22

meister Machaè auf die Seite gehen musste,
übergab er sein Gewehr Herrn Wachtmeister
Moder, der beim Biertische mit dem Gewehr
hantierte, repetierte und es sogar einem Zivi-
listen in die Hand gab.

Beweis: Josef Reimann, beeidetes Feldauf-
sichtsorgan als Zeuge.

8. Am 3. November 1935 stand bei der Tank-
stelle in Wüstemühle ein mit 27 Personen be-
setzer Omnibus und ein Personenwagen. Beide
Autos nahmen Benzin. Trotz der angebrachten
Rauchverbotstafel rauchte ganz in der Nähe Herr
Oberwachtmeister Rohaè und Herr Wachtmeister
Moder und zwar direkt vor dem Benzinschlauch.
Die Leute, welche im Omnibus sassen, waren
darüber sehr erregt.

Beweis: Die Zeugen Hans Kudlich, Landwirt
in Braunsdorf, Franz Fuchs und Adolf Habel,
Landwirtssöhne in Braunsdorf und eventuell die
weiteren Insassen des Autos.

9. Im August 1935 meldete Max Auerbach
Herrn Wachtmeister Moder, dass ihm von seinen
Beeten Gurken gestohlen wurden und dass sich
die Fusspuren der Diebe feststellen Hessen. Herr
Wachtmeister Moder erwiderte darauf: Die Gur-
ken gehen die Gendarmerie nichts an. Weiters
fugte Herr Wachtmeister Moder hinzu: Auerbach
möge nicht so lange bei der Grete liegen und
sich die Gurken selber bewachen.

Beweis: Max Auerbach, Bäckergehilfe in
Braunsdorf als Zeuge.

10. Dass ich ansonsten mit den übrigen Gen-
darmen auf gutem Fusse stehe, geht auch daraus
hervor, dass der Stabswachtmeister Dopita beim
Feuerwehrfeste in Pochmühl, welches im heuri-
gen Jahre stattfand, zu mir sagte: »Ich bin hier
dienstlich, aber scheiss auf Dienst und komm,
zahl lieber eins«, worauf ich tatsächlich mit
Herrn Stabswachtmeister Dopita zwei Schnaps-
auflagen trank und bezahlte.

Beweis: Die Zeugen Hermine Grohs, Flei-
schermeistergattin in Brannsdorf, Ferdinand Har-
tel, Landwirt in Aubeln.

Aus alledem geht hervor, dass es sich um
eine gewähnliche Ehrenbeleidigung handelte, für
die der Wahrheitsbeweis zulässig ist.

Am 18. Mai 1936 hat Karl Maluschka, Friseur
in Lobenstein, vertreten durch seinen Vater Adolf
Maluschka, Zimmermann in Braunsdorf Nr. 240,
der durch die Amtsführung des Herrn Gendar-
meriewachtmeister Moder in Braunsdorf eben-
falls empfindlich betroffen worden war, dem
Bezirksgerichte in Jägerndorf nastehenden Sach-
verhalt mitgeteilt:

»1. Am Dienstag den 12. Mai 1936 kam auf die
Gendarmerie zu mir Adolf Maluschka und fragte,
wo mein Sohn Karl Maluschka sich befindet.

Ich sah zum Fenster hinaus und da ich mei-
nem Sohne gerade auf Her Strasse mit dem Rad
fahren sah, so rief ich ihn herein.

Als mein Sohn in die Küche gekommen war,
fragte man ihn, wo er am 12. Mai in der Zeit
von 1-3 Uhr nachmittags gewesen sei. Mein
Sohn antwortete darauf, er sei von 1-6 Uhr
nachmittags in der gewerblichen Fachschule ge-
wesen. Dann fragte man ihn, ob er einen Dyna-
mo habe. Mein Sohn antwortete, dass er davon
nichts wisse.

Hierauf nahmen sie meinen Sohn mit auf den
Gendarmerieposten in Braunsdorf.

Beweis: Karl Maluschka und Adolf Maluschka
als Zeugen.

2. Als ich, Karl Maluschka, auf den Posten
kam, schrie mich der eine Gendarm an: »Hast du
den Dynamo oder nicht«. Ich antwortete darauf:
»Nein, ich habe keinen Dynamo«.

Darauf packte mich dieser Gendarm, es soll
ein Jägerndorfer gewesen sein, bei den Haaren
und der Beschuldigte Moder gab mir einen
Schlag ins Gesicht, so dass meine Nase zu bluten
begann.

Herr Wachtmeister Moder sagte: »Wasch
dich ab«. Darauf nahm er mir das Taschentuch
aus der Hand und wischte mich ab.

Inzwischen kam auch noch Herr Stabswacht-
meister Dopita dazu. Dieser fragte: »Warum
blutest du«. Ich antwortete darauf: »Der Herr
hat mich geschlagen«. Herr Wachtmeister Moder
antwortete darauf: »Wer hat dich geschlagen?«.
Ich sagte: »Dieser Herr«. Kaum hatte ich dies
gesagt, holte Herr Wachtmeister Moder noch-
mals mit der Hand an«.

Nach einer Zeit kam auch mein Bruder Adolf
auf den Gendarmerieposten. Diesen zeigte ich
noch das blutige Taschentuch.

Beweis: Karl Maluschka, Friseurlehrling in
Lobenstein, bei Herrn Januschke und Adolf Ma-
luschka, Hilfsarbeiter in Jägerndorf bei Firma
Gabler.

3. Dann nahmen mich die Herren Gendarmen
auf das Motorrad und führten mich ausserhafb
des Dorfes. Dort machten sie Halt. Da sprach
der Herr Gendarm aus Jägerndorf: »Hast du den
Dynamo oder nicht«. Ich sagte wiederum, dass
ich keinen Dynamo habe. Darauf sagte er: »Steck
dir das Taschentuch in die Tasche«. Ich steckte
mir das Taschentuch in die Tasche und kurze
Zeit darauf griff mir der Herr Gendarm in die
Tasche, zog mir die Brieftasche und das Ta-
schentuch heraus und sagte: »Wieviel Geld hast
du in der Brieftasche«. Ich sagte eine Krone
wird drin sein. Dann steckte er mir die Brief-
tasche wiederum in meine Tasche und sagte mir,
ich solle morgen auf die Wachstube nach Jägern-
dorf kommen. Hierauf liess man mich gehen. Als
ich ein Stück gegangen war, bemerkte ich, dass
das Taschentuch weg ist.

Beweis: Karl Maluschka als Zeuge.

Ich beantragte die Einleitung des Strafver-
fahrens gegen den Beschuldigten und seine Be-
strafung und Verurteilung nach dem Gesetze.
Insbesondere die Verurtellung zum Ersätze der


23

Kosten des Verfahrens und meiner reehtsfreund-
liehen Vertretung. Ich schliesse mich dem Straf-
verfahren als Privatbeteiligter an und werde
meinen Anspruch bei der Hauptverhandlung
geltend, machen.

Die Strafanzeige möge ferner dem zuständi-
gen Divisions bezw. Brigadegericht abgetreten
werden. «

Am 10. Juni 1936 hat Ferdinand Grohs,
Flaiscbermeister in Jägerndorf, dem Bezirksge-
richte in Jägerndorf folgenden Sachverhalt mit-
geteilt:

»1. Vor ca 14 Tagen kam zu mir Herr Josef
Bolek, Arbeiter in Braunsdorf Nr. 233 und teilte
mir mit dass Frau Marie Meissner aus Brauns-
dorf Nr. 233 und Fräulein Emma Bison aus
Braunsdorf Nr. 233, vor ca 4 Wochen von Wüste-
mühle nach Braunsdorf ging und dass dabei dem
Fräulein Bison ein Paket auf die Erde fiel, wobei
es aufriss.

In diesem Paket befanden sich reichsdeut-
sche Zigaretten in grosser Menge und Tabak.
Fräulein Bison sagte darauf zur Frau Meissner:
»Sagen sie niemandem etwas davon, es sind Zi-
garetten, welche mein Vater Adolf Bison, dem
Wachtmeister Dopita aus Braunsdorf regelmässig
besorgt und es würde nicht dafür stehen, wenn
das herauskäme. «

Beweis: Marie Meissner und Josef Bolek,
Arbeiter in Braunsdorf Nr. 233 als Zeugen.

2. Bei der Familie Bison sollte angeblich eine
Hausdurchsuchung stattfinden, weil die Finanz-
wafihe aus Lobenstein irgendeinen Verdacht
hatte.

Herr Stabswachtmeister Dopita soll 2 Tage
ver der Hauschurchsuchund Herrn Bison darauf
aufmerksam gemacht haben. Dies erzählte Ana-
stasia Bison dem Adolf Meissner und dieser er-
zählte es mir.

Beweis: Adolf Meissner, Privater, Brauns-
dorf Nr. 233.

Im Sinne des Urteiles des Bezirksgerichtes
Jägerndorf T 1443/35 teile ich obigen Sachver-
halt mit, damit untersucht werden könne, ob eine
strafbare Tat vorliegt.

Gleichzeitig lege ich eine Absicht des Be-
weisantrages vom 26. Dezember 1935 nochmals
dem Gerichte vor, damit ebenfalls untersucht
werden kann, ob in diesem Beweisantrage Tat-
sachen enthalten sind, welche eine strafbare
Handlang insolieren.

Es wird ersucht, diesen Eingang dem zu-
ständigen Divisions bezw. Brigadegericht abzu-
treten. «

Wir stellen an den Herrn Innenminister die
Anfragen;

1. Ist der Herr Innenminister bereit, den ge-
rügten Sachverhalt erheben zu lassen?

2. Ist der Herr Innenminister bereit, gegen
den Gendarmeriewachtmeister Moder sowie ge-

gen den Stahswachtmeister Dopita das Diszipli-
narverfahren einzuleiten?

3. Ist der Herr Innenminister bereit, zu ver-
fügen, dass der Gendarmeriewachtmeister Moder,
über dessen Amtsführung die Bevölkerung; aus-
serordentlich erregt ist, sogleich seines Postens
enthoben wird?

Prag, am 24. August 1936,

Dr Zippelius, Dr Eichlolz,

Ing. Karmasin, Hirte, May, Gruber, Jobst, Dr
Kellner, Dr Rosche, Ing. Lischka, Sandner, Illing,
Dr Peters, Obrlik, Hollube, Dr Hodina, Wollner,
Axmann, Ing. Künzel, Jäkel, Kundt, Ing. Peschka,
Fischer.

Pùvodní znìní ad 613/VIII.

Interpellation

des Abgeordneten Gustav Bauer
an den Minister des Innern,

wegen der Vorfälle in Marienbad-
Königswart.

Zur Zeit als der Putsch, der spanischen Mo-
narcho-Faschtsten begann, befand sich der spa-
nische Exkönig Allons auf dem Boden der
Tschechoslowakichen Repubfik, u. zw. zuletzt
auf Schloss Metternich in Königswart bei Ma-
rienbad. Da der tschechoslowakischen Regierung
nicht unbekannt sein kann, welche aktive Rolle
Alfons bei den spanischen Ereignissen im Herbst
1934 gespielt hat und dass zwischen ihm und der
monarcho-faseflistischen Reaktion in Spanien
stets die engsten Beziehungen bestanden, so
konnte sie auch nicht daran zweifeln, dass der
Exkönig auch in die gegenwärtigen Kämpfe in
Spanien eingreifen würde. Sie hätte daher als
eine mit dem demokratischen Spanien befreun-
dete Regierung die Pflicht gehabt, die sofortige
Ausweisung des Exkönigs zu verlügen, umsomehr,
als sie durch die kommunistischen Abgeordneten
und die kommunistische Presse rechtzeitig auf
seine reaktionäre Umtriebe aufmerksam gemacht
wurde.

Es geschah jedoch gerade das Gegenten.
Zwar mischte sich der mit der spanischen Kon-
terrevolution konspirierende Exkönig gleich nach
dem Beginn des faschistischen Putsches in die
spanischen Ereignisse ein, indem er einem Kor-
respondenten der »United Press« seine Sympa-
thien mit den Putschisten aussprach und sein
aktives Eingreifen ankündigte, aber die Staats-
behörden fuhren fort, ihn als harmlosen Kurgast
zu betrachten. Vom Staate bezahlte Detektive
wurden nicht zu seiner Überwachung sondern


24

zu seinem Schütze beigestellt. Die auffällige Häu-
fung von Briefen und Telegrammen nach Schloss
Metternich wurde, obwohl in der Presse erörtert,
von den Behörden nicht beachtet. Dass der Ex-
könig täglich zum Arzt nach Königswart, zum
Golfspiel und zum Tanze nach Marienbad fuhr,
nahm die Marienbader Bezirksbehörde als Zei-
chen dafür, dass er lediglich privater Kurgast
sei, statt sich zu fragen, ob sich nicht gerade
darunter seine konspirative Tätigkeit verbergen
könnte. Der Leiter der Bezirkshauptmannschaft
von Marienbad wurde auf alle diese Momente
aufmerksam gemacht. Er schlug jedoch alle Vor-
haltungen mit dem Hinweis auf die »erprobte
Wachsamkeit« seiner Organe in den Wind. Die
Feststellung, dass täglich Autos bei Schloss Met-
ternich vorfuhren, wies er mit der Behauptung
zurück, dass deren Insassen Touristen und Be-
sucher des Schlossmuseunis seien. Als ihm die
Landung des Flugzeuges mit den zwei Kurieren
des Exkönigs mitgeteilt wurde, erklärte er dem
intervenierenden Abgeordneten, dass es sich um
einen Privatbesuch aus Spanien handle. Zu der
Meldung, dass der Kurier Mariano, der noch vor
kurzem auf Schloss Metternich gesehen worden
war, in San Sebastian von spanischen Regie-
rungstruppen verhaftet wurde, hatte er nichts
anderes zu sagen, als dass er sie nicht überprü-
fen, sondern lediglich an das Innenministerium
weiterleiten könne. Alle Forderungen auf Aus-
weisung des Exkönigs wies er unter Berufung
auf die ausschliessliche Zuständigkeit der Prager
Stellen zurück. Telegramme des intervenierenden
Abgeordneten an das Innenministerium blieben
unbeantwortet.

Die plötzliche Abreise des Exkönigs nach
Österreich, die unter dem Drucke der Aktion der
antifaschistischen Bevölkerung erfolgte, musste
der Regierung und der Marienbader Bezirksbe-
hörde eine Bestätigung der gegen Alfons erho-
benen Beschuldigungen sein. Es wäre eine blanke
Selbstverständlichkeit gewesen, daraufhin sofort
die Verhaftung des Piloten und der beiden noch
immer in Schloss Königswart wohnenden Kuriere
anzuordnen. Das Gegenteil geschah! Das Kurier-
flugzeug konnte unter Mithilfe des Personals des
Marienbader Flugplatzes nach Deutschland ent-
fliehen. Mit Recht nannte das »Èeské Slovo«
diesen unerhörten Vorfall eine »Schande für die
Republik«.

Aus all dem geht hervor, dass die Staatsbe-
hörden von oben bis zur Marienbader Bezirks-
hauptmannschaft herunter ihre selbstverständli-
chen Verpflichtungen gegenüber der befreundeten
spanischen Regierung auf das gröblichste ver-
nachlässigt und dass sie die Umtriebe des spa-
nischen Monarcho-Faschismus auf dem Boden
der Tschechoslowakei nicht nur geduldet, son-
dern geradezu gefördert haben. Dadurch aber
wurden auch vitale Interessen der Tschechoslo-
wakischen Republik der faschistischen Reaktion
preisgegeben.

Wir fragen den Herrn Minister:

1. Ist er bereit, sofort - und welche - Mass-
nahmen zu treffen, um derartige, die faschistische

Reaktion auf Kosten der demokratischen Rechte
und Freiheiten der Bevölkerung fördernde Vor-
fälle in Zukunft zu verhindern?

2. Ist er bereit, diejenigen zur Verantwortung
zu ziehen, die es verschuldet haben, dass der
spanische Exkönig nicht sofort nach dem Beginn
des faschistischen Putsches ausgewiesen wurde?

3. Ist er bereit, sofort ein Disziplinarver-
fahren gegen diejenigen Amtsorgane einzuleiten,
die den per Flugzeug angekommenen Kurieren
Alfons die Weiterreise und den Aufenthalt im
Schloss Königswart ermöglicht haben?

4. Ist er bereit, die sofortige Verhaftung der-
jenigen Angestellten des Marienbader Flugplatzes
zu veranlassen, die dem Piloten Cathard Jones
bei seiner skandalösen Flucht behilflich waren?

5. Ist er bereit, den Leiter der Bezirkshaupt-
mannschaft Marienbad, der durch die sträfliche
Duldung der Umtriebe auf Schloss Metternich
wichtige republikanische Interessen an die faschi-
stische Reaktion preisgegeben hat, unverzüglich
seines Amtes zu enthehen?

6. Ist er bereit, die sofortige Ausweisung der
auf Schloss Königswart wohnenden spanischen
Reaktionäre und aller derjenigen Personen der
Prager spanischen Gesandschaft zu verfügen, die
sich für die spanische Konterrevolution erklärt
haben?

Prag, am 25. August 1936.

Beuer,

Zápotocký Nepomucký, Fušèiè, Procházka, Döl-
ling, B. Köhler, Schmidke, Široký Krosnáø, Vo-
dièka, Kosik, Œliwka, Machaèová, Schenk, Šver-
ma, Hodinová-Spurná, Synek, Kopøiva, Klíma,
Dr Clementis.

Pùvodní znìní ad 613 XV.

Interpellation

des Abgeordneten Guido Klieber
an den Minister des Innern,

betreffend die Missachtung katholischen
Brauchtums aus Rücksicht auf kommuni-
stische Kundgebungen.

Die Zeitungen berichten Folgendes:
»Bei der kürzlich stattgefundenen Kommuni-
stischen »Kulturkundgebung« in Warnsdorf, an
der u. a. auch Gottwald und Široký teilnahmen,
musste über Einschreiten der Veranstalter das
Mittagsläuten vom Turme der Stadtkirche unter-
bleiben, um eine »Störung« der Kundgebung hint-
anzuhalten. «


25

Das Läuten der Kirchenglocken am Mittag
ist ein uralter im ganzen zivilisierten Abendland
anerkannter religiöser Gebrauch. Das Verbot
eines solchen Brauches verletzt die Gefühle der
gesamten Bevölkerung.

Es ist unbegreiflich, dass es eine Verwal-
tungsbehörde wagen konnte, dieses Brauchtum
zu verletzen, weil angeblich hiedurch eine kom-
munistische Kundgebung gestört würde.

Der Vorfall wirft ein grelles Schlaglicht auf
die Grundsätze unserer Verwaltungsbehörden. Ein
alter religiöser Volksbrauch wird verboten, da-
mit die Herrn Kommunisten, deren Parteigenos-
sen in Spanien die Kirchen anzünden, nicht in
unzarter Weise an die brennenden Kirchtürme in
Russland und Spanien erinnert werden.

Wir stellen an den Herrn Innenminister die
Anfrage:

1. Ist der Herr Innenminister bereit, den ge-
rügten Sachverhalt erheben zu lassen?

2. Ist der Herr Innenminister bereit, dafür zu
sorgen, dass das uralte Brauchtum des mittägli-
chen Glockenläutens durch keine administrative
Verfügung und schon gar nicht aus Rücksicht-
nahme auf atheistische Politiker eingeschränkt
oder verboten wird?

3. Ist der Herr Innenminister bereit, feststel-
len zu lassen, welche Referenten sich veranlasst
gesehen haben, das die Gefühlte der Bevölkerung
tief verletzende in dieser Interpellation gerügte
Verbot zu erlassen?

4. Ist der Herr Innenminister bereit, gegen die
schuldtragenden Beamten das Disziplinarverfah-
ren einleiten zu lassen?

Prag, am 20. August 1936.

Klieber,

Ing. Karmasin, Dr. Kellner, Gruber, May, Ing. Kün-
zel, Hirte, Jäkel, Jobst, Kundt, Wollner, Ing.
Richter, Ing. Peschka, Obrlik, Ing. Lischka, Dr.
Peters, Illing, Sandner, Dr. Eichholz, Dr. Zippe-
lius, Franz Nìmec, Dr. Rosche.

Pùvodní znení ad 613/XVI.

Interpellation

des Abgeordneten Ing. Franz Karmasin

an den Minister für Schulwesen
und Volkskultur,

wegen hasserfüllter, hetzerischer, straf-
würdiger, den öffentlichen Frieden be-
drohender Lesestücke in Schulbüchern.

Im Lesebuch »Èítanka pre druhú triedu slo-
venskych strednych škôl, sostavil Albert Pražák.

Druhé nezmenené vydanie. Odobrená výnosem
ministerstva školstva a národnej osvety è. 10. 987,
4. II. 1922. Strana 37« ist folgendes Lesestück
abgedruckt:

»In der preussischen Schule. Von Wl. St.
Reymont. Die Stunde war zu Ende, der Lehrer
beendete den Unterricht und blickte, indem er
mechanisch die Bücher weglegte, kalt und for-
schend in die Gesichter der Kinder.

Nun entstand ein beängstigendes und stilles
Zuwarten. Die Kinder warteten ohne Bewegung,
wie hypnotisiert - mit scheuen, stieren Augen
auf dem Lehrer schauend.

Draussen regnete es und der Regen rann an
den Fensterscheiben in nicht endenwollenden
Perlenbächlein herunter. Irgendwelche blätterlose
Bäume schüttelten sich in der Kälte vor den
Fenstern und gegenüber der Schule stand in Kot
und Sturm ein Haufen Frauen. »Still« brüllt auf
einmal der Lehrer auf.

Er war schrecklich zum ansehen, rötliche
Haare umwuchsen wie Flammen sein dickes,
sommersprossiges Gesicht - runde, habichts-
artige Augen mit rotem Rand starrten blutig nach
den Erschreckten - er bekreuzigte sich flüchtig
und begann gemächlich und automatisch:

»Vater unser der Du bist.....«

Plötzlich aber hörte er auf, denn keine ein-
zige Stimme fiel mit ein, die Gesichter der Kinder
waren wie mit Wachs überzogen, langsam, ganz
starr, nur die Augenlieder flatterten wie aufge-
schreckte Schmetterlinge - und die Augen er-
glänzten in wunderbarer, geheimer Kraft und
blickten auf ihn ohne Angst und unnachgiebig!

Er wandte sich zu den Kindern und begann
von Neuem:

»Vater unser der Du bist.....«

Und neuerlich tiefes Schweigen, in dem nur
das Prasseln des Regens und das Ticken der Uhr
erkenntlich war. Die Kinder bewegten sich nicht,
sassen mit verhaltenem Atem und blickten mit
stummen, verbissenem Protestausdruck auf ihren
Lehrer.

Der wird fuchsig wie ein Truthahn, springt
zwischen die Bänke und fängt sich mit weisser,
von rötlichen Härchen bedeckter Hand den ersten,
am Rande sitzenden Jungen heraus, indem er
ungeduldig schreit: »Fang doch an!«

Der Knabe erschrack und wird tötlich weiss,
aber er rafft sich auf und antwortet:

»Ich werde das Vaterunser nicht auf deutsch
sagen!«

»Was? was? was? schreit der Rotkopf, beugt
sich nieder und boxt ihn mit aller Kraft ins Ge-
sicht, erwischt ihn bei den Haaren, zieht ihn zum
Katheder, schlägt ihn mit der Hand und schreit
wutentbrant: »Du wirst sprechen, du sollst spre-
chen! Du polnisches Schwein!«. »Ich werde nicht!
Ich werde nicht!« wiederholt der Knabe mit er-
sterbender Stimme und bricht ohnmächtig auf
dem Fussboden zusammen. Der Lehrer schmeist
ihn aus dem Saal,


26

Die Kinder sitzen erstarrt und wie verstei-
nert, gerade dass sieb hier und dort ein weisser
Mund zu leisem Atmen öffnet. Der Lehrer legt
auf den Katheder sein langes Rohr, schenkt sich
Wasser ein und heiser und ohne die Augen zu
heben, begann er zur Ordnung zu rufen.

»Maria Kluska!«

Seine Stimme klang etwas leiser und so wie
ein wenig sanfter. Die magere und schmächtige
Mädchenfigur mit gläsernem, krankhaftem Ge-
sicht, erhebt sich aus der Bank, macht das Kreuz-
zeichen über sich und hält in den Händen ein
Medaillon, geht mit freiem Schritt und bleibt vor
dem Lehrer halten, bickt auf ihn mit klaren Augen
und sagt laut und nachdrücklich:

»Ich werde das Vaterunser nicht auf deutsch
sagen!

Der schlägt ihr das Rohr ins Gesicht, bis sie
vor Schmerzen wimmert und sich das zerschla-
gene Gesichtchen hält; das Blut fliesst ihr zwi-
schen den Fingern herunter mit übermenschli-
cher Kraft unterdrück sie aber ein lautes Weinen
und schweigsam, langsam, von Blut überflössen
und Tränen, schleppt sie sich zurück in die Bank.

»Martin Pila!« schreit nach einer Weile der
Lehrer.

Der starke Junge erbleicht wie ein Leintuch,
aber tritt herzu und antwortet:

«Ich werde das Vaterunser nicht auf deutsch
sagen!«

Und als er das Rohr ins Gesicht und auf die
Schultern erhält, schreit er nicht auf, ja rührt
sich nicht, blickt bloss auf den Lehrer und voll
Hass brummt er nur:

»Hund, verpestetes Aas!«

Der Lehrer hat das vielleicht nicht gehört,
denn schon ruft er weiter, fast schon der Reihe
nach. Und der Reihe nach, langsam und mit
immer freierem, ruhigerem Schritt kommen zu
ihm die Kinder heran und der Reihe nach erhe-
ben sie die leichenfahlen Märtyrergesichtchen
und die heroischen klaren. Augen, voll kalten Trä-
nen und der Reihe nach, mit tragischer Resigna-
tion und Gottergebung wandern sie diesen Weg
der Strafe und trotzdem ertönen der Reihe nach
Stets die gleichen Worte:

»Ich werde das Vaterunser nicht auf deutsch
sagen!*

Und immer röter wird der Lehrer und umso
bedächtiger, systematischer und rachsüchtiger
warf er sich auf sie. Auch er schlug der Reihe
nach, warf die Kinder an die Wand und die Bän-
ke, bis er von seinem Geschrei ganz heiser wur-
de, aber kein Kind gab nach, keines stöhnte
lauter auf, ja keines weinte. Sie gingen männlich,
ja mit extatischer heftiger Begeisterung, das Va-
terunser mit zuckenden Lippen betend, sie gin-
gen bis an die eines Opfers mögliche Grenze und
jetzt rief ohne Furcht: »Nein! nein! nein!«

Endlich heult der Lehrer, erdrückt von die-
sem Heroismus und auch erschöpft durch die
eigene Wut:

»Sitzen«.

Kaum noch konnte er von der Erschöpfung
atmen und, sich am Katheder anhaltend, blickt
er mit hasserfüllten Augen nach den halsstarri-
gen Köpfen, nach den Gesichtern, übersät mit
blauen Streifen und mit Blut beschmiert, aber
auch dadurch beruhigte er sich nicht ganz.

Da erhebt sich aus der letzten Bank ein
Mädchen, achtjährig, mit roten Lippen, himmel-
blauen Augen, semmelblonden Zöpfchen, verkno-
tet an der Stirne und grossen Ernst im Gesicht-
und tritt an ihn heran und indem es zuerst das
eine und dann das andere Händchen furchtsam
zurückzieht, sagt es weinerlich: »Ich habe es
noch nicht bekommen!«

Er zog ihr eines mit dem Rohr über das
Händchen, bis es ihr willenlos herabhing, aber
das Mädchen erhebt die andere Hand und einer
Stimme voll Tränen und Schmerz, wiederholt es
unabänderlich: »Ich bin auch eine Polin! Ich
werde auch nicht auf deutsch sprechen. « Der
Lehrer wie ein Wahnsinniger begann sie derart
zu schlagen, bis das Mädchen durchdringend auf-
schrie und dies entfesselte die ganze Schulklas-
se, Schluchzen, krampfhaftes Weinen und Ge-
schrei, Bitten und kindliches Klagen erschütter-
ten die Mauern, minderte Aermchen erhoben
sich zu ihm bittend empor, die Kinder warfen
sich ihm zu Füssen, küssten seine Schuhe, er
aber kümmerte sich nicht darum, und schlug wie
ein Wahnsinniger, bis das Mädchen schon fast
ohne Bewusstsein mit ununterbrochenen Händ-
chen in unaufhörlich gleicher Weise, automatisch
rief: »Und ich weide nicht deutsch, sprechen. «
Aus dem Polnischen übersetzt von
Jos. Holeèek.

Wie ans dem Inhalt ersichtlich, wird dort
der deutsche Lehrer geradezu als Untier geschil-
dert, der in widerlicher weise die Kinder quält,
weil sie nicht deutsch beten wollen.

Dieser Hetzartikel ist geeignet, die kindliche
Seele durch chauvinistischen Nationalitätenhass
zu vergiften. Seine Aufnahme beinhaltet einen
Verstoss gegen Wortlaut und Sinn der Verfas-
sung. Dass dieser Standpunkt richtig ist, geht aus
der Tatsache hervor, dass in der jetzigen in Ge-
brauch stehenden vierten verbesserten Auflage
dieser Aufsatz nicht mehr enthalten ist. Dagegen
findet in dieser vierten verbesserten Auflage ein
Aufsatz unter dem Titel »Für die Mutterspra-
che« Aufnahme, in welchem gleichfalls gegen die
Deutschen gehetzt wird und darüber hinaus ein
verlogenes Verhalten eines Kindes als Heldentat
geschildert wird.

Wir steifen an den Herrn Minister für Schul-
wesen folgende Anfrage:

1. Ist der Herr Minister für Schulwesen be-
reit, den gerügten Sachverhalt erheben m las-
sen?


27

2. Ist der Herr Minister für Schulwesen be-
reit, uns mitzuteilen, ob ein Disziplinarverfahren
wegen des Verhaltens der Staatsbeamten, die die
Aufnahme des hetzerischen Lesestückes des Le-
sebuches bewilligten, eingeleitet wurde und mit
welchem Ausgang?

3. Ist der Herr Minister für Schulwesen be-
reit, auch das zweite Lesestück aus dem genann-
ten Lehrbuch entfernen zu lassen?

4. Ist der Herr Minister für Schulwesen be-
reit, den Gebrauch der zweiten Auflage dieses
Lesebuches an allen Schulen zu verbieten und
die noch in Gebrauch stehenden Exemplare rest-
los aus dem Gebrauche ziehen zu lassen?

5. Ist der Herr Minister für Schulwesen be-
reit, strenge darüber zu wachen, dass unsere Le-
sebücher nicht der Tummelplatz für die niedri-
gen Instinkte national-chauvinistischer Schreiber-
linge werden?

Prag, am 22. August 1936.

Ing. Karmasin,

Gruber, Hirte, Dr Zippelius, May, Jäkel, Franz

Nìmec, Jobst, Hollube, Nickerl, Ing. Künzel,

Obrlik, Ing. Lischka, Sandner, Ing. Richter, Ing.

Peschka, Dr Kellner, Kundt, Ing. Schreiber,

Dr Jilly, Dr Rosche, Illing.


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