Hohes Haus! Die Debatte zum Staatsvoranschlag sowohl im Budgetausschuß
als auch hier im Plenum war ein getreues Spiegelbild der politischen
Strömungen in unserem Staate. Damit hat unser Parlamentarismus
erneut eine wichtige Funktion der Demokratie erfüllt. Es
ist sowohl die Mehrheit als auch die Opposition hier von der Tribune
des Landes in ausgiebigster Weise zu Worte gekommen. In der Debatte
zum Staatsvoranschlag nahm diesmal das nationalpolitische Problem
einen außerordentlichen breiten Raum ein. Es ist bei so
manchem Zuhörer der Eindruck zurückgeblieben, daß
das Trennende vielfach allzu stark betont wurde und das Verbindende
manchmal in den Hintergrund getreten ist. Vielleicht ist nu nmehr
gegen Abschluß der Budgetdebatte zu diesem Punkt ein erklärendes
Wort notwendig.
Ich möchte sagen: Wir dürfen uns nicht gegenseitig in
einen nationalen Verfolgungswahn hineinreden. Es darf nicht der
Eindruck entstehen, als ob alle Èechen nur darauf lauern,
die Deutschen dieses Landes an die Wand zu drücken und es
darf auch auf èechischer Seite nicht der Eindruck erweckt
werden, als ob alle Deutschen dieses Landes darauf eingeschworen
sind, den Staat zu zerstören und jedes positive Verhältnis
zum èechischen Nachbarvolke abzulehnen. In den nationalpolitischen
Auseinandersetzungen das ist meine Überzeugung - dürfen
die höheren sittlichen Gesichtspunkte nicht verlorengehen.
Es sind Schicksalsfragen vor uns aufgerollt, die Deutsche und
Èechen gleichermaßen tangieren.
Eine dieser Schicksalsfragen lautet: Wie lange noch halten wir
und unsere Nachbarn das heutige Wettrüsten aus? In aller
Anerkennung der besonders für unser Land gegebenen Zwangsläufigkeiten
müssen wir uns dessen klar bewußt sein, daß das
heutige gigantische Wettrüsten eine gewaltige Fehllenkung
der Kräfte der Völker, eine unerhörte Fehlinvestition
des nationalen Wohlstandes und ich möchte hinzufügen,
auch eine tragische Unterbrechung der wirtschaftlich sozialen
Aufbauarbeit bedeutet. Die europäische Entwicklung treibt
der Alternative entgegen, ob die Lasten des bewaffneten Friedens
bis zur Schwelle eines neuen Krieges weitergeschleppt werden sollen
oder ob es möglich ist, vorher noch eine umfassende Friedenregelung
zu finden. Es scheint mir eine unbestreitbare Tatsache zu sein,
daß ohne eine neue Friedenslösung sei es im Zustande
des bewb affneten Friedens, sei es im Katastrophenfalle eines
neuen Krieges unser Kontinent immer mehr ins Hintertreffen kommommen
muß. Wir leben in einer geschichtlichen Periode der anscheinend
freiwilligen Abdankung Europas in der Weltpolitik.
Der sogenannte Antikomintern-Pakt ist eine Etappe dieser Entwicklung.
Er bietet Japan die erwünschte Rückendeckung für
einen Raubkrieg gegen das chinesische Volk und ich wage zu sagen,
es ist weder vom sudetendeu tschen noch vom èechoslovakischen
oder europäischen Standpunkt einzusehen, welchen Gewinn uns
diese Rückendeckungspolitik gegenüber dem japanischen
Raubkrieg bringen soll. Gelingt es Japan, die militä rische
Kraft und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des chinesischen
400-Millionen-Volks zu organisieren, dann hat der europäische
Industrialismus seine Rolle in der Weltwirtschaft ausgespielt.
Es ist auch nicht einzusehen, wvarum die Sudetendeutschen Freude
an einer Bedrohung der Sowjetunion empfinden sollen, welche das
zwangsläufige Ergebnis der Dreieckpolitik Berlin-Tokio-Rom
erscheint. Mag man zu Rußland stehen wie immer, Rußland
wrd einer der wichtigsten Märkte der Zukunft sein, auch für
unsere èechoslovakische und sudetendeutsche Industrie.
Mag man das System drüben ablehnen oder anerkennen, niemand
kann bestreiten, daß das gewaltige aufstrebende russische
Volk in aller Zukunft eine große politische und ökonomische
Rolle zwischen Europa und Asien spielen wird.
Darum legen wir unter Hinweis auf die Erklärung des Herrn
Henlein in Franzenssbad, die seine Partei als drittgrößte
antibolschewistische Einheit proklamiert, von dieser Stelle aus
schärfste Verwahrung dagegen ein, daß im Namen des
Sudetendeutsch tums eine projapanische, eine antieuropäische
und damit auch eine antideutsche Politik gemacht wird.
Eine weitere Frage, die in der Debatte aufscheint und nach Beantwortung
heischt, ist das Verhältnis Englands zu Zentraleuropa. Wieder
möchte ich dafdafür plaidieren, daß wir ein richtiges
Mittelmaß der Betrachtung finden. Wir begrüßen
jedes aufrichtige und objektive Interesse englischer Kreise für
unsere Lebensfragen in der tiefen Überzeugung, daß
ohne die tatkräftige Mitwirkung Englands der Friede auf dem
Kontinente nicht zu retten ist. Auf der andern Seite möchte
ich davor warnen, daß wir vielleicht die ganze Konzeption
der sudetendeutschen Politik auf irgend welche englische Zeitungsstimmen
aufbauen. Wir würden damit einem Feldherrn gleichen, der
seine Armee über dünnes Eis führt, welches jede
Minute zerschmelzen oder einbrechen kann. Ein Beispiel für
die Aufgabe, die Dinge nüchtern abzuschätzen, scheint
mir der vielzitierte Artikel der "Times" zu sein, der
vor kurzer Zeit erschien. Die "Times" schreiben, daß
die französische Politik, obwohl sie gewisse Verpflichtungen
übernommen hat, in keiner Weise auf ihre verhängnisvolle
Haltung festgelegt ist, die in der Vergangenheit dazu beigetragen
hat, die Weimarer Republik zu vernichten. Diese Stimme der "Times"
hätte wahrscheinlich größ eres moralisches Gewicht,
wenn dieses große englische Blatt eine so mutige Sprache
geführt hätte, solange die Weimarer Demokratie noch
zu retten war, so lange nicht Deutschland auf die Bahn einer neuen
Rüstungspolitik getrieben wurde. Auch gilt es heute festzustellen,
daß das offizielle England in den ersten Jahren der Nachkriegszeit
Fragen des kontinentalen Minderheitenschutzes zi emlich gleichgültig
gegenübers tand, obwohl es mit seiner Unterschrift an den
Vertrag zum Schutze der Minderheiten gebunden ist. England hat
auch hier seine Initiative vermissen lassen, solange in einer
ganz anderen europäischen Atmosphäre die Lösung
ziemlich leicht zu finden war. Wir haben auch gesehen, daß
die Danziger antinazistis che Mehrheit preisgegeben wurde, wir
haben erlebt, daß kein Hahn der österreichischen Demokratie
nachgekräht hat, als sie blutig niedergerungen worden ist.
Jetzt besteht kein Anlaß, an dem guten Willen weiter englischer
Kreise zu zweifeln, an der Befriedung Zentraleuropas mitzuhelfen.
Doch es drängt mich als sudetendeutschen Politiker, die Frage
aufzuwerfen, wie lange das britische Interesse für Zentraleuropa
und für unsere engeren Probleme andauern wird. Konkret gesprochen,
ich werfe die Frage auf: Wird sich der Kreis um die "Times"
auch dann noch für die Sudetendeutschen interessieren, wenn,
theoretisch angenommen, ein Abkommen Berlin-Prag zustandekommen
sollte, bei welchem die Lebensinteressen der Sudetendeutschen
den außenpolitischen Interessen des Dritten Reiches geopfert
werden? Die Frage lautet also, ob von der Èechoslovakei
Konzessionen an das Recht, oder Konzessionen an die kriegsdrohende
Gewalt gefordert werden.
Ein weiteres Problem, das ich noch kurz streifen möchte,
ist das Verhältnis der Sudetendeutschen zum Reiche. Nüchterne
Erwägung muß uns sagen, daß wohl kein Jota der
außenpolitischen Reichsinteressen für die sudetendeutschen
Lebensinteressen und Lebensrechte geopfert werden wird. Geben
wir uns in dieser Hinsicht keinen Illusionen hin. Wir haben unlängst
den Abschluß des deutsch-polnischen Minderheitenabkommens
erlebt, welches die "Zeit" als "weitgehendes Abkommen"
bezeichnet hat. Im Text dieser Vereinbarungen, den ich im Wortlaut
nicht vorzulesen brau che, weil er bekannt ist, werden derart
grundstürzende Abmachungen getroffen, des Sinnes, daß
die Deutschen Polens untereinander deutsch reden und schreiben
dürfen. Es wird das Recht der Minderheiten statuiert, daß
sie eigene kulturelle und wirtschaftliche Organisationen gründen
dürfen, daß sie sich selbst Schulen erhalten dürfen
und in ihren Versammlungen die Muttersprache gebrauchen können.
Das hat die "Zeit", das Organ der Sudetendeutschen Partei,
als weitgehendes Minderheitenabkommen bezeichnet. Wir verzichten
auf eine solche Unterstützung aus Deutschland, die uns Errungenschaften
derartigen Ausmaßes brächte. Gegen das deutsch-polnische
Minderheitenabkommen, welches die "Zeit" als weitgehend
bezeichnete, ist der vielgelästerte 18. Feber wohl eine große
nationale Tat.
Sie werden einwenden, er ist noch nicht verwirklicht. Sie wissen
auch nicht, was Polen und Deutschland von diesem Abkommen verwirklichen
werden. Jedenfalls darf ich sagen, daß wir als sudetendeutsche
Aktivisten aus eigener Kraft mehr erreicht haben als jene deutschen
Minderheiten, die sich auf die Hilfe Berlins verlassen haben.
(Výkøiky.) Hohes Haus! Solange uns kein besseres
Erfolgsbeispiel vorgehalten wird, sind wir entschlossen, den Weg
unserer aktivistischen Realpolitik fortzusetzen. Wir erwarten
von der Sudetendeutschen Partei keine Unterstützung. (Výkøiky
poslancù strany sudetskonìmecké: Nein! Nein!)
Wir erwarten kein Verständnis und keine Objektivität
von ihr. Aber wir fordern von ihr eines, daß sie die Sache
unseres Volkes nicht durch Jonglieren mit Prinzipien diskreditieren
solle.
Es sitzen in den Bänken der Sudetendeutschen Partei Gäste
des Nürnberger Parteitages (Výkøiky. -
Místopøedseda Langr zvoní.), die hier
von dieser Tribune aus als Verfechter der Humanität, als
Pioniere einer klassischen Demokratie auftreten. (Hluk. -
Místopøedseda Langr zvoni.) Die Gastdelegierten
des Nürnberger Parteitages ersterben in Ehrfurcht vor der
Politik, die jede Selbstverwaltung und jede Wahlfreiheit kassiert
hat. Bei uns aber sollte nach ihrer Meinung am liebsten Tag und
Nacht gewählt werden. (Výkøiky.) Sie
lieben und bevorzugen Wahlen mit ausländischer Einmischung,
verschönert durch die. Teplitz-Schönauer Katzenmusik.
Demgegenüber reklamieren wir das Notwehrrecht der Demokratie.
Nach innerpolitischen Gesichtspunkten zu wählen sind wir
jeden Tag bereit. Die Demokratie ist aber nicht verpflichtet,
ihren Gegnern Vorwände für Reichstagsbrändeleien
zu bieten. (Výkøiky.)
Es ist ein Schauspiel für Götter, meine Herren von der
Sudetendeutschen Partei, wenn die gleichen Leute für das
heilige Recht der Opposition streiten, die es selbstverständlich
finden, daß im angebeteten Nachbarreiche die Opposition
zum Richtblock geschleift oder ins Konzentrationslager geworfen
wird. (Výkøiky.) Als eine besondere Sensation
haben es die Pioniere der Totalität empfunden, daß
auch einige Sprecher der deutschen Regierungsparteien in der Budgetdebatte
sich kritische Feststellungen erlauben konnten, ohne daß
ein 30. Juni in Funktion trat. (Výkøiky: Aber
beschlagnahmt wurde es!) Ich kann mich nicht beschweren.
Meine Herren! Aus diesem Anlaß wurde ich auch einigemale
in der Debatte von Kollegen der Sudetendeutschen Partei zitiert
und ich wiederhole das als Antwort, was ich unlängst im Budegtausschuß
sagte: Die Herren von der Sudetendeutschen Partei müssen
sich endlich entscheiden, ob sie mich nach der Diktion der "Zeit",
die hier in holder Eintracht mit dem "Völkischen Beobachter"
vorgeht, als einen èechischen Agenten hinstellen, oder
ob Sie mich als sudetendeutschen Kronzeugen reklamieren sollen.
(Posl. Birke: Warum treten Sie dann gegen ein eventuelles Bündnis
mit Berlin auf?) Zu einem Bündnis gehören zwei,
die den Frieden wollen. Aber ein Bündnis zwischen einem,
der den Frieden will und einem, der den Krieg will, ist nach unserer
Überzeugung nur eine Augenauswischerei.
Meine Damen und Herren! Ich habe nicht die geringste Neigung dazu,
als Kronzeuge der Sudetendeutschen Partei zu fungieren, weil ich
wohl den Mut habe, nach der èechischen Seite hin meine
Meinung auszusprechen, weil ich mich aber niemals dazu hergeben
werde zu verleugnen, daß der deutsche Mensch hierzulande
noch immer mehr Freiheiten genießt als in Deutschland, in
Danzig, in Österreich, in allen Ländern Europas, mit
Ausnahme der demokratischen Schweiz. (Potlesk.) Hier gibt
es noch Pressefreiheit, hier gibt es noch Organisationsfreiheit,
hier gibt es noch Streikfreiheit, hier gibt es Freiheit des Geistes
und des kulturellen Schaffens. Hier gibt es noch rechtsstaatliche
Sicherungen der Einzelpersönlichkeiten. (Výkøiky:
Freiheit des Geistes!) Ich weiß nicht, mein sehr verehrter
Herr Kollege, was Sie unter Geist verstehen! (Veselost.) Gewiß,
die Demokratie hat Mängel, die wir nicht leugnen. Aber andererseits
darf ich wohl sagen, daß Sie gewisse Gebrechen des autoritären
Regimes heute am eigenen Parteikörper studieren können.
In Böhm. Leipa sitzt in diesen Tagen das Führerprinzip
auf der Anklagebank. Nicht diese armen jungen Leute sind schuldig,
sondern diejenigen sind schuld, die in vollem Bewußtsein
der unglücklichen Veranlagung solche Menschen zu Jugendführern
bestellt haben. (Potlesk. - Výkøiky: Das
ist die Partei der Sauberen und Anständigen!) Schauen
Sie, wenn ich gut unterrichtet bin, hat ja heute wiederum ein
Kollege von der Sudetendeutschen Partei Abschied genommen. Koll.
Wagner, der in diesen Tagen aus dem Parlamentsklub der
SdP ausgeschieden ist (Hört! Hört!), hat wohl
die Überzeugung gewonnen, daß er sich ohne die Führung
Konrad Henleins in der èechoslovakischen Politik besser
durchfindet.
Daraus möchte ich zum Schlusse noch eine Folgerung ziehen:
Keine Partei, kein Volk kann einen totalitären Anspruch darauf
erheben, allein Vernunft, Sauberkeit und Wahrhaftigkeit gepachtet
zu haben. Immer wird in diesem Lande ein Bündnis der vernünftigen,
der besonnenen, der anständigen Menschen beider Völker
notwendig sein. Wir quittieren daher mit Genugtuung, daß
sowohl in der Resolution des Budgetausschusses als auch in den
Erklärungen der Sprecher der großen èechischen
Parteien die Prinzipien des 18. Feber vorbehaltlos akzeptiert
wurden. (Posl. Kundt: Die Zeminová und Herr Ježek
waren vorbehaltlos?) Schauen Sie, den Herrn Koll. Ježek
werden Sie mir nicht anhängen. Das hat uns in unserer Überzeugung
bestärkt, daß das nationalpolitische Problem aus dem
Stadi um der Diskussion in das Stadium der praktischen Lösung
hinübergebracht werden konnte und die SdP wird noch manchen
Vorwurf gegen die sogenannten Splitterparteien zurücknehmen
müssen, sobald die Grundsätze der Resolution, für
die auch Sie im Budgetausschuß gestimmt haben, praktisch
durchgeführt werden.
Gestatten Sie mir, nachdem ich einigemale die Ehre hatte, von
Kollegen der SdP zitiert zu werden, zum Abschluß zur Unterstützung
und zur Bekräftigung meines Optimismus ein Wort meines Koll.
Rosche zu zitieren, welches ich zu meinem Erstaunen aus
der "Zeit" entnehmen konnte (ète): "Jeder
würde irren, wenn er auf die Wiederkehr eines bürgerlich
kapitalistischen Liberalismus warten würde. Die Zeit reift
unbedingt für den humanitären Sozialismus." Ich
bin tief überzeugt, daß Koll. Rosche gegen Sie
recht behalten wird. (Potlesk.)