Hohes Haus! Der vorliegende Gesetzentwurf über die Sanierung
der Bruderladen entspricht zwar noch nicht den berechtigten Wünschen
der Bergarbeiter, er ist aber trotzdem zu begrüßen,
weil zu erwarten ist, daß er endlich die Bruderladenversicherung
auf gesunde Grundlagen stellt und damit die Möglichkeit schafft,
daß die Selbständigkeit der Bergarbeiterversicherung
gewahrt bleibt. Der Motivenbericht zum Gesetzentwurfe bestätigt
die von uns wiederholt festgestellte Tatsache, daß bei der
Bergarb eiterversich erung schon in ihren allerersten Anfängen
große Schwierigkeiten vorhanden waren, weil fast niemals
eine versich erungsmathematische Deckung der Renten und Anwartschaften
vorhanden war. Es konnten weder die durch das Berggesetz vom Jahre
1854 errichteten Werkbruderladen ihre statutarischen Verpflichtungen
erfüllen, noch konnten diese Mängel durch die sehr verspätete
Reform des Gesetzes im Jahre 1889 beseitigt werden. Schon damals
haben die Bergarbeiter eine Zusammenlegung aller Bruderladen verlangt,
um dadurch eine größere Leistungsfähigkeit herbeizuführen.
Sie hatten damals leider noch ni cht eine so starke organisatorische
Kraft, um diese Forderung auch durchzudrücken. Die tatsächliche
Zentralisierung der Bruderladen erfolgte daher erst in der Nachkriegszeit
durch das Gesetz Nr. 242 aus dem Jahre 1922, das jetzt zur Novellierung
steht und mit welchem die in unserem Staate bestandenen. 93 Bruderladen
zus ammengelegt wurden.
Wenn nun behauptet wurde und behauptet wird, daß seinerzeit
bei der Schaffung dieses Gesetzes die Bedeckungsfragen ungenügend
vorberaten wurden, so stimmt das nicht ganz. Das Gesetz hat die
Regelung der Bedeckung im Verordnungswege vorgesehen. Daß
das nicht so geschah, wie erforderlich, ist nicht Schuld der Bruderladen
oder des Gesetzes. Auch der Motivenbericht muß feststellen,
daß eine ganze Reihe anderer schwerwiegender Umstände
zur Verschuldung der Bruderladen beigetragen haben. So kam zu
der nicht günstigen Vorkriegssituation die aus der Kriegszeit
stammende Belastung durch die Kriegsversicherung sfälle,
für die. die Bruruderladen die Renten zahlen mußten,
ohne daß sie dafür einen Ersatz bekommen hätten.
Es kam dann die Inflation des Jahres 1919, durch die das Vermögen
der Bruderladen im allgemeinen auf ein Siebentel zus ammenschmolz.
Die in diesem Zusammenhang eingetretene Kaufkraftsenkung bedingte
auch eine Rentenerhöhung, die auch mit dem Gesetz Nr. 248
vom Jahre 1921 im Durchschnitt auf das Fünfeinhalbfache erfolgte.
Außerdem wurden bei der bereits erwähnten Vorlage über
die Vereinigung von 93 Bruderladen für die erworbenen Rechte
der Mitglieder keine ausreichende Deckung mitgebracht und für
die zu uns gekommenen Bergarbeiter aus der Slovakei, Karpathorußland
und Hultschin mußten die Renten angerechnet und ihre Rechte
anerkannt werden, ohne daß dafür eine Deckung vorhanden
gewesen wäre. Auch die verspätete Durchführung
des Gesetzes Nr. 242, die erst 1924 erfolgte, war darnach angetan,
die Situation nicht gerade zu erleichtern.
Das sind die Hauptgründe, die zur Verschuldung der Bruderladen
führten, und als 1926 bei der zentralen Bruderlade die ersten
größeren Abgänge entstanden, waren es wieder unsere
Bergarbeiterorganisationen, die mit allem Nachdruck die Sanierung
der Bruderladen-Versicherung verlangten. 1927 wurde auch von der
damaligen Regierung ein Sanierungsvorschlag ausgearbeitet, der
aber auf den schärfsten Widerstand der Bergarbeiter stieß,
aus dem einfachen Grunde, weil er ein vernichtender Angriff auf
die Selbständigkeit der Bergarbeiterversicherung gewesen
wäre. Die Bergarbeiter haben sich mit Recht gegen diesen
Angriff mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln zur
Wehr gesetzt. Man muß sich nur in Erinnerung rufen, was
der damalige Vorschlag beinhaltet hat, um zu erkennen, daß
die jetzt zur Verhandlung stehende Vorlage als ein sehr beachtenswerter
Erfolg bezeichnet werden kann. So sollten nach diesem Vorschlagage
die Leistungen der Krankenversicherungsabteilung bei der Bruderlade
um 15% herabgesetzt werden. Die Berufsiinvalidität, ein mit
Rücksicht auf die Gefährlichkeit und Besonderheit des
Bergbauberufes bestehender Anspruch, sollte aufgehoben und in
"Erwerbsunfähigkeit" umgewandelt werden, d. h.
der Bergarbeiter hätte, wenn er in den Genuß seiner
Rente kommen wollte, 66 2/3 % arbeitsunfähig sein mnüssen.
Der Anspruch auf die Altersrente bei vollendetem 55. Lebensjahr
und 30 Dienstjahren sollte beseitigt, die unbedingte Witwenrente
aufgehoben, die Renten an Invaliden, Witwen und Waisen um 33 1/3%
gekürzt werden. Desgleichen sollten die Ansprüche der
aktiven Bruderladenmitglieder ebenfalls um 33 1/3% herabgesetzt
werden. Das allerärgste an diesem Vorschlag war aber, daß
der Einfluß der Bergarbeiter auf die Verwaltung beseitigt
werden sollte, und daß man die aktiven Bergarbeiter zur
Zentralsozialversicherungsanstalt überführen wollte.
Dadurch wären die Bergarbeiter buchstäblich ihrer Versicherung
beraubt worden. Mit Recht haben sie sich damals empört, weil
sie ja als Pioniere auf dem Gebiete der Sozialversicherung voraussetzen
konnten, daß man sie für ihre vorbildliche Tat belohnt
hätte, so aber wäre das für sie eine Bestrafung
gewesen. Der Anschlag konnte damals abgewehrt werden und es wurde
im Jahre 1932 unter Vorsitz des Herrn Prof. Schönbaum eine
Fachkommission zur Ausarbeitung eines Sanierungsvorschlages eingesetzt.
Diese Kommission legte im Jahre 1934 einen Entwurf über die
Regelung der Bergarbeiterversicherung vor, nach welchem zur Sanierung
der Staat 90 Millionen, die Unternehmer 17 Millionen, die Bergarbeiter
durch Erhöhung der Beiträge um 3 Kè pro Monat
4 Millionen beizutragen gehabt hätten. Die Kohlenabgabe war
damals mit 25 Millionen Kè vorgesehen. Außerdem aber
sollten die Renten von 4 bis 18% um durchschnittlich 14·6%
gekürzt und die Ansprüche auf die Altersrente der Obertagarbeiter
bei den 50jährigen erst mit 37 1/2 und bei den 60jährigen
erst mit 18 1/3 Dienstjahren erreichbar werden.
Für die Bergarbeiter war vor allem die Rentenkürzung
und die Einschränkung des Anspruches auf die Altersrente
bei den Obertagarbeitern untragbar. Sie verlangten daher, daß
die Grubenbesitzer zu größeren Leistungen herangezogen
werden, weil sie an dem schlechten finanziellen Stand der Zentralbruderlade
ein voll gerüttelt Maß von Schuld tragen. Es kann niemand
bezweifeln, daß infolge der rücksichtslosen Rationalisierungsmaßnahmen,
welche die Grubenbesitzer durchführten und heute noch durchführen,
weil mehr Bergarbeiter entlassen wurden, als die Wirtschaftskrise
es bedingte, eine bedeutende Erhöhung der Rentnerzahl erfolgt
ist. Zu welchen Auswirkungen das führte, beleuchten folgende
Ziffern: die Zahl der bei der Zentralbruderlade gemeldeten Mitglieder
betrug Ende 1929 140.340 und beträgt mit 1. Jänner 1936
97.729. Außerdem gibt es 5.734 Mitglieder, die sich ihre
Anwartschaft gewahrt haben. Es sind demnach in der Zeit von 1929
bis anfangs 1936 42.611 Bruderladenmitglieder weniger geworden.
Diese Reduzierung des Mitgliederstandes wirkte sich naturgemäß
auch sehr fühlbar auf den Stand der Rentner aus. So gab es
Ende 1929 43.051 Rentner, 30.885 Witwen und 10.823 Waisen. Am
1. Jänner 1936 war der Stand folgender: 55.659 Rentner, 34.384
Witwen und 10.137 Waisen. Die Rentner sind also um 12.608, die
Witwen um 3.499 gestiegen. Nur bei den Waisen ist eine Verminderung
der Zahl um 686 eingetreten. Der Bedarf für den Aufwand der
Gesamtrenten stieg von 1929 bis 1934 von 159·7 Millionen
auf 203·4 Millionen, also um 43·7 Millionen. Im Monat
Jänner dieses Jahres beispielsweise wurden 16,964.977 Kè
an Gesamtrenten ausbezahlt. Wenn es bei der beabsichtigten Kürzung
geblieben wäre, die der erste Vorschlag vorgesehen hatte,
hätten die Bergarbeiterprovisionisten im Jänner dieses
Jahres allein 2·5 Millionen Kè weniger an Renten ausgezahlt
erhalten. Die Schuld der Zentralbruderlade betrug mit 31. Dezember
1934 330 Millionen Kè und dürfte gegenwärtig
450 Millionen Kè erreichen. Es konnte die Auszahlung der
Renten nur dadurch ermöglicht werden, daß der Staat
die Garantie für die Kredite übernahm, die seitens der
Zentralbruderlade bei der Landesbank aufgenommen werden mußten.
Wir glauben, daß der Staat schon aus dem Grunde dazu verpflichtet
war, weil er bisher zu den Bruderladenprovisionen nicht, wie bei
der Zentralsozialversicherung, einen Staatszuschuß gewährte.
Der Staat hat aber auch eine moralische Verpflichtung gehabt,
ein altes bestehendes sozialpolitisches Recht der Bergarbeiter
zu schützen. Daß er es getan hat, ist ein Beweis dafür,
daß die Rechte der Arbeiter in einem Staate mit demokratischer
Verfassung doch besser gewahrt sind, als in anderen Staaten, die
das sogenannte autoritäre Regime besitzen. Das beweist zunächst
einmal die Tatsache, daß in Deutschland und Österreich
die Bruderladenrenten bedeutend abgebaut wurden; nicht nur, daß
man die Renten herabsetzte, sondern man hat auch die besonderen
Rechte, die die Bergarbeiter bei ihrer Versicherung hatten, wesentlich
beschnitten.
Es würde aber auch kein Mensch verstanden haben, wenn nach
den Verbesserungen des Sozialversicherungsgesetzes hinsichtlich
der Renten und nach der berechtigten Gleichstellung der Altpensionisten
ausgerechnet den Bergarbeitern ihre ohnehin geringen Renten noch
reduziert worden wären. Welch ein schreiendes Unrecht das
gewesen wäre, geht schon daraus hervor, daß die Durchschnittsmonatsrente
für einen Bruderladenrentner 233 Kè 67 Heller beträgt;
die Witwenrente machte sogar monatlich durchschnittlich nur einen
Betrag von 104 Kè aus, also Beträge, die doch sicherlich
es notwendig hätten, erhöht zu werden. Die Bruderladenrentner
- das muß besonders hervorgehoben werden - leiden ja unter
dr Wirtschaftskrise nicht nur, weil sie diese niedrigen Renten
haben, sondern auch deshalb, weil es ja ihnen in der Wirtschaftskrise
unmöglich gemacht wird, daß sie wie früher ab
und zu einen oder mehrere Tage in einem anderen Beruf arbeiten
können. Das ist ihnen ganz unmöglich geworden und desh
alb trifft sie die Wirtschaftskrise umso schwerer. Bei den Verhandlungen
über die Sanierung haben sich die aktiven Bergarbeiter trotz
ihrer mißlichen Wirtschaftslage durch ihre Vertreter bereit
erklärt, durch eine höhere Beitragsleistung mit beizutragen,
unter der Voraussetzung, daß auch die Grubenbesitzer höhere
Beiträge einzahlen. Bei den Beratungen in der Fachkommission
kam es dann zu einem Kompromiß - ich bemerke ausdrücklich,
daß bei den Beratungen der Fachkommission die Vertreter
der Bergarbeiten mit teilgenommen haben - und als Resultat dieses
Kompromisses liegt uns heute diese Vorlage vor. Nach dieser Vorlage
haben neben den 90 Millionen des Staates die Unternehmer 2 1/2%
vom Lohn der Bergarbeiter, das macht jährlich 24 Millionen,
die Bergarbeiter 1% des verdienten Lohnes, d. s. ungefähr
10 Millionen, beizutragen. Ferner wird durch die Umlage auf Kohle
und Koks ein Betrag von 40·6 Millionen hereingebracht werden,
das macht zusammen 165 Millionen.
Es kann angenommen werden, daß durch diese Sanierungsmaßnahmen
die finanzielle Sicherstellung der Zentralbruderlade gegeben ist.
Ich muß besonders hervorheben, daß die Berg arbeiter
in verhältnismäßig weit höherem Ausmaße
zur Sanierung ihrer Versicherung beigetragen haben, als die anderen
Beteiligten. Die Bergarbeiter bringen dieses harte Opfer, weil
die Selbständigkeit der Versicherung aufrecht erhalten bleibt
und weil ihre erworbenen Rechte nicht angetastet werden.
Es ist ganz klar, daß der vorliegende Gesetzentwurf so wie
jedes Kompromiß viele Mängel und Unzulänglichkeiten
aufweist, die für die Bergarbeiter natürlich sehr nachteilig
sind. Ich will sie nur ganz kurz aufzählen: Vor allem der
1%ige Sanierungsbeitrag, der vom tatsächlichen Arbeitsverdienst
der Bergarbeiter abgezogen wird, ferner wird die Zeit der Krankheit,
wenn sie länger als einen Monat dauert, für die Rentenbemessung
nicht eingerechnet, weiters wird die Militärdienstzeit nach
der Klasse A der Zentralsozialversicherungsanstalt mit 2·40
Kè statt mit der vollen Steigerungsrente, wie es bisher
der Fall war, eingerechnet. Eine weitere Verschlechterung ist
die Herbeiführung der Parität zwischen Arbeitern und
Unternehmern in der Zentralbruderlade.
Das sind Verschlechterungen, denen aber eine ganze Reihe von Verbesserungen
gegenüberstehen, u. zw.: Die Herabsetzung der Karrenzfrist
von 5 auf 2 Jahre, die Auszahlung der Waisenrente bis zum 17.
Lebensjahr bisher bis zum 16. Lebensjahr. Sie wird zwar nur ein
Fünftel der Rente des Mitgliedes betragen, statt wie derzeit
ein Viertel, doch wird bei Vorhandensein mehrerer Waisenkinder
eine Kürzung der Rente nicht vorgenommen werden, während
bis nun die Renten der Witwen und der Waisenkinder zusammen 75%
der Rente des Mitgliedes nicht übersteigen durften. Die Waisenrente
wird auch gewährt für Enkelkinder, wenn der Provisionist
zu Lebzeiten für sie gesorgt hat, Für Kinder unter 17
Jahren erhält der Provisionist 10% der Rente als Erziehungsbeitrag.
Bei Hilflosigkeit kann die Rente der Witwe um 50% erhöht
werden. Den weiblichen Mitgliedern wird im Falle der Verehelichung
ein Ausstattungsbeitrag je nach der Lohnklasse von 400 bis 600
Kè gewährt. Hinterbliebene nach Versicherten, die
die Karenzzeit von 2 Jahren nicht erreicht haben, haben einen
Anspruch auf eine Abfertigung, die 550 bis 750 Kè beträgt.
Arbeitslosen Mitgliedern werden die erworbenen Ansprüche
ohne Zahlung der Anwartschaftsgebühr bis zu 5 Jahren gewährt.
Das sind die Vorteile des Entwurfes.
Schließlich wäre noch auf eine neue Bestimmung des
Gesetzentwurfes zu verweisen, die im Art. 3 verankert ist und
die die Rückversicherung der Bruderladenmitglieder bei der
Zentralsozialversicherungsanstalt betrifft. Durch diese Rückversicherung
wird die Zentralbruderlade wesentlich entlastet. Es wird aber
auch der engere Kontakt zwischen der Sozialversicherung und der
Bruderladenversicherung hergestellt, ohne daß die Rechtsansprüche
der Bruderlad enmitglieder darunter leiden. Die Differenz zwischen
der Sozialversicherungsrente und der Bruderladenrente wird von
der Zentralbruderlade getragen werden.
Wir hätten auch gewünscht, daß die berechtigten
Forderungen der Joachimsthaler Radiumbergarbeiter auf eine Erhöhung
ihrer Rente berücksichtigt worden wären. Ich brauche
wohl die traurige Lage, in der sich die Joachimsthaler Bergarbeiter
befinden, nicht zu schildern, es ist dies von uns von dieser Tribüne
aus oft und oft geschehen; es genügt wohl, wenn ich darauf
verweise, daß das Durchschnittsalter eines Joachimsthaler
Radiumarbeiters 37 Jahre beträgt, während das Durchschnittsalter
bei den anderen Bergarbeitern 43 Jahre erreicht. Die Dienstzeit
der Joachimsthaler Bergarbeiter bewegt sich zwischen 16 und 22
Jahren. Sie sind nach 22 Dienstjahren bergfertig, d. h. arbeitsunfähig,
sie sind demnach in verhältnismäßig jungen Jahren
auf die geringe Rente der Bruderladen angewiesen. Sie haben damals
mit Recht verlangt, daß man ihnen die Rente erhöht,
Sie sind auch in ihren Erwartungen enttäuscht worden, die
sie in das Gesetz über die Berufskrankheiten gesetzt haben.
Damals glaubten sie, daß es möglich sei, die Rente
nach dem Gesetz über die Berufsunfälle ohne besondere
Umstände zu erhalten. Die Unfallversicherung macht aber alle
möglichen Schwierigkeiten, um den Joachimsthaler Bergarbeitern
die Zuerkennung dieser Renten zu erschweren. Ich möchte nur
darauf verweisen, daß es mit Rücksicht auf die schwere
Krankheit, unter der die Bearbeiter in Joachimsthal zu leiden
haben, äußerst wichtig wäre, daß in dieser
Richtung etwas unternommen würde. Im Lande Böhmen sind
auf 1.000 Todesfälle 16 mit Lungenkrebs zu verzeichnen, während
in Joachimsthal auf 1.000 Todesfälle 25 mit Lungenkrebs entfallen.
Es wäre notwendig, wenn den Joachimsthaler Bergarbeitern
ein Entgegenkommen gezeigt worden wäre.
Ich habe schon erwähnt, daß der vorliegende Gesetzentwurf
eine Kompromißlösung ist und die Bergarbeiter nicht
in allen ihren Wünschen befriedigt. Sie hätten es gerne
gesehen, wenn ihnen eine weitere Belastung erspart geblieben wäre
und wenn man die Grubenbesitzer stärker zur Sanierung herangezogen
hätte. Die Herren würden das gewiß auch vertragen
haben, da sie es ausgezeichnet verstehen, auch in der schweren
Zeit der Wirtschaftskrise ihre Profite zu sichern. Von der Volksgemeinschaft,
mit welcher auch einige deutschen Grubenbesitzer sympathisieren
und in der vor allem eine große Zahl von Direktoren und
Ingenieuren mitwirkt, ist in dieser Richtung nicht zu spüren.
Sie erblicken in dieser famosen Volksgemeinschaft nur ein Mittel,
sich neuerlich auf Kosten der armen Grubenproleten zu bereichern.
Die Produktionsmethoden im Bergbau beweisen das mit aller Deutlichkeit.
Dafür kann ich einige Ziffern anführen.
Im Jahre 1934 entfiel auf einem Arbeiter im Steinkohlenbergbau
eine durchschnittliche Schichtförderungsleistung von 1207
kg, im Jahre 1935 von 1256 kg, also eine Mehrleistung um 49 kg
oder eine Steigerung um 4% in einem Jahr. Im Braunkohlenbergbau
ist die durchschnittliche Förderungsleistung vom Jahre 1934
auf das Jahr 1935 um 44 kg, also auf 2.232 kg oder um 1.9 % gestiegen.
Die Leistung ist seit dem Jahre 1929 pro Mann und Schicht im Steinkohlenbergbau
um 20ÿ5%, im Braunkohlenbergbau um 14ÿ1% gestiegen.
Dabei ist die Anzahl der verfahrenen Schichten bedeutend zurückgegangen.
Im Jahre 1935 wurden im Steinkohlen- und Braunkohlenbergbau insgesamt
15,258.949 Schichten verfahren, gegenüber 15,597.121 im Jahre
1934 und gegen 27,103.480 Schichten im Jahre 1929. Um 12 Millionen
Schichten wurden im Jahre 1935 gegenüber dem Jahre 1929 weniger
verfahren. Im Durchschnitt entfielen auf den Arbeiter im Jahre
1935 219ÿ1 Schichten. Der Lohnverdienst des Bergarbeiters
infolge eingestellter Feierschichten betrug im Jahre 1935 200
Millionen Kè.
Wenn man die einzelnen Reviere herausgreift, bekommt man ein noch
deutlicheres Bild. Im Brüxer Revier betrug die Leistung pro
Kopf und Schicht im Jahre 1929 2177 kg, im Jahre 1935 2349 kg,
das sind um 172 kg mehr. Dagegen sanken die Produktionskosten
pro q von 1ÿ99 Kè im Jahre 1929 auf 1ÿ81 Kè
im Jahre 1935, das sind um 18 Heller pro q weniger. Der Durchschnittslohn
der Häuer betrug im Jahre 1934 4886 Kè täglich,
im Jahre 1935 48ÿ49 Kè oder um 37 Heller weniger.
Das ist in einem Jahre ein Lohnverlust von 47 Kè.
Besonders kraß wirken sich diese Verhältnisse im Falkenauer
Revier aus. Dort ist der Förderanteil pro Arbeiter und Schicht
von 2526 kg des Jahres 1929 auf 3107 kg im Jahre gestiegen, das
ist also um 581 kg mehr. Der Wochenlohn eines Falkenauer Bergarbeiters
mit allen Zulagen betrug im Jahre 1929 225ÿ50 Kè.
Er sank im Jahre 1935 auf 187.81 Kè, also um 37ÿ69
Kè wöchentlich oder um 1959.88 Kè jährlich
verdient der Falkenauer Bergarbeiter weniger, trotzdem er um 581
kg mehr erzeugt. Diese Ziffern, die authentisch sind, zeigen wohl
zur Genüge, daß die Grubenbesitzer mehr zur Sanierung
der Bruderladen leisten könnten. Sie illustrieren aber gerade
im Falkenauer Revier die Volksgemeinschaft und die "eindeutig
soziale Haltung" der Grubenbesitzer. Ebenso wird das
Geschwätz von der Beseitigung des Klassenkampfes durch diese
Ziffern ad absurdum geführt.
Im allgemeinen ist die Situation des Bergbaues so, daß durchschnittlich
3 bis 4 Schichten verfahren werden, wobei Kladno und Bratislava
ausgenommen werden müssen, weil dort eine bessere Beschäftigungsmöglichkeit
besteht. Soll eine Besserung in der Beschäftigung eintreten,
muß für die Hebung des Inlandskonsums und der Ausfuhr
gesorgt werden. (Pøedsednictví pøevzal
místopøedseda Langr.)
Für das Brüxer und Falkenauer Revier gilt insbesondere
die Ausfuhr nach Deutschland, weil sie einen Rückgang von
40 % durch die Kontingentierung erfahren hat. In beiden Revieren,
besonders aber im Falkenauer, besteht die Benachteiligung auch
bei der Vergabe der Staatsbahnkohlenlieferungen und da glaube
ich, muß schon gesagt werden, wäre es hoch an der Zeit,
daß dieses Unrecht beseitigt würde. Während die
Staatsbahnen aus dem Falkenauer Revier im Jahre 1921 noch 6,368.990
q abnahmen, sank die Abnahme im Jahre 1929 auf 3,122.280 q und
im Jahre 1935 sogar auf 1,482.350 q, also auf ein Sechstel ist
die Abnahme der Staatsbahnkohle aus dem Falkenauer Revier zurückgegangen.
Wie unwirtschaftlich dabei vorgegangen wird, beweist der Umstand,
daß die Falkenauer Eisenbahner ihre Hausbrandkohle aus dem
Brüxer Revier zugewiesen erhalten. Das wäre, wenn man
das glossieren wollte, ungefähr so, wie wenn die Arbeiter
aus der Pilsner Brauerei ihr Deputat an Bier aus der Egerer Aktienbrauerei
beziehen würden.
Während bei uns um den Absatz schwer gerungen wird, wird
in der Slovakei die Braunkohlenförderung forciert, was auch
in der Steigerung der Mitgliederzahl bei der Bruderlade in Bratislava
zum Ausdruck kommt. Eine solche Forcierung hätte in der Zeit
der schweren Kohlenabsatzmöglichkeit zu unterbleiben. Es
ist auch durchaus nicht zu verstehen, warum jetzt der Staat im
Brüxer Revier auf einmal einen neuen Schacht eröffnen
will, gerade in einem Revier, in welchem Kohle in Hülle und
Fülle vorhanden ist.
Sie liegt auf den Deputathalden in Tausenden und Abertausenden
Meterzentnern.
Ich wollte damit nur aufzeigen, wie schwer die Arbeiter unter
den jetzigen Verhältnissen zu leiden haben und daß
die Opfer, die die Bergarbeiter zur Sanierung ihrer Versicherung
bringen, doppelt und dreifach zu werten sind. Wenn die Selbständigkeit
der Bruderladenversicherung gewahrt werden konnte, so ist das
auch mit ein Verdienst unserer freien Gewerkschaften, die ständig
darum den Kampf geführt haben. Dabei muß auch anerkannt
werden, daß die Fachleute in der Kommission, besonders Herr
Professor Schönbaum, sich sehr bemüht haben, die Selbständigkeit
der Bruderladenversicherung aufrechtzuerhalten und es gebührt
ihnen für diese außerordentliche Arbeit auch der Dank.
Ich muß noch ein Wort zu den Anträgen sagen, die von
den Kommunisten zur Vorlage eingebracht wurden. Sie sind in den
kommunistischen Blättern mit der Behauptung veröffentlicht
worden, daß die Forderungen in diesen Anträgen von
allen Revierräten aufgestellt wurden, daß sich auch
alle Bergarbeiterorganisationen hinter diese Forderungen stellen.
Das ist eine glatte Unwahrheit. Hinter diese Forderungen, wie
sie in den kommunistischen Anträgen enthalten sind, stellt
sich nicht einmal der kommunistische Bergarbeiterverband, weil
er ebensogut wie die kommunistischen Abgeordneten weiß,
daß derartige Forderungen nicht durchzusetzen und nicht
zu verwirklichen sind. (Posl. Appelt: Bei Ihnen ist nie etwas
zu verwirklichen!) Ich werde es Ihnen gleich sagen, Koll.
Appelt. Ich will nur feststellen, daß alle Bergarbeiterverbände
einschließlich des kommunistischen an dem vorliegenden Gesetzentwurf
mitgearbeitet und ihm auch zugestimmt haben. (Posl. Appelt:
Wir werden auch dafür stimmen!) Dann dürfen Sie
nicht solche Anträge stellen, von denen Sie wissen, daß
sie nicht zu verwirklichen sind. (Rùzné výkøiky.)
Místopøedseda Langr (zvoní): Prosím
o klid.
Posl. Katz (pokraèuje): Der Zentralsekretär
Nosek vom kommunistischen Verband aus Kladno hat sich in der Fachkommission
ebenso hinter den Entwurf gestellt, wie es der kommunistische
Sen. Malík in der Reichskonferenz der Bergarbeiterverbände
am 22. Dezember 1935 getan hat. Entweder werden heute die kommunistischen
Anträge nur deshalb gestellt, um einem parteipolitischen
Agitationsbedürfnis Rechnung zu tragen, oder aber es wird
damit der Beweis erbracht, daß die kommunistischen Gewerkschaften
von der kommunistischen Partei abhängig sind und keinen eigenen
Standpunkt einnehmen dürfen. Mit derartigen Methoden wird
den Bergarbeitern nicht genützt werden.
Es muß aber auch festgestellt werden, daß weder die
Gablonzer Gewerkschaft, deren Mitglieder wohl als Henlein-Anhänger
zu bezeichnen sind, noch die Sudetendeutsche Partei etwas zur
Lösung dieses brennenden sozialpolitischen Problems beigetragen
haben. Die Henleins, die sich immer wieder als die alleinigen
Vertreter der Sudetendeutschen aufspielen, haben praktisch nicht
einen Finger krumm gemacht, um die Bergarbeiter in ihrem schweren
Kampfe zu unterstützen. Wenn die Bergarbeiter auf die Hilfe
dieser Partei angewiesen wären, so stünde es um ihre
Versicherung sehr schlecht. Die Henleinpartei hat sich sogar sehr
fleißig bemüht, die Kampfaktionen der Bergarbeiter
in ihrer bekannten sauberen Art herabzusetzen. Der "Volksruf"
vom 1. November 1935, als dessen Herausgeber Abg. Wollner
figuriert, der bekanntlich nach dem Hinauswurf Kaspers zum Arbeiterstandesführer
ernannt wurde schrieb über eine von den Bergarbeitern veranstaltete
Protestkundgebung, an der sich 2.500 Personen beteiligten, Folgendes
(ète): "Am 26. Oktober fand in Falkenau eine
von etwa 350 Personen besuchte Protestversammlung der Bruderladenversicherten
statt. Es sprachen in ihr der Obmann der sozialdemokratischen
Union der Bergarbeiter, ein èechischer Sozialdemokrat und
ein Kommunist. Es zeigte sich auch in dieser Versammlung, daß
die Arbeiterschaft des ewigen Zuwartens müde ist, umsomehr
als die Herren, die in so großsprecherischer Weise Hilfe
für die Bergarbeiter fordern, doch selbst an der Regierung
beteiligt sind und an maßgebendster Stelle dafür eintreten
müßten, daß wirklich etwas geschieht. Mit hochtönenden
Phrasen hilft man den Bergarbeitern nicht. Hier wäre ein
Gebiet, auf dem die Sozialdemokraten beweisen müßten,
wie weit es mit der sozialistischen Richtung der derzeitigen Regierung
her ist." Die Sozialdemokraten haben bewiesen, daß
sie auch in diesem Falle die Rechte der Arbeiter zu wahren wußten.
Die Sudetendeutsche Partei hat diesen Beweis noch nicht erbracht.
Sie bleibt ihn ebenso schuldig, wie sie ihn bisher in der ganzen
Politik dieses Staates schuldig geblieben ist. Sie bemüht
sich im Schweiße ihres Angesichts, die Einflußlosigkeit
der sogenannten Splitterparteien nachzuweisen. Es wäre nun
einmal notwendig, daß sie ihre Erfolge bekannt gibt.