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Pùvodní znìní ad 2080 II.

Interpellation

des Abgeordneten Dr. Ernst Schollich und Genossen

an den Vorsitzenden der Regierung und den Justizminister,

betreffend die Hauptzeugin im Tukaprozess Christine Schramm.

Die »Deutschösterreichische Tageszeitung« vom 11. September 1932 brachte folgenden aufsehenerregenden Aufsatz:

Die Kronzeugin im Tuka-Prozess - mit 50. 000 Kronen erkauf !

Ein Wiener Gewerbegerichtsprozess enthüllt die Ursachen der jahrelangen Kerkerhaft des Slowakenführers Dr. Tuka. - Tschechische Justiz!

In tschechischen Kerkern schwachtet seit vielen Jähren der Slowakenführer Dr. Tuka, weil er es im sogenannten tschechoslowakischen Staate gewagt hatte, die Gleichberechtigung der Slowaken mit den Tschechen zu verlangen und mit allen Mitteln für seine berechtigte Forderung eintrat.

Tschechoslowakisch nennt sich der Staat, der in Wirklichkeit lediglich von den Tschechen beherrscht wird und in dem die Slowaken tatsächlich eine ganz untergeordnete Rolle spielen. Ein Opfer der tschechischen Unterdrückungsmethoden gegenüber allen anderen Volksstämmen in der Tschechoslowakei wurde, wie eingangs erwähnt, der Universitätsprofessor und Abgeordnete der Slowakischen Volkspartei Dr. Tuka, einer der besten Führer der Slowaken, der in Pressburg im Herbst des Jahres 1929 wegen Hochverrats zu 15 Jahren schweren Kerkers verurteilt wurde. Dieser Prozess erregte seinerzeit fast ebensolches Aufsehen, wie augenblicklich der in Brunn vor sich gehende »Volkssport«-Prozess, der zweifellos mit jenem Prozess gewisse Ähnlichkeiten aufzuweisen hat, vor allem in der Methode, mit der die Tschechen derartige Prozesse aufzuziehen pflegen.

In diesem damaligen Prozess spielte eine für Tuka verhängnisvolle Rolle als Belastungszeugin eine gewisse Christine Schramm, Haushälterin und Wirtschafterin in einer Wohnung in der Kolschitzkygasse im 4. Wiener Gemeindebezirk, die angeblich Dr. Tuka zur Durchführung seiner Spionagetätigkeit als Untermieter aufgenommen und bezahlt hatte. Nun wurde durch eine anscheinend nicht bedeutungsvolle Verhandlung vor dem Wiener Gewerbegericht offenkundig, dass zwischen dieser Christine Schramm und amtlichen Persönlichkeiten der Tschechoslowakischen Republik ganz eigenartige Beziehungen bestehen.

Dieser Gerichtsverhandlung, die nicht etwa erdichtet ist, sondern am 13. Juli, unbeachtet von der Öffentlichkeit, stattfand und zwecks Zeugeneinvernahme auf unbestimmte Zeit vertagt wurde, widmet die in Užhorod gedruckte und in Wien und Pressburg erscheinende Wochenschrift der demokratischen magyarischen Minderheiten der Slowakei »Az Elet« in der Ausgabe vom 27. August 1932 einen umfangreichen Leitaufsatz »Geheimnisvolle Gerichtsverhandlung in Wien«, dem wir folgenden Tatbestand entnehmen:

Die Belastungszeugin des Tuka-Prozesses Christine Schramm klagt durch Rechtsanwalt Dr. Johann Mericka beim Wiener Gewerbegericht ihren früheren Arbeitgeber, den Inhaber einer Putzerei in Wien, bei dem sie vom 24. Juli 1931 bis 30. April 1932 als Hilfskraft beschäftigt war. Der geklagte Arbeitgeber hatte Christine Schramm ein Dienstzeugnis ausgestellt, nach dem »Christine Schramm darum ihre Beschäftigung verlässt... weil sie anderseits über Weisung meines Vertragspartners Mojmír Soukup direkt in die Dienste des Herrn Novak übernommen worden ist. «

Mit diesem Zeugnis ist die Klägerin nicht zufrieden, verlangt im Gerichtsweg die Ausstellung eines anderen und behauptet in ihrem Klagebegehren: Auf Grund eines Vertrages zwischen dem Beklagten und »Herrn Mojmir Soukup in Prag« vom 23. Juni 1931 erhielt der Beklagte ein Darlehen von 50. 000 tschechischen Kronen unter der Bedingung, die Klägerin in seinem Betrieb zu beschäftigen. Der Beklagte habe aber die Klägerin mit der unwahren Behauptung entlassen, dass »sie auf Weisung des Herrn Mojmir Soukup direkt in die Dienste des Herrn Novak von der Wiener tschechoslowakischen Gesandtschaft übernommen worden sei, « denn sie sei seit 1. Mai 1932 arbeitslos. Da der Beklagte seine Verpflichtungen gegenüber der Klägerin nicht erfüllt habe, so »hat Herr Soukup seine gegen den Beklagten bestehenden Forderung ihr zediert« mit der Erklärung, sie »möge die 50. 000 tschechische Kronen vom Beklagten zurückfordern. «

Demgegenüber erklärte der Beklagte: das ihm auf Grund des seinerzeitigen Vertrages gegebene Darlehen von 50. 000 tschechischen Kronen sei im Sinne des Vertrages »überhaupt nicht zurückforderbar«; Christine Schramm sei von ihm nicht gekündigt worden, sondern habe auf Grund eines ihr von Herrn Soukup in Pressburg am 5. April 1932 erteilten Befehles ihre Stelle aufgegeben; die Schramm sei nicht arbeitslos, sondern »sie erhält seit 1. Mai 1932 250 Schilling monatlich von Herrn Novak der Wiener tschechoslowakischen Gesandschaft, und zwar auf Befehl des Herrn Soukup aus Prag«, was ihm die Klägerin selbst bestätigt habe; die Schramm stand nicht in seinem Dienst, sondern in dem der Tschechoslowakischen Republik, so dass er zur Ausstellung eines Dienstzeugnisses, auf das übrigens die Klägerin ausdrücklich verzichtet hat, nicht verhalten werden kann. Als Zeugen nennt der Beklagte die Herren Mojmir Soukup und Franz Ho-

firik, deren Einvernahme der Vorsitzende anordnet.

Dies das Wesentliche aus dem Bericht de» »Az Elet« vom 27. August 1932. Aus der Luft gegriffen ist dieser Bericht nicht, denn die zwei Klagen der Christine Schramm wurden durch ihren Rechtsanwalt tatsächlich erhoben, die Verhandlung hat am 13. Juli tatsächlich stattgefunden.

Wer sind nun die Personen des beim Wiener üewerbeguricht anhängigen Verfahrens?

Christine Schramm war im Jahre 1929 Kronzeugin gegen den Slowakenführer Dr. Tuka, der »Herr Mojmir Soukup in Prag« ist der Oberst Soukup des Präger Nationalverteidigungsministeriums und stellvertretender Leiter des Nachrichtendienstes dieses Ministeriums. Herr Novak ist aktiver Beamter der Wiener tschechoslowakischen Gesandtschaft.

Der vom Beklagten als zweiter Zeuge genannte Herr Franz Hofirik wohnt Wien, 4. Bez., Kolschitzkygasse 30, in jenem Hause, in dem angeblich Dr. Tuka seine Wiener Kanzlei unterhalten hatte, und trat im Prozess gegen Dr. Tuka gleichfalls als Zeuge auf. Also insgesamt ganz bemerkenswerte Personen, deren Beziehungen zueinander mehr als auffallend sind.

Der Aufsatz der Wochenschrift »Az Elet« scheint den tschechoslowakischen Machthabern nicht ganz gleichgültig gewesen zu sein und man hat dieses Blatt veranlagst (selbstverständlich ganz freiwillig, wie man es von der im Tschechenstaat herrschenden Demokratie nicht anders erwarten kann!), in seiner Folge vom 3. September eine feierliche Erklärung abzugeben, dass ein »mit der Redaktion provisorisch betrauter Journalist« den Aufsatz vom 27. August in das Blatt »offenbar zu dem Zweck hineingeschmuggelt hat, um einer fremden Regierung damit zu dienen« und dass dieser strafweise entlassen wurde.

Ja, glauben die Prager Machthaber mit dieser mehr oder weniger erzwungenen Erklärung die Tatsachen aus der Welt zu schaffen, die vor dem Wiener Gewerbegericht zutage getreten sind? Wird sich vielmehr nicht jeder denkende Mensch Fragen vorlegen und auf deren Beantwortung warten? Wieso und warum unterhalten heute noch amtliche Stellen des Tschechenstaates Beziehungen zu Christine Schramm, einer Kronzeugin im Prozess gegen Dr. Tuka? Warum gibt Oberst Soukup des Prager Kriegsministeriums einem in Wien lebenden Mann die Summe von 50. 000 Tschechenkronen zur Gründung eines Geschäftes unter der ausdrücklichen Bedingung, dass die Christine Schramm in diesem angestellt wird? Wieso und weshalb zediert dieser tschechische Oberst Soukup der Schramm den Betrag von 50. 000 Kronen? Ist es wahr, wie der Beklagte vor dem Wiener Gericht angab, dass die Schramm seit 1. Mai 1932 auf Befehl des Oberst Soukup monatlich 250 Schilling vom Herrn Novak der Wiener tschechoslowakischen Gesandtschaft bezieht?

Und wieso kommt es, dass die Wienerin und österreichische Bundesbürgerin Schramm gerade von Doktor Johann Mericka vertreten wird, von einem Wiener tschechischen Rechtsanwalt, der sich hauptsächlich mit den anwaltschaftlichen Agenden der Wiener tschechischen Gesandtschaft befasst?

Alle diese Fragen werden die tschechischen Machthaber beantworten müssen!

Es ist begreiflich, dass die gesamte Oeffentlichkeit an der Klarstellung dieser etwas mysteriösen Angelegenheit ein lebhaftes Interesse hat. Es genügt nicht, wenn die Zeitung den Inhalt des Aufsatzes einfach widerruft, weil der Eindruck nicht von der Hand zu weisen ist, dass dies nur unter Druck und fremder Einwirkung geschah. Dieser Eindruck wird verstärkt durch die Tatsache, dass im Redaktionsvermerk am Blattschluss in der Nummer 35 vom 27. August 1932 noch für die Herausgabe in Oesterreich verantwortlich Josef Halmi. Wien I., Wipplingerstrasse

20/15 zeichnet und angegeben erscheint, dass die Postbeförderung durch Verordnung ZI. 82. 024/ IV-b/924 der Direktion Käschau gestattet wurde, während in der Nummer 36 vom 3. September 1932 diese beiden Vermerke fehlen, somit inzwischen scheinbar auch die Postbeförderungserlaubnis der Postdirektion Kaschau offenbar zurückgezogen wurde.

Die Gefertigten fragen daher den Herrn Vorsitzenden der Regierung und den Herrn Justizminister, ob Sie bereit sind, die ganze Angelegenheit eingehend untersuchen zu lassen und über das Ergebnis warheitsgemäss zu berichten?

Prag, am 15. September 1932.

Dr. Schollich,

Dr. Hassold, Horpynka, Ing. Jung, Krebs, Krumpe, Scharnagl, Dr. Petersilka, Matzner, Ing. Kallina, Knirsch, Köhler, Staun, Oehlinger. Greif, Kunz, Bobek, Dr. Hanreich, Dr. Keibl, Kasper, Geyer.


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