In dieser ernsten Stunde wenden wir uns an die Regierung um Hilfe. Alle bisher ge troffenen Maßnahmen zur Rettung der Land wirtschaft vor dem gänzlichen Verfall, sind infolge der eingetretenen Verhältnisse wir kungslos geworden. Der Bund der Landwirte hat daher der Regierung einen Antrag zur Linderung der Not vorgelegt. Vor allen Din gen wird es notwendig sein, für das Jahr 1934 die Grundsteuer abzuschreiben, denn die Voraussetzung für die Grundsteuer ist die Bodenrente und eine Bodenrente ist heute nicht mehr gegeben, sondern jedes einzelne Grundstück ist im Jahre 1934 ein Verlustobjekt geworden. Wir haben auch in diesem Antrage mit Recht die Stundung der Steuerrückstände vom Jahre 1933 verlangt. Weiters haben wir eine 50 %ige Frachtermäßigung für Futtermittel verlangt. Für die Eisenbahnen würde dies absolut keinen Verlust bedeuten, denn Hunderte Eisenbahnwaggons stehen leer auf den Stationen und auch diese 50%ige Fracht wird sicherlich die Regie decken. Durch Eingreifen der Regierung verbilligte Futtermittel im ausreichenden Maße zur Verfügung zu stellen ist besonders notwendig. Die Aufnahme der vorhandenen Vorräte hat zu erfolgen, damit diese Vorräte nicht unnütz zurückgehalten werden. (Posl. Windirsch: Als Wucherobjekt!) Ja, als Wucherobjekt und vor allen Dingen zur Ausnützung der schweren Wirtschaftslage. Die scharfe Kontrolle der Börsen und Beseitigung des Spekulantentums habe ich bereits heute hier erwähnt. Die Sicherstellung des Saatgutes für den Herbstanbau 1934 ist unumgänglich notwendig geworden. Die Ernte ist vollständig ungeeignet für das Saatgut und wird auch nicht mehr als 20% der normalen Jahre betragen. Wir können aber auch die gegenwärtigen Sozialversicherungsprämien nicht mehr bezahlen. Es ist bedauerlich, daß Tausende von landwirtschaftlichen Arbeitern nicht mehr in Arbeit stehen, wozu noch kommt, daß weitere Hunderte solcher Arbeiter entlassen werden müssen, nicht, weil der mittlere oder kleine Landwirt diese Prämie nicht bezahlen will, sondern weil er sie nicht bezahlen kann. Wer sich davon überzeugen will, gehe hinaus auf die Dörfer, frage dort die Leute und die werden die richtige Antwort am richtigen Ort schon geben.
Weiters ist - auch das habe ich bereits erwähnt - notwendig, endlich einmal die Kartellpreise herabzusetzen. Freiwillig wird das nie geschehen. Das muß von regierungswegen geschehen. Wir wissen, daß ein großer Teil der Konsumentenschaft in der nächsten Zeit höhere Preise nicht wird bezahlen können. Wir verlangen deshalb, daß das Augenmerk auf die Zwischenhandelsspanne zwischen Urproduktion und Veredelungsware gerichtet wird. Die Zeit ist vorbei, das mögen sich jene merken, an deren Adresse diese Worte gerichtet sind, wo vielleicht ein Stand oder ein Beruf auf Kosten des anderen aus dieser Not noch irgendwelche Vorteile ziehen kann. Wir alle sind dazu verpflichtet, in die ser ungeheuren Notzeit gemeinschaftlich Opfer zu bringen. (Souhlas.)
Ich möchte nun darauf verweisen, daß nur ein rasches und energisches Eingreifen der Regierung die Landwirtschaft vor dem Ruin und die weitesten Kreise vor der Verzweif lung retten kann. Noch haben wir - und das sei hier ausdrücklich betont - die Hand am Pfluge und im Herzen die Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Lassen Sie diese verläß liche Hand nicht erlahmen.
Ich will aber auch zum Schluß
die Gelegen heit benützen, um auf die große wirtschaft liche Not
im allgemeinen in den deutschen Randgebieten zu verweisen. Diese
Not ist ungeheuer und sie möge absolut nicht mehr übersehen werden.
Namentlich unsere Ju gend steht vor der Verzweiflung und ihre
seelische Verfassung ist darnach angetan. Die Jugend vegetiert
nun in der Blüte ihres Lebens dahin; Tausende junger Menschen
haben seit der Entlassung aus der Schule keinen Betrieb von innen
gesehen, Tausenden von jungen Menschen bietet sich keine Gelegenheit,
einen Arbeitsplatz in der Zukunft zu finden. Wenn wir hier sagen,
daß die Jugend, namentlich im deutschen Gebiete, geistig und materiell
am stärksten unter der Not und unter der gegenwärtigen Zerrüttung
des völkischen und staatlichen Lebens gelitten hat, so ist das
absolut keine Übertreibung. Die Errichtung von Arbeitslagern,
die immer wieder auftauchende Siedlungsfrage, die Anstellung von
Aspiranten gibt Gelegenheit, auch dem deutschen Kinde Unterkunft,
Arbeit und Brot zu geben. Wenn ich für die deutsche Jugend hier
von diesem Platze aus eintrete, dann erfolgt dieser Mahnruf auch
im Interesse des Staates. Möge die Regierung und die ganze èechische
Öffentlichkeit den Ruf des Abg. Vojta Beneš beherzigen:
"Man möge in unseren Grenzlanddeutschen und ihrer Jugend
durch gerechte Beurteilung ihrer schweren Lage Vertrauen zum Staate,
der auch ihre Heimat ist, erwecken!" Würde die Ablehnung
dieses anerkennenswerten Grundsatzes aus nationalen Gründen erfolgen,
dann würde das Wort unseres Herrn Staatspräsidenten zur Wahrheit
werden, der einmal gesagt hat: "Der Feind der Völker und
der Menschheit" - und ich füge hinzu: des Staates - "ist
der nationale Haß!" (Potlesk.)
Hohes Haus! Die zur Beratung stehende Vorlage, betreffend die Verlängerung und Erweiterung des Ermächtigungsgesetzes, hat ihren Ursprung in der außerordentlich schwierigen Situation dieses Staates und seiner Bevölkerung. Sie soll der Regierung die Möglichkeit geben, wichtige Wirtschafts- und finanzpolitische Vorkehrungen, die sich im Zusammenhang mit der Krisenbekämpfung als nötig erweisen, ohne Verzug zu treffen. In der Überzeugung, daß die Abwehr von wirtschaftlichen und politischen Katastrophen im höchsten Interesse der deutschen arbeitenden Bevölkerung dieses Landes liegt, ja nicht nur im Interesse unserer arbeitenden Bevölkerung, ondern im Interesse der Demokratie und des Sozialismus in Mitteleuropa, stellen wir schwerwiegende formale Bedenken zurück und nehmen zu dieser Vorlage einen positiven Standpunkt ein. (Výkøiky posl. Hadka, Babela, Heegera, Katze a Kirpalové.)
Bei dieser Haltung lassen wir
uns auch nicht durch die wortreiche Kritik der Kommunisten wankend
machen. Seit der Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen
mit Sowjetrußland . . . . (Výkøiky. - Hluk.)
Místopøedseda Roudnický (zvoní):
Prosím o klid.
Posl. Jaksch (pokraèuje):
. . . . seit der Schaffung eines engen Freundschaftsverhältnisses
zwischen der Èechoslovakei und der Sowjetunion müßten die Kommunisten
selbst ein Interesse daran haben, daß dieser neue wertvolle Bundesgenosse
Sowjetrußlands durch keine inneren Erschütterungen geschwächt
wird. Der Schutz der demokratischen Stabilität dieses Staates
bedeutet auch eine Stärkung der Verteidigungsfront der Sowjetunion
und ich begrüße es mit Genugtuung, daß die kommunistischen Redner
es diesmal wohlweislich unterlassen haben, das Ermächtigungsgesetz
als ein Mittel zur Vorbereitung des imperialistischen Feldzugs
gegen die Sowjetunion hinzustellen. (Hluk.)
Místopøedseda Roudnický (zvoní):
Žádám, aby øeèník nebyl vyrušován.
Posl. Jaksch (pokraèuje): Wir können die Kommunisten auch beim besten Willen nicht ernst nehmen, wenn sie sich auf dieser Tribüne heute als Verteidiger der sozialpolitischen Errungenschaften der Arbeiterschaft aufspielen. Jahrelang haben die Kommunisten den Arbeitern erzählt, daß die sozialpolitischen Gesetze ein sozialfaszistischer Schwindel seien. Auf einmal haben sie die revolutionäre Bedeutung der Sozialpolitik entdeckt. Nur gestatten wir uns anzumerken, daß die Arbeiter dieses Staates, wenn es auf die kommunistische Partei ankäme, überhaupt keine Alters- und Invalidenversicherung hätten. (Výkøiky posl. Hadka, Katze a Dietla. - Místopøedseda Roudnický zvoní.)
Zur Sache selbst. Was die Handhabung
der Vollmachten anbetrifft, welche mit diesem Gesetz der Regierung
erteilt wird, haben wir sehr wesentliche und sehr dringliche Wünsche
vorzubringen. Wir fühlen uns hier in diesem Hause und auf dieser
Tribüne als die Dolmetscher des grenzenlosen Notstandes, der in
unseren deutschen Industrie- und Grenzgebieten herrscht. Ich muß
darauf hinweisen, daß die Verhältnisse noch immer besorgniserregend
sind. Die industrielle Erleichterung, welche durch die Deflationspolitik
geschaffen wurde, ist unzureichend und hat eine wesentliche soziale
Entspannung nicht gebracht. Wir stehen noch immer vor einer stabilen
Massenarbeitslosigkeit . . . (Hluk.)
Místopøedseda Roudnický (zvoní):
Prosím o klid.
Posl. Jaksch (pokraèuje): . . . . vor einer Dauerarbeitslosigkeit, welche die Menschen schon durch 3, 4 und 5 Jahre heimsucht. Wir stehen aber auch vor einer Erschöpfung der Hilfsquellen und vor einer wachsenden Verelendung der betroffenen Menschen. Mit den Mitteln der sozialen Fürsorge ist dem Notstandsproblem in unseren Industriegebieten auf die Dauer nicht mehr beizukommen. Not tun tiefgreifende soziale Krisenlösungen, wie sie der ehemalige Fürsorgeminister Dr. Czech in seinen Exposés vor den Budgetausschüssen der Nationalversammlung Jahr für Jahr entrollt hat und wie er sie immer als dringlichste Aufgabe vor Parlament und Bevölkerung hinstellte.
Wir kommen aus dieser Massenarbeitslosigkeit nicht heraus ohne endliche Durchführung der Fünftagewoche, ohne eine planmäßige Regelung des Arbeitsmarktes, ohne eine durchgreifende Reorganisation der Industrie. Diese Reorganisation kann nur ihren Zweck erfüllen, wenn sie verb unden ist mit der Statuierung eines erhöhten Mitbestimmungsrechtes der Arbeiter und Angestellten in der Produktion. Wir sehen in den letzten Jahren Hunderte von Betrieben zugrundegehen. Ich wage aber zu behaupten, daß nur ein Teil zugrunde gegangen ist infolge der Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise, daß aber ein großer Teil von Betrieben zugrunde gerichtet wurde durch die Unfähigkeit ihrer Leitung, durch das Unvermögen der Unternehmer, sich den neuen Nachkriegsverhältnissen anzupassen.
Man spricht immer von einer Überalterung in der Politik, von einer Überalterung in den Parlamenten. Wir müssen aber einmal das Scheinwerferlicht der Kritik auf die Überalterung unserer Wirtschaftsführung sowohl in den Personen als auch in den Methoden, auf die Überalterungserscheinungen in der Industrie und im Handel hinweisen, welche es bewirken, daß wichtige volkswirtschaftliche Funktionen in ungeeigneten Händen liegen, während daneben ungenützte Intelligenzen haufenweise verfaulen. Der Staat muß ein erweitertes Zugriffsrecht bekommen auf die Konzentrations- und Stillegungspolitik der Industrie. Ich erkläre hier, daß die Bestimmungen der letzten Stillegungsverordnung nicht ausreichen, daß sie auch erweitert werden müssen auf die Möglichkeit einer Sequestration und einer Zwangssyndizierung mutwillig vernichteter Fabriken und Industrieunternehmungen. Wir wünschen auch, daß die Vollmachten dieses Ermächtigungsgesetzes von der Regierung ausgenützt werden zu einer besseren Organisierung unseres Exportes. Europa stöhnt heute unter der japanischen Konkurrenz. Die japanische Konkurrenz schöpft ihre Durchschlagskraft jedoch nicht allein aus den Hungerlöhnen der japanischen Arbeiter, sondern auch aus der besseren Organisation des japanischen Exportes. Wir müssen diesem Organisationsvorsprung ebenfalls ein System zielbewußter Exportförderung und Exportorganisation entgegenstellen, schon darum, um zu verhindern, daß die gegebenen beschränkten Ausfuhrmöglichkeiten zerstört werden durch die Schleuderkonkurrenz innerhalb der einzelnen Inlandsfirmen.
Zusammenfassend möchte ich also zu diesem Kapitel sagen, daß wir eine Geltendmachung der hier erteilten Regierungsvollmachten fordern in der Richtung einer Ausgestaltung der Wirtschaftsdemokratie, der Aufstellung und Durchführung eines großzügigen Industrieplanes, welcher unsere industrielle Kapazität vor einem weiteren Verfall schützt.
Die neue Fassung des Ermächtigungsgesetzes schließt auch erweiterte Regierungsvollmachten in Bezug auf die Kreditfragen ein. Hier hat die Regierung noch eine große Aufgabe zu erfüllen. Was die Kreditbeschaffung anlangt, befinden wir uns derzeit auf dem toten Punkt der Krisenbekämpfung. Unsere Bautätigkeit liegt brach, weil die Kredite für die Baubelebung nicht zu erhalten sind. Wir haben zahllose Fälle, wo mit Mühe und Not öffentliche Subventionen für Straßenbauten und sonstige Nostandsarbeiten herausgeholt wurden, wo aber diese Arbeiten nicht in Angriff genommen werden können, weil es ausgeschlossen ist, ein Durchführungsdarlehen für die betreffende Gemeinde oder für den betreffenden Bezirk aufzutreiben. Die Erwartungen, welche von den Selbstverwaltungskörpern in die Arbeitsanleihe geknüpft wurden, sind ebenfalls nur zum geringen Teile in Erfüllung gegangen und so stehen wir vor dem Faktum, daß die produktive Arbeitslosenfürsorge an dem ungelösten Kreditproblem zu scheitern droht. Deshalb ist die Ergreifung beschleunigter Maßnahmen zur Gesundung der autonomen Finanzen unerläßlich.
Im gleichen Zusammenhang wird das Problem der landwirtschaftlichen Umschuldung zu lösen sein, wobei wir heute schon kategorisch erklären, daß die damit zusammenhängenden Hilfsmaßnahmen auch den Häuslern und den arbeitslosen Kleinhausbesitzern zustatten kommen müssen. Im gleichen Zussammenhang ergibt sich auch die Notwendigkeit der Sicherstellung und Bereitstellung von ausreichenden Industriekrediten, damit es nicht mehr vorkommt, daß Auslandsaufträge aus Mangel an flüssigem Betriebskapital nicht angenommen werden können. Wir möchten also bei dieser Gelegenheit mit allem Nachdruck darauf hinweisen, daß die Aufgabe einer inneren Wirtschaftsankurbelung noch zu lösen ist, daß alle zweckdienlichen Mittel zu ergreifen sind, um eine Belebung des Binnenmarktes herbeizuführen und um zusätzliche Arbeitsgelegenheit zu schaffen.
Gerade durch die Entwicklung der letzten Wochen sind wir vor eine neue Gefahr gestellt worden. Durch die anhaltende Dürre, welche die Ernte in weiten Landstrichen gefährdet, ist zu befürchten, daß wir schon in den nächsten Monaten zur bisherigen Wirtschaftsnot auch noch eine ausgesprochene Hungersnot hinzubekommen. Die Folgen der Dürre zeigen sich schon allenthalben im Lande. Es wird bereits aus verschiedenen Gegenden Futtermittelmangel gemeldet. Wir haben heute von unseren kleinbäuerlichen Vertrauensmännern den Bericht erhalten, daß im Saazer Lande Angst- und Panikverkäufe von Vieh stattfinden, wobei das Stück Rind um den Schleuderpreis von 160 bis 400 Kè losgeschlagen werden muß. Wie die Dinge liegen, ist in diesem Jahre leider mit einer Mißernte zu rechnen und diese Mißernte bringt die Gefahr einer Verteuerung der Nahrungsmittel und des Mangels an Saatgut und an Futtermitteln mit sich. Es besteht weiter die Gefahr, daß zu dem Heer der hungernden Arbeitslosen noch das Heer vernichteter kleinbäuerlicher Existenzen stößt. Der im Zusammenhang mit der Krisenbekämpfung aufgestellte landwirtschaftliche Monopolplan des Ministers Dr. Hodža hat infolge dieser Dürre, dieser Gefahr einer Mißernte ganz andere Voraussetzungen erhalten. Es geht jetzt um die Erntesicherung in umgekehrtem Sinne, nämlich darum, daß die Massen der Bevölkerung die notwendigen Landesprodukte zu erschwinglichen Preisen erhalten. Wir stehen positiv zu den landwirtschaftlichen Krisenmaßnahmen, wir sind bereit, auch in eine Diskussion über die vorgelegten Pläne des Landwirtschaftsministers Dr. Hodža einzugehen, allerdings unter der Voraussetzung, daß die zentrale Bewirtschaftung der Lebens- und Futtermittel unter sozialen Gesichtspunkten erfolgt. Dazu ist vor allem notwendig die Sicherstellung des Nahrungsbedarfes für die Krisenopfer, zweitens die Sicherung des kleinbäuerlichen Futtermittelbedarfes, drittens die unentgeltliche Beistellung von Saatgut für die am schwersten getroffenen Notstandtsgebiete und viertens die Abwehr einer spekulativen Verteuerung.
Wenn sich herausstellen sollte, daß unsere Inlandsvorräte nicht ausreichen - und das dürfte leider der Fall sein - um die Folgen dieser Mißernte auszugleichen, dann ist es selbstverständlich, daß auch Einfuhrerleichterungen geschaffen werden müssen, sowohl zur Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln, als auch zur Sicherstellung des kleinbäuerlichen Futtermittelbedarfes. In diesem Zusammenhange muß gesagt werden, daß wohl die Landwirte einen vollen und begründeten Anspruch auf einen angemessenen Arbeitslohn besitzen, daß wir diesen Anspruch anerkennen, daß wir bereit sind, ihn zu erfüllen, Voraussetzung aber ist das Vorhandensein einer entsprechenden Kaufkraft der Bevölkerung und es kann daher das landwirtschaftliche Preisproblem von dem Kaufkraftproblem der industriellen Bevölkerung nicht losgelöst werden. Was diese Fragen anlangt, sind wir zu einem engeren Zusammenarbeiten mit den bäuerlichen Parteien bereit.
Es hat hier in der Debatte der Herr Koll. Böhm einige Forderungen vorgetragen. Er hat ebenfalls auf die Folgen der Dürre, auf die drohende Mißernte hingewiesen und hat daraus eine Reihe von Forderungen abgeleitet. Ich begrüße es mit Genugtuung, daß Herr Koll. Böhm die Behebung der Wirtschaftsnot und die Linderung der Agrarkrise nicht ausschließlich von der Einführung einer ständischen Ordnung abhängig gemacht hat, wie es draußen in den Versammlungen unserer deutschen Agrarpartei leider geschieht. Koll. Böhm hat die entstandenen Probleme der Jugend aufgerollt, er hat nach Arbeitsmöglichkeiten für die Jugend, nach Inangriffnahme der inneren Kolonisation gerufen. Wir quittieren das mit Anerkennung, betonen aber, daß es sich hier notwendig um eine Frage der sozialen Einstellung und um eine Frage der demokratischen Bereitschaft handelt. Wir bekennen uns zur Pflicht der Demokratie, der Jugend zu helfen, wir betonen aber auch die Pflicht der demokratischen Regierungsparteien, die Jugend zu warnen vor den Sirenenklängen, die aus der faszistischen Nachbarschaft zu uns herüber dringen und die das Denken eines Großteils unserer Jugend bereits vergiftet haben. Es wäre nur zu wünschen, daß sich gerade die deutsche Agrarpartei endlich doch aufrafft, einen klaren Trennungsstrich zwischen ihren demokratischen und ihren faszistischen Elementen zu ziehen. Wir sind bereit, über die berechtigten bäuerlichen Forderungen zu verhandeln, es muß aber auch von Seite der Bauernparteien ein klarer Standpunkt bezogen werden zu den sozialen Arbeiterforderungen, die man uns bisher allein vertreten ließ.
Wirtschaftliche Lösungen im demokratischen Sinne können nur getroffen werden auf der Basis eines gegenseitigen Verständnisses und auf der Basis gegenseitigen Willens zur Zusammenarbeit. Ich richte nun bei dieser Gelegenheit an die Sprecher des Landstandes die offene Frage: Wollen sie demokratische Krisenlösungen durch eine Zusammenarbeit der Arbeiter und Bauern, oder wollen sie mitmachen die antimarxistische Einkreisungspolitik eines Henlein und die ständisch-faszistische Abenteuerpolitik der Heimatfront? In diesem Punkte tut eine Klarstellung not. Die ernste Situation, in der wir uns befinden, erfordert ein offenes Bekenntnis zur Demokratie. Die Krise der Diktaturen, die sich rings um uns abspielt, bezeugt es, daß wir auf dem richtigen Wege sind. Wunder kann niemand wirken. Das hat am besten das Ergebnis der einjährigen Wirtschaftspolitik des Herrn Hitler und das Ergebnis der zehnjährigen Diktatur des Herrn Mussolini bewiesen. Die Krise ist nur zu bannen durch ehrliche mühevolle Aufbauarbeit und dafür halten wir die Demokratie als den geeignetsten Boden.
Wir wünschen, daß dieses Ermächtigungsgesetz angewendet wird zum Schutze und zur Erhaltung der Demokratie. Wir betonen aber, daß nur eine antikapitalistisch orientierte Demokratie jene Aufgaben erfüllen kann, die uns die Krise des kapitalistischen Wirtschaftssystems gestellt hat.
Es hat hier in der Debatte auch als Vertreter der èechischen Gewerbepartei Koll. Najman gesprochen. Herr Abg. Najman hat sich seine Argumentation sehr leicht gemacht, indem er einfach in Bausch und Bogen die Sozialdemokraten verantwortlich machte für die Wirtschaftsnot, für den Fall der Demokratie in Österreich und in Deutschland. Ich muß schon sagen, daß mir diese Argumentation doch etwas zu primitiv vorkommt. Der demokratische Wille der Arbeiterschaft kann es allein nicht schaffen, wenn nicht dieser demokratische Wille der Arbeiterschaft die ehrliche demokratische Partnerschaft der bäuerlichen und mittelständischen Schichten vorfindet.
Und ich möchte hier an den Sprecher der èechischen Gewerbepartei die Frage richten: Was hat der Mittelstand dadurch gewonnen, daß er in Deutschland und in Österreich mitgeholfen hat, die Demokratie zu vernichten? Geht es dem Gewerbetreibenden und kleinen Geschäftsleuten etwa unter Hitler besser? Wenn man die wirtschaftlichen Verhältnisse in Deutschland von jetzt und einst vergleicht, so muß man sagen, daß das Deutschland Hermann Müllers ein wirtschaftliches Paradies gegen die wirtschaftliche Hölle des Hitlerreiches gewesen ist. Das sollten doch unsere mittelständischen Kreise beobachten und zur Kenntnis nehmen und sie sollten sich fragen, ob sie an einer Balkanisierung des Landes interessiert sind, wie sie sich heute in Österreich abspielt und Handel und Wandel lahmlegt. Wenn der Boden der Demokratie einmal verlassen ist, dann beginnt die Konjunktur der Abenteurer. Die Verfassungen sind bald gebrochen, aber die Konsequenzen sozialer, wirtschaftlicher und politischer Natur, die sind schwer zu tragen.
Diejenigen, die hier sozusagen als Anwälte der unverfälschten Demokratie gesprochen haben, die Vertreter der kommunistischen Partei, die mögen zur Kenntnis nehmen, daß sie nur als die Parasiten der Demokratie existieren können. Nur uns habt Ihr es zu verdanken, daß es noch eine parlamenta rische Tribüne gibt! Ihr hättet den Faszismus nicht aufgehalten und werdet ihn nicht aufhalten, wenn nicht die Demokratie durch unsere besonnene Politik gesichert wird.
Um zu den Ausführungen des Koll. Najman zurückzukehren: Wir könnten auch in der Èechoslovakei in der Krisenbekämpfung schon viel weiter sein, wenn unsere Mittelschichten, unsere Kleingewerbetreibenden und Geschäftsleute soviel Verständnis und Fortschrittsgeist hätten wie ein Präsident Roosevelt und ein General Johnson in Amerika. Hier läuft man Sturm gegen die Sozialpolitik und das wirtschaftlich fortgeschrittenste Reich der Welt muß sich heute den europäischen Erfahrungen anpassen, muß zu großzügigen sozialen Lösungen Zuflucht nehmen, weil sonst die menschliche Gesellschaft zugrunde geht, wenn keine Sicherungsmaßnahmen gegen die sozialen und wirtschaftlichen Zersetzungserscheinungen getroffen werden, die im Gefolge der Krise auftreten. Es müssen einmal auch die Herren im bürgerlichen Lager zur Kenntnis nehmen, daß die Krise mit rein kapitalistischen Methoden nicht mehr zu überwinden ist. Die Entscheidung steht heute zwischen kapitalistischer Katastrophe und sozialer Erneuerung der Wirtschaft und Gesellschaft.
Unsere Zustimmung zu diesem Ermächtigungsgesetz
besagt, daß wir Staat und Wirtschaft im Interesse der Arbeiterklasse
vor Katastrophen bewahren wollen. Unsere Zustimmung besagt, daß
wir alle Möglichkeiten ausschöpfen wollen, um diese Republik als
Boden der friedlichen Arbeit des sozialen und kulturellen Aufstiegs
der arbeitenden Massen zu erhalten und zu sichern. (Potlesk.)
Hohes Haus! Im Namen der Deutschen christlichsozialen Volkspartei, der Deutschen Arbeits- und Wirtschaftsgemeinschaft und der Deutschen Gewerbepartei habe ich die Ehre, zu dem vorliegenden Gesetzantrag nachfolgende Erklärung abzugeben:
Da Schweigen zu dem Entwurfe als
Zustimmung gedeutet werden könnte, sehen sich die vorgenannten
Klubs veranlaßt, hiermit gemeinsam zu erklären, daß sie der Verlängerung
und Erweiterung der außerordentlichen Verordnungsgewalt der Regierung
die im Ausschußbericht angesprochene Zustimmung verweigern und
insbesondere nach den Erfahrungen mit den bisherigen Ermächtigungsgesetzen
es nach wie vor ablehnen, an der Verantwortung für die Überlassung
gesetzgebender Kompetenz an die Exekutive, sowie an dem daraus
sich ergebenden systematischen Abbau der parlamentarischen Demokratie
Anteil zu haben. Dies umsomehr, als der Nationalversammlung bisher
niemals Gelegenheit gegeben wurde, den auf Grund des Ermächtigungsgesetzes
erlassenen Regierungsverordnungen die im Ermächtigungsgesetz selbst
vorgesehene Genehmigung zu erteilen. (Potlesk.)