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heit, um tüchtige deutsche Staatsbeamte, die sich
bei Übersetzungsarbeiten immer ausgezeichnet
bewährt haben, einzustellen, denn es liegt im
Staatsinteresse, dass das Sudetendeutschtum die
Gesetze und Verordnungen des Tschechoslowa-
kischen Staates rechtzeitig erfährt, damit es sie
beachten und befolgen kann, da Unkenntnis der
Gesetze nicht vor Rechtsnachteilen schützt.

Die Administrative handelt geradezu fahr-
lässig, wenn sie durch Unterlassung rechtzeitiger
Kundmachung der deutschen Übersetzung das
Sudetendeutschtum der Gefahr schwerster Rechts-
nachteile aussetzt.

Der Herr Minister des Innern, keineswegs
der Herr Justizminister ist es, dem nach § 7 des
Ges. 139/19 Slg. d. G. u. V. die Durchführung
dieses Gesetzes ebliegt.

Wir stellen daher an ihn die nachstehenden
Anfragen:

1. Ist dem Herrn Minister des Innern der ge-
setzwidrige Zustand bekannt, dass die deutsche
Übersetzung der Sammlung der Gesetze und
Verordnungen keineswegs «womöglich gleichzei-
tig«, sondern im Gegensatze und im Widerspruche
zu den imperativen Vorschriften des Gesetzes
wesentlich verspätet erfolgt und die Übersetzung
ganzer Stücke der Sammlungen einfach unter-
lassen wird?

2. Ist der Herr Minister des Innern bereit,
durch Einstellung hinreichender Übersetzungs-
beamten das vom Gesetze gewollte Ziel zu er-
reichen?

3. Ist der Herr Minister des Innern bereit, die
verantwortlichen Beamten der Administration der
Sammlung der Gesetze und Verordnungen diszipli-
nar zur Verantwortung zu ziehen, weil sie den
§ 3, Abs. 3 des Ges. 139/19 Slg. d. G. u. V. un-
beachtet Hessen und es nicht einmal der Mühe
wert fanden, den Abonnenten die Gründe be-
kanntzugeben, warum die Übersetzung ganzer
Stücke der Sammlung der Gesetze und Verord-
nungen bisher unterblieb?

Prag, am 18. Juni 1936.

Ing. Peschka,

Dr. Hodina, Dr. Köllner, Illing, Kundt, Sandner,

Stangl, Dr. Zippelius, Ing. Lischka, Wollner, Jobst,

Dr. Jilly, Hollube, Dr. Kellner, Ing. Richter, Obrlik,

Ing. Künzel, Fischer, Dr. Neuwirth, Gruber,

Wagner, Dr. Rosche.

Pùvodní znìní ad 577/VII.

Interpellation

des Abgeordneten Dr. Fritz Köllner
an den Justizminister,

wegen vorgreifender Aeusserungen der
Strafrichter.

Die Interpellation des Abgeordneten Karl
Gruber gegen den politisierenden Richter beim Be-
zirksgerichte Tachau hat vor der ganzen Öffent-
lichkeit aufgezeigt, wohin es führt, wenn unab-
hängige Richter bei Ausübung ihres hohen Amtes
sich dem Anschein einer Parteinahme aussetzen.

Ebenso bedenklich sind Aeusserungen von
Strafrichtern, die der Entscheidung in der Sache
selbst vorgreifen. In zahlreichen Schutzgesetz-
fällen legen die Richter dem Angeklagten nahe,
ein Geständnis abzulegen und erörtern bei dieser
Gelegenheit die Ergebnisse der Voruntersuchung
und die vermutliche Beweislage des Hauptver-
fahrens, obwohl sie die Verteidigung des Ange-
klagten noch gar nicht gehört haben und obwohl
weder Zeugen noch Sachverständige, noch die
Beweisanträge des Angeklagten angehört wurden.
Eine solche Praxis ist höchst bedenklich, sie ge-
fährdet das Ansehen des Richterstandes und hat
zur Folge, dass das Vertrauen in die Unabhängig-
keit der Justiz schwer erschüttert wird. Noch
niemals sind zu den Richtern über ihre Pflichten
treffendere, ja geradezu klassische Worte ge-
sprochen worden als im Erlass des Justizministe-
riums an die Oberlandesgerichtspräsidenten vom
12. April 1907, Z. 98282 und in dem vorangehenden
Erlasse des Justizministeriums vom 3. November
1892, Z. 22082.

In diesem Erlasse wurde unter anderen auch
folgendes hervorgehoben:

»Der Stellung des Richters widerspricht es,
wenn der hohe Ernst der Sache, der in der Ver-
handlung zum Ausdruck kommen soll, verlassen
und die Befriedigung in nicht zur Sache gehörigen
Bemerkungen in mit dem Gegenstande ausser Zu-
sammenhang stehenden Glossen, in überflüssigen
Exkursionen auf das Gebiet der politischen oder
nationalen Tagesfragen, ja sogar in unpassenden
Witzeleien gesucht wird; es entspricht nicht dem
Berufe des Richters, wenn der Beschuldigte ge-
höhnt oder der ihm zur Last gelegten Tat bereits
überwiesen behandelt wird. Der Richter muss
sich ferner in der Verhandlung stets gegenwärtig
halten, dass die Aussagepflicht dem Zeugen gar
oft eine harte Verpflichtung auferlegt, welche von
ihm im Interesse der Allgemeinheit getragen wer-
den muss; die Tragung dieser Pflicht muss jedem
Zeugen ohne Unterschied der Person erleichtert
werden, wobei die dem jeweiligen Zeugen schul-
dige Rücksicht mit der dominierenden Würde des
Gerichtes zu paaren ist. Und wie der Richter sich
in dieser Richtung sein entsprechendes Verhalten
vorzuzeichnen hat, so hat er auch jeder Aus-
schreitung, die von anderen bei der Verhandlung
gegen den Beschuldigten oder Zeugen versucht
wird, entgegenzutreten.

Das Justizministerium will nicht behaupten,
dass diese Mahnungen fruchtlos geblieben sind;
aber einige Fälle neueren Datums, in denen das
Verhalten der Vorsitzenden in der Öffentlichkeit
nicht ohne Grund einer herben Kritik unterzogen
wurde, verpflichten, auf diesen Gegenstand zu-
rückzukommen und die eben erwähnten Mahnun-
gen des Erlasses vom Jahre 1892 in Erinnerung zu
bringen.


21

Wenn der Vorsitzende mit einer vorgefassten
Meinung in die Verhandlung eintreten und den
Angeklagten als bereits überführt behandeln wür-
de, wenn menschliche Schwächen des Beschuldig-
ten und Verirrungen, die mit der Tat selbst in
keinem Zusammenhange stehen, in gesuchter
Weise hervorgekehrt, dessen Antworten mit
ironischen oder missgünstigen Bemerkungen be-
gleitet oder gegen ihn auffahrend und raub ver-
fahren würde, so steht das nicht bloss mit den
Pflichten des Vorsitzenden als Richter und Ver-
handlungsleiter in Widerspruch, sondern ein
derartiges Verhalten vermag auch Konflikte aller
Art heraufzubeschwören, Leidenschaften zu wek-
ken und das Urteil zu trüben.

Der Vorsitzende soll durch die gelassene und
sachgemässe Methode seines Verfahrens beruhi-
gend und ernüchtern wirken und darf nicht der
Versuchung unterliegen, seinen Scharfsinn, seine
Gewandheit seinen Witz im Lichte der Oeffent-
lichkeit glänzen zu lassen oder sonst durch die
Art der Vorführung der Beweise und der Frage-
stellung die Sensationslust zu fördern. Nicht nur
der Inhalt des Urteiles, sondern auch die Art, wie
es zustande kam, müssen die Gewissheit geben,
dass der Richterspruch nicht ein Werk des Zu-
falls oder einer leidenschaftlichen Stimmung sei,
und es soll kein Zweifel darüber entstehen können,
ob bei ruhiger Ueberlegung nicht etwa anders
entschieden worden wäre.

Der Vorsitzende wird überdies mit aller Sorg-
falt zu verhüten haben, dass Vorkommnisse des
Privat- und Familienlebens, sei es eines Zeugen,
sei es des Angeklagten, die in keiner Beziehung
zur Sache stehen, unnütz zur Erörterung gelangen
und der Oeffentlichkeit preisgegeben werden.
Unter Strafgesetz hat die nicht durch besondere
Umstände gerechtfertigte Veröffentlichung ehren-
rühriger Tatsachen des Privat- und Familien-
lebens unter Strafsanktion gestellt. Der Gerichts-
saal darf nicht als eine Stätte gelten, an der diese
Volschrift ungescheut übertreten werden kann.
Dass der Richter sich von derlei Mitteilungen
fernhalten müsse, ist selbstverständlich. Es wird
aber auch bei der Leitung der Verhandlung darauf
Bedacht zu nehmen haben, dass Fragen unter-
bleiben oder zurückgewiesen werden, die darauf
abzielen, Privat- oder Familienangelegenheiten
ohne zwingende Ursache in die Verhandlung ein-
zubeziehen.

Ebensowenig wäre es zu billigen, wenn ein
Vorsitzender an der Handlungsweise der Zeugen
und an ihrem Verhalten in bestimmten Lebens-
lagen Kritik üben oder, von der Aufgabe und dem
Zwecke der gerichtlichen Verhandlung abschwei-
fend, über allgemein gesellschaftliche, sittliche,
religiöse und ähnliche Fragen individuelle Urteile
und Auffasungen oder sonst persönliche Ansich-
ten in einer Art äussern würde, die den Zeugen
blosstellen oder das Gericht in ein schiefes Licht
setzen könnten.

Es ist richtig, die Tat des Angeklagten, wie
sie mit den verschiedensten Lebensverhältnissen
in Beziehungen steht und durch sie beeinflusst
wurde, wird nicht immer isoliert für sich be-
trachtet werden können und unter Umständen

wird in einem Urteilsspruche oder in dessen Be-
gründung auch die Handlungsweise eines Zeugen
zu würdigen sein. Aber nur in diesen Grenzen,
also bloss insoweit, als die Klarlegung der An-
klagetat im Urteile es erfordert, und nur soweit
es für die rechtliche, juristische Betrachtung un-
erlässlich ist, wird sich das Gericht das gestatten
dürfen; der Vorsitzende als Leiter der Verhand-
lung wird zu solcher Kritik am allerwenigsten
berufen und berechtigt sein.

Im Verkehre mit weiblichen Angeklagten
werden bei der Verhandlung nur solche For-
men der Ansprache und des Benehmens gewält
werden dürfen, die dem Ernste des Gerichts-
saales angemessen sind und es vermeiden, in
einem grellen Gegensatz zum Gegenstand der
Verhandlung zu treten. Uebel angebrachte Leut-
seligkeit und Familiarität hat mit humanen, ein-
sichtigem Geiste nichts gemein, sondern drückt
nur die Bedeutung des Augenblicks herab, in dem
für schweres Verfehlen Sühne gefordert wird und
sich mehr als einmal ein Lebensschicksal ent-
scheidet.

Das Justizministerium anerkennt gerne, dass
die grosse Mehrzahl der zum Vorsitzenden beru-
fenen Richter ihres verantwortungsvollen und
schweren Amtes in objektiver und würdiger
Weise waltet; es kann aber an Erscheinungen
nicht achtlos vorübergegangen werden, die einen
Rückfall in Uebungen und Gewohnheiten besorgen
lassen, die seit langen bekämpft werden und auch
in Zukunft unausgesetzt bekämpft werden müssen
wenn nicht das Vertrauen in die Strafrechtspflege
erschüttert und gemindert werden soll. «

Im Jahre 1907 hat das Justizministerium es
für notwendig erachtet, diesen Erlass aus dem
Jahre 1892 den Richtern in Erinnerung zu bringen.

Seither sind fast dreissig Jahre vergangen;
grosse Veränderungen sind in der Welt vorgegan-
gen - aber der Erlass ist ebenso aktuell, wie am
ersten Tag. Der Erlass dient unwandelbaren Idea-
len: der Menschlichkeit, der Richterwürde und
der Unabhängigkeit der Rechtsprechung.

Es ist heute, da die unabhängige Justiz in
schärfster Abwehr gegen jede Politisierung ste-
hen muss, ein dringendes Gebot, den Erlass den
Richtern neuerlich zu Beachtung zu empfehlen

Wir stellen daher an den Herrn Justizminister
die Anfrage:

1. Billigt der Herr Justizminister auch heute
noch vorbehaltlos die Grundsätze des zitierten
Erlasses und seinen gesamten Inhalt?

2. Ist der Herr Justizminister bereit, die Be-
achtung dieses Erlasses durch die Obergerichts-
präsidien allen Richtern, insbesondere den Lei-
tern der Verhandlungen in Strafverfahren neuer-
lich zu empfehlen?

Prag, am 17. Juni 1936.

Dr. Köllner,

Ing. Peschka, Sandner, Obrlik, Dr. Rosche, Gruber,
Wollner, Fischer, Dr. Zippelius, Dr. Jilly, Wagner,
Ing. Lischka, Dr. Hodina, Ing. Richter, Ing. Künzel,
Illing, Dr. Kellner, Hollube, Dr. Neuwirth, Stangl,
Kundt, Jobst


22

Pùvodní znení ad 577/VIII.

Interpellation

des Abgeordneten Gustav Obrlík
an den Minister des Innern,

wegen Erteilung des Stimmrechtes an
Beamte in den Bezirksvertretungen.

Die Ernennungen in die Bezirksvertretungen
haben das Sudetendeutschtum überhaupt und die
Sudetendeutsche Partei besonders schwer ge-
schädigt.

Zu allem Ueberfluss reisst jetzt noch eine
Praxis ein, die das Kräfteverhältnis bei den Ab-
stimmungen in die Bezirksvertretungen neuerdings
verschiebt.

Viele Bezirkshauptleute haben es sich näm-
lich zur Gewohnheit gemacht, den bei der Sitzung
der Bezirksvertretung anwesenden Beamten
grundsätzlich immer das Stimmrecht zu erteilen.

Eine solche Praxis steht mit dem Geiste des
Gesetzes Nr. 125/27 und auch mit dem Motiven-
bericht zu § 70 dieses Gesetzes im Gegensatze
und im Widerspruche.

Nach dem Willen des Gesetzgebers, der aus
dem Motivenbericht klar erkennbar ist, soll näm-
lich ein Beamter nur ausnahmsweise als Referent
und damit als stimmberechtigt erklärt werden,
denn die Erstattung des Referates soll in der Re-
gel durch ein Mitglied der Bezirksvertretung er-
folgen. Es ist auch durchaus zulässig (§ 44, Abs. 2
der Reg. Verordg. v. 29. XI. 1928, Nr. 190 Slg. d.
G. u. V., Geschäftsordnung für Bezirksvertretun-
gen), dass die Berichterstattung einem Bezirks-
ausschussmitglied übertragen wird.

Die ständige Uebung, einem Beamten das
Stimmrecht zu erteilen, erweckt nicht nur den
Anschein einer parteiischen Absicht, sondern er-
schwert auch die Stellung der Sudetendeutschen
Partei, die in konstruktiver Opposition steht und
widerspricht damit den Grundsätzen der Demo-
kratie, nach denen Volksvertreter selbst soweit
als möglich zur praktischen Mitarbeit in den Ver-
tretungskörpern herangezogen werden sollen. Es
besteht natürlich kein Einwand, dass die Be-
amtenschaft des Bezirkes, soweit dies notwendig
ist, an den Sitzungen der Bezirksvertrerung teil-
nimmt, aber es muss grundsätzlich abgelehnt
werden, dass die vom Motivenbericht gewünschte
Regel geradezu ins Gegenteil verkehrt wird und
die Berichte nahezu ausschliesslich der Beamten-
schaft zugewiesen werden, dass den Beamten
ständig das Stimmrecht zuerkannt wird, womit
die Abstimmungsergebnisse neuerdings in einer
Weise abgeändert werden, die mit der Volksmei-
nung, wie sie bei Bezirksvertretungswahlen am
36. Mai 1935 zum Ausdruck kam, im Gegensatze
und im Widerspruche stehen.

Wir stellen daher an den Herrn Minister die
nachstehenden Anfragen:

1. Ist der Herr Minister des Innern bereit, zu
erheben, wie oft seit dem 26. Mai 1935 die Be-
amten mit Stimmrecht ausgestattet wurden und
wie oft im Sinne des Motivenberichtes zu § 70-
des Ges. 125 aus dem Jahre 1927 die Berichter-
stattung Mitgliedern der Bezirksvertretung zuge-
wiesen wurde?

2. Ist der Herr Minister des Innern bereit, die
Herren Bezirkshauptleute darüber aufklären zu
lassen, dass die Referate in den Bezirksvertre-
tungen vor allem durch Mitglieder der Vertretung
selbst, womöglich durch Bezirksausschussmitglie-
der zu erfolgen haben?

3. Ist der Herr Minister des Innern bereit, die
Bezirkshauptleute darüber aufklären zu lassen,
dass ein Beamter nur ausnahmsweise referieren
soll und ihm nur ausnahmsweise das Stimmrecht
zuzuerkennen ist, damit niemals der Anschein
erweckt werde, als ob die Erteilung des Stimm-
rechtes dazu verwendet würde, um neben den
Ernennungsmassnahmen die Auswirkung des
Wahlergebnisses vom 26. Mai 1935 neuerdings zu
Ungunsten der Sudetendeutschen Partei abgeän-
dert werden soll?

Prag, am 18. Juni 1936.

Obrlík,

Dr. Rosche, Fischer, Dr. Köllner, Ing. Peschka,

Dr. Hodina, Illing, Wollner, Jobst, Ing. Richter,

Hollube, Dr. Jilly, Dr. Zlipelius, Ing. Lischka,

Ing. Künzel, Gruber, Dr. Neuwirth, Wagner,

Dr. Kellner, Sandner, Kundt, Stangl.

Pùvodní znení ad 577/IX.

Interpellation

des Abgeordneten Georg Stangl
an den Justizminister,

wegen Einholung eines Gutachtens des

Obersten Gerichtes über unbestellte

Druckschritten.

Es hat sich der Missbrauch eingebürgert, dass
verschiedene Firmen nach beliebigen Adressen-
verzeichnissen Druckschriften versenden, ohne
dass die Druckschriften bestellt wurden. Oft hal-
ten die Empfänger diese Druckschriften für wert-
loses Reklamematerial und senden sie entweder
zurück oder werfen sie weg.

Es erreignet sich sehr häufig, dass die Emp-
fänger der unbestellten Druckschriften von den
Absendern erst nach vielen Monaten auf Be-
zahlung der Druckschriften gemahnt werden, in-


25

dem darauf verwiesen wird, dass es sich keines-
wegs um eine kostenlose Reklamesendung, son-
dern z. B., um die Lieferung künstlerisch wert-
voller Postkarten, gehandelt habe. Der Lieferung
sei ein Erlagschein beigeschlossen gewesen, der
Empfänger wäre verpflichtet gewesen, die Druck-
schriften zurückzustellen, er habe aber dadurch,
dass er sie nicht zurückgestellt habe, einen Ver-
trag abgeschlossen und sei zur Zahlung ver-
pflichtet.

Wenn es aus diesen Rechtsverhältnisse zu
Prozessen kommt, sind die Bezirksgerichte zu-
ständig, die im Bagatellverfahren unanfechtbar
entscheiden. Da über diese Frage nur eine sehr
spärliche Judikatur des Obersten Gerichtes vor-
liegt, ist es verständlich, dass die Entscheidungen
der Bezirksgerichte einander widersprechen.

Es liegt daher im öffentlichen Interesse, dass
über diese Rechtsfragen volle Klarheit besteht
und ein Plenarsenat des Obersten Gerichtes über
diese Fragen eine grundsätzliche Entscheidung
fällt.

Wir stellen daher an den Herrn Justizminister
die Anfrage:

1. Ist der Herr jnstizttilnister bereit zu ver-
anlassen, dass das Justizministerium an das Ober-
ste Gericht in Brunn mit dem Ersuchen heran-
tritt, einem Plenarsenate folgende Fragen zur
Entscheidung vorzulegen:

a) ist der Empfänger unbestellter Druckschrif-
ten verpflichtet, den Postempfang zu verweigern?

b) ist er berechtigt, die Druckschriften zu be-
halten, ohne zu einer Gegenleistung verpflichtet
zu sein?

c) ist er verpflichtet, die Druckschriften auf-
zubewahren und dem Absender zur Verfügung zu
halten?

d) haftet der Empfänger für den Verlust der
Druckschriften anlässlich der Rücksendung?

2. Ist der Herr Justizminister bereit zu ver-
anlassen, dass die Entscheidung des Plenarsenates
des Obersten Gerichtes im Verordnungsblatt des
Justizministeriums kundgemacht wird?

Prag, am 17. Juni 1936.
Stangl,

Dr. Jilly, Dr. Köllner, Illing, Dr. Neuwirth, Jobst,

Dr. Kellner, Ing. Künzel, Fischer, Ing. Lischka,

Wollner, Ing. Richter, Kundt, Obrlik, Ing. Peschka,

Hollube, Sandner, Gruber, Dr. Rosche,

Dr. Zippelius, Dr. Hodina, Wagner.

Pùvodní znìní ad 577/XX.

Interpellation

der Abgeordneten Dr. Fritz Köllner und
Dr. Alfred Rösche

an die Regierung,

betreffend die Rechtsstellung der militäri-
schen Sachverständigen in Straf-
prozessen.

Wenn in einem Schutzgesetzprozess eine mi-
litärische frage auftaucht, werden regelmässig
militärische Sachverständige vernommen. In sol-
chen Fällen wird das Verfahren in geheimer Ver-
handlung durchgeführt. Erst bei der Urteilsver-
kündung erfährt die Oeffentlichkeit einen Teil der
Verhandlungsergebnisse.

Aus den Urteilen geht meistens hervor, dass
das Gutachten der militärischen Sachverständigen
nicht nur für die sachlichen Feststellungen, son-
dern auch für die rechtliche Würdigung der Tat
von ausschlaggebender Bedeutung war.

Die Auswahl der Sachverständigen ist Sache
des Gerichtes. Der Oeffentlichkeit ist nicht be-
kannt, ob das Gericht in der Lage ist, aus einer
bestehenden Liste von Sachverständigen sich nach
seinem Ermessen einzelne Sachverständige aus-
zuwählen oder ob das Gericht diejenigen Sach-
verständigen bestimmt, die das Ministerium für
nationale Verteidigung dem Gerichte vorschlägt.

In der Oeffentlichkeit besteht auch die Be-
sorgnis, dass die militärischen Sachverständigen
sich nicht nur über militärische Tatfragen, son-
dern auch über den subjektiven Inhalt der Ver-
antwortung des Angeklagten, über die Kraft der
Beweismittel und über Rechtsfragen äussern. Eine
solche Praxis würde nicht dem Gesetze entspre-
chen, weil alle diese Fragen der Untersuchung
und Entscheidung des Gerichtes vorbehalten sind.

Die Interpellanten anerkennen, dass alle mi-
litärischen Geheimnisse gewahrt bleiben müssen.
Sie sind jedoch der Ansicht, dass die Sachver-
ständigen nur militärische Fragen beantworten
dürfen, keineswegs aber in ihrem Gutachten den
subjektiven Tatbestand, die Beweiswürdigung
oder Fragen der Schuldausschliessung zu erörtern
haben.

Die Interpellanten hoffen, dass das Ministe-
rium für nationale Verteidigung an die jeweils
verwendeten Sachverständigen Weisungen er-
lässt, welche diesen Grundsätzen entsprechen.

Wir stellen daher an den Herrn Minister für
nationale Verteidigung die nachstehenden An-
fragen:

1. Wählt das Gericht in den einzelnen Straf-
sachen die militärischen Sachverständigen nach
seinem Ermessen aus oder werden diese Sach-
verständigen dem Gerichte vom Ministerium für
nationale Verteidigung präsentiert?

2. Sind die militärischen Sachverständigen
bei Abgabe ihres Gutachtens unabhängig oder
empfangen sie Weisungen und Informationen vom
Ministerium für nationale Verteidigung?

3. Hat das Ministerium für nationale Vertei-
digung durch Erlässe die Sachverständigen ange-
wiesen, nur militärische Fragen zu beantworten
und sich jeder Erörterung des subjektiven Tat-
bestandes und jeder Würdigung der Kraft der Be-


24

weise sowie der Frage der Schuldausschliessung
zu enthalten, da die Würdigung und Entscheidung
dieser Fragen einzig und allein dem erkennenden
Gerichte vorbehalten bleibt?

Die Interpellanten erwarten weiterhin, dass das
Justizministerium bereit ist, alle diese Fragen im
Interesse der Rechtssicherheit durch einen Erlass
klarzustellen insbesondere unter voller Beachtung
der richterlichen Unabhängigkeit die Senatsvor-
sitzenden der Strafgerichte daran erinnern, dass
sie den militärischen Sachverständigen den Rah-
men ihres Gutachtens genau zu schreiben haben
und keinerlei Auesserungen der Sachverständigen
über den subjektiven Tatbestand über die Be-
weiswürdigung und über die Frage der Schuld-
ausschliessung zuzulassen haben.

Wir stellen daher an den Herrn Justizminister
die Anfrage:

1. Sind die Gerichte berechtigt, die militäri-
schen Sachverständigen nach ihrem freien Er-
messen auszuwählen, oder sind die Gerichte ver-
pflichtet, diejenigen Personen als Sachverständige
zu bestellen, die das Ministerium für nationale
Verteidigung für eine bestimmte Strafsache prä-
sentiert?

2. Ist der Herr Justizminister bereit, durch
Erlass den Senatsvorsitzenden ohne damit in de-
ren richterliche Unabhägigkeit einzugreifen, in
Erinnerung zu bringen, dass sie den Tatsachen-
kreis über den die militärischen Sachverständigen
ihr Gutachten abzugeben haben, genau zu um-
schreiben und dass sie nach dem Gesetze ver-
pflichtet sind, es nicht zuzulassen, dass die mili-
tärischen Sachverständigen über den subjektiven
Tatbestand, über Fragen der Beweiswürdigung
und Schuldausschliessung irgend welche Aeusse-
rutigen abzugeben.

Prag, am 18. Juni 1936.

Dr. Köllner, Dr. Rösche,

Dr. Jilly, Iling, Ing. Peschka, Wagner, Dr. Kellner,
Dr. Neuwirth, Wollner, Ing. Richter, Ing. Lischka,
Dr. Zippelius, Dr. Hodina, Fischer, Ing. Künzel,
Jobst, Gruber, Kundt, Obrlík, Hollube, Stangl,
Sandner.


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