wurden u. dgl. mehr. Die Liebenauer Nebenregierung hatte damit zwar ihren Zweck erreicht, aber darüber hinaus weiters, daß durch die lächerliche Spielerei mit der Staatsmacht am ungezigneten Fleck, diese selbst lächerlich wurde.

Nach Ansicht der Gefertigten stellt das Verbal dieser Sprachgrenzfahrt nach Liebenau einen behördlichen Übergriff schlimmster Art dar.

Daher fragen die Gefertigten den Herrn Minister des Innern:

Was gedenkt der Herr Minister zu tun, um zu veranlassen, daß friedlichen Festen deutscher kultureller Vereine in deutschen Orten seitens der zuständigen politischen Verwaltungsbehörden künftig keine unbegründeten und. schikanösen Hindernisse bereitet werden?

Prag, am 12. Oktober 1931.

Dr. Keibl, Bobek,

Dr. Schollich, Dr. Henreich, Dr. Hassold, Ing. Jung,

Geyer, Knirsch, Oehlinger, Scharnagl, Dr. Peter-

silka, Krampe, Schubert, Kasper, Krebs, Horpyn-

ka, Matzner, Ing. Kallina, Köhler, Simm, Greif.

Pùvodní znìní ad 1447/ XXI.

Interpellation

des Abgeordneten Richard Köhler und Genossen

an den Minister des Innern, in Angelegenheit des Verbotes der Sprachgrenzfahrt nach Liebenau am 20. September 1931.

Die Vorbereitungen zur Sprachgrenzfahrt des Bundes der Deutschen in Böhmen sowie des Volksbundes deutscher Katholiken wurden durch das behördliche Verbot jäh unterbrochen. Nur die Wallfahrt des Volksbundes deutcher Katholiken auf den Kalvanenberg bei Liebenau ist nicht verboten worden. Deutsche, die sich. schon am Samstag einfanden, waren sofort den Maßnahmen der zahlreichen Gendarmen ausgesetzt. Weit über hundert Mann Gendarmerie wurden in dem kleinen Städtchen, zusammengezogen, davon waren 80 Mann bereits Samstag eingetroffen. Es bestand aber von deutscher Seite keine Gefahr, daß dieses riesenhafte Aufgebot etwas hätte zu tun bekommen können, was auch nur einigermaßen zu einer Stärke entsprochen hätte. Die Deutschen Hatten nur die Absicht, in dam friedlichen Zeichen deutscher Volks- und Heimatliebe beisammenzusen und nicht mehr.

Das Städtchen war in seinen Farben blau-weiß geschmückt, viele Hauser trugen grün umwundene Tafeln mit einem »Grüß Gott!« Ein geschmückter Bogen mit dem Willkommensgruß war aufgestellt - an seinen Säulen stand je ein Gendarm mit auf-

gepflanzten Bajonett und da und dort standen die uniformierten Vertreter der Staatsgewalt in starken Truppen oder patrouillierten zu zweien und dreien, selbst in den entlegensten Gäßchen.

In der neunten Stunde vormttag marschierten nichtsahnende Jugendbündler auf den Marktplatz ein; sie marschierten geschlossen, wie sie es gewohnt sind und wie es ihnen mit ihren Satzungen ein für allemal erlaubt ist. Ein Ordner vom Volksbund deutscher Katholiken, der den Jugendbündlern, die an der Wallfahrt auf den Kalvarienbarg teilnehmen wollten, den Weg vom Bahnhof zur Turnhalle wies, wurde wegen seiner blau-weißen Armbinde als der »Anführer« des gefahrlichen Aufmarsches betrachtet. Der Zug wurde angehalten und aufgelost, der »Anführer abgeführt und erst nach einer geraumen Zeit wieder freigelassen.

Jede »Ansammlung« von mehreren Leuten wenige im Gespräch beisammenstehende Personen - wurde aufgelöst. Eine aus mehreren Mitgliedern bestehende Familie wurde mit Gewalt auseinander gesprengt. Einmal - am Vormittag - wurde sogar der Markt geräumt. Die Anhaltungen Gruppenauflosungen, Feststellungen u. s. w. dauerten an; vielfach waren es Jugendliche, deren Wanderkleidung unter dem Begriff' der Uniform und militärischen Ausrüstung genommen wird. Einem Zwölfjährigen, der auf seiner Gürtelschnalle ein Sonnenrad (»Hackenkreuz«) hatte, wurde der Gürtel beschlagnahmt. Es ist bemerkenswert, daß beim Anhalten der Kinder mit dem Seitengewehr gedroht wurde. Diese und ähnliche Szenen wurden von den Lichtbildnern, die unter den Teilnehmern zahlreich vertreten waten, auf der Platte und im Film festgehalten, damit auch das Ausland davon erfährt. Das heitere Wetter kam dieser Ausübung der Lichtbildkunst sehr zu statten.

Bemerkt sei, daß in der Liebenauer Beseda beobachtet wurde, wie Gendarmen Alkohol zu sich nahmen. (Wie verträgt sich das mit einem Bereitschaftsdienste?)

Viele Hunderte von Volksgenossen, Teilnehmer der Wallfahrt auf den Kalvarienberg, sammelten sich in dem kleinen Städtchen an, obzwar die Gendarmerie alle Wege nach Liebenau bewachte und die des Weges Kommenden mit größter Deutlichkeit aufforderte, wieder umzukehren. Viele Leute taten das gezwungenermaßen, versuchten aber dann, durch den Wald um die Sperre herum zu kommen. Das starke Gendarmerie-Aufgebot ermöglichte es aber, richtige Jagden im Walde durchzufuhren und das Städtchen abgesperrt zu halten. Das umgebende Gelände bot vielfach das Bild von militärischen Manövern. Selbst eine Schar von Turnern wurde angehalten, weil sie mit ledernen Gürteln daherkamen, die als Uberschwung, ja als militärische Ausrüstung betrachtet wurden. Bemerkenswert ist, daß es sich beim Anhalten von Turnern zeigte, daß die amtlichen Organe, die der Turnerschaft schon seit langem soviel Aufmerksamkeit widmen, das Turnerabzeicher nicht von einem Hackenkreuz unterscheiden können. Die Turner hatten es besonders schwer, in die Stadt zu kommen; ihro Züge wurden aufgelöst und. sie mußten einzeln oft die umständlichsten Umwege machen.

So ist der Bund der Deutschen an der Durchführung einer kulturellen Veranstaltung, zu welcher er nicht nur satzungsgemäß berechtigt, sondern auch seinen. Mitgliedern gegenüber verpflichtet ist, durch die Behörde behindert worden. Talsache ist, daß die arme Bevölkerung des Städtchens Liebenau infolge des mit Gebrauch und Sitte im Widerspruch stehenden Verbotes einen «ehr erheblichen materiellen Schaden erlitt. In geradezu aufreizender Weise sind Ruhe und Ordnung durch das unerhörte Vorgehen behördlicher Organe in Liebenau gestört worden.

Die Gefertigten richten daher an den Herrn Minister des Innern folgende Anfragen:

1. Ist er bereit, diese Angelegenheit gründlich zu untersuchen;

2. die schuldigen Beamten und behördlichen Oigane zur Verantwortung zu ziehen;

3. dafür einzutreten, daß künftighin solche Verbote von kulturellen Veranstaltungen der satzungsgemäß bewilligten deutschen Schutzvereine und anderen nationalen Körperschaften unterlasssn werden?

Prag, am 14. Oktober 1931.

Köhler,

Dr. Keibl, Kunz, Horpynka, Oehlinger, Krumpe, Fritscher, Dr. Luschka, Dr. Schollich, Geyer, Krebs, Bobek, Scharnagl, Dr. Hassold, Ing. Jung, Greif, Knirsch, Matzner, Schubert, Kasper, Simm.

Pùvodní znìní ad 1447 XXII.

Interpellation

des Abgeordneten kg. Rudolf Jung

und Genossen an den Justizminister, betreffend die Beschlagnahme der periodischen Druckschrift »Deutsche Post« in Troppau,

In ihrer Nummer 236 vom 10. Oktober 1. J. brachte die periodische Druckschrift «Deutsche Post«, Troppau, einen Leitaufsatz »Zur Parlamentseröffnung«. Dieser Aufsatz wurde nahezu zur Gänze beschlagnahmt. Es blieben lediglich folgende einleitenden Sätze stehen:

»Am 14. Oktober tritt das Prager Abgeordnetenhaus zur Herbstarbeit an. Die recht ausgiebigen Sommerferien und die Gemeindewahlen haben die rot-grüne Koalition. so gestärkt, daß sie sogar mit einem gewissen Optimismus den parlamentarischen Betrieb wieder eröffnet. Die tschechischen Agrarier und Sozialdemokraten fühlen sich als ausgesprochene Wahlsieger und auch der deutsche Laadbündler Spina hat das sonst herkömmliche Schweigen deutscher Minister einmal gebrochen, um einen Vertreter eines Nachrichtenbüros zu ver-

sichern, daß er in dem Wahlergebnis eine Aufforderung der Bevölkerung an die deutschen Minister erblicke, im Amt zu verbleiben. Die Optimisten in der Regierung scheinen also nicht nur, in den Sommerferien ihre Nerven auskuriert zu haben, sondern sie fühlen sich auch durch die Gemeindewahlen politisch go gestärkt, daß sie wieder. stolz in der Brust und siegesbewußt zum Kampf in der parlamentarischen Arena aufmarschieren...

Das Parlament befindet sich in diesem Herbst vor einer seiner schwersten und ernstesten Arbeitspenoden. «

Hingegen wurde der ganze übrige Wortlaut baschlagnahmt. Er lautete folgendermaßen:

Die Luft ist förmlich geschwängert mit wirtschaftlichen. Sorgen und die Wirtschaftskirse droht in ganz Europa zu einer Währungskrise und damit zu einer allgemeinen Vertrauenskrise zu werden. Der Fluch das Goldes lastet über den Völkern schwerer und drückender denn je. Allüberall wird Not verordnet, aber jeder fürchtet, daß morgen der große Zusammenbruch kommt und alle papierenen Verordnungen im Chaos untergehen. Das allgemeine Mißtrauen in die Geldwirtschaft hat bereite alle Staatan erfaßt. Trotzdem die Tschechoslowakei verhältnismäßig wenig Auslandsschulden hat, beginnen die kleinen Sparer ängstlich und die großen Finanziers nervös zu werden. Das Gefühl der Unsicherheit, was die nächsten Wochen der gesamten Wirtschaft bringen können, ist bis zur Unerträgliohkeit gesteigert und angespannt. Das Volk erwartet daher vom Parlament Aufklälung und Beruhigung. Es haben sich der Außenminister und der Finanzminister mit großen Referaten angekündigt. Dia Öffentlichkeit hat ein Anrecht darauf, diesmal mehr als leere Redensarten zu hören, ebenso wie da-s Parlament die Pflicht hat, diesmal in seiner Diskusion nicht bloß leeres Stroh zu dreschen. Das. Prager Parlament hat jetzt eine gute Gelegenheit, seine arg bekleckerte Reputation und Würde zu retten, indem es sich der Lage gewachsen zeigt. Kommt es diesmal wieder nur zu einer der üblichen Parlamentstagungsn, in denen sich die Regierung so ängstlich bemüht, alles hinter den Kulissen zu verbergen, was der Wahrheit auch nur nahekommt, so wird sie nur dazu beitragen, die Abneigung gegen diese Art von Parlamentarismus und Demokratie, die in der Bevölkerung schon starke Wurzeln gefaßt hat, bis rur Verachtung zu steigern. Mehr denn je wünschen die Massen der Arbeitenden und Werktätigen in diesem Augenblicke Offenheit und Klarheit, weil in dieser gefährlichen Kurve unserer Wirtschaft und Politik die Völker klare Sicht und starke Führung brauchen, um das Gefühl loszuwerden, mit verbundenen Augen an cin-etn Abgrund entlang zu taumeln.

Wenn auch die Tschechoslowakei bisher nicht so unmittelbar im Mittelpunkt der allgemeinen Krise stand wie andere Staaten, so kann sie bei der allgemeinen Verflechtung und Verfilzung der weltwirtschaftlichen Fäden schon in nächster Zeit völlig in den Wirbel mit hineingezogen werden. Die Vorstellung von der glücklich isolierten Insel des Wohlstandes war eine arge Täuschung der vom Gold der Pariser Banken Verblendeten. Die Tschechoslowakei ist sine der Spreizen jener französi-

sehen Macht- und Goldpolitik, die sich immer mehr nicht nur als das Dynamit des Weltfriedens, sondern auch der Weltwirtschaft erweist. Der Herd der europäischen Unruhe befindet sich in Paris. In Prag hat man. sich redlich bemüht, diesen Herd immer wieder mit anzuheizen. Jetzt ist es aber soweit, daß diese europäische Unruhe, die England und Deutschland durchzittert, stärker und verhängnisvoller sich auch auf die südeuropäinchen Kleinstaaten auswirkt, als man es an offizieller Stelle in Prag und Belgrad zugehen will. Die französische Protektion erweist sich den Gesetzen der Wirtschaft gegenüber, nach denen die kleinen Staaten im Donauraum und am Balkan vor allem von der Entwicklung jn Deutschland abhängig sind, immer hilfloser und muß in dem kritischen Punkte ganz versagen, wenn die Krise voll zum Ausbruch kommt. Es ist das tragische Vasallenschicksal der Tschechen, daß ihre Politik zwar mithilft, Frankreichs Trikolore siegreich über Europa aufzupflanzen, daß dieselbe Politik aber gleichzeitig Europa in ein wirtsohaftliches Trümmerfeld verwandelt, mit dem die Tschechoslowakei auf Gedeih und Verderb verbunden ist.

Das Prager Parlament ist also in seiner Eröffnungssitzung vor Schicksalsfragen gestellt. Es wird nicht genügen, diesen Fragen mit den bisherigen Kurpfuschermethoden beikommen zu wollen. Die Wolken, die von England und Deutschland herüberdrohen, sind so sehr mit Katastrophen geladen, daß wir alle ein Gefühl haben, wie vor einem großen Gewitter, das zu einem Brand von furchtbarer Ausdehnung und grauenhafter Auswirkung führen kann. Die Entwicklung ist auf einem Punkt angekommen, wo die Wirtschaft unser Schicksal ist.

Die Prager Regierung trägt die Verantwortung dafür, ob sie dieses Schicksal zu meistern versteht, oder in politischer Verblendung und Engstirnigkeit den bevorstehenden Notwinter zu einem Katastrophenwinter werden lassen will. M. K. «

Wie aus dem angeführten Wortlaute hervorgeht, handelt es sich um die ernste Mahnung eines sich verantwortlich fühlenden Journalisten, keineswegs jedoch um eine Aufreizung oder irgendwelche demagogische Behauptungen. Es ist daher beim be-

sten Willen nicht einzusehen, weshalb dieser Aufsatz der Beschlagnahme verfiel. Soll es denn in der demokratischen Èechoslovakischen Republik nicht mehr gestattet sein, das Parlament als den Exponenten der Bevölkerung und die Regierung als Vollzugsorgan des demokratischen Willens an ihre Aufgaben zu mahnen? Ein Journalist besitzt keine andere Möglichkeit, als seine Meinung in einem Aufsatze zur Geltung zu bringen. Der Troppauer Presse-Staatsanwalt scheint einer anderen . Meinung zu sein. Er glaubt wahrscheinlich, daß ein weißer Fleck in der Größe von l½ Zeitungsspalten beruhigend wirkt. Aus hunderten von Anfragen kann die Schriftleitung der »Deutschen Post« das Gegenteil beweisen. Gerade die Beschlagnahme hat die größte Beunruhigung hervorgerufen.

Merkwürdiger Weise ist der gleiche Aufsatz, welcher in Troppau «beunruhigend« wirkte und daher der Beschlagnahme verfiel, in Teplitz-Schönau unbeanstandet geblieben. Der »Teplitz-Schönauer Anzeiger hat nämlich diesen Aufsatz in seiner Nummer 235 vom gleichen Tage (10. Oktober) unverkürzt bringen dürfen. Man sollte doch meinen, daß die Wirkung in zwei Städten des gleichen Staates dieszlbe sein müßte.

Die Gefertigten sind der Überzeugung, daß der Herr Justizminister durchaus ihre Anschauung teilt, daß diese Beschlagnahme ungerechtfertigt und unklug ist. Sie stellen daher an den Minister folgende Anfrage:

Ist er bereit, der Troppauer Staatsanwaltschaft zur Kenntnis zu bringen, daß derartige leichtfertige Beschlagnahmen in Hinkunft zu vermeiden sind?

Prag, am 14. Oktober 1931.

Ing. Jung,

Scharnagl, Horpynka, Schubert, Kasper, Dr. Luschka, Greif, Bobek, Oehlinger, Dr. Hassold, Dr. Keibl, Knirsch, Matzner, Simm, Geyer, Kunz, Dr. Schollich, Krebs, Fritscher, Köhler, Krumpe, Szentiványi, Dr. Holota, Dr. Törköly, Nitsch.


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