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dem. Tauschek wurde jedoch bei Seite geschoben
und die Leiter weggeschafft. Trotz des Wider-
spruches der anwesenden Bevölkerung legten die
Soldaten sodann die Leiter an den Giebel des
Hauses Nr. 5, rissen das Bild samt den Girlanden
und das Firmenschild der Schmiede herunter und
entfernten auch ein an der öffentlichen Anschlag-
tafel befestigtes Plakat der Sudetendeutschen
Partei.

Ein im Gasthause "Zum schwarzen See" sitzen-
der Offizier wurde von einem der anwesenden
Einwohner von dem Vorfalle verständigt und um
Eingreifen ersucht. Er gab sein Mißfallen über die
vorgefallene Handlung der Soldaten durch eine
völlig unzureichende Zurechtweisung der Täter
zum Ausdruck, unterließ aber jede Feststellung
der Täter.

Zeugen des gesamten Vorfalles sind folgende
Personen:

Alois Tauschek, Bistritz Nr. 19,

Karl Tauschek, Bistritz Nr. 21,

Hermann Künzel, Zahntechniker, Neuern,

Otto Wolf, Lehrer in Neuern,

Hilde Janda, Bistritz.

Die Unterzeichneten stellen fest, daß das Ver-
halten der Soldaten nicht nur den polizeilichen
Vorschriften klar widerspricht, sondern, daß ein
derartiges Vorgehen auch dazu angetan ist, das
Verhältnis zwischen Bevölkerung und Armee zu
trüben. Die Unterfertigten ersuchen den Herrn
Minister, eine strenge Untersuchung dieses Vor-
falles einzuleiten und die Täter der Bestrafung
zuzuführen.

Prag, am 20. August 1935.

Dr. Köllner, Frank,

Axmann, Birke, G. Böhm, Budig, Dr. Eichholz,
B. Fischer, Gruber, Dr. Hodina, Hollube,
Illing, Jäkel, Dr. Jilly, Jobst, Ing. Karmasin,
Dr. Kellner, Dr. Klieber, Knöchel, Knorre, E. Köh-
ler, Kundt, Ing. Künzel, Ing. Lischka, May, Ing.
Nentwich, Dr. Neuwirth, Nickerl, F. Nitsch, Obr-
lik, Ing. Peschka, Dr. Peters, Ing. W. Richter,
Dr. Rösche, Rösler, Sandner, Ing. Schreiber, Sogl,
Stangl, Wagner.

Pùvodní znìní ad 80/VII.

Interpellation

der Abgeordneten K. H. Frank, Wollner,
Illing

an den Herrn Minister für Nationalver-
teidigung

betreffend die Ausschreitungen von Mili-
tärpersonen bei einer Unterhaltung in
Atschau Bezirk Kaaden.

An einem am Sonntag den 1. September 1. J. in
Atschau im Bezirke Kaaden wie alle Jahre ver-

anstalteten Kirchenfeste nahmen auch Soldaten
des Infanterieregimentes Nr. 42 teil. Nachdem der
Nachmittag ruhig verlaufen war, erschienen am
Abend des 1. September 1. J. einige Soldaten, ohne
die Eintrittsgebühr von Kè 1. - zu bezahlen. Auf
die Aufforderung, die geringe Eintrittsgebühr zu
entrichten, gaben sie zur Antwort, daß sie lieber
ein Glas mehr trinken würden als den Eintritt zu
bezahlen. Sie verblieben also im Lokal ohne den
Eintritt bezahlt zu haben.

Kurz nachdem einige Besucher aus dem Nach-
barorte Burgstadtl das Lokal betreten hatten,
wurde einer von diesen, namens Karl Klügl, von
mehreren èechisch sprechenden Soldaten angehal-
ten und unter Pfui-Rufen und beleidigenden
Schimpfworten auf die Sudetendeutsche Partei
und Konrad Henlein aufgefordert, das Abzeichen,
das er von einem Bezirkstreffen in Kaaden her
noch am Rocke trug, abzulegen. Es entstand ein
Wortwechsel, in dessen Verlaufe die Soldaten ihre
Bajonette nahmen und mit diesen auf die wehr-
losen Festteilnehmer einschlugen. Mit erhobenen
Bajonetten wurden einige Festteilnehmer gefragt,
ob sie Deutsche oder Èechen seien und als sich
diese selbstverständlich als Deutsche bekannten,
erhielten sie Schläge mit den Bajonetten ins Ge-
sicht und wurden mit den gröbsten Schimpfworten
auf die Deutschen bedacht.

Die Schlägerei wurde von einigen Offizieren be-
endet, die herbeigerufen worden waren, worauf
die Soldaten zögernd den Saal verließen. Der Saal
glich nach dem Abgange der Soldaten einem
Trümmerfeld. Wände, Stühle, Kleider waren mit
Blut bespritzt und der Fußboden mit Scherben
bedeckt. Zahlreiche völlig unbeteiligte Besucher
des Kirchenfestes hatten zum Großteil erheblich
Verletzungen erlitten.

Unter Hinweis auf dieses unerhörte Vorgehen
von Angehörigen der Wehrmacht stellen wir an
den Herrn Minister für Nationalverteidigung
nachstehende Anfragen:

1. Ist der Herr Minister für Nationalverteidi-
gung bereit, eine strenge Untersuchung über den
geschilderten Vorfall anzuordnen und die streng-
ste Bestrafung der Schuldigen in die Wege zu
leiten?

2. Ist der Herr Minister bereit, Maßnahmen zu
treffen, welche es in Zukunft verhindern sollen,
daß zwischen der Bevölkerung und der Wehr-
macht ähnliche Zwischenfälle sich ereignen, welche
sicher nicht geeignet sind, das Vertrauen der Be-
völkerung in die Objektivität der Wehrmacht zu
festigen ?

P r a g, am 3. Oktober 1935.

Frank, Wollner, Illing,

Axmann, Birke, G. Böhm, Budig, Dr. Eichholz, B.

Fischer, Gruber, Dr. Hodina, Hollube, Jäkel, Jobst,

Ing. Karmasin, Dr. Klieber, Knorre, E. Köhler,

Dr. F. Köllner, Kundt, Ing. Künzel, Liebl, Ing.

Lischka, May, Nemetz, Dr. Neuwirth, Nickerl,

Nitsch F., Dr. Peters, Ing. Richter, Dr. Rosche,

Rösler, Sandner, Ing. Schreiber, Sogl, Stangl,

Wagner.


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Pùvodní znìní ad 80/X.

Interpellation

der Abgeordneten Dr. Jilly, Ing. Karmasin,
A. Sogl

an die Herren Minister für Gesundheits-
wesen und soziale Fürsorge

betreffend die Regelung der Dienst und
Einkommensverhältnisse der Geburtsassi-
stentinnen in den Landgemeinden.

Die Dienst- und Lohnverhältnisse innerhalb des
Berufsstandes der Geburtsassistentinnen bedürfen
dringend einer einheitlichen gesetzlichen Rege-
lung. In vielen Gegenden und vor allem in den
Landgemeinden wird für geleistete Geburtshilfe
eine so geringe Entschädigung gewährt, daß der
volkspolitisch so wichtige Stand der Geburtsas-
sistentinnen dem wirtschaftlichen Verfalle ausge-
liefert ist.

Selbst einige Krankenversicherungsanstalten
leisten für Geburtshilfe bei ihren Mitgliedern nur
einen Zuschuß von Kè 75 - bis Kè 100 -. Dieser
wird vielfach auch noch an das Mitglied ausge-
zahlt und wiederholt kam es vor, daß die Geburts-
assistentin leer ausging.

Von den Gemeinden erhalten die Geburtsassi-
stentinnen ein Fixum, das in seiner Höhe vollkom-
men verschieden ist und auf die Größe der Ge-
meinde und die Geburtenzahl überhaupt keine
Rücksicht nimmt. Die Tatsache, daß einzelne rei-
chere Gemeinden ein Fixum bis zu Kè 1. 000 -
jährlich zahlen, bleibt eine Ausnahme und spielt
leine Rolle. Wiederholt kommt es dagegen Vor,
daß die sogenannte Gemeindehebamme für ein
jährliches Entgelt von Kè 50- bis 100- bei
allen armen Frauen der Gemeinde unentgeltlich
Geburtshilfe leisten muß. Wohl schreibt z. B. die
Hebammenorganisation für Mähren, Schlesien und
die Slovakei vor, daß die Geburtsassistentinnen für
die Entbindung und Besuche durch 9 tage je nach
der Klasse 600-, 400- und 150- Kronen zu
verlangen haben. Von den Gemeinden wird von
Seiten dieser Organisation für Entbindungen bei
Unbemittelten eine Entschädigung von Kè 100 -
verlangt. Diese Sätze stehen aber meistens nur
auf dem Papier. Durch gegenseitiges Unterbieten
verschlechtern sich die Geburtsassistentinnen ihre
Lage selbst.

In vielen Gegenden und Gemeinden hat das
Pfuscherwesen auf dem Gebiete der Geburtshilfe
erschreckenden Umfang angenommen. Es gibt
vielfach ungelernte Frauen, welche Geburtshilfe
für 20- Kronen leisten. Anzeigen, welche dies-
bezüglich bei Distrikts- und Kreisärzten, sowie
bei der Gendarmerie gemacht werden, haben sel-
ten einmal Erfolg. Naturgemäß ist die Säuglings-
sterblichkeit in solchen Gebieten erschreckend

hoch. Ein großer Teil der Geburtshelferinnen ist
überaltert und 70-80jährige Hebammen üben
vielfach noch ihren Dienst aus. Für die Altersver-
sorgung der Geburtsassistentinnen ist so gut wie
gar nichts vorgesehen. Nur deshalb sind die über-
alterten und ihrer körperlichen Verfassung und
ihrer Vorbildung nach ungeeigneten Geburtsassi-
stentinnen noch im Dienste. Zu berücksichtigen ist
auch der Umstand, daß die Hebammen in den
Landgemeinden in gebirgigen Gegenden und bei
schlechtester Witterung oft auch stundenweite
Fußmärsche zurückzulegen haben.

Die alle die hier angeführten Umstände eines
modernen Staates unwürdig sind, stellen wir an
die Herren Minister für Gesundheitswesen und
soziale Fürsorge nachstehende Anfragen:

1. Sind sie bereit, zu veranlassen, daß die
Dienst- und Einkommensverhältnisse der Geburts-
assistentinnen in einer Weise geregelt werden,
daß für geleistete Geburtshilfe, für Tag- und
Nachtdienst eine gesetzliche Mindestgrenze fest-
gesetzt wird ?

2. Sind sie bereit, solche Maßnahmen einzulei-
ten, daß den Hebammenorganisationen die Kon-
trolle über die Einhaltung dieser Mindesttaxen
ermöglicht wird ?

3. Sind sie bereit zu veranlassen, daß auch die
Krankenversicherungsanstalten entsprechende Ge-
bühren für geleistete Geburtshilfe zur Auszahlung
bringen, u. zw. direkt an die Geburtsassistentin-
nen?

4. Sind sie bereit, durch Gesetze oder Verord-
nungen vorzusorgen, daß die sogenannten Ge-
meindehebammen von Seiten der Gemeinden ein
Fixum erhalten, welches der Größe der Gemeinde
entspricht und daß weiterhin die Gemeinden ihre
Autorität dafür einsetzen, daß den Geburtsassi-
stentinnen die Eintreibung der ihnen zustehenden
Gebühren möglich ist?

5. Sind sie bereit mit allen gesetzlichen Mitteln
gegen das überhand nehmende Pfuscherunwesen
auf dem Gebiete der Geburtshilfe einschreiten zu
lassen ?

6. Sind sie bereit, für eine Altersversorgung der
Geburtsassistentinnen die entsprechenden gesetz-
lichen Schritte einzuleiten und zu verhindern, daß
überalterte und arbeitsunfähige oder schlecht aus-
gebildete Geburtsassistentinnen weiterhin ihren
Dienst ausüben, Hebammen, die vielfach für Fälle
von Wochenbettfieber, aber auch für das Über-
handnehmen der Säuglingssterblichkeit durch ihre
krasse Unwissenheit verantwortlich zu machen
sind?

P r a g, am 10. Oktober 1935.

Dr. Jilly, Ing. Karmasin, Sogl,

Axmann, Birke, Dr Eichholz, Fischer, Gruber, Dr
Hodina, Hollube, Illing, Jäkel, Jobst, Dr Kellner,
Knöchel, E. Köhler, Ing. Lischka, May, Dr Neu-
wirth, Nickerl, F. Nitsch, Dr Peters, Ing. Richter,
Sandner, Ing. Schreiber, Stangl, Wollner, Dr
Zippelius.

Státní tiskárna v Praze. - 4671-35.


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