Amt bekleidet, das seine ständige Anwesenheit erfordert, ein. bezahlter Urlaub zu gewähren ist. Wenn die ständige Anwesenheit irgend jemanden im Gemeindeamte notwendig ist, so ist es die des Bürgermeisters, und dies umsomehr, je zahlreichei der Beamtenapprat des Stadtamtes ist. Denn gemäß der §§ 52, 33, 55, 56, 57, 58, 59 und 61 der Gemeindeordnung vom 5. März 1862, R. G. Bl. Nr. 18 hat der Bürgermeister alle dem Gemeinderat obliegenden Geschälte zu leiten und zu beaufsichtigen, die Disziplinargewalt über die Gemeindeangestellten auszuüben, die Gemeinde nach außen zu vertreten, die Verwaltung des Gemeindevermögens- zu besorgen, die Gemeindeunteniehmungen zu leiten, die Arbeiten und das Arbeiten der Gemeindebedienisteteu zu beaufsichtigen u. a. m., und das alles unter eigener, persönlicher Verantwortung, die auch dann nicht wegfällt, wenn er alle diese Pflichten von anderen Personen erfüllen läßt. Bedenkt man, daß die Anwesenheit des Bürgermeisters auch für den größten Teil des ParteienVerkehres, ganz besonders aber jetzt in den Zeiten vermehrter Arbeitslosigkeit unumgänglich notwendig ist, so wird kein vernünftiger Mensch mehr ableugnen können, daß ein Bürgermeister, der Berulslehrer ist,. seine Pflicht nur dann erfüllen kann, wean er von seiner Lehrverpflichtung entweder ganz oder zum größten Teil befreit wird.
Die Urlaubsverweigerung unter Hinweis auf die große Zahl der Gemeindebeamten ist aber schon ganz ausfällig. Je größer die Zahl der Gameindebeamten, ist, desto größer ist die Agenda der Gemeinde, desto größer aber auch der Aufgaben- und Pflichtenkreis des Bürgermeisters. Wenn die abweisenden Bescheide der LanJesschiilräte oder die gegen die Urlaubserteilung abgegehenen Gutachten der Bezirkshauptlejte und Bezirksschulinspektoren sich auf diese oben widerlegte Argumentation stützen, so kann das nur damit erklärt werden, daß diese Beamten durch eiae derartige schablonenhafte Erledigung die strengen Vorschriften über einzuleitende Sparmaßnahmen am besten zu erfüllen glauben. Den Realitäten des praktischen Lebens wird dabei überhaupt nicht Rechnung getragen.
Die Landesschulräte haben aber derartige Ansuchen der Lehrer-Bürgermeister bisher nicht nur abgewiesen, sondern haben auch dort, wo der Urlaub vor Genehmigung durch den Landcsschulrat schon angetreten, wurde, dem Bürgermeister den Ersatz der Vertretungskosten vorgeschrieben. E? ist selbstverständlich, daß die betroffenen Bürgermeister in ihrer Diensteigenschaft als Lehrer von dem ihnen zustehenden Rechts Gebrauch gemacht und in offener Frist den Rekurs an das Schulministerium eingebracht haben
Die Unterzeichneten fragen daher den Herrn Minister für Schulwesen und Volkskultur, ob ihm diese Fälle bekannt sind, ferner, ob er geneigt und gewillt ist, den Auftrag zu erteilen, daß jeder im Rekursverfahren siehende Fall genauestens und individuell untersucht und wohlwollend im Interesse der betreffenden Stadt erledigt werde, ferner, ob er bereit ist, die Landesschulräte anzuweisen, diese Urlaubsgesuche von Lehrer-Bürgermeistern, in entgegenkommender und den tatsäch-
lichen Verhältnissen entsprechendzn Weise zu behandeln und zu erledigen?
Prag, am 18. Mai 1932.
Horpynka,
Dr. Hanreich, Dr. Hassold, Zajièek, Oehünger,
Schernagl, Bobek, Köhler, Dr. Keibl, Er. Schollich,
Matzner, Ing. Jung, Simm, Krebs, Dr Petersilka,
Krumpe, Geyer, Fritscher, Kasper, Knirsch,
Schubert, Ing. Kailina.
Pùvodní znìní ad 1797 XVII.
Interpellation
des Abgeordneten Dr. Stern und Genossen
an den Minister des Innern
betreffs eines Versammlungsverbotes in
der Gemeinde Predlitz und Einschränkung
der Gemeinderechte durch das Polizei-
konunissariat in Aussig a. E.
Am 18. April 1932 hat die Gemeindevertretung von Predlitz der Behörde und zwar dem Polizeikommissariat in Aussig die Abhaltung einer öffentlichen Gemeindewählerversammlung an Freitag den 22. April 1932 um 8 Uhr Abends im Volkshaus Predlitz, rn. it der Tagesordnung:
»1. Bericht über die finanzielle und wirtschaftliche Lage der Gemeinde Predlitz.
2. Die allgemeine wirtschaftliche Lage und die Verwirklichung des Antrages der sozialdemokratisch organisierten Arbeitslosen,
3. Eventuelles, angekündigt.
Mit Bescheid vom 20. April 1932 Z. 12541 teilte das Polizeikommissariat in Aussige der Gemeindevertretung mit, daß es diese Anzeige nicht zur Kenntnis nehme, und die Abhaltung der beabsichtigten Versammlung verbiete. Dieses Verbot wurde damit begründet, daß nach Meinung des Polizeikommissariates das Veranstalten von öffentlichen Versammlungen in die im Artikel V. des Gesetzes vom 5. März 1862 taxativ aufgezählte Kompetenz der Gemeinden nicht fällt und die Gemeinde als solche nicht befugt sei, öffentliche Versammlungen einzuberufen.
Wir wollen davon absehen, daß das Aussiger Polizeikommissariat offenbar nichteinmal die primitivsten verwaltungsrechtlichen Kenntnisse besitzt, weil sie sonst nicht behaupten könnte, daß im Artikel 5 des erwähnten Gesetzes eine taxative Aufzählung enthalten ist, während offenbar das Gegenteil der Fall ist. Aber die Entscheidung des Polizeikommissariatec hat eine große grundsätzliche Bedeutung: sie bedeutet eine sogar in der Tschechoslowakei bis jetzt noch nicht gewagte Einschränkung der Kompetenz dar Gemeinden,
denen die Aussiger Polizei sogar das Recht auf Abhaltung öffentlicher Versammlungen beistreiten möchte, obwohl das Gesetz ausdrücklich das Recht erteilt. Jede Form der Willensäußerung zu Fragen, welche die Gemeindeinteressen gewinnen, anzuwenden, und obwohl das Recht zur Einberufung öffentlicher Versammlungen jeder beliebigen Privatperson, um so mehr also einer Gemeinde zusteht. Es handelt sich um einen zunächst vereinzelten, aber sehr gefährlichen. Versuch, die faschistische Beseitigung der letzten Spuren von Bewegungsfreiheit der Gemeinden, welche in der Tschechoslowakei ohnedies schon sehr weit gediehen ist, weiter zu führen.
Wir fragen deshalb den Herrn Minister:
1. ) Ist er bereit, den erwähnten Bescheid des
Polizeikommissariates in Aussig a. E. sofort aufzuheben?
2. ) Ist er bereit, die für den Bescheid Verantwortlichen in strengster Weise zu bestrafen?
3. ) Was gedenkt die Regierung zu unternehmen, um derartige Bescheide für die Zukunft unmöglich zu machen?
Prag, am 18. Mai 1932.
Dr. Stern,
Novotný, Hrubý, Vallo, Sliwka, Juran, J. Svoboda,
K. Procházka, Gottwald, Dvoøák, Török, Höhnel,
RUSS, Hadek, Kubaè, Kühn, Hruška, Štìtka, Èížin-
ská, Steiner, Hodinová, Tyll, Barša, Kliment,
Babel