klage gegen dieses System, das für den Hunger der Arbeitslosen nichts anderes als Pulver und Blei übrig hat.
Wir fragen den Innenminister:
Ist er bereit über diese Ermordung eines Jugendlichen Aufklärung zu geben? Ist er bereit die bestehenden Instruktionen gegen Erwerbslose von der Waffe Gebrauch zu machen, zurückzunehmen? Ist er bereit das Finanzwachorgan Ko-
øínek zur Verantwortung zu ziehen?
Wir fragen den Minister für soziale Fürsorge: Ist er bereit zu veranlassen, dass die Abbaumassnahmen bei der Unterstützung für Arbeitslose rückgängig gemacht werden, damit die Arbeitslosen zu keinen solchen Handlungen gezwungen werden. Ist er bereit sich dafür einzusetzen, dass aus dem Erträgnis der Arbeitsanleihe in die deutschem Gebiete solche Beträge gegeben werden, dass die Arbeitslosen Arbeit bekommen und nicht mehr Paschen gehen brauchen. Ist er bereit dahin zu wirken, dass die kranke Mutter des erschossenen Reinhold Gabler eine Unterstützung bekommt, die ihr das Leben ermöglicht?
Prag, am 7. September 1933.
Hadek,
Štouraè, Russ, Kuhn, Török, Œliwka, Krosnáø,
Gottwald, Vallo, Babel, Zápotocký, Kopecký,
Hruška, Dr. Stern, Štìtka, Juran, Kliment, Èižin-
ská, Dvoøák, Hodinová-Spurná, J. Svoboda.
Pùvodní znìní ad 2339/IV.
Interpellation
des Abgeordneten Hugo Simm und Genossen
an die Regierung
betreffs Verfügung dringlicher Hitte für die Grenzgebiete.
In den Grenzgebieten des Staates ist die Not zur unerträglichen Höhe gediehen. Die allgemeinen Auswirkungen der wirtschaftlichen Weltkrise wie die besonderen politischen Krisenverhältnisse haben hier Zustände geschaffen, die nicht nur als Gegensatz zum einstigen pulsierenden Leben empfunden werden, sondern vollkommener Zusammenbrach sind. Durch den Stillstand der Produktionsstätten, die sich in den Grenzgebieten oftmals aneinander reihen, entstand das Heer der Arbeitslosen. Im weiteren Verfolg kamen als Wirtsohaftsopfer die Angehörigen des Handels und des Gewerbes hinzu.
Es lag in der Natur der Sache, dass der Staat und die Regierung bei der grossen Zahl der sozialen Aufgaben die drängendsten derselben zuvor behandelte. So kam es zur Erstellung allerdings beschränkter Sozialmassnahmen für die Arbeitslosen, während die Handels- und Gewerbetreibenden auf die Selbsthilfe verwiesen wurden. Diese wurde insolange tatsächlich praktiziert, als die aus besseren Zeiten herüber geretteten Vermögenssubstanzen zum Aufbrauch gelangen konnten. Es ist für die betroffenen Stände fraglos schmerzlich gewesen, zur Ueberwindung einer Notzeit jene Reserven verwenden zu müssen, zumal dieselben für die Sicherung der geschäftlichen Unternehmungen bedeutungsvoll waren. Aber es ist das ohne grosses Widerstreben dieser beteiligten Kreise geschehen, wodurch eine unmittelbare Hilfeleistung des Staates für sie entfiel.
Nunmehr hat auch das ein Ende gefunden. In den grossen Notkundgebungen, die letzthin unter Leitung der Reichsverbandsleitung der Gastwirtegenossenschaften in den staatlichen Grenzgebieten stattgefunden haben, sind erschütternde Bilder der Verelendung des Handels- und Gewerbestandes entrollt worden. Jeder Teilnehmer an den Kundgebungen trug die dringende Verpflichtung mit sich, die verantwortliche Staatsführung erneut darauf aufmerksam zu machen, um gleichzeitig um Hilfe zu rufen. Ohne Zweifel gibt es noch Möglichkeiten einer sofortigen Hilfe, wenngleich keine Täuschung darüber besteht, dass deren Beschränktheit das Uebel nicht vollends lösen kann. Dennoch müssen diese Möglichkeiten augenblicklich in Anwendung geraten.
Vor allem müsse« die staatlichen Grenzgebiete als Notstandsgebiete erklärt und ihnen demgemäss gewisse Erleichterung in den öffentlichen Funktionen gewährt werden. Hiezu gehört es, dass in der Steuereintreibung schonendst verfahren wird. In allen Fällen, in denen die sachliche Überprüfung diesbezügliche Rücksichtsnahmen gebietet, müssen diese unbedingt zur Anwendung gelangen. Wir verweisen hierauf in erster Linie, weil Vorgänge gepflogen wurden, die entgegengesetzt laufen. Trotz der unverschuldeten Unfähigkeit des Steuerschuldners, seinen Verpflichtungen nachzugehen, wird denselben in den Exekutionsführungem strengstens begegnet, dass letzte Folgewirkungen kaum vermeidbar werden. Hiebei wird von Organen, sicherlich im Uebereifer, mit Mitteln und Handlungen verfahren, die bei den Betroffenen zu den wirtschaftlichen noch seelische Erschütterungen auslösen. Die Ursache solcher tief bedauerlicher Vorfälle liegt immer darin, dass die Finanzverwaltung dem Steuerschuldner passive oder aktive Resistenz hinsichtlich der Steuerleistung zuschiebt.
Mit dieser rücksichtsvollen Steuereintreibung bzw. in Fällen vollzogener Steuererleichterungen verschiedener Art ist jedoch das Sofortprogramm für die notleidenden Handels- und Gewerbetreibenden nicht als erschöpft zu betrachten. Es muss vielmehr in Anlehnung an die anderen Ständen geschaffenen Erleichterungen auch für sie ein Moratorium eingerichtet werden, das die zeitwei-
se Einstellung der Exekutionen und Vertagung; der Zahlungsverpflichtungen verfügt. Die Zahl der Ausgleich«. Konkurse, die Zwangsverpachtunzen und exekutiven Verkäufe eines Besitzes usw. lassen diese Hilfeunternehmungen begreiflich werden.
Darüber hinaus wird die Regierung sich selbst für die Zukunft nützen, wenn sie zum Zwecke der Aufrechterhaltung einzelner in Not geratener Unternehmungen billige Staatskredite vergibt, welche seinerzeit rückerstattet werden müssen.
Zum weiteren ist zum Schlitze lausender Betriebe, die unmittelbar oder mittelbar durch den Fremdenverkehr günstig beeinflusst wurden, diesem letzteren die grösste Förderung zuteil werden zu lassen. Es ist regierungsseitig alles zu veranlassen, was die verheerend wirkenden Grenzsperren auflockert, damit der volkswirtschaftlich wie staatspolitisch wichtige Fremdenverkehr sich neu einrichten kann. Um dies zu erreichen, sind die von der Regierung in der Antwort an die Interpellanten Abg. Jung, Simm, Geyer gegebenen Versprechungen, mit der deutschen Reichsregierung in Verhandlungen über einen ordentlichen Handelstarifvertrag einzutreten oder wenigstens Verhandlungen darüber einzuleiten, welche verschiedene Massnahmen erleichtern würden, sofort in die Tat umzusetzen und hiefür geeignete Faktoren zu delegieren. Allerrachestens sind diesbezügliche Vereinbarungen über eine gänzliche Auflassung der Grenzsperre zu pflegen.
Im Zusammenhange mit den Einzelheiten einer Soforthilfe an die Notleidenden muss auch die verkehrstechnische Hilfe Erwähnung finden. Die Staatsbahnen müssen in steigendem Masse die Grenzgebiete verkehrstechnisch erfassen und erschliessen und wie in andere Staatsgebiete in sie Propagandafahrten organisieren. Es ist selbstverständlich, dass sich damit dem Staatsunternehmen selbst Einnahmsquellen erschliessen.
Hauptsächlich bleibt jedoch, dass eine Wendung in der wirtschaftlichen Krankheit, eine dauernde Aenderung nur eine Erneuerung des wirtschaftlichen Lebens schafft.. Die Regierung wird gerade nach der Seite dieser Erkenntnis sich richten müssen, wobei hievon ihre Handlungen und Hilfsmassnahmen für die Zukunft bestimmt sein müssen.
Die Interpellanten fragen die Regierung, ob sie bereit ist, die staatlichen Grenzgebiete als Notstandsgebiete zu erklären und ihnen sofort die angeführten Hilfen zu leisten?
Prag, den 5. September 1933.
Simm,
Geyer, Schubert, Oehilnger, Bobek, Greif, Krumpe, Zajíèek, Ing. Kalina, Dr. Keibl, Dr. Hanreich, Horpinka, Dr. Schollich, Fritscher, Dr. MayrHarting, Kasper, Knirsch, R. Köhler, Scharnagl, Dr. Luschka, Matzner, Dr. Hassold, Kunz, Dr. Petersilka, Krebs, Ing. Jung.
Pùvodní znìni ad 2339 V.
Interpellation
des Abgeordneten Hugo Simm und Genossen,
an den Minister für Finanzen
in Angelegenheit der gegen Steuerschuldner angewandten harten Exekutionsführung.
Die schwere Wirtschaftslage hat zur Folge, dass immer mehr Existenzen notleidend und solcherart unvermögend werden, ihren Verpflichtungen nachzukommen, vielmehr werden sie in breitein Massen hilfsbedürftig. Das betrifft auch das Verhältnis des Staatsbürgers als öffentlicher Abgaben- und Steuerzahler.
Immer wieder muss die Regierung mit gesetzlichen Sondermassnahmen aufwarten, welche die Durchführung der ordentlichen Abgaben- und Steuergesetze modifizieren, meist so, dass in berücksichtigungswürdigen Fällen Erleichterungen in den Steuerverpflichtungen gewährt werden, sei es in der Form von Abschreibungen dar zur Vorschreibung gelangten Steuerbeträge oder auch in der Weise, dass dem Steuerschuldner für ihre aussenstehenden Zahlungen ratenweise Abstossung bewilligt wird. Form und Weise der Erleichterungen sind aber weitergehend verschieden, als vielfach die individuelle Seite eines Falles bestimmend ist.
Aeusserangen der Finanzminister wie engster Berater, Politiker, Finanzpolitiker, Wirtschaftler usw. lauten dahin, dass es eine hervorragende Aufgabe ist, den Steuerzahler über die böse Zeit möglichst hinwegzuführen, dass er als für den Staat bedeutsame Existenz und Einnahmequelle erhalten bleibt. Jede Orgie gegen den Steuerzahler soll unterlassen sein, ja die diesbezüglichen Erlässe schreiben deutlich genug vor, auch der Psychologie des Steuerzahlers Rechnung zu tragen vor allem so, dass derselbe nicht nur in materieller Beziehung rücksichtsvoll, sondern auch höflich in der Form behandelt wird. Hiebei bedenkt man, dass der Steuerträger staatserhaltender Faktor ist. Durch ein solches Vorgehen entsteht dann dem Steuerträger auch das Bewusstsein, dass seine Leistung den Staat einrichtet. Diese Methode ist zwar in manchem ungeschrieben, aber sie tot wichtig und muss unter strenger Erfüllung stehen.
Um so bedauerlicher ist es wenn ein Amt besw. Organe in Ausserachtlassung dieser Einsicht und eines unerlässlichen Taktgefühles vorgehen. So haben wir es letzthin in Gablonz a. N. erlebt, dass Steuerschuldner in Haus und Wohnung, schliesslich auf Markt und Strassen von steuerämtlichen Exekutoren derart angegangen wurden, wie es weder im Sinne eines klugen Ver-
bundenseins zwischen Amt oder Beamten und Bürgern liegt, noch auch mit einem Auftrag der verantwortlichen Staatsführung begründet werden kann. Auch die gesteigert zur Vornahme gelangenden Taschenpfändungen müssen ohne Härte, nochmehr im Schonung des Empfindens des zu Treffenden geschehen. Es wird fast hiezu regelmässig Gelegenheit sein, wenn der Steuerschuldner nicht schlechthin als solcher in Absicht und Bosheit betrachtet wird. Auch die beliebt gewordenen Hausdurchsuchungen nach Geld und Geldeswert müssen eine Form gewinnen. Unerträglich ist es, wenn gefühllose Subalterne in Kästen und Schränken wühlen, die Betten über den Haufen werfen, kein Möbelstück angerückt lassen, um eine jede dieser Tätigkeiten mit verletzenden Bemerkungen zu begleiten. Jedes Organ muss Amtshandlungen so vollführen, dass der Amtshandelnde am Schluss Mensch geblieben ist. Ist er hiezu unfähig, dann kann er nicht Organ noch Träger eines Amtes sein, nicht einmal Organ in unterster Stellung, wenn gerade hier die unmittelbare Verbindung mit dem Bürger erhalten werden muss.
Unser heimischer Steuerzahler hat in der Vergangenheit bedeutsame Leistungen vollbracht. Die Auswirkungen derselben für Staat und Gesellschaft
sind nicht annähernd abzuschätzen. Er muss das in der Zukunft wieder tun, deshalb muss er erhalten bleiben. Die staatliche Verwaltung muss den Ruin des Steuerträgers verhüten. Sie hat ungehörige Zugriffe zu unterlassen. Wir appellieren daher, dass überwacht wird, ob im zulässigen Sinne Aufträge erledigt werden.
Die Interpellanten fragen den Herrn Minister:
1. Ist er bereit, das harte Vorgehen gegen Steuerschuldner von Stadt und Bezirk Gablonz a. N. hinsichtlich seiner Unerlässlichkeit zu überprüfen?
2. Ist er bereit, in diesem Zusammenhange besonders das Vorgehen des Exekutors Holubièka genauestens auf seine Richtigkeit hin zu untersuchen, bezw. untersuchen zu lassen?
Prag, am 5. September 1933.
Simm,
lng. Jung, Krebs, Knirsch, Ing. Kallina, Scharnagl, Oehlinger, Bobek, Greif, Dr. Hassold, Dr. Keibl, R. Köhler, Geyer, Horpynka, Dr. Schollich, Dr. Hanreich, Schubert, Kasper, Matzner, Dr. Petersilka, Krumpe.