Menge Detektive anwesend, von denen gleich von Anfang an ein gewisser Hradecký sich gegen das zahlreich anwesende Publikum ganz auffallend benahm.

Abg. Dr. Keibl hielt es für seine Pflicht als Volksvertreter, diese Gelegenheit zu benützen und zuerst über die bekannten Vorfälle zu sprechen, die sich wenige Tage vorher, am 25. und 26. Juni 1932 beim deutschen Gauturnfeste in Dux abgespielt haben. Er hatte kaum einige einleitende Sätze gesprochen, als er vom Polizeikommissär unterbrochen und aufgefordert wurde sich zu massigen, obgleich dazu gar kein sachlicher Grund vorhanden war.

Abg. Dr. Keibl sprach dann weiter und wiederholte dabei in ungekürzter Form seine kurz vorher in der Plenarsitzung des Abgeordnetenhauses gehaltene Rede. Kaum hatte er etwa 5 Minuten gesprochen, so löste der Polizeikommissär die Versammlung auf, ebenfalls, ohne dass ein triftiger Grund hiefür vorhanden gewesen wäre. Alsbald erschien die staatliche Polizeiwachmannschaft und räumte den Saal.

Ein kleiner Teil der Versammlungsteilnehmer, unter ihnen auch der Abg. Dr. Keibl, begaben sich in die Restauration des Hotel »Schienhof«. Sie sassen ruhig bei kleinen Tischen. Da erschienen 3 Civilisten, denen es jeder schon an ihrem aufgeregten Gebahren ansehen konnte, dass sie nicht zu der Gesellschaft gehören. Besonders einer tat sich auffallend hervor, so dass Abg. Dr. Keibl, der sie gerade bei der Eingangstür traf, sich bemüssigt fühlte, in das Lokal zurückzurufen »Achtung, es kommen Spitzel«. Das veranlasste den einen von ihnen, eben der sich gleich so auffallend benommen hat, dem Abg. Dr. Keibl zuzurufen ob er nicht wisse, wen er vor sich habe, er sei Civilwachmann und habe schon der Versammlung beigewohnt. Er werde es ihm, dem Abg. Dr. Keibl, schon zeigen, wer- er sei, auch wenn dieser Abgeordneter sei. Er zeigte auch jetzt seine unter seinem Rockkragen verborgene Marke. Abg. Dr. Keibl antwortete, er könne nicht wissen, wen er vor sich habe, er habe nicht das Vergnügen, die Reichenberger Detektive zu kennen. Abg. Dr. Keibl erkundigte sich bei den Anwesenden, wer der Mann sei, und erfuhr, dass es eben derselbe Hradecky sei. Die Gesellschaft sang dann einige ganz harmlose deutsche Lieder, stets von den 3 Civilwachleuten beobachtet. Als dann einmal der Hotelbesitzer Herr Mauder ins Lokal kam, sprang Hradecky auf ihn zu und sagte, er fühle sich als Tscheche durch das Singen der deutschen Lieder provoziert und fordere, dass Herr Mauder es den Anwesenden verbiete. Was Herr Mauder erwiderte, ist nicht bekannt geworden, jedenfalls nahmen die Anwesenden dieses Vorgehen eines Wachmannes im Dienste, das nur als eine ganz unerhörte Provokation der deutschen, Gäste angesehen werden kann, gar nicht zur Kenntnis, so dass die 3 Civilwachleute nach einiger Zeit abzogen, ohne auf ihre Kosten gekommen zu sein.

War dieser Vorfall noch verhältnismässig glimpflich abgelaufen, so ging es bei der am 12.

Juli 1932 in Tetschen stattgefundenen Versammlung schon gefährlicher zu.

Die Versammlung war von allen deutschen oppositionellen Parteien in das Tetschener Schützenhaus einberufen worden und sollte eine grosse deutsche Kundgebung werden. Als Redner waren die Abgeordneten Krumpe, Dr. Keibl und Kasper gemeldet. Als der erste Redner, Abg. Krumpe, nur ein paar einleitende Worte sprach, wiederholte sich dasselbe Spiel, wie in Reichenberg. Gleich wurde er vom Regierungsvertreter zur Mässigung ermahnt und als er noch einige ganz unbedenkliche Worte sprach, löste der Regierungsvertreter die Versammlung, die kaum 10 Minuten gedauert hatte, auf.

Dies war allen Teilnehmern so auffallend, die vorgefasste Absicht des Regierungsvertreters allen so in die Augen springend, dass sich der 2500 Anwesenden sofort eine mächtige Erregung bemächtigte. Sie machten ihrem Unmut dadurch Luft, dass sie erregte Zurufe ausstiessen und dass die sehr zahlreich anwesenden Anhänger der Deutschen nationalsozialistischen Arbeiterpartei ihr Parteilied sangen. Allerdings dauerte dies einige Minuten.

Als das Lied verklungen war, wollte die Menge Menschen den Saal verlassen. Da nur eine einzige Tür am Ende des Saales offen war, zu der auch noch die Besucher von der Galerie herabstürmten, ging das begreiflicherweise langsam. Aber es kam eigentlich gar nicht dazu.

Denn inzwischen hatten die Beamten, die bereitgestellte Gendarmeriemannschaft, - über 50 Mann unter dem Kommando eines Gendarmeriestabskapitäns. - herbeigeholt. Diese drang nun von dem an den grossen Saal längsseits angebauten kleinen Saal in den grossen Saal ein. Sie versperrte dadurch alle Notausgänge. Wie sie den Saal aber räumte, spottet jeder Beschreibung. Abg. Dr. Keibl. Abg. Krumpe und der Abg. Kasper blieben auf der Bühne stehen und versuchten durch Zurufe die Menge zur Ruhe zu mahnen. Ihr Bemühen war aber ganz umsonst angesichts des rohen und kopflosen Vorgehens der Gendarmen. Sie kamen im Laufschritt, stiessen mit den Gewehrkolben die wehrlosen Frauen und Männer nieder und bearbeiteten die am Boden Liegenden mit Fusstritten. Dies haben die genannten Abgeordneten mit eigenen Augen gesehen. Da die Gendarmen von der Breitseite des Saales kamen, sperrten sie die Versammlungsteilnehmer vom letzten Ausgang ab. Es entstand eine Panik wie bei einem Brande. Sessel und Tische wurden umgeworfen, Biergläser und Teller fielen klirrend zu Boden, Menschen wälzten sich durcheinander und alles stürzt« nicht etwa zur Tür, denn diese, sowie der Hauptausgang, der zugeschlossen war, war unbenutzbar geworden, sondern zu der gegenüberliegenden Fensterreihe, durchstiess die Fenster und sprang in den Garten.

Die Gendarmerie wurde im Saale weder wörtlich noch tätlich angegriffen. Die diesbezüglichen Meldungen der tschechischen Presse sind leere Erfindungen. Die Teilnehmer der Versammlung hatten viel zuviel mit sich selbst zu tun, als

dass sie auf solche Gedanken gekommen wären. Es wäre schon im Saale zu Verwundungen gekommen, wenn nicht Abg. Dr. Keibl die Gendarmen ersucht hätte, der Situation doch Rechnung zu tragen und langsamer vorzugehen.

Im Garten staute sich die Menge. Auch das ist zum Teil der Kopflosigkeit der Gendarmerie und ihres Kommandanten zuzuschreiben, denn der Garten hat zwei etwa 4 Meter breite Tore. Es ist unverständlich, dass die Gendarmerie durch das obere Tor nur anfangs einige Teilnehmer durchliess, und dass mit Widerstreben, dann aber das obere Tor sperrte, so dass die meisten der 2500 Versammlungsbesucher gezwungen waren, sich durch das eine untere Tor zu drängen oder über den eisernen 2 Meter hohen Zaun des Gartens zu klettern. Dass so etwas nicht schnell gehen kann, muss jedem Kinde einleuchten. Dazu kommt, dass die Menge durch das Verhalten der Gendarmerie im Saale berechtigterweise empört, nicht gesonnen war, sich weiter schieben und stossen zu lassen.

Als Protest sang sie ein uraltes deutsches Lied, das allerdings, wie so vieles in diesem Staate, ohne zwingenden Grund verboten ist. Das brachte vor allem die Regierungsvertreter um ihre Nerven. Sie gaben den Gendarmen Befehl, den Garten zu säubern. Was das heisst, kann sich nur der vorstellen, der diese Szene miterlebt hat. Die Abgeordneten Dr. Keibl und Kasper gingen als letzte unmittelbar vor und mit den Gendarmen. Vor ihnen ballte sich vor dem einzigen frei gebliebenen Tor eine hundertköpfige Menge. Einige Gendarmen schickten sich an, auf diesen Knäuel von rückwärts einen Bajonettangriff zu machen. Inständigst redete Abg. Dr. Keibl auf die ihm am nächsten stehenden Gendarmen ein, dies nicht zu tun, sondern den Leuten Zeit zu lassen und ihnen nur nachzudrängen. An einer anderen Stelle hielt sie mit Mühe ein Regierungsvertreter zurück. Es ist ein wahres Glück zu nennen, dass sich die übernervösen Gendarmen tatsächlich bestimmen liesen, vom Bajonett nicht Gebrauch zu machen, sonst hätte es eine Menge Toter und Verwundeter gegeben. Immerhin schien es einigen übereifrigen Gendarmen nicht schnell genug zu gehen. Am Tore angelangt schlugen sie ohne Jeden Grund mit den Gewehrkolben nach vorn und trafen unter anderen, offenbar absichtlich, den Abgeordneten Dr. Keibl mehrmals in den Rücken und den Abgeordneten Kasper auf den rechten Ellbogen, trotzdem sie genau wussten, dass diese Abgeordnete sind. Sie sind den Gendarmen nämlich nach der Saalräumung von einem Unteroffizier als Abgeordnete vorgestellt worden. Abg. Kasper erlitt durch den Stoss eine blutige Verletzung. Wie berichtet wird, soll der Gendarmeriestabskapitän aber mit blanken Säbel auf die fliehende Menge eingebaut haben. Als die Menge das Tor passiert und den Garten verlassen hatte, entstand eine wilde Flucht durch die Schützenstrasse. Die Gendarmen setzten mit gefälltem Bajonett der Menge nach. Die Abgeordneten Dr. Keibl und Kasper gingen langsam hinter den Gendarmen nach.

Wenn es nun vorgekommen sein soll, dass aus der flüchtenden Menge auf die nachdrängenden Gendarmen mit Steinen und Flaschen geworfen wurde, so ist dies nur der Aufregung zuzuschreiben, in der sich die Volksmenge berechtigterweise befand. Es ist dies die Folge des ganz unqualifizierbaren Vorgehens der Gendarmerie, nicht die Ursache zum Vorgehen der Gendarmerie. Der offizielle Bericht wird hier Ursache und Wirkung möglicherweise verwechseln wollen, darum muss dies festgestellt werden.

Aus allem ergibt sich Folgendes:

Die gleiche Art, wie die Regierungsvertreter in Reichenberg und Tetschen sich bei den Versammlungen benehmen, wie sie alsbald, ohne zwingenden Grund die Redner unterbrachen und nach ganz kurzer Zeit die Versammlungen auflösten, rechtfertigt den Schluss, dass sie nicht aus eigenem Antrieb, sondern in Befolgung eines höheren Auftrages handelten. Es ist auch auf Umwegen bekannt geworden, dass die politischen und die Polizeibehörden tatsächlich den Auftrag erhalten haben, es nicht zu gestatten, dass über die Duxer Vorfälle öffentlich gesprochen werde. Dieses Verbot soll entweder vom Herrn Innenminister selbst stammen, oder sogar auf Beschluss des Ministerrates erfolgt sein. Wenn das richtig sein sollte, so dürfte es zu mindestens den Parlamentariern der Opposition auf lange Zeit unmöglich sein, eine Versammlung ruhig zu Ende zu führen, weil selbstverständlich immer wieder auf diese Vorfälle von den Rednern Bezug genommen werden wird. Dadurch aber wird stets weitere Unruhe in die Bevölkerung getragen werden und es wird gerade das Gegenteil von dem eintreten, was die Regierung beabsichtigt. Wenn dann immer wieder die öffentliche Ruhe und Ordnung gestört werden sollte, so wäre daran nur die Regierung selbst einzig und allein schuld. Ein solches Verbot verletzt aber auch das staatsgrundgesetzlich gewährleistete Recht der Staatsbürger auf freie Meinungsäusserung, weil es dieser Meinungsäusserung viel engere Schranken zieht, als die geltenden Gesetze es zulassen. Ein solches Verbot wäre ungesetzlich, nichtig und immer nur durch Gewaltanwendung durchzudrücken. Es würde für die Parlamentarier der Opposition aber bedeuten, dass sie in der Ausübung ihres Amtes als Volksvertreter dauernd behindert wären. Deshalb fühlen sich zumindest die Gefertigten in ihrem Immunitätsrechte schwer verletzt.

Weiters haben die Vorfälle in Dux und Tetschen bewiesen, dass die Gendarmerie ihrer Aufgabe überhaupt nicht gewachsen ist. Ihr fehlt jede Schulung, Jeder Takt, jede Ueberlegung, insbesonders aber jene innerliche Selbstbeherrschung und Erziehung, die jeder Staatsbeamte besitzen soll, will er fähig sein, sich über das Parteigetriebe zu erheben und dadurch erst sich zum Hüter der Ordnung zu eignen. Insbesondere der Gendarm muss mehr sein als jeder andere. Ist er doch meistens auf sich selbst gestellt und kann nicht Immer strikte Befehle seiner Vorgesetzten erwarten. So war die Gendarmerie im

alten Gesterteich zum überwiegenden Teile beschaffen, daher kam der alte Staat auch mit viel weniger Mannschaft aus und hatte viel mehr Erfolge» insbesonders gegen das gemeine und freie Verbrechertum. Da aber versagt die tschechoslowakische Gendarmerie besonders im deutschen Siedlungsgebiete fast vollkommen. Die lange Liste, der unentdeckten Verbrecher beweist dies alle Jahre zur Genüge. Was man in Tetschen an ihr 'wahrnahm was Stossen, Treten, Schlagen, sonst nichts und das kann jeder gewöhnliche Dorfpolizeibüttel auch. Die Räumung der Tetschner Schützenhaussaales war ein Schulbeispiel dafür, wie man einen Saal der voll von Menschen, Tischen und Stühlen ist, nicht räumen soll. Zunächst hatte nach Ansicht der Gefertigten der Stabskapitän die Pflicht, dafür zu sorgen, dass alle Ausgänge geöffnet werden. Er hatte die Mannschaft vor der Bühne aufzustellen und von hier aus gegen die offenen Ausgänge drücken zu lassen Er aber blieb draussen im Garten, hatte keine Ahnung, wie der Saal beschaffen ist, verzichtete also als Offizier auf jede Erkundigung des Terrains, schickte einfach seine Leute vor. Diese gingen, selbstverständlich, da sie ebenfalls keine Kenntnis von der Oertlichkeit hatten, durch die offene Terassentür in den kleinen Saal und kamen dadurch an der Längsseite in den grossen Saal Dies waren aber gerade die noch offenen Notausgänge gewesen, die auf diese Art von den Gendarmen blockiert wurden. Die Gendarmen liefen fast in den Saal mit gefällten Bajonetten in der Hand. Erst die Panik die dadurch entstand und weiter erst als sie selbst sahen, dass sie die Leute nicht gegen einen Ausgang, sondern gegen eine Wand mit Fenstern trieben, veranlasste sie langsamer vorzugehen und eine Schwenkung zu machen. Aber die Panik und ihre unausbleiblichen Folgen waren bereits da. Niemals kann es aber gerechtfertigt werden, dass die Gendarmen die stürzenden Frauen und Männer von rückwärts mit Fusstritten und Kolbenhieben traktierten. Das ist Missbrauch der Amtsgewalt. - -

Ganz ähnlich ging es im Garten zu. Warum musste sich die ganze grosse Menschenmenge durch ein einziges Tor drängen lassen, wo doch zwei zur Verfügung standen? Die Mannschaft war nahe daran, gegen den Klumpen von Menschen von rückwärts einen Bajonettangriff zu machen. Ist das Ueberiegung, ist das Ruhe? Es fehlte jedes Kommando, jedes System in der ganzen Sache.

Mannschaft und Stabskapitän schienen entweder den Kopf verloren zu haben oder hatten Angst. Es ist bezeichnend, dass später der Stabskapitän einen Nervenzusammenbruch erlitten haben soil Wenn dann draussen auf der Strasse die Menge. Sterne und Flaschen gegen die Gendarmen geworfen haben soll, so wird dies niemand für rut heissen. Aber sie kann zu mindestens dasselbe für sich ins Treffen führen, wie die Gendarmen, namlich dass sie sich im Zustand der Auiregung befand, der ihr die ruhige Ueberiegung raubte, nur mit dem kleinen Unterschied, dass die Gendarmen angefangen haben ihre Ueberle-

gung, die bei ihnen einen Teil der Dienstpilicht ausmachen soll, zu verlieren.

Bei alledem aber muss auch dem objektivsten Beobachter der Unterschied auffallen, der sich aus dem Benehmen der Gendarmen in Dux und in Tetschen offenbart. In Dux ging die Gendarmerie mit einer Schonung gegen die tobende Menge vor, die geradezu rührend war. Sie bückten sich vor dem Steinhagel, um ja nicht getroffen zu werden und wenn sie einschritt, so tat sie es gegen die Angegriffenen. Das gerade Gegenteil war in Tetschen der Fall. Da waren sie voll Eifer und kaum einem vorgebrachten Einspruch der Abgeordneten zugänglich. Ja sie hieben selbst auf die Abgeordneten Dr. Keibl und Kasper von rückwärts ein, obgleich sie wohl wussten, wen sie vor sich haben. Hier spiegelt sich deutlich das Verhältnis der Nationen in diesem Staate wieder. Die Gendarmen waren zum allergrössten Teil in beiden Fällen Tschechen. Als national empfindende Tschechen benahmen sie sich gegen die tschechischen Angreifer in Dux fast liebenswürdig, gegen die Deutschen in Tetschen aber roh. - - -

In diesem Zusammenhange gehört auch das Benehmen des Civilwachmannes Hradezký am 4. Juli 1932 in Reichenberg. Wie kommt der Mann dazu, dem Abgeordneten Dr. Keibl zu drohen? Wie kann er, wenn er schon dienstlich in einem Restaurationslokale sich befindet, sich als Tscheche durch das Singen eines unschuldigen deutschen Liedes provoziert fühlen. Wenn er im Dienste ist, so ist er Wachorgan, weiter nichts. Sein Auftreten war eine ganz gewöhnliche Unverschämtheit und ein Dienstvergehen.

Dazu kommt, dass die Regierung, insbesonders aber der Herr Innenminister dem Drucke der verschiedenen narodní výbory, der tschechischen Boulevardspresse und der Strasse nachgibt und die Zeit für gekommen sieht, den hiesigen deutschen Staatsbürgern die sogennante starke Faust zu zeigen. Es mehren sich die Anzeichen dafür, dass eine Periode noch nie dagewesener Bedrükkung des deutschen Volksstammes in diesem Staate anheben will. So werden die völkischen Zeltungen täglich beschlagnahmt, allen voran das »Nordböhmische Tagblatt« und die »Sudetendeutsche Tageszeitung«, alte Beamte aller Ressorts, selbst Tschechen, werden aus dem deutschen Siedlungsgebiete versetzt, nur deswegen, weil sie es verstanden, mit der deutschen Bevölkerung in ein annehmbares Vertrauensverhältnis zu kommen und durch »verlässliche« tschechische Heissporne ersetzt. Die Regierung scheint keinen Frieden, keine Ruhe zu wünschen; gut, sie kann auch den Kampf haben. Doch das sind schon Angelegenheiten, die auch die deutschen Minister berühren müssen.

Auf Grund dessen stellen die Gefertigten nachstehende Anfragen:

1. An den Herrn Ministerpräsidenten: a) Ist es wahr, dass der Ministerrat beschlossen hat, dass in keiner deutschen Versammlung über die Duxer Vorfälle vom 25. und 26. Juni 1932

gesprochen werden darf, und dass jede deutsche Versammlung sofort aufzulösen sei, falls dieses Verbot übertreten wird?

b) Ist er geneigt, dieses Verbot, das eine unerträgliche Behinderung der deutschen oppositionellen Parlamentarier in der Ausübung ihres Mandates beinhaltet, aufzuheben?

2. An den Herrn Minister des Innern:

a) Ist es wahr, dass der Herr Minister des Innern an die ihm unterstehenden politischen und Polizeibehörden die Weisung gegeben hat, dass in keiner deutschen Versammlung über die Duxer Vorfälle vom 25. und 26. Juni 1932 gesprochen werden darf, und dass jede deutsche Versammlung sofort aufzulösen sei, falls diese Weisung übertreten wird?

b) Im bejahenden Falle:

Ist er geneigt, dieses Verbot, das eine unerträgliche Behinderung der deutschen oppositionellen Parlamentarier in der Ausübung ihres Mandates beinhaltet, aufzuheben?

c) Im verneinenden Falle:

Ist er geneigt, den ihm untergestellten politischen Bezirksbehörden den Auftrag zu geben, alle Parlamentarier über alle öffentlichen Vorfälle, also auch über die Duxer vom 25. und 26. Juni 1932 und die Tetschner vom 12. Juli 1932, in Versammlungen sprechen zu lassen, solange sich ihre Kritik innerhalb der Grenzen der geltenden Gesetze hält?

d) Ist er geneigt, die Gendarmerie so zu reorganisieren und schulen zu lassen, dass sie imstande ist ihre Aufgabe, insbesondere dem gemeinen Verbrechertum gegenüber zu erfüllen und sich als objektiver, von keinen nationalen oder Klassengefühlen krankhaft beeinflusster Körper erweist, der selbst die gefährlichste Lage ruhig und zielsicher beherrscht?

e) Ist er geneigt zu veranlassen, dass die Gendarmerie in der Räumung von Lokalitäten theoretisch geschult wird?

f) Ist er geneigt, die Regierungsvertreter anzuweisen, sich bei jeder Versammlung um die gehörige Oeffnung aller Notausgänge zu kümmern und zu verordnen, dass bei einer notwendig werdenden Sallräumung jede Panik vermieden werde?

g) Ist er geneigt, die Art und Weise, wie die Gendarmerie den Schützensaal in Tetschen räumte, zu untersuchen und die daraus sich ergebenden Schlussfolgerungen zu ziehen?

h) Ist er geneigt, das oben geschilderte Benehmen des Reichenberger Zivilwachmannes Hradezký zu untersuchen und ihm die entsprechenden Belehrungen zu erteilen?

3. An die Herren Minister Dr. Czech und Dr. Spina:

a) Betrachten sich die Herren Minister lediglich als Vertreter ihrer politischen Parteien im Ministerrate, oder darüber hinaus auch als Vertreter des hiesigen deutschen Volksstammes?

b) Für den Fall, als Sie oder einer von Ihnen sich auch als Vertreter sudetendeutscher Interessen betrachten sollte:

Was gedenken Sie zum Schütze der Versammlung- und Redefreiheit im deutschen Gebiete zu veranlassen?

Für den Fall aber, als Sie oder einer von Ihnen sich lediglich als Vertreter seiner politischen Partei im Ministerrate betrachtet, verzichten die Gefertigten auf die Beantwortung dieses Absatzes 3 der Interpellation seitens des betreffenden Herrn Ministers.

Prag, am 20. Juli 1932.

Dr. Keibl.

Dr. Schollich, Ing. Kallina, Dr. Hanreich, Matzner, Horpynka, Dr. Hassold, Simm, Geyer, Ing. Jung, Köhler, Schubert, Kasper, Dr. Törköly, Dr. Holota, Dr. Szüllö, Hokky, Dobránsky, Fedor, Knirsch, Dr. Jabloniczky, Nitsch, Szentiványi, Krebs.


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