2. was gedenkt er zu veranlassen, dass derartige, den geltenden Gesetzen zuwiderlaufende Entscheidungen für künftighin unterbleiben?
Prag, am 3. November 1932.
Kasper,
Geyer, Schubert, Dr. Schollich, Matzner, Bobek,
Horpynka, Scharnagl, Dr. Petersilka, Oehlinger,
Ing. Kallina, Dr. Hassold, Knirsch, Simm, Krebs,
Köhler, Ing. Jung, Dr. Hanreich, Dr. Keibl,
Krumpe, Greif.
Pùvodní znìní ad 2035/X.
Interpellation
der Abgeordneten Johann Greif, Rich. Köhler und Genossen
an den Justizminister
In Angelegenheit der ehesten Herausgabe eines besonderen Advokatentarifes für die Vertretung durch Advokaten im Verfahren vor den Arbeitsgerichten und im Rechtsmittelverfahren.
Das am 1. Jänner 1932 in Wirksamkeit getretene Gesetz über die Gerichtsbarkeit in Streitigkeiten aus dem Arbeits-, Dienst- und Lehrverhältnisse (über die Arbeitsgerichte) lässt in grundsätzlicher Abänderung des bisherigen Gewerbegerichtsgesetzes die Vertretung der Parteien vor den Arbeitsgerichten durch Advokaten dann zu, wenn der Wert des Streitgegenstandes 1000 Kè übersteigt.
Der Ausschussbericht des Senates zur seinerzeitigen Vorlage zum gegenwärtigen Gesetze sprach bereits ausdrücklich von der »Tatsache, dass die Vertretung durch Advokaten zweifellos eine Erhöhung der Kosten zur Folge hat. « Diese Annahme des Senates ist inzwischen trotz der verhältnismässig kurzen Wirksamkeitsdauer des Arbeitsgerichtsgesetzes durch die Wirklichkeit bestätigt worden. Es liegt in der Natur der Sache begründet, dass die Vertretungskosten der Advokaten die Arbeitnehmer, die die Arbeitsgerichte anrufen müssen, schwer belasten. Nicht selten schrecken diese Kosten die Arbeitnehmer überhaupt davon ab, ihre Rechte vor den Arbeitsgerichten geltend zu machen. Dadurch wird aber der Grundgedanke der Arbeitsgerichtsbarkeit, nämlich die Billigkeit, sehr bedenklich verwischt, ganz abgesehen davon, dass die Zahl der Berufungen gegen Urteile der Arbeitsgerichte wesentlich angestiegen ist, wodurch für den meist stellenlosen Arbeitnehmer-Kläger das Risiko der Klage noch grösser wird.
Diese notwendigen folgen der Zulassung von Advokaten zur Vertretung vor den Arbeitsgerichten hat der Gesetzgeber zweifellos vorausgesehen, denn der § 23, Abs. 2 des Gesetzes vom 4. Juli 1931, Slg. d. G. u. V. Nr. 131 über die Arbeitsgerichte besagt, dass »durch Regierungsverordnung besondere Tarife der Entlohnungen für die Vertretung durch Advokaten im Verfahren vor den Arbeitsgerichten und im Rechtsmittelverfahren festgesetzt werden können. «
Bis zur Stunde hat die Regierung von dieser Ermächtigung nicht Gebrauch gemacht. Infolgedessen wird der bestehende Advokatentarif auch auf das Verfahren vor den Arbeitsgerichten angewendet, wodurch sich die hohen Vertretungskosten mit allen ihren Gefahren für den klagenden Arbeitnehmer ergeben. Es ist deshalb unbedingt notwendig, dass ehestens für die Entlohnung der Advokaten vor den Arbeitsgerichten ein besonderer, und zwar wesentlich billigerer Tarif festgesetzt wird.
Die Gefertigten stellen deshalb an den Herrn Justizminister die Anfrage:
Ist der Herr Justizminister bereit, alle Vorkehrungen zu treffen, um die eheste Herausgabe eines Sondertarifes für die Entlohnungen der Advokaten im Verfahren vor den Arbeitsgerichten und im Rechtsmittelverfahren im Wege einer Regierungsverordnung sicherzustellen?
i
Prag, am 30. Oktober 1932.
Grell, Köhler,
Dr. Szüllö, Oehlinger, Dr. Petersilka, Dobránsky, Simm, Fedor, Ing. Jung. Hokky, Zajíèek, Bobek, Krumpe, Dr. Mayr-Harting, Scharnagl, Fritscher, Dr. Luschka, Geyer, Kasper, Schubert, Krebs, Knirsch, Kunz.
Pùvodní znìní ad 2035/ XI.
Interpellation
des Abgeordneten Windirsch und Genossen
an den Minister für Schulwesen und Volkskultur,
betreffend die unwirtschaftlichen Aufwendungen für tschechische Minderheitsschulen.
In Interpellationen vom 12. Jänner 1932 Druck 1597/VI und 10. Mai 1932 Druck 1780/II wurde der Herr Schulminister auf die Notwendigkeit der Erzielung von Ersparungen auf dem Gebiete des
tschechischen Minderheitsschulwesens aufmerksam gemacht und es wurde in diesen Interpellationen unter Anführung einiger Fälle hervorgehoben, in welcher unwirtschaftlichen Art Gelder für tschechische Minderheitsschulen verausgabt werden. Diese Interpellationen sind bis heute unbeantwortet geblieben.
In den Interpellationen wurde u. a. der Fall der tschechischen Minderheitsschule in der Gemeinde Neundorf, Bezirk Reichenberg erwähnt, wo das im Gemeindehause untergebrachte Klassenzimmer der tschechischen Minderheitsschule nicht frei gegeben worden ist, obzwar dort bereits 2 Jahre lang infolge Mangels an Schulkindern nicht mehr unterrichtet werden konnte. Die Interpellation bezüglich der tschechischen Minderheitsschule in Neundorf scheint Jedoch eine vollständig falsche Wirkung ausgelöst zu haben, denn mit Beginn des heurigen Schuljahres 1932/33 ist die tschechische Minderheitsschule mit 10 Kindern wieder eröffnet worden. Es geschah das Jedoch in einer Art, die bei deutschen Schulen als vollständig unzulässig von den Schulbehörden zurückgewiesen würde. Unter den 10 Kindern befinden sich 2 Kinder, die noch nicht das schulpflichtige Alter erreicht haben. Davon ist ein Mädchen erst 4 Jahre und 10 Monate alt, während ein Knabe das Alter von 5 Jahren und 5 Monaten aufweist. Ausserdem befinden sich unter den 10 Kindern 2 Kinder von Saisonarbeitern, die nach Beendigung der Arbeitssaison wieder in ihre Heimat zurückkehren werden. Demnach kommen also nur 6 Kinder in Betracht, für die es sich gewiss nicht lohnt, den teueren Betrieb der tschechischen Minderheitsschule in Neundorf aufrecht zu erhalten. Es ist das aber auch gar nicht notwendig, weil in der in nächster Nähe befindlichen Stadt Kratzau ohnedies eine tschechische Schule besteht, die auch die in Neundorf vorhandenen wenigen tschechischen, wirklich schulpflichtigen Kinder aufzunehmen vermag.
In einer Zeit finanzieller Not, in der die Staatsverwaltung kaum die an sie gestellten finanziellen Anforderungen zu erfüllen imstande ist, in der von den Steuerbehörden oft in rücksichtslosester Weise gegen Kleinlandwirte und Kleingewerbetreibende mit Exekutionen vorgegangen wird, um die häufig zu Unrecht vorgeschriebenen Steuern einzutreiben, und in der daran gegangen wird, auch die ohnedies schmalen Bezüge der niedrigen Kategorien der Staatsangestellten zu vermindern, ist es wirklich nicht nötig, in einer derart unwirtschaftlichen Weise öffentliche Gelder zu vergeuden. Es ist erforderlich, dass auch die staatliche Schulverwaltung sich das Sparprinzip endlich zu eigen macht und dort, wo tschechische Minderheitsschulen keinen hinreichenden Besuch aufweisen können, diese Schulen aufgelassen werden.
Der Herr Schulminister wird deswegen gefragt:
1. was er bezüglich der tschechischen Minderheitsschnule in Neundorf zu tun gedenkt,
2. ob er gewillt ist, darauf Einfluss zu nehmen, damit die für die Erhaltung des tschechischen Minderheitsschulwesens erforderlichen staatlichen Gelder in einer den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden wirtschaftlichen Weise verausgabt werden?
Prag, am 2. November 1932.
Windirsch,
Böhm, Halke, Vlereckl, Gläsel, Heller, Dr. Hodina, Wagner, Bobek, Oehlinger, Dr. Mayr-Harting. Scharnagl, Zajíèek, Dr. Luschka, Fritscher, Kunz, Dr. Petersilka, Krampe, Greif, Zierhut, Platzer.
Pùvodní znìní ad 2035/XII.
Interpellation
der Abgeordneten Hans Krebs und Genossen
an den Minister des Innern
betreffend die unbegründete Auflösung
einer öffentlichen Volksversammlung in
Falkenau-Kittlitz (Bezirk Böhmisch-
Leipa).
Am 8. Oktober veranstaltete die Deutsche Nationalsozialistische Arbeiterpartei in der Turnhalle zu Falkenau-Kittlitz eine behördlich bewilligte öffentliche Volksversammlung, bei der als Vertreter der Bezirksbehörde Böhmisch-Leipa Herr Oberkommissär Dr. Daniel intervenierte. Als Redner war der Abgeordnete Hans Krebs erschienen. Als er bei seiner Rede die Worte aussprach: »Unser Kampf richtet sich nicht gegen den tschechoslowakischen Staat, sondern ist ein Kampf um unser Recht in diesem Staate. Die politische Form unserer Forderungen ist der Kampf um die nationale Selbstverwaltung des Sudetendeutschtums«, erhob sich der Regierungsvertreter und löste die Versammlung völlig grundlos auf, indem er erklärte, der Redner habe durch seine Ausführungen gegen das Schutzgesetz verstossen. Diese Auffassung und die Auflösung selbst ist absolut gesetzwidrig, weil die politische Propaganda für eine Verwaltungsautonomie nicht, verfassungswidrig ist und auch durch, die Bestimmungen des Schutzgesetzes nicht verboten wird. Im Motivenbericht- zum Schutzgesetz haben die Gesetzgeber ausdrücklich festgelegt, dass die Bestrebungan nach Verwaltungsautonomie durch das Schutzgesetz nicht berührt werden. Es heisst in diesem Motivenbericht wörtlich:
»Unter staatlicher Selbständigkeit ist der im § 3 der Verfassungsurkunde ausgedrückte Grundsatz zu verstehen und es sollen damit nicht die Bestrebungen nach Verwaltungsautonomie berührt werden. Der Antrag beabsichtigt nicht, die auf Aenderung der Gesetze abzielende Agitation und Propaganda zu unterdrücken. In dieser Richtung macht er nicht einmal eine Ausnahme bezüglich der übrigen Bestimmungen des Verfassungsgesetzes, indem er sich dessen gut bewusst ist, dass-auch diese Gesetze auf gesetzlich-demokratischem Wege in ihren einzelnen Bestimmungen abgeändert werden können«.
Aus diesem Text des Motivenberichtes zum Schutzgesetz ist klar ersichtlich, dass die Gesetzgeber die Bestrebungen und die Propaganda auf Aenderung der bestehenden Gesetze und insbesondere auch die Verfassungsgesetze nicht unter Strafsanktion gestellt haben. Da Herr Oberkommissär Dr. Daniel in seiner Begründung bei der Auflösung der Versammlung ausdrücklich betonte, dass Abgeordneter Krebs durch seine Ausführungen über den Kampf um die nationale Selbstverwaltung sich gegen das Schutzgesetz vergangen habe, hat das genannte Organ selbst eine Gesetzwidrigkeit begangen, indem er mit einer falschen Rechtsauffassung seine Handlung begründete.
Die Unterzeichneten richten daher an den Herrn Minister des Innern als Verfassungsminister die Anfrage:
1. Was gedenkt der Herr Minister zu tun, dass in Zukunft gesetzwidrige Versammlungsauflösungen verhindert werden?
2. Ist der Herr Minister bereit, alle ihm unterstehenden Organe anzuweisen, dass die Agitation und die Propaganda nach einer Verwaltungsautonomie aufgrund des Wortlautes des Motivenberiehtes zum Schutzgesetz nicht unterdrückt werden dürfen?
3. Ist der. Herr Minister bereit, der Bezirksbehörde Böhm. Leipa aufzutragen, Herrn Oberkommissär Dr. Daniel über seine Verpflichtungen bei öffentlichen Versammlungen einzuschreiten, entsprechend zu unterrichten, und ihm für die unberechtigte Auflösung der Versammlung in Falkenau-Kittlitz vom 8. Oktober 1932, eine Ausstellung zu machen?
Prag, am 2. November 1932.
Krebs,
Schubert, Kasper, Ing. Jung, Simm, Köhler, Zajíèek, Geyer, Knirsch, Oehlilnger, Dr. Mayr-Harting Dr, Schollich, Dr. Keibl, Horpynka, Greif, Ing. Kallina, Dr. Hassold, Fritscher, Scharnagl, Bobek, Krumpe, Dr. Petersilka, Kunz, Matzner, Dr. Luschka, Dr. Hanreich.
Pùvodní znìní ad 2035/XIII.
Interpellation
des Abgeordneten Rudolf Kasper und Genossen
an den Minister für soziale Fürsorge,
betreffend den Erlass an die Bezirksarbeitsvermittlungsämter, nach welchem keine Zwischen-Meldekarten mehr ausgestellt werden dürfen.
Mit Erlass des »Ministeriums für soziale Fürsorge« ZI. 46928/III/E/32 wurden die Bezirksarbeitsvermittlungsämter beauftragt, keine Zwischen Meldekarten mehr auszustellen, d. h. also, dass den gewerkschaftlich organisierten Arbeitslosen nur für die ersten 13 Wochen eine Ausweiskarte und für die zweiten 13 Wochen neuerlich eine Ausweiskarte ausgestellt werden darf. Laut diesem neuen Erlasse haben sich die Arbeitslosen demnach mit jeder dieser Karten durch volle 13 Wochen zu melden, u. zw. auch dann, wenn die Arbeitslosigkeit nicht ununterbrochen, sondern durch Arbeitstage oder Arbeitswochen unterbrochen wird. Nur, wenn eine zur Arbeitslosenunterstützung bezugsberechtigte Person länger als vier Wochen wieder arbeiten konnte, ist eine Ausnahme zulässig. In einem solchen Falle kann eine neue Karte ausgestellt werden, doch muss die alte Karte zur Abmeldung gleich bei der Wiederanmeldung mit vorgelegt werden.
Durch diese, seitens des »Ministeriums für soziale Fürsorge« erlassene Verfügung, wird den Gewerkschaftsverbänden, welche nach dem Genter System berechtigt sind, Arbeitslosenunterstützung auszuzahlen, eine Mehrarbeit verursacht, ohne dass hiefür eine Entschädigung geleistet wird. Es muss nunmehr u. a. auch eine neue Anweisung geschrieben werden und erwächst dadurch ein bedeutend erhöhter Arbeitsaufwand. Die Gewerkschaften erleiden einen weiteren Schaden in materieller Hinsicht, da die bisher flüssig gemachten 10. - Kè je Arbeitslosenfall nicht mehr den Gewerkschaften gutgeschrieben werden, da die Ausfolgung einer neuen Karte, welche bisher für jede neue Arbeitslosenmeldung, wenn diese auch nur auf eine kurze Zeitdauer lautete, gegeben wurde, entfällt. Dieser Erlass hat auch weiters zur Folge, dass die Gewerkschaften noch auf eine weit grössere Zeitdauer hinaus, als wie bisher, auf die Refundierung des Staatsbeitrages zu warten haben werden. Es wird in sehr vielen Fällen aber auch vorkommen, dass die Gewerkschaften ein volles Jahr auf die Refundierung werden warten müssen.
Nicht also bloss die gewaltige finanzielle Mehrbelastung auf eine so lange Zeitdauer, sondern auch der Zinsenverlust, der bei den grossen Summen die zur Auszahlung gelangen, natürlich sehr gross ist und durch den Erlass noch er-
höht wird, zwingt die Gewerkschaften, gegen diesen Erlass Stellung zu nehmen.
Es ist doch dem »Ministerium für soziale Fürsorge« zur Genüge bekannt, dass die Gewerkschaften in dieser furchtbaren Krise weit über das normale Mass hinaus bestrebt sind, die Not unter den Arbeitslosen zu lindern; dass sie zum Zwecke der Arbeitslosenfürsorge alles daran setzen, dass sie Kapitalien, die für andere Zwecke bestimmt sind - soweit sie überhaupt noch vorhanden sind, der Arbeitslosenkassa zuweisen, um nur den Anforderungen nachzukommen, die an sie gestellt werden. Die meisten Gewerkschaften sind durch das Genter System stark passiv. Es sollte deshalb das Ministerium für soziale Fürsorge nicht noch weitere Belastungen den Gewerkschaften auferlegen, die als ungerechtfertigt und erschwerend bezeichnet werden müssen.
Die Gefertigten stellen daher an den Herrn Minister für soziale Fürsorge die Anfrage:
Ob er bereit ist, diesen Erlass zu widerrufen, damit die Gefahr des völligen Zusammenbruches der Gewerkschaften, die ohnedies in der schweren Krise ihr möglichstes zur Linderung der Not in den Kreisen ihrer Mitgliedschaft tun, nicht noch vergrössert werde?
Prag, am 8. November 1932.
Kasper,
Dr. Schollich, Dr. Hassold, Dr. Hanreich, Bobek,
Ing. Kallina, Oehlinger, Krumpe, Zajíèek, Greif,
Dr. Petersilka, Fritscher, Matzner, Horpynka,
Dr. Keibl, Schubert, Knirsch, Simm, Krebs
Ing. Jung, Geyer, Köhler.