Úterý 15. prosince 1936
Hohes Haus! Bevor ich zum Eisenbahngesetz Stellung nehme, habe
ich eine kleine Sache vorzutragen. Es hat am Mittwoch, den 9.
Dezember d. J., Herr Minister Zajièek im Klub "Pøítomnost"
in Prag gesprochen und unter anderem gesagt (ète):
"Von einem Bündnis mit der SdP. kann nicht die Rede
sein. Es kann aber nicht gleichgültig sein, wenn eine so
große Partei in die Opposition hineingetrieben wird. Eine
Einheitsfront hat eine staatspolitische Aufgabe zu lösen,
und zwar die, die große Masse der SdP. für den Staatsgedanken
zu gewinnen. Leider ist das nicht gelungen. Wir tragen aber nicht
die Schuld daran." Wir fordern den Herrn Minister Zajièek
von dieser Stelle aus auf, diese Behauptungen in aller Öffentlichkeit
zu widerrufen. Geschieht diese Widerrufung nicht, so halten wir
uns für berechtigt, sie als bewußte niederträchtige
Verleumdung der Mitglieder und Wähler der Sudetendeutschen
Partei zu betrachten.
Meine Herren! Zum neuen Eisenbahngesetz selbst möchte ich
bemerken, daß es kaum jemanden geben dürfte, der diese
neue Vorlage nicht begrüßt, weil sie geeignet ist,
in einer bestimmten Richtung einem unerquicklichen Zustande ein
Ende zu machen. Das neue Gesetz soll die bisher gültigen
Rechtsnormen aus verschiedenen Gesetzen und Verordnungen, die
teilweise noch der verstaubten Kinderzeit der Eisenbahn entstammen,
vereinheitlichen und zusammenfassen und dem neuen Stand des Eisenbahnwesens
anpassen. Über die Notwendigkeit eines solchen Gesetzes ist
sich wohl alles im klaren, ebenso auch über die Wichtigkeit
desselben, nicht nur für den Staat, sondern für die
gesamte Wirtschaft des Staates. Umsomehr wäre es wünschenswert
gewesen, wenn es vorher genauer überprüft und beraten
hätte werden können. Es muß vor allem bemängelt
werden, daß man den großen Wirtschaftsfaktoren keine
hinreichende Möglichkeit bot, zu diesem neuen großen
und wichtigen Gesetz eine entsprechende Stellung nehmen zu können.
Hier liegt ein Mangel vor, der wohl bei allen Gesetzen, die neu
herausgebracht werden, festgestellt werden kann. Es wird da in
irgendeiner Kanzlei oder von irgendeiner staatlichen Kommission
her ein neues Gesetz ausgearbeitet und aufgestellt, an dem oft
jahrelang gearbeitet wird. Dann werden, wenn es hoch kommt, ein
paar nicht zu umgehende Faktoren eingeladen, bei peinlicher Befristung
dazu Stellung zu nehmen, worauf es im bekannten Gang durch die
Ausschüsse getrieben wird und im hohen Haus selbst die letzte
Weihe bekommt. Die Bevölkerung, die Wirtschaft usw. haben
das neue Gesetz zur Kenntnis zu nehmen, so wie es geraten oder
nicht geraten ist; und wenn es sich als mangelhaft erweist, dann
kann man dann noch im angenehmen Wege der Regierungsverordnung
dem Gesetz den letzten Schliff erteilen.
Einer der Hauptmängel beim Eisenbahngesetz besteht wohl darin,
daß es im Schosse des Eisenbahnministeriums das Licht der
Welt erblickte, nicht aber im Rahmen jenes Ministeriums ausgearbeitet
wurde, das die èechoslovakische Gesetzgebung eigentlich
vorsieht, nämlich des sog. heute schon etwas sagenhaft gewordenen
Verkehrsministeriums. Bei dieser Feststellung stoßen wir
bereits auf einen Hauptfehler des Gesetzes, denn obwohl die Eisenbahnen
nur einen Teil, wenn auch einen wichtigen, innerhalb des großen
Bereiches des Verkehrs darstellen, geschieht ihre gesetzliche
Regelung nicht innerhalb dieses Bereiches, sondern unabhängig
davon ohne Rücksichtnahme auf andere Verkehrsarten, Beförderungsmittel
u. dgl. Dadurch gelangt das Eisenbahnwesen selbst zu einer beispiellosen
Sonderstellung im Staate, die oftmals mit der natürlichen
Entwicklung des Verkehrswesens nicht im Einklang stehen wird.
Am 24. Oktober 1933 wurde vor einer Sondersitzung des Verkehrsausschusses
der Kammerzentrale über dieses Gesetz beraten, und der Vertreter
des Eisenbahnministeriums hat dann gegenüber den Einwendungen
der betreffenden Ausschußsitzung erklärt, das neue
Gesetz werde die Brücke zum vorgesehenen Verkehrsministerium
bilden. Die Art des neuen Gesetzes aber läßt befürchten,
daß gerade mit ihm das Verkehrsministerium als Projekt endgültig
begraben wurde. Das Eisenbahnministerium als die oberste Eisenbahnverwaltungsbehörde
erhält durch das Gesetz eine so unerhört bevorzugte
und absolute Stellung im Staat, daß dieselbe kaum mehr erhöht
werden kann. Es stellt nach dem neuen Gesetz eine absolut autonome
Behörde dar, die keine Instanz mehr über sich kennt,
und wir sehen darin eine große Gefahr für die natürliche
Entwicklung des gesamten Verkehrswesens, weil dieselbe durch dieses
Gesetz wohl gehemmt, aber kaum gefördert werden kann. Die
Kompetenz des Eisenbahnministeriums als der obersten Verwaltungsbehörde
geht nach diesem Gesetz wohl viel zu weit, und bei einer gesunden
Regelung wäre es unmöglich, daß die Eisenbahnbehörde
in verschiedenen Fällen Richter und Partei in einer Person
zu sein vermag, und daß hier unparteiische Entscheidungen
kaum erwartet werden können, dürfte wohl allen klar
sein.
Die Unangreifbarkeit der Eisenbahnbehörden ist auch daraus
ersichtlich, daß der Instanzenzug der ordentlichen Gerichte
fast völlig ausgeschaltet erscheint, und willkürlich
zusammengesetzte Kommissionen, die Bezirksbehörden oder die
Eisenbahnverwaltungsbehörden selbst bestimmen, fast in allen
Fällen, allein ohne irgendeine Hinzuziehung der beteiligten
Faktoren.
Im neuen Eisenbahngesetz heißt es z. B. immer wieder: "Wenn
keine Einigung erzielt werden kann, so entscheidet die Eisenbahnverwaltungsbehörde."
Hier muß gefragt werden: "Wo bleiben die ordentlichen
Gerichte als die natürlichen und notwendigen Wahrer der Ansprüche
und Rechte der Staatsbürger?"
Wenn auf der einen Seite das Gesetz einen gewissen Fortschritt
bedeutet, der ohne Zweifel nicht geleugnet werden kann, so stellt
es doch auf der anderen Seite einen gewissen Rückschritt
dar, weil es die Stellung der Eisenbahnen in einer so weitgehenden
Weise stabilisiert, daß es zu einer künstlichen Erstarrung
der Verhältnisse im öffentlichen Verkehrswesen führen
muß.
Das neue Gesetz stellt damit keine Lösung des großen
Problems "Verkehr" dar, sondern versucht vielmehr, die
überragende Stellung der Eisenbahnen und der Eisenbahnbehörden
noch weiter zu stärken und zu gleicher Zeit zu verewigen.
Obwohl z. B. niemand entscheiden kann, ob im Verkehrswesen die
Zukunft der Eisenbahn oder der Straße gehören wird,
vorläufig aber jedenfalls festgestellt werden kann, daß
die Straße und die Verkehrsmittel der Straße an Bedeutung
von Jahr zu Jahr gewinnen, ist im Eisenbahngesetz selbst eine
Entscheidung vorweg getroffen worden, indem man den Ei senbahnen
auf gesetzlichem Wege eine fast unangreifbare Sonderstellung im
Staate erzwingt.
Es hätte eine hervorragende Tat sein können, wenn man
versucht hätte, das Verkehrsproblem als ganzes aus seiner
ungemein bürokratischen Erstarrung und Verkalkung herauszureißen
und es wieder mitten in den Fluß der lebendigen Entwicklung
zu stellen, um es von hier aus nach neuen Gesichtspunkten und
innerhalb des Problems des gesamten Verkehrs zu regeln. Statt
dessen haben die Gesetzgeber hundertfache Möglichkeiten geschaffen,
die Entwicklung im allgemeinen Verkehrswesen zu hemmen und im
Bereich der Eisenbahnen selbst zu einer noch stärkeren Bürokratisierung
zu treiben. Der Faktor der Wirtschaftlichkeit der Eisenbahnen
erscheint dabei viel zu wenig berücksichtigt, aber dafür
strotzt das Gesetz von Bestimmungen, welche die Stellung der Eisenbahnbehörden
unangreifbar machen sollen. Es ist dies umso unbegreiflicher,
als allgemein bekannt ist, daß die Eisenbahnen ein in jeder
Hinsicht passives Unternehmen darstellen, das immer wieder aus
den Mitteln und Erträgnissen der freien Wirtschaft gespeist
werden muß, um überhaupt aufrecht erhalten zu werden.
Die Wirtschaft selbst, die hier eine so ungeheuere Bedeutung auch
für die Eisenbahnen besitzt, ist unmittelbar bei der Abfassung
dieses Gesetzes nicht berücksichtigt worden. Während
der Eisenbahnverwaltungsbehörde in fast allen Fällen
ein absolutes Entscheidungsrecht eingeräumt wurde, so daß
sie in erster und letzter Instanz zu entscheiden vermag, wurde
sie auf der anderen Seite von allen irgendwie drückenden
Verpflichtungen weitgehend befreit, soweit es überhaupt möglich
war.
Es heißt z. B. im § 47, Abs. 1, daß der Eigentümer
einer Kommunikation muß der Bahn die Kreuzung derselben
gestatten, wobei die Bahn auf dieselbe möglichst Rücksicht
nehmen soll. Hier hätte es heißen müssen: "daß
die Bahn auf diese Kommunikation unbedingt Rücksicht nehmen
muß," denn eine Kommunikation kann genau so wichtig
sein wie die Bahn selbst. So wie hier ist es aber auch in anderen
Fällen, z. B. im § 49, Abs. 2, wo es heißt: "Überfahrten
und Kreuzungen sind nur dann zu errichten, wenn es unumgänglich
notwendig ist." Wer bestimmt hier die unumgängliche
Notwendigkeit? Die Eisenbahnverwaltungsbehörde. Nicht irgendeine
neutrale Stelle, sondern die Eisenbahnbehörde selbst, die
hier unmittelbar beteiligt ist. So geht es durch das ganze Gesetz,
die Eisenbahnverwaltungsbehörde bestimmt, die Eisenbahnverwaltungsbehörde
entscheidet, sie kann, aber sie muß nicht. Dabei wird die
Sache noch spannungsreicher durch den Umstand, daß das Eisenbahnministerium
von einer Partei verwaltet wird, von der die anderen èechischen
Parteien behaupten, daß sie auch auf dem Gebiet der Eisenbahnen
eine Parteibuch-Protektionswirtschaft eingeführt hätte,
die bereits unerträglich geworden ist.
Wir können uns hier nicht mit allen Teilen dieses umfangreichen
Gesetzes beschäftigen, aber wir wollen noch besonders jene
Gebiete herausgreifen, die stark an die nationalpolitischen Bereiche
angrenzen. Da ist z. B. der § 73, der bestimmt, daß
bei den Bahnen nur èechoslovakische Staatsbürger mit
Kenntnis der Staatssprache angestellt werden können. Da im
Gesetz und Motivenbericht an mancher Stelle die Rede im Sinne
eines Dienstes am Kunden ging, haben wir uns erlaubt, einen Zusatzantrag
einzubringen, demzufolge jene Eisenbahner, die im Sprach- oder
Verkehrsgebiet nicht èechischer Völker ihren Dienst
verrichten, die Sprache der betreffenden Bevölkerung hinlänglich
beherrschen sollen. Dieser Antrag ist in den Ausschüssen
nach der bekannten demokratischen Methode abgelehnt worden.
Wir haben darüber aber neue Anträge im Plenum eingebracht.
Es gibt zwar Versprechungen von Seiten des Herrn Eisenbahnministers,
z. B. aus der letzten Sitzung des Verkehrsausschusses, daß
den Bedürfnissen der nationalen Minderheiten weitergehend
als bisher entsprochen werden wird. Aber es scheint uns eine schlechtes
Omen zu bedeuten, daß man sich trotzdem nachdrücklichst
weigert, auch nur eine entsprechende Bestimmung im Gesetz zu verankern.
Also die bisherige Praxis: wohl Versprechungen, aber auch nicht
die geringste gesetzlich verankerte Verpflichtung.
Ähnlich liegt die Sache auch im § 111. Auch er versucht
den nationalen Minderheiten oder dem reisenden Publikum in verschiedener
Hinsicht, vor allem wohl in sprachlicher Hinsicht entgegenzukommen
und bestimmt z. B., daß der Bahnbetrieb in den Grenzen der
technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten und Zweckmäßigkeiten
so zu gestalten sei, daß die Bahn ihren Bestimmungen im
Sinne der Rücksich tnahme auf das öffentliche Interesse
und unter besonderer Berücksichtigung der Sich erheit, Regelmäßigkeit
und Ungestörtheit des Betriebes nachkommen kann.
Hier muß aber wieder gesagt werden: Wer bestimmt die Grenzen
der technischen und wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit?
Die Eisenbahnverwaltungsbehörde selbst, nicht irgendeine
neutrale Instanz. Also die Behörde im eigenen Wirkungskreis,
wozu sie gesetzlich nicht genau und bestimmt verpflichtet erscheint.
Es gibt nirgends eine klare Bestimmung, nirgends eine gesetzliche
Bestimmung, keine Erwähnung der Sprachenrechte usw., nur
Worte, deren Realisierung davon abhängt, wieweit man die
Grenzen der technischen oder wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit
zu ziehen gedenkt. Also überall bleibt alles dem freien Ermessen
überlassen, den Behörden, der Bürokratie und wahrscheinlich,
so wie es bisher in vielen Fällen war, dem Chauvinismus.
Um nun der èechischen Seite eine angenehme Gelegenheit
zu bieten, angesichts dieses neuesten Gesetzes den Beweis zu erbringen,
daß es ihren Staatsmännern tatsächlich ernst ist
mit den versprochenen weitgehenden Befriedigungen der nationalen
Wünsche der nichtèechischen Völker dieses Staates,
haben wir einen Resolutionsantrag im Hohen Hause eingebracht,
der zum § 73 Stellung nimmt und besagt (ète):
1. Die Einstellung von neuen Arbeitskräften der Kategorien
Arbeiter, Bedienstete und Beamte in Unternehmungen oder Betrieben
der èechoslovakischen Eisenbahnen ist in entsprechender
Weise öffentlich kundzumachen und kann nur auf Grund von
Meldungen, die im Wege der öffentlichen Ausschreibung erfolgten,
vorgenommen werden.
Im gleichen Sinne ist der Öffentlichkeit bekanntzugeben,
wann und an wen die betreffenden Stellen zur Vergebung gelangten.
Jede öffentliche Kundmachung hat auch in der Sprache jener
Bevölkerung zu erfolgen, in deren Wohngebiete die ausgeschriebenen
Stellen zur Besetzung gelangen.
2. Bei der Besetzung freier Stellen in den Betrieben oder Unternehmungen
der èechoslovakischen Eisenbahnen sind von den im Wege
der öffentlichen Ausschreibung Gemeldeten jene in erster
Linie zu berücksichtigen, die neben der erforderlichen fachlichen
und sprachlichen Eignung jener Bevölkerung angehören,
in deren Sprach- und Siedlungsgebiet die betreffenden Stellungen
zur Besetzung gelangen. Bei der Besetzung solcher Stellen ist
der nach der letzten Volkszählung gültige nationale
Schlüssel des betreffenden Gebietes zu berücksichtigen,
und zwar in allen drei Kategorien, der Arbeiter, Bediensteten
und Beamten.
3. Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rasse, Nation oder
Religion, oder die Mitgliedschaft zu einer öffentlich zugelassenen
Partei darf kein Hindernis für eine Anstellung oder Vorrückung
im Eisenbahndienst bilden oder Grund zu einer Versetzung oder
vorzeitigen Pensionierung oder Entlassung sein.
4. Soweit Bedienstete oder Beamte im èechoslovakischen
Eisenbahndienst im Wege einer Versetzung in das Sprach- oder Siedlungsgebiet
eines anderen als des eigenen Volkes übersiedeln mußten,
sind über Wunsch der Betroffenen diese Versetzungen innerhalb
einer Frist von längstens zwei Jahren wieder rückgängig
zu machen, wobei denselben keinerlei Nachteile im Dienst, in der
normalen Vorrückung oder in den Dienstbezügen erwachsen
dürfen.
Bei diesem Resolutionsantrage wie auch bei unseren anderen Anträgen
hoffen wir zugleich auch den deutschen Regierungsparteien eine
willkommene Gelegenheit zu bieten, in der jetzt anscheinend so
günstigen Atmosphäre allgemeiner Versöhnungsbereitschaft
unter Beweis stellen zu können, daß es ihnen auch in
ihrer Eigenschaft als Regierungsparteien nur um die Vertretung
und Durchsetzung der sudetendeutschen Lebensforderungen geht.
Wir machen sie deshalb bei dieser Gelegenheit auf diese Anträge
besonders aufmerksam, um zugleich von vornherein dem Vorwurf zu
begegnen, daß wir bei diesen Anträgen an einer Unterstützung
derselben durch die deutschen Regierungsparteien nicht interessiert
gewesen wären.
Ich habe mit diesen Resolutionsanträgen zugleich ein Gebiet
beschritten, auf dem wir seit Jahren gegen das rücksichtslose
System der Benachteiligung der Deutschen im Staatsdienst ankämpfen.
Wenn wir die Verhältniszahlen der deutschen Eisenbahner zur
Zahl der gesamtstaatlichen Eisenbahner vergleichen, so finden
wir, daß dieselbe bei etwa 10 bis 11% liegt, anstatt nach
dem nationalen Verhältnis bei 22.3%. Wenn wir dabei gleichzeitig
die geheime Tendenz des neuen Gesetzes berücksichtigen, die
keineswegs anders ist als die Tendenz bisheriger Gesetze, so ahnen
wir wohl etwas von der Ehrlichkeit, mit der an eine wirkliche
Befriedung der nichtèechischen Völker dieses Staates
herangegangen werden dürfte.
Im ganzen Eisenbahngesetz gibt es nicht einen einzigen Punkt,
der die Eisenbahnbehörden gegenüber den nichtèechischen
Völkern dieses Staates zu einem bestimmten fest umrissenen
Entgegenkommen verpflichten würde. Nachdem dieses Gesetz
in unveränderter Tendenz in einer Zeit dem Hause vorgelegt
wird, die schwanger ist von Versprechungen führender Staatsmänner
bezüglich einer baldigen Befriedigung der Wünsche der
sog. Minderheiten, läßt sich an diesem Gesetz wie an
einem Barometer die Hoffnung feststellen, die wir gegenüber
diesen Versprechungen hegen dürfen.
Man hat wohl, wenn wir die letzten Erklärungen èechischer
Staatsmänner ernst nehmen dürfen, nicht umsonst mit
der Inangriffnahme dieses Problems der nationalen Minderheiten
und der nationalen Fragen überhaupt solange gewartet, bis
die Scheidung der èechoslovakischen Staatsbürger in
staatlich verläßliche und staatlich unverläßliche
ihren gesetzlichen Niederschlag gefunden hat. Durch diese Scheidung
soll wohl die Möglichkeit geschaffen werden, den Rechtsanspruch
geschlossener Volksgruppen auszuschalten und zu einem bloßen
Rechtsanspruch des Einzelnen zu machen, der dann als relativ von
verschiedenen Umständen abhängig gemacht werden kann.
Man scheint sich in keiner Weise der großen Gefahr bewußt
zu sein, die in dieser willkürlichen Scheidung der Staatsbevölkerung
in zwei Lager verborgen liegt. Diese Aufteilung der Staatsbürger
in verläßliche und unverläßliche Bürger
halten wir für ebenso leichtsinnig wie verantwortungslos
und für ebenso dumm wie gefährlich. In der Außenpolitik
wehrt man sich verzweifelt gegen eine sog. Blockbildung unter
den europäischen Völkern und stellt dieselbe als große
Gefahr für den europäischen Frieden hin, aber innerhalb
des eigenen Staates nimmt man eine weitaus künstlichere und
gefährlichere Blockbildung vor, indem man die Staatsbevölkerung,
die ohnedies von Natur aus in verschiedenen nationalen Lagern
steht, noch künstlich aufteilt und zwei Gruppen von Staatsbürgern
schafft, unabhängig von jeder nationalen Herkunft.
Wenn nun der Eisenbahnminister am 20. November in der Budgetdebatte
meinte, für die staatlich unverläßlichen Deutschen
sei kein Platz im Staatsdienst, so fragen wir ihn heute, nach
welcher Methode er eigentlich die Deutschen in staatlich verläßliche
und staatlich unverläßliche Bürger einteilt und
welche Sicherheit seine Methode vor den Faktoren Irrtum und Chauvinismus
besitzt. Wenn er die fortdauernde Verdrängung der Deutschen
aus dem Eisenbahndienst damit zu begründen oder zu entschuldigen
sucht, daß er meint, es würde in einer kritischen Stunde
genügen, einen Zug falsch zu dirigieren, was zu schweren
Folgen führen könne, so fragen wir ihn, ob diese Gefahren
auch bei jenen Bediensteten bestehen, die überhaupt nichts
mit der Dirigierung von Zügen zu tun haben. Und wir fragen
weiter, ob diese Gefahr auch bei den Bahnhofsrestaurateuren und
Garderobefrauen besteht, bei denen doch die gleiche unerhörte
Ausschaltung der Deutschen beobachtet und festgestellt werden
kann. (Potlesk.)
An dieser Stelle soll mit allem Nachdruck gesagt sein, daß
wir jede Pauschalverdächtigung und jede Pauschalbenachteiligung
der Deutschen in diesem Staate auf das entschiedenste ablehnen
müssen. Das gilt nicht nur für das Eisenbahnwesen selbst,
sondern für den gesamten Staatsdienst überhaupt.
Was die Eisenbahnen als öffentliches Verkehrs- und Transportmittel
betrifft, so muß gesagt werden, daß dieselben nicht
nur eine Angelegenheit des èechischen Volkes, sondern vielmehr
eine Angelegenheit des ganzen èechoslovakischen Staates
darstellen, zu dem bekanntlich nicht nur das èechische
Volk, sondern auch andere Völker gehören, die damit
genau denselben Rechtsanspruch auf Stellen im Staatsdienste besitzen,
wie das sog. Staatsvolk. Wenn Sie unsere Forderung nach einer
entsprechenden Beschäftigung der Deutschen im Staatsdienst
mit der Frage nach Loyalität abtun wollen und verantworten,
so sagen wir Ihnen: Illoyalität besteht nicht dort, wo um
die Gleichberechtigung gekämpft wird, Illoyalität besteht
vielmehr dort, wo eine verfassungsmäßig garantierte
Gleichberechtigung vorenthalten wird. (Potlesk.)
Wenn Sie dauernd von einer Unteilbarkeit des Staates sprechen,
so ist es hoch an der Zeit, daß Sie begreifen, daß
die Unteilbarkeit des Staates in der Unteilbarkeit des Rechtes
ihren ersten und stärksten Ausdruck finden muß, vorausgesetzt,
daß ein Staat die Anerkennung aller anderen Völker
und nicht nur die Anerkennung durch ein bevorrechtigtes Volk beansprucht.
Wenn man uns zutraut, daß wir als Soldaten der èechoslovakischen
Armee dem Staate gegenüber unsere Pflich terfüllen -
und bis zum heutigen Tage kann man das Gegenteil noch nicht beweisen
- so können wir billigerweise verlangen, daß man uns
das Gleiche auch dort zutraut, wo es sich lediglich um die Ausfüllung
einer Arbeitsstelle im Staatsdienst handelt.
Es ist nicht unsere Schuld, daß dieser Staat als Vielvölkerstaat
gegründet wurde, und wenn Sie selbst diese Tatsache als unabänderlich
erklären (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda
Mlèoch.), so müssen Sie endlich einsehen, daß
die gleichverpflichtende Anerkennung des Staates durch alle Völker
in der gleichverpflichtenden Anerkennung aller Völker durch
den Staat hinsichtlich ihrer Lebensrechte und Entfaltungsmöglichkeiten
ihre selbstverständliche Antwort finden muß. (Potlesk
poslancù sudetskonìmecké strany.)