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spricht, werden wir Sie schon auflösen«. Als
daraufhin der Frager dann doch etwas energi-
scher fragte, sagte der Gendarm: »Gehen Sie
gruppenweise«. Daraufhin waren die Teilnehmer
gezwungen, in kleinen, peinlichst in Form von
kleinen Häuflein gehaltenen Gruppen von 10 Per-
sonen unter peinlichster Vermeidung von Gleich-
schritt in Abständen von 10 bis 15 Metern durch
die Natur zu wandern. Selbstverständlich still und
stumm.

Osterfreuden - Osterspaziergang!!!

Der Rückweg erfolgte bei ziemlich ungünsti-
gem, regnerischem Wetter und drängten sich die
Teilnehmer naturgemäss mehr aneinander des-
wegen der Veranstalter von der Behörde bereits
zur Rede gestellt wurde, weil der »Rückmarsch
geschlossen« erfolgt sei. Es wird dabei darauf
hingewiesen, dass zur gleichen Zeit in Hohenstadt
und Umgebung eine Zusammenkunft tschechischer
Pfandfinder (Skaute) stattfand. Die Skaute gingen
selbstverständlich in ihrer Uniform mit möglichst
militärischen Allüren, mit spiessähnlichen langen
Stöcken sowie mächtigen Dolchen und Messern
im Gürtel, mit militärähnlichen Graden- und
Gruppehabzeichen am Aermel, herum.

Es wird darauf hingewiesen, dass gerade die-
ses zweierlei Mass von Staatsangehöriger Jugend
tiefste Verbitterung in den Herzen der deutschen
Jugend erregen muss, dies umsomehr, als einer-
seits die vormilitärische Jugenderziehung propa-
giert wird und sogar diesbezügliche Aufforderun-
gen an die deutschen Jugendlichen zur Teilnahme
an einer solchen vormilitärischen Erziehung er-
folgten und andererseits von gewissen unterge-
ordneten Organen auf die deutsche Jugend Zwang
ausgeübt wird, sich nicht einmal mehr halbwegs
diszipliniert, stramm, in Ordnung und in guter
Gangart fortzubewegen!

Es muss festgestellt werden, dass der Schar-
lachfall vom 5. Oktober 1935 in dem Gebäude-
komplexe absolut nicht daran hinderte, dass vom
1. bis 15. Oktober 1935 in denselben Räumlich-
keiten ein Teil des nach Hohenstadt in Garnison
verlegten I. Regiments Nr. 13 (zirka 70 Mann)
ohne jedes Bedenken in sanitärer Hinsicht unter-
gebracht war, dass die Soldaten damals einen
einzigen Wasserauslauf als Waschgelegenheit zur
Verfügung hatten, während jetzt durch Entgegen-
kommen des Hauseigentümers drei Wasseraus-
läufe installiert worden waren.

Das Vorgehen der Behörden muss als voll-
ständig sinnlos angesehen werden. Ein vor einem
halben Jahre erfolgter Scharlachfall begründet
keine ärztliche Kontrolle eines Raumes, der nach
dem Gesetze längst einer sachgemässen Desin-
fektion hätte zugeführt werden müssen. Der er-
wähnte Scharlachfall kann weiters auch nicht als
Begründung einer zwangsweisen ärztlichen Un-
tersuchung der Jugendlichen angesehen werden!!

Unter Hinweis auf den vorstehend dargestell-
ten Sachverhalt fragen wir den Herrn Minister
des Innern:

1. Ist er bereit, erheben zu lassen, über wes-
sen Veranlassung die ganze schikanöse Unter-

suchung des Wandervogellagers überhaupt vor-
genommen wurde und ist er bereit, den verant-
wortlichen Beamten zur Rechenschaft zu ziehen?

2. Ist der Herr Minister bereit, die schuld-
tragenden Beamten darüber aufklären zu lassen,
dass das Vorgehen gegen die Teilnehmer des La-
gers dem Ansehen der Behörden nur schädlich
und gerade bei Jugendlichen durchaus nicht am
Platze ist?

3. Ist dem Ministerium bekannt, dass die sach-
gemässe Desinfektion eines Raumes, in welchem
sich ein Scharlachkranker aufgehalten hat, sofort
nachdem der erkrankte oder gesundgemeldete
Patient den Raum verlassen hat, erfolgen muss
und ist das Ministerium bereit, Nachfrage zu hal-
ten, ob der zuständige Arzt dieser Verpflichtung
im Oktober 1935 nachgekommen ist?

4. Ist der Herr Minister bereit, den zuständi-
gen Arzt zur Verantwortung zu ziehen, falls eine
sachgemässe Desinfektion im Oktober 1935 nicht
erfolgte, umsomehr, als dieser Raum unmittelbar
nach dem Scharlachfalle Soldaten als Wohnraum
zugewiesen wurde?

Prag, am 12. Mai 1936.

F. Nitsch, Dr. Jilly,

Wollner, Knöchel, Rösler, E. Köhler, Sogl, Knorre,
Fischer, Jäkel, Dr Rösche, Dr Zippelius, Dr Peters,
Ing. Schreiber, Stangl, Klieber, Nickerl, Sandner,
Kundt, Hollube, Illing, Ing. Karmasin, Ing. Peschka.

Pùvodní znìní ad 469 VII.

Interpellation

des Abgeordneten Ing. Wolfgang Richter
an den Minister des Innern,

wegen widerrechtlichen Vorgehens der
Gendarmerie in Mosern.

Am 18. März 1936 um 1/2 6 Uhr abends er-
schien der Wachtmeister Josef Èerný der Gen-
darmeriestation Nestomitz (Bezirk Aussig) beim
Leiter der Ortsgruppe Mosern der Sudetendeut-
schen Partei, Albin Röllig und verlangte von ihm
die Miegliederlisten der Sudetendeutschen Partei
in Mosern. Der Ortsleiter Röllig fragte den Gen-
darmen, in wessen Auftrag er komme. Darauf
entgegnete der Wachtmeister Èerný, dass er im
Auftrage des Konzeptsbeamten der Aussiger Be-
zirksbehörde, Dr Hönig komme.

Der Ortsleiter Röllig verweigerte dem Gen-
darmen die Herausgabe der Mitgliederverzeich-
nisse mit der Begründung, dass er ohne Auftrag
der Parteileitung dies nicht tun dürfe. Daraufhin
entgegnete ihm Wachtmeister Èerný, dass er von


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Nestomitz, Reindlitz und Mörkau schon die Mit-
gliederverzeichnisse habe und dass auch Röllig
diese Mitgliederverzeichnisse herausgeben müsse.
Der Gendarmeriewachtmeister entfernte sich auf
die Weigerung Rölligs mit der Bemerkung, er
werde wegen dieser Sache noch einmal kommen.

Unmittelbar nach der Amtshandlung mit Röl-
lig begab sich der Gendarmeriewachtmeister mit
dem ihm unterstellten Gendarmen in die Wohnung
des Franz Köcher, des Kassiers der Ortsgruppe
Mosern der Sudetendeutschen Partei, ohne dass
er vorher dem Ortsleiter Albin Röllig irgendwas
bekanntgegeben hätte. Dem Kassier Franz Köcher
gegenüber erklärten die Gendarmen, dass der
Ortsleiter Röllig sie in die Wohnung zu Franz
Köcher geschickt hätte, weil'er als Kassier die
Mitgliederlisten führe. Der Kassier engegnete
daraufhin, dass er keine Mitgliederlisten in seinem
Besitz habe.

Daraufhin zog der mit Èerný gekommene Gen-
darm aus seinen Akten eine Zahlkarte der Su-
detendeutschen Partei heraus und bemerkte:
»Aber solche Karten haben Sie«? Der Kassier be-
iahte dies. Daraufhin forderten die Gendarmen
den Kassier Franz Köcher auf, diese Zahlkarten
vorzulegen. Franz Köcher kam dieser dienstlichen
Aufforderung nach und legte notgedrungen, um
sich keiner Widersetzlichkeit schuldig zu machen,
die Zahlkarten vor.

Die Gendarmen schrieben darauf die Namen
sämtlicher Mitglieder ab und verliessen dann die
Wohnung Franz Köchers.

Der Leiter des Bezirkes Aussig der Sudeten-
deutschen Partei sprach auf Grund des Berichtes
der Ortsleitung Mosern der Sudetendeutschen
Partei nunmehr beim Konzeptsbeamten Dr Honig
bei der Bezirksbehörde in Aussig vor. Dr Honig
erklärte, dass er der Gendarmerie in Nestomitz
keinen Auftrag gegeben habe, Mitgliederlisten der
Ortsgruppe Mosern abzuverlangen. Der Gendarm
habe aus eigener Initiative gehandelt.

Das Vorgehen der Gendarmerie in Nestomitz
vestösst nicht nur gegen die verfassungsmässig
gewährleistete politische Gesinnungsfreiheit, son-
dern stellt darüber hinaus eine strafrechtlich ver-
folgbare Handlung dar.

Man möge sich nur den Tatbestand vergegen-
wärtigen: Eine Gendarmeriepatrouille begibt sich
in die Wohnung politischer Funktionäre und for-
dert von ihnen in fälschlicher Vorschützung eines
dienstlichen Auftrages der Bezirksbehörde die
Herausgabe der Mitgliederlisten einer politischen
Partei.

Dem Ortsleiter, der sich weigerte die Listen
herauszugeben, droht der Oberwachtmeister, dass

er wieder kommen werde. Den Kassier der Partei
veranlasst die Gendartneriepatrouille zur Heraus-
gabe der Mitgtiederkarten durch die fälschliche
Bemerkung, dass sie vom Ortsleiter zu ihm ge-
schickt worden seien.

Was soll man von solchen Gendarmen, die ein
geradezu nach dem Strafgesetz schreiendes Ver-
halten an den Tag legen, halten?

Die Gendarmen hatte, wie der Konzeptsbe-
amte Dr Honig erklärte, keinerlei dienstlichen Auf-
trag die Mitgliederlisten der Sudetendeutschen
Partei abzuverlangen. Auch aus eigener Initiative
waren sie nicht berechtigt, dies zu tun, da sie
keinen gesetzlichen Grund hiezu hatten.

Das Verhalten der Gendarmerie hat in der
Gemeinde Mosern und darüber hinaus im gesam-
ten Bezirke Aussig die tiefgehendste Unruhe her-
vorgerufen. Die Mitglieder der Sudetendeutschen
Partei in Mosern befürchten wegen des Vorgehens
der Gendarmerie, dass sie bei der bekannten Ein-
stellung der Gendarmerie zur Sudetendeutschen
Partei nunmehr persekutorischen Massnahmen
ausgesetzt sein werden, weil sie sich die Abver-
langung von Mitgliederlisten seitens der Gendar-
merie auf andere Weise nicht erklären können.

Wir richten daher an Herrn Minister des
Innern die nachstehenden Fragen:

1. Ist der Herr Minister des Innern bereit, den
Gendarmeriewachtmeister der Gendarmeriestation
Nestomitz Cerny, sowie den ihm untergeordneten
Gendarmen wegen ihres dienst- und strafgesetz-
widrigen Vorgehens zu disziplinieren?

2. Ist der Herr Minister des Innern bereit, da-
für Garantien zu schaffen, dass sich ähnliche
Uebergriffe der Gendarmerie gegenüber Funktio-
nären der Sudetendeutschen Partei in Hinkunft
nicht wiederholen?

3. Ist der Herr Minister des Innern bereit,
dafür zu sorgen, dass die seitens der Gendarmerie
widerrechtlich angeforderten Aufzeichnungen über
die Mitgliederschaft der Ortsgruppe Mosern so-
fort vernichtet werden?

Prag, am 19. Mai 1936.

lag. Richter,

Franz Nìmec, Sandner, Dr Hodina, May, Obrlik,
Dr Kellner, Nickerl, lag. Schreiber, Staagl, Jäkel,
Dr Rösche, Dr Jilly, Kundt, Wollner, Ing. Peschka,
Kling, Dr Zippellus, Wagner, Jobst, Ing. Lischka.


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