Tatsache ändert an diesem Zustand nichts und schafft ihn deswegen nicht aus der Welt.
Ganz unverständlich ist die Beschlagnahme des Ausdruckes. »Sudentenland«. Hier handelt es sich um einen geographischen Begriff, der bereits seit Jahrhunderten üblich ist und niemals als anstössig befunden wurde. Es soll damit das Gebiet bezeichnet werden, das den Gebirgszug, die Sudeten, umfaßt, zum Unterschied etwa von dem geographisch und hydrographisch anders gearteten Mittel- und Südmähren. Im engeren Sinne versteht man unter » Sudetenland« das Gebiet von Nordmahren und Schlesien. Die Beschlagnahme wäre möglicherweise bei dem Ausdruck »Sudenetendeutschland« verständlich, wenn, damit die ideelle und geopolitische Zugehörigkeit des Sudetengebietes zu Deutschland bezeichnet werden sollte. Genau mit demselben Rechte müßte man auch den Gebrauch von Gebietsbezeichnungen wie: Schönhengstgau, Kuhländchen, Neustädter Ländchen, Böhmerwald, Niederland u. a. unterdrücken. Der Oberste Verwaltungsgerichtshof hat übrigens bereits in einem Fall klar entschieden, daß das Wort »Sudetenland« als geographischer Begriff durchaus berechtigt und sein Gebrauch daher erlaubt ist. 14 Jahre Eigenstaatlichkeit mußten vergehen, bevor man die Staatsgefährlichkeit dieses Ausdruckes erkannte. Denn die ganzen Jahre über konnte das Wort im Zeitweiser und auch sonst in Zeitungen und Zeitschriften ohne Anstand verwendet werden. Auch bei den früheren Jahrgängen des Zeitweisers fand die Staatsanwaltschaft keinen Anstoß daran. Auch das »Sudetenlandlied« blieb unbeanständet, während es im Jahrgang 1933 gleichfalls der Beschlagnahme verfiel.
Die Unterdrückung der kurzen Notiz über das Vorhandensein des »Sudetendeutschen Heimatbundes- ist verständlich, wenn man weiß, daß dieser Verein der Sudetendeutschen, der so außerordentlich wirksam die politischen und wirtschaftlichen Interessen unserer Landsleute im Ausland wahrnimmt und vertritt, von der Regierung als irredentistisch bezeichnet wird, weil eben für sie in ihrer begreiflichen Angst um den Bestand des Staates alles hochverräterisch und irredentistisch ist, was sich trotz aller Bedrückung seiner völkischen Zusammengehörigkeit bewußt ist und einer Entnationalisierung bezw. Tschechisierung widersetzt. Dieser so in die Wege geleitete und werktätigst geförderte Assimilierungsprozeß wird durch solche nationalbewußte Körperschaften und Vereine, wie es z. B. der »Sudetendeutsche Heimatsbund« ist, dessen Grundlage die unwandelbare und unerschütterliche Liebe zur sudetendeutschen Heimat ist, leider aufgehalten und verhindert. Daher müssen sie von Staatswegen bekämpft und unterdrückt werden, wobei man allerdings vergißt, daß wahres, echtes Volksbewußtsein noch niemals durch Drangsalierungen unterdrückt, vielmehr im Gegenteil nur gehoben und gestärkt wurde.
Wir leben angeblich im Zeitalter der Demokratie, der Volksherrschaft; in Wirklichkeit war die geistige Bevormundung gewiß auch im Vormärz nicht größer als jetzt. Die kleinliche Handhabung der Zensur im tschechoslowakischen Freiheitsstaat ist der beste Beweis für diese meine Behauptung.
Die Gefertigten fragen daher den Justizminister, ob er bereit ist, hier endlich Wandel zu schaffen und sofort Veranlassung zu treffen, daß die Zensur nach neuzeitlichen Gesichtspunkten und nach freierer und demokratischer Auffassung durchgeführt wird, weiters, ob er an die unterstellten Zensurstellen Weisungen herauszugeben geneigt ist, wonach der Ausdruck »Sudetenland - in Hinkunft unbeanstandet bleibt?
Prag, am 21. September 1932.
Dr. Schollich,
Dr. Hassold, Dr. Hanreich, Köhler, Oehlinger, Bo-
bek, Scharnagl, Dr. Petersilka, Krumpe, Greif,
Krebs, Ing. Jung, Dr. Keibl, Matzner, Ing. Kallina,
Horpynka, Knirsch, Simm, Geyer, Schubert,
Dr. Mayr-Harting, Kunz, Kasper.
Pùvodní znìní ad 2075/ XV.
Interpellation
des Abgeordneten Dr. Ernst Schollich
und Genossen
an den Justizminister,
betreffend die Beschlagnahme der »Jä-
geradorfer Zeitung« vom 25. September
1932.
Aus einem Aufsatz »Volkssport, Nationalpartei und Notparlament« der »Jägerndorfer Zeitung" vom 25. September 1932 verfiel folgender Satz der Beschlagnahme:
»Erst wenn die Nationalsozialisten die stärkste Partei Sudetendeutschlands geworden seien und die politische Führung innehaben würden, könne uns geholfen werden. «
Weiters wurde der Ausdruck »Sudetendeutschland« unbegreiflicherweise in folgendem Wortlaut unterdrückt:
»Wenn er die Forderung nach einem autonomen, sogenannten »Sudetendeutschland« als unsinnig und gefährlich, als separatistisch, schädlich und undurchführbar bezeichnete, so tat er dies picht zum erstenmale und nicht ohne Begründung. Schon am 15. Eismonds 1932 veröffentlichte er in der Zeitschrift »Der deutschnationale Gemeindevertreter »einen Aufsatz: Nationale Selbstverwaltung? Darin heißt es wörtlich: Ein »Sudetendeutschland« mit territorialer Selbstverwaltung ist eine verwaltungstechnische Unmöglichkeit, ein Schlagwort, worüber jeder Kenner der Verhältnisse bloß lächelt und das kein tschechischer Staatsmann ernst nimmt. «
Es ist wirklich nach der Fassung beider Stellen nicht recht begreiflich, warum die Beschlagnahme erfolgte. Tatsache ist, daß dieselben Stellen bei anderen Staatsanwaltschaften ohne weiters Gnade gefunden haben und in anderen Zeitungen anstandslos gedruckt werden konnten. Die Zensur
ist leider nur Gefühlssache und wird in neuerer Zeit leicht zum Willkürakt, besonders dann, wenn sie von einem chauvinistischen Heißsporn besorgt wird, der am liebsten jede freieren Worte unterdrücken, würde. Es ist Sache des Justizministeriums, hier Einhalt zu bieten und allgemein geltende Weisungen herauszugeben, um das freie Ermessen und die Willkür soweit als möglich auszuschalten.
Die Gefertigten fragen daher den Herrn Justizminister, ob er vorliegende Beschlagnahme fur richtig hält und ob er nicht gewillt ist, die unterstellten Zensurbehörden anzuweisen, nach modernen Gesichtspunkten die Presseaufsicht durchzuführen, damit endlich der Unterschied zwischen der neuzeitlichen Demokratie und dem finsteren Mittelalter ersichtlich werde?
Prag, den 13. Oktober 1932.
Dr. Schollich,
Dr. Hassold, Dr. Hanreich, Dr. Keibl, Ing. Jung, Schubert, Köhler, Oehlinger, Scharnagl, Dr. Petersilka, Greif, Bobek, Kunz, Fritscher, Krumpe Kasper, Krebs, Geyer, Knirsch, Simm, Horpynka, Matzner, Ing. Kallina.
Pùvodní znìní ad 2075 XVI.
Interpellation
des Abgeordneten Dr. Ernst Schollich
und Genossen an den Justizminister, betreffend die Beschlagnahme der Grenzlandjugend-Zeitschrift Folge 9 in Troppau.
Die Folge 9 der in Troppau erscheinenden Zeitschrift »Grenzlandjugend« verfiel der Beschlagnahme durch die Staatsanwaltschaft und zwar wurden aus dem Aufsatz »Warum Grenzlandjugend« folgende Stellen beschlagnahmt:
»Diese »Staatsrechtliche Erklärung« ist uns zu einem Evangelium geworden, dessen Verkünder wir sein wollen, denn auch dem sudetendeutschen Volke muß das Recht zustehen, wie jedem anderen Volke, sein staatsrechtliches Schicksal selbst zu bestimmen. Wir bekennen uns daher als Vorkämpfer des alldeutschen, großdeutschen Gedankens, der nicht Raum und Zeit kennt und erst
seine Erfüllung finden wird, wenn auch wir wieder ein gesundes, starkes Volk auf freiem Heimatboden sein werden«...
»Was die Scheiterhaufen der Hussiten nicht vermocht haben, werden auch die Kerker in Pankratz nicht im Stande sein. «
»Geschlossen und geeint wollen wir die Fahne des Selbstsbestimmungsrechtes, der Freiheit ergreifen und vorantragen, treu behütet von unseren jugendlichen Leibern, dem Ziele zu, das wir nur erreichen wenn wir alle daran unerschütterlich glauben und dafür mit jugendlicher Begeisterung arbeiten.
Dann wird zur Wahrheit, was der Dichter sagt: Wir sehn es an dem Aufschwung unserer Jugend, an des ganzen Volkes Heldengeist, ja es gibt noch eine deutsche Jugend, die allmächtig einst die Kelten reißt!« Das Kreis- als Preßgericht hat selbstverständlich wie immer als willfähriges Werkzeug der politischen Macht mit Bescheid vom 21. September 1932 die Beschlagnahme bestätigt, weil angeblich in diesem Artikel öffentlich gegen den Staat wegen seiner Entstehung, gegen seine Selbständigkeit, verfassungsmäßige Einheitlichkeit und demokratische Staatsform aufgewiegelt wird«, sodaß der Tatbestand des Vergehens im Sinne des Gesetzes zum Schütze der Republik gegeben ist, »weil in diesem Artikel öffentlich in roher und verhetzender Weise die Republik derart geschmäht wird, daß es die Würde der Republik herabsetzen und den allgemeinen Frieden in der Republik und ihrer internationalen Beziehungen bedrohen kann. « Einem unbefangenen Gemüt wird es gewiß schwer fallen, alles das aus den beschlagnahmten Stellen herauszulesen. Nichts von all dem ist darin enthalten, ein Beweis zugleich, wie das Schutzgesetz zur Deckung von bürokratischer Willkür und zur Knebelung des freien Wortes mißbraucht wird.
Die Gefertigten fragen daher den Herrn Justizminister, ob er es nicht endlich an der Zeit hält, Weisungen an die Zensurbehörden herauszugeben, daß da« Aufsichtsrecht in einer liberaleren, den Zeitverhältnissen und der Demokratie entsprechenden Auffassung zu handhaben ist?
Prag, den 1. Oktober 1932.
Dr. Schollich,
Dr. Hassold, Horpynka, Dr. Keibl, Ing. Jung,
Köhler, Oehlinger, Scharnagl, Dr. Petersilka,
Greif, Bobek, Kunz, Krumpe, Kasper, Schubert,
Geyer, Krebs, Knirsch, Simm, Ing. Kallina,
Matzner, Dr. Hanreich.