, Knorre, E. Köhler,

dr Kellner, inž. Kiinzel, Wagner, Inž. Karmasin,

Axmann, Nickerl, Jäkel, dr Eichholz, Illing, dr

Zippelius, Rösler, Birke, Inž. Lischka, Hirte,

Stangl, dr Hodina.

Pùvodní znìní ad 655/1.

Interpellation

des Abg. Georg Stangl

an den Finanzminister
und den Minister des Innern

wegen schikanösen Einschreitens der Un-
terbehörden anlässlich von Währungsbe-
zeichnungen in deutscher Sprache anders
als mit »Kè«.

Ein Kaufmann in Mies wurde bestraft, weil
einer seiner Angestellten Preiszettel mit der Be-
zeichnung »Kr« statt »Kè« angebracht hatte. Die
Landesbehörde hob das Straferkenntnis als ge-
setzwidrig auf.

Eines unserer Parteimitglieder wurde mit
Gendarmerieerhebungen in den Geschäftsräumen
und sogar durch Einvernahme als Beschuldigter
im Verwaltungsverfahren beschert, weil in einem
Aushängekasten der Sudetendeutschen Partei der
Bezugspreis des Tagblattes »Die Zeit« hand-
schriftlich in »Ktsch« statt mit »Kè« abgegeben
war. Auch dieses Verfahren musste natürlich von
der Bezirksbehörde eingestellt werden, weil kein
strafbarer Tatbestand vorlag.

Aber nicht nur Privatpersonen werden offen-
bar, ohne dass der Herr Finanzminister und der
Herr Innenminister etwas davon erfährt, mit
schikanösen Erhebungen, Beschuldigteneinvernah-
men und gesetzwidrigen Bescheiden belästigt und
verfolgt, die Bezirksbehörden versuchen sogar
ganzen Verbänden gegenüber den Gebrauch der
deutschen Sprache bei der Bezeichnung unserer
Währung verbieten zu wollen: So wurde zum
Beispiel der Verband der deutschen Selbstver-
waltungskörper von der Bezirksbehörde aufge-
fordert, im öffentlichen Drucke, für die Bezeich-
nung der tschechoslowakischen Währungseinheit
»Kè« zu gebrauchen, widrigenfalls nach den Be-
stimmungen der Ministerlalverordnung vom 30.
September 1857 RGB1. Nr. 198 eingeschritten wer-
den müsste.

Gegen diese Verfügung wurde vom Verband
der deutschen Selbstverwaltungskörper eine Be-
schwerde überreicht, dessen Inhalt von zwin-
gender Logik und geradezu klassisch ist.

Die Interpellanten empfehlen den beiden in-
terpellierten Herren Ministern, den genauen um-
fangreichen Inhalt der Beschwerde im ZKV. Nach-
richten des Verbandes der deutschen Selbstver-
waltungskörper in der Tschechoslowakischen Re-
publik. 15. Jahrgang, Teplitz-Schönau, 20. April
1935, Folge 8, Spalte 187, Z. 119/1 nachzulesen
und sind auch in der Lage dieses Blatt im kur-
zen Wege sogleich zur Einsicht vorzulegen.

Schon der Absatz 1 der Beschwerde kenn-
zeichnet treffend die Rechtlage. Er lautet:

»Das Gesetz Nr. 187/1919 hat zum Gegenstan-
de die Regelung der Währung für das Gebiet des
tschechoslowakischen Staates. Es enthält keine
Polizeivorschrift, was schon daraus hervorgeht,
dass mit der Durchführung ausschliesslich der Fi-
nanzminister beauftragt wird (§ 12). Insbesonde-
re enthält auch § 5 dieses Gesetzes kein poli-
zeiliches Gebot, sondern setzt lediglich fest, wie
die tschechoslowakische Währungseinheit heissen
soll. Daher kann er keine Grundlage für eine
Strafamtshandlung nach der Ministerialverord-
nung 198/1857 sein, wenn diese bestimmt:

»Alle Handlungen und Unterlassungen, die
durch die bestehenden Gesetze oder von den Be-
hörden innerhalb ihres Wirkungskreises erlasse-
nen Verordnungen zwar im allgemeinen als straf-
bar oder doch auch polizeilichen oder anderen
öffentlichen Rücksichten als gesetzwidrig erklärt
sind, ohne dass in den darüber erlassenen Vor-
schriften eine bestimmte Strafe dagegen ver-
hängt erscheint, sind, insofern das allgemeine
Strafgesetzbuch auf dieselben keine Anwendung


14

leidet, mit Geldstrafen von 1 bis 100 Gulden oder
mit Arrest von 6 Stunden bis zu 14 Tagen zu
ahnden«.

Die Voraussetzungen dieser Ministerialver-
ordnung sind also für den § 5 des Währungsge-
setzes nicht gegeben, da letzterer weder eine
Handlung oder Unterlassung im allgemeinen als
strafbar noch aus polizeilichen oder anderen
öffentlichen Rücksichten als gesetzwidrig erklärt.

Damit ist also bereits die Gesetzwidrigkeit
der Verfügungen dargetan, da die Behörde eine
Bestrafung für ein Verhalten androht, das durch
keine gesetzliche oder durch Gesetz gedeckte be-
hördliche Vorschrift verboten wurde.

Diese Beschwerde brachte die tschechische
Presse aus den Häuschen; es ging durch die
Blätter folgende Meldung:

»Kè« wird durch Regierungsverordnung ge-
schützt. Mit Rücksicht darauf, dass im deutsch-
sprachigen Gebiet vielfach noch die Bezeichnung
»K« oder »Tschechokrone« oder »Ktsch« anstatt
»Kè«, und zwar in Geschäften u. s. w. verwendet
wird, wird wie die »Lid. listy« ankündigen, dem-
nächst eine Regierungsverordnung erscheinen,
wonach ausschliesslich die Bezeichnung »Kè«
verwendet werden dürfe und zwar auch bei der
Auspreisung von Waren in Geschäften sowie
überhaupt im öffentlichen Leben. Uebertretungen
dieser Verordnung werden von den Bezirksge-
richten bestraft werden. «

Die Interpellanten erheben diese Interpella-
tion an die befragten Minister nicht nur wegen
der gerügten Schikanen, Beschuldigteneinvernah-
men und gesetzwidrigen Bescheide, die gegen
alle jene gerichtet werden, welche im verfas-
sungsmässig gewährleisteten freien Sprachge-
brauch, sich das tschechische Lautzeichen »è«
nicht aufzwingen lassen, sondern die Interpellan-
ten warnen auch die befragten Ressortminister
davor, im interministeriellen Verfahren Eingriffe
in den freien Sprachgebrauch überhaupt zu er-
örtern.

Die Bürokratie scheint keine Lust zu haben,
mit der ganzen Frage vor die Schranken des
Obersten Verwaltungsgerichtes treten zu wollen.
Deshalb scheint sie eine verfassungswidrige Re-
gierungsverordnung vorzubereiten, um auf diese
Weise der deutschen Sprachgemeinschaft ein
lautwidriges Sprachzeichen, das der deutschen
Sprachgemeinschaft fremd ist, in verfassungs-
widriger Weise aufzwingen zu können.

Wir kündigen gegen solche Absichten schärf-
sten Widerstand an! Wir lassen unserer deut-
schen Sprachgemeinschaft keine Lautzeichen auf-
zwingen, die mit der deutschen Sprache nichts
zu tun haben und ihr fremd sind. Sollte ein
derartiger Versuch gemacht werden, erblicken
wir darin keinen anderen Zweck, als den einer
Demütigung der deutschen Sprachgemeinschaft!

Der freie Sprachgebrauch und der Schutz
der deutschen Kultur ist uns im Minderheiten-
schutzvertrag. in der Verfassung und in den
schönen Sotintagsreden von der Gleichberechti-
gung gewährleistet. -----------

Wir behalten uns in dieser Angelegenheit die
Völkerbundsbeschwerde vor und stellen an die
Herren Minister die Anfrage:

1. Ist der Herr Finanzminister und der Herr
Innenminister bereit, den gerügten Sachverhalt
erheben zu lassen und gegen die gerügte Praxis
einiger Bezirksbehörden einzuschreiten?

2. Befindet sich tatsächlich eine Regierungs-
verordnung im interministeriellen Verfahren, die
darauf ausgeht, den der deutschen Sprachgemein-
schaft fremden Laut »è« der deutschen Sprach-
gemeinschaft im Privat- und Geschäftsverkehr
aufzuzwingen?

Prag, am 5. August 1936.

Stangl,

Ing. Karmesin, Gruber, Dr Zippelius, Ing. Lischka,
May, Dr Kellner, Ing. Peschka, Dr Rösche, Hirte,
Knorre, Kundt, Nickel, E. Köhler, Obrllk, Ins.
Künzel, Sandner, Wollner, Dr Peters, Franz Ne-
mec, Knöchel

Pùvodní znení ad 655/XII.

Interpellation

des Abg. Richard Knorre
an den Minister des Innern

wegen Missachtung des Sprachengeset-
zes durch die Landesbehörde in Brunn im
Falle des Josef Klement.

Trotz wiederholter Interpellationen beachtet
die Landesbehörde in Brunn noch immer nicht
das Sprachengesetz. Ein Bescheid vom 27. Juni
1936, ZI. 5649/1/1, der Landesbehörde in Brunn,
der Herrn Josef Klement in Mähr. Altstadt Nr.
325 zugestellt wurde, enthält folgende Verstösse
gegen das Sprachengesetz:

1. Die Bezeichnung der Behörde »Zemsky
üfad v BrnS« ist ausschliesslich in tschechischer
Sprache angeführt; diese Bezeichnung genügt
nicht. Die Ausfertigung dieser Anführung hätte
auch in deutscher Sprache erfolgen müssen.

2. Die Anführung der Geschäftszahl: »Jedna-
cí èíslo« ist ausschliesslich in tschechischer Spra-
che angeführt; diese Bezeichnung genfigt nicht,
denn diese Anführung hätte auch in deutscher
Sprache erfolgen müssen.

3. Die Bezeichnung des Datums: dne... «
ist ausschliesslich in tschechischer Sprache an-
geführt; die Bezeichnung genügt nicht. Sie hätte
auch in deutscher Sprache angeführt werden
müssen.


15

Wir richten an den Herrn Minister des
Innern die Anfrage:

1. Ist der Herr Minister bereit, den gerügten
Sachverhalt erheben zu lassen?

2. Ist der Herr Minister bereit, gegen die
Beamten und Bediensteten, welche im konkreten
Falle das Sprachengesetz verletzt haben, das
Disziplinarverfahren einleiten zu lassen?

3. Ist der Herr Minister bereit, zu veranlas-
sen, dass die Landesbehörde in Brunn in künfti-
gen Fällen das Sprachengesetz beachtet?

Prag, am 8. Oktober 1936.

Knorre,

Rösler, Fischer, Hirte, Dr Jilly, Illing, Ing. Lischka,

Ing. Richter, Jäkel, Obrlik, Wollner, Gruber,

Kundt, Dr Hodina, Ing. Künzel, E. Köhler, Hollube,

Franz Nìmec, Dr Zippelius, dr Eichholz,

Dr Kellner.

Pùvodní znìní ad 655 XIII.

Interpellation

des Abg. Richard Knorre
an den Minister des Innern

wegen fortgesetzter Missachtung des
Sprachengesetzes durch die Landesbe-
hörde in Brünn.

Die Landesbehörde in Brünn missachtet fort-
gesetzt das Sprachengesetz gegenüber Saatsbür-
gern deutscher Nationalität (ethnischer und
sprachlicher Zugehörigkeit).

Insbesondere hat sie folgende Bescheide man-
gelhaft ausgefertigt:

1. Bescheid vom 6. Juni 1936, Zl. 49. 959/III-
7/35, betreffend Johann Scheiwein, Rausenbruck

122, pol. Bezirk Znaim.

2. Bescheid vom 6. Juni 1936, Zl. 49. 918/111-
7/35, betreffend Jan Waach, Rausenbruck Nr. 67,
pol. Bezirk Znaim.

3. Bescheid vom 6. Juni 1936, ZI. 49. 917/III-
7/35, betreffend Karl Scheiwein, Rausenbruck Nr.

123, pol. Bezirk Znaim.

4. Bescheid vom 6. Juni 1936, Zl. 49. 961/III-
7/35, betreffend Karl Loidold, Rausenbruck Nr.
219, pol. Bezirk Znaim.

5. Bescheid vom 11. Feber 1936, Zl. 4. 891-I/7,
betreffend Leonard Obermann, Gemüsehändler,
Waltrowitz Nr. 132, Bezirk Znaim.

6. Bescheid vom 11. Feber 1936, Zl. 4. 890-
1/7, betreffend Karl Buchner, Arbeiter, Waltro-
witz Nr. 138, pol. Bezirk Znaim.

7. Bescheid vom 11. Feber 1936, Zl. 4. 892-
I/7, betreffend Jan Schneider, Zimmermanngehil-
fe, Waltrowitz Nr. 109, pol. Bezirk Znaim.

Jeder einzelne dieser Bescheide weist folgen-
de gröbliche Gesetzwidrigkeiten auf:

a) die Behörde ist einsprachig tschechisch,
also »Zemský úøad v Brnì«,

b) die Geschäftszahl ist einsprachig tsche-
chisch mit »èíslo« bezeichnet,

c) das Datum ist einsprachig tschechisch mit
»v Brnì dne 6. èervna 1936« (in drei Fällen mit
11. Feber 1936),

d) die Entscheidungen sind überhaupt nicht
als Bescheide kenntlich gemacht, sondern tragen
die einsprachig tschechische Bezeichnung »Vý-
mìr«,

e) die Adressaten werden lediglich mit »Pan«,
nicht mit »Herr« bezeichnet,

f) die Vornamen der Adressaten werden nur
in tschechischer Sprache, nicht auch in deutscher
Sprache angegeben,

g) die Anschriften der Adressaten werden
ausschliesslich in tschechischer Sprache ange-
geben,

h) der Vermerk »Für den Landespräsidenten«
wird ausschliesslich in tschechischer Sprache an-
gegeben.

i) Herr Dr Pavelek zeichnet tschechisch »v.
r. «, nicht auch »e. h. «,

k) der Schlussvermerk »Za správnost vyho-
tovení pøednosta kanceláøe« nur in tschechischer,
nicht auch in deutscher Sprache angeführt.

Wir stellen an den Herrn Minister des Innern
die Anfrage:

1. Ist der Herr Minister bereit, den gerügten
Sachverhalt erheben zu lassen?

2. Ist der Herr Minister bereit, die Landes-
behörde anzuweisen, das Sprachengesetz zu be-
achten?

3. Ist der Herr Minister bereit, gegen dieje-
nigen Beamten der Landesbehörde in Brunn, die
in ihrer Amtsführung fortgesetzt das Sprachen-
gesetz und damit die Verfassung verletzen, das
Disziplinarverfahren einleiten zu lassen?

Prag, am 9. Oktober 1936.

Knorre,

Birke, Fischer, Budig, May, Jäkel, E. Kahler,
Hirte, Ing. Künzel, Illing, Axmann, Dr Eichholz,
Nickerl, Ing. Lischka, Ing. Karmasin, Rösler, Dr
Hodina, Dr Zippelius, G. Böhm, Stangl, Wagner,
Dr Kellner.


16

Pùvodní znìní ad 655/XIV.

Interpellation

der Abg. Franz Nìmec, Dr Franz Hodina
und Max Budig

an die Regierung

wegen Missachtung des Sprachen-
gesetzes In Brünn.

Im Gerichtsbezirke Brünn-Stadt wohnen nach
der letzten Volkszählung mehr als 20% tschecho-
slowakischer Staatsbürger deutscher Nationali-
tät (ethnischer und sprachlicher Zugehörigkeit),
die sich bei der letzten Volkszählung zur deut-
schen Kulturgemeinschaft und zur deutschen
Sprachgemeinschaft bekannt haben. Gemäss § 2,
Absatz 7, des Sprachengesetzes ist daher in die-
sen Gerichtsbezirken der staatlichen Gerichte,
Behörden und Organe und bei deren äusseren
Bezeichnung nicht nur die tschechische Sprache,
sondern auch die deutsche Sprache zu gebrau-
chen. Trotzdem sind in Brunn alle Kundmachun-
gen auf dem Postamte, auf dem Bahnhofsgebäu-
de, auf dem Bezirksgericht sowie die Bezeich-
nung, auf den Strassenbahnen und Strassentafeln,
mit Ausnahme einer doppelsprachigen Aufschrift
auf dem Kreisgerichte, ausschliesslich in tsche-
chischer Sprache, keineswegs auch in deutscher
Sprache angebracht. Dieser anstössige Zustand
verletzt die subjektiven Sprachenrechte der Deut-
schen in Brunn und aller Deutschen überhaupt.

Wir stellen daher an die Regierung die An-
frage:

1. Ist die Regierung bereit, den gerügten
Sachverhalt erheben zu lassen?

2. Ist die Regierung bereit, durch die einzel-
nen Ressortministerien zu veranlassen, dass die
Kundmachungen der Behörden im Gerichtsbezir-
ke. Brünn-Stadt dem Sprachengesetze entspre-
chen?

3. Ist die Regierung bereit, untersuchen zu
lassen, welche Staatsbeamten und Staatsbedien-
steten die offensichtliche Missachtung des Spra-
chenrechtes im Verwaltungssprengel des Ge-
richtsbezirkes Brünn-Stadt verschuldet haben und
gegen diese Staatsbeamten und Staatsbedienste-
ten das Disziplinarverfahren einleiten zu lassen?

Prag, am 9. Oktober 1936.

Franz Nìmec, Dr Hodina, Budig,

Nickerl, Fischer, Dr Eichholz Jäkel, Knorre, E.
Köhler, Wagner, Dr Kellner, Sandner, Ing. Künzel,
Ing. Karmasin, Ing. Lischka, Axmann, Rösler,
Illing, May, Birke, G. Böhm, Hirte, Stangl, Kundt.

Pùvodní znìní ad 653/XV.

Interpellation

des Abg. Ing. Franz Karmasin

an den Minister für Schulwesen
und Volkskultur

wegen Nichtbeachtung der im verfas-
sungsmässigen, freien Sprachgebrauch
verwendeten Ortsbezeichnungen beim
Geographieunterricht.

Gemäss Art. 7 des Minderheitenschutzvertra-
ges und § 128 der Verfassung sind wir Sudeten-
deutsche berechtigt, unsere Sprache im Privat-
und Geschäftsverkehr frei zu gebrauchen. Wir sind
daher berechtigt, auch jene Orte, bei denen die
amtliche Bezeichnung anders lautet, im freien
Sprachgebrauche mit den Namen zu bezeichnen,
die unsere deutsche Sprache hiefür geschaffen
hat; denn diese Namensschöpfungen unserer deut-
schen Sprachgemeinschaft sind ein Kulturgut der
Deutschen in aller Welt geworden. Wir sind
nicht gesonnen, diese Kulturgüter aufzugeben und
werden auch weiterhin an allen Wortschöpfungen
unserer Sprache festhalten. Daher legen wir Wert
darauf, dass unsere Kinder beim Geographieun-
terricht nicht nur die amtlichen Bezeichnungen,
sonder vor allem die deutschen Bezeichnungen
geographischer Begriffe kennen lernen und die
Kenntnis dieser Begriffe in den Prüfungsstoff ein-
bezogen wird; denn die, für unsere Kinder be-
stimmten Schulen haben die Aufgabe, tschechoslo-
wakische Staatsbürger deutscher Nationalität zu
erziehen und müssen daher die Kenntnis des deut-
schen Kulturgutes vermitteln und sicherstellen. Es
ist also Aufgabe des deutschen Geographieunter-
richtes, die Schulen darüber zu belehren, dass die
Deutschen in aller Welt die Hauptstadt Böhmens
mit »Prag«, die Hauptstadt der Slowakei mit
»Pressburg«, die Stadt von weltgeschichtlicher
Bedeutung in Ostböhmen mit »Königgrätz« und
den koppenartigen Berg am Elbufer als »Georgs-
berg« bezeichnen.

Wir richten an den Herrn Minister für Schul-
wesen und Volkskultur die Anfrage:

1. Ist der Herr Minister bereit zu veranlas-
sen, dass die deutschen Schüler alle geographi-
sche, für die unsere deutsche Sprach- und Kul-
turgemeinschaft eigene Wortbezeichnungen be-
sitzt, im Geographieunterricht kennen lernen?


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2. Ist der Herr Minister bereit, zu veranlas-
sen, dass sich Prüfungen auf die Kenntnis dieser
Bezeichnungen erstrecken?

Prag, am 9. Oktober 1936.

Ing. Karmasin,

Dr Hodina, Nickerl, Fischer, Knorre, G. Böhm,
Stangl, Dr Kellner, E. Köhler, Hirte, Jäkel, Illing,
Dr Eichholz, Rösler, Ing. Künzel, Dr Zippelius,
May, Ing. Lischka, Gruber, Wagner, Birke, Budig.

Pùvodní znìní ad 655/XVI.

Interpellation

des Abgeordneten Franz Nìmec

an den Justizminister
und an den Minister des Innern,

wegen Ueberprüfung der Gesetzmässig-
keit der Informationsquellen des »Severo-
èeské slovo« in Brüx und unbegründeter
Verhaftungsmassnahmen durch die
Staatspolizei in Brüx.

Am 2. Juni 1936 wurde Otto Schubert aus
Brüx von einem Sozialdemokraten Adolf Sehrig
in Brüx grundlos auf der Strasse verprügelt. Otto
Schubert, der Mitglied der SdP ist, meldete die-
sen Sachverhalt, weil ihm offenbar politische Mo-
tive zugrunde lagen, der Geschäftsstelle der SdP
in Brüx. Der SdP-Geschäftsführer Wartha legte
natürlich Wert darauf, dass der Sachverhalt
streng wahrheitsgemäss erhoben werde und er-
suchte ihn, wenn möglich einen Zeugen namhaft
zu machen, der den Sachverhalt selbst beobach-
tet hatte. Otto Schubert kam hierauf tatsächlich
mit einem Zeugen namens Muzik in die Ge-
schäftsstelle der SdP. Es ist selbstverständlich,
dass es jedermann freisteht, zur privaten Be-
weissicherung mit Personen, die einen Sachver-
halt als Augenzeugen beobachtet haben, ein Ge-
dächtnisprotokoll aufzunehmen. Darin kann auf
keinen Fall etwas Ungehöriges erblickt werden,
denn solche Gedächtnisprotokolle werden täglich
Tausende aufgenommen.

Als der Sozialdemokrat Sehrig gegen Otto
Schubert eine gerichtliche Anzeige erstattete,
führte Schubert vor Gericht Herrn Muzik als
Zeugen an. Muzik gab jedoch einen ändern Sach-
verhalt als Zeuge an als den, den er anlässlich
der Abfassung des Gedächtnisprotokolles erklärt
hatte.

Der Verteidiger des Angeklagten Schubert,
Herr Dr Otto Füssl, war selbstverständlich be-
rechtigt und verpflichtet, alle Beweismittel für

seinen Mandanten vorzubringen und berief sich
daher auf das genannte Gedächtnisprotokoll. Dies
nahm der Vertreter Sehrigs Herr Dr Eisert aus
der Kanzlei Dr Erwin Heller, Brüx, zum Anlass,
folgende Zwischenbemerkung zu machen: »Das
ist ja unerhört, die SdP beschäftigt sich mit Din-
gen, die Sache der Gerichte und Polizei sind. «
Statt diese völlig unentscheidende Aeusserung, die
nicht einmal einen Antrag beinhaltete, unbeachtet
zu lassen, ging der Verhandlungsrichter Dr
Stuchlik sogleich auf diesen Ton ein und sagte:
»Ich muss die Bezirksbehörde aufmerksam ma-
chen, mit welchen Dingen sich die SdP beschäf-
tigt. «

Statt dass also der Richter die Widersprüche
in den Angaben des Zeugen Muzik zum Anlass
genommen hätte, die Akten der Staatsanwalt-
schaft zur Autragstellung vorzulegen, nahm der
Richter eine politische Aeusserung des Gegenan-
waltes zum Anlasse einer unbegründeten Ver-
fügung.

Am 18. August 1936, also zehn Tage nach der
Verhandlung, erschien im »Severoèeské Slovo«
Brüx, ein Artikel, der über die Gerichtsverhand-
lung in demagogischer Darstellung berichtete.

Auf Grund dieses Artikels führte sogleich die
Staatspolizei eine Untersuchung durch. Bereits
am 19. August vormittags wurde Otto Schubert
von der Staatspolizei aus dem Bette geholt und
der Polizei vorgeführt. Er wurde beschuldigt, auf
Muzik einen Druck ausgeübt und ihn gewaltsam
in die SdP-Geschäftsstelle gebracht zu haben.
Otto Schubert stellte diese Vorhaltungen ge-
bührend richtig und gab den wahren Sachverhalt,
der in keiner Weise gesetzwidrig ist, zu Protokoll.

Am Nachmittag des 19. August 1936 wurde
Herr Wartha der Polizei vorgeführt, während
Schubert in Polizeigewahrsam gehalten wurde.
Die Polizei machte auch Wartha Vorhaltungen,
er habe angeblich auf Muzik einen Druck aus-
geübt. Die Polizei gab auch über seine Frage be-
kannt, dass die Untersuchung auf Grund des Arti-
kels des »Severoèeské Slovo« geführt wurde.
Wartha war 3 Stunden bei der Polizei und wurde
dann ebenso wie Schubert freigelassen.

Es steht den Interpellanten nicht zu, in den
Gang einer Untersuchung einzugreifen, aber sie
sind sehr wohl berechtigt, darüber Aufklärung zu
fordern, wie das »Severoèeské Slovo« informiert
wurde, obwohl bei der Verhandlung überhaupt
kein Pressevertreter anwesend war.

Die Interpellanten sind auch berechtigt, dar-
über Aufklärung zu fordern, warum die Staats-
polizei politische Zeitungsartikel zum Anlass
amtswegiger Untersuchung nimmt, obwohl offen-
bar der Richter keinen Anlass hat, irgendwelche
Verfügungen gegen Schubert und Wartha zu ver-
anlassen.

Es besteht der dringende Verdacht, dass un-
bekannte Täter sich in illegaler Weise Aktenein-
sicht in die Gerichtsakten verschafft haben, um
das »Severoèeské Slovo« zu informieren; denn
man kann doch nicht annehmen, dass der Richter


18

oder der Gegenanwalt DrEisert oder Dr Heller das
»Severoèeské Slovo« informiert haben.

Es steht daher durchaus dem Herrn Justiz-
minister das Recht und die Pflicht zu, unbescha-
det der Unabhängigkeit der Justiz, im Aufsichts-
wege überprüfen zu lassen, ob unbekannte Täter
in illegaler Weise sich Einsicht in die Strafakten
verschafft haben, um das »Severoèeské Slovo« zu
informieren, Ferner ist es Pflicht des Herrn Innen-
ministers überprüfen zu lassen, ob die Staatspo-
lizei berechtigt war und hinreichende Gründe da-
für hatte, einen politischen Zeitungsartikel zum
Anlass von Untersuchungen und Verhaftungen zu
nehmen. Wenn diese Methoden Schule machen,
wird jedermann der Gefahr einer Verhaftung aus-
gesetzt, den unbekannte Schreiberlehrlinge in
irgendeinem politischen Kampfblatt unter dem
Schutze der Anonymität beschuldigen.

Wir stellen an den Herrn Justizminister und
an den Herrn Innenminister die Anfrage:

1. Sind die Herren Minister bereit, den ge-
rügten Sachverhalt erheben zu lassen?

2. Ist der Herr Justizminister bereit, in Aus-
übung seiner Aufsichtspflicht erheben zu lassen,
ob unbekannte Täter sich illegaler Weise Ein-
sicht in die Strafakten verschafft haben, und das

»Severoèeské Slovo« über ein Sachverhalt zu in-
formieren, den nicht einmal der Richter zum An-
lass von Verfügungen genommen hatte?

3. Ist der Herr Justizminister bereit, über-
prüfen zu lassen, ob die Staatspolizei in Brüx auf
Grund des genannten anonymen Artikels im »Se-
veroèeské Slovo« ihre Verfügungen getroffen hat,
die tief in die Freiheitsrechte tschechoslowaki-
scher Staatsbürger deutscher Nationalität (ethni-
scher und sprachlicher Zugehörigkeit) eingegriffen
haben?

4. Ist der Herr Innenminister bereit, dafür zu
sorgen, dass demagogische Artikel politischer
Blätter nicht zum Anlass von Straferhebungen
und Verhaftungen genommen werden, bevor der
Sachverhalt in anderer Weise unauffällig und
ohne Eingriffe in die Freiheitsrechte tschechoslo-
wakischer Staatsbürger aufgeklärt wird?

Prag, am 9. Oktober 1936.

Franz Nìmec,

Fischer, Budig, May, G. Böhm, Knorre, E. Köhler,
Dr Kellner, Ing. Künzel, Wagner, Ing. Karmasin,
Axmann, Nickerl, Jäkel, Dr Eichholz, Kling, Rösler,
Dr Zippelius, Birke, Ing. Lischka, Hirte, Stangl,
Dr Hodina.


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