Pátek 23. èervna 1933

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 286. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze v pátek dne 23. èervna 1933.

1. Øeè posl. dr Luschky (viz str. 3 tìsnopisecké zprávy):

Meine Damen und Herren! In der unlängst verschärften Geschäftsordnung ist eine Bestimmung aufgenommen worden, daß ein Gesetzentwurf vor der Zuweisung an den Ausschuß Gegenstand einer Debatte werden kann. Diese Bestimmung, die begrüßenswert war, gab uns die Hoffnung, daß da einmal ein Lichtpunkt in der Novelle zur Geschäftsordnung zu ersehen ist, daß nämlich die Verschärfung der Geschäftsordnung nicht nur eine Faust gegen die Opposition, sondern ein Mittel zur Neubelebung des Parlamentarismus sein könnte. Wir sind der Erwartung gewesen, daß man zum Zeichen, daß man es mit der neuen Geschäftsordnung ernst nimmt, auch gleich beginnen wird, wichtige Gesetzesvorlagen in diesem Hause auf diese Weise zu verhandeln und vor allem dadurch auch sowohl dem beantragenden Minister wie den einzelnen Klubs Gelegenheit geben wird, schon in einer allgemeinen Aussprache für den Ausschuß Richtlinien zu erstellen, damit weittragende Gesetze nicht jene Methode des blinden Schluckens von Bürokraten verfaßter Entwürfe weiter bleibt. Diese Erwartung ist leider getäuscht worden. Auch der heute zur Verhandlung stehende Entwurf, der sicher wert gewesen wäre, einer solchen Vorbehandlung unterzogen zu werden, ist nach der alten Methode in das Haus gekommen: eine Ausschußsitzung, die eine mehr oder weniger interne Angelegenheit der Koalition ist; dann mit einer einzigen Änderung ins Haus, um im Expreßtempo hier beschlossen und zum Gesetz erhoben zu werden.

Der Herr Berichterstatter hat sich nicht bemüht, hier diese Gesetze zu motivieren und den Motivenbericht der Regierung auf jene Interessen erweiternd zu ergänzen, die die Öffentlichkeit an der Freiheit der staatsbürgerlichen Grundrechte hat. Er hat sich darauf beschränkt, mit ein paar Sätzen über dieses schwereinschneidende Gesetz hinwegzukommen, so daß ich behaupten kann, daß da s, was er gesagt hat, im umgekehrten Verhältnis zur Bedeutung dessen steht, was er zu vertreten gehabt hätte. Das einzige Wort, das aufg efallen ist, war, daß er den Gesetzentwurf nach der praktischen Seite kennzeichnen wolle und die akademische Diskussion darüber abgelehnt hat, akademische Erwägungen mit einem Worte beseitigen wollte. Vor wenigen Jahren war das Stichwort in diesem Hause, daß Demokratie Diskussion ist; und jetzt, bei einem Gesetze, das so einschneidend gegen die Demokratie ist, wird plötzlich jede akademische Diskussion als unwesentlich und ungehörig abgelehnt. Es ist geradezu tragisch, daß man auf diese Weise die Demokratie umbringt. Je mehr früher davon gesprochen worden ist, umsomehr ist jetzt der damals schon in uns erwachte Verdacht begründet, daß man von der Demokratie nur deswegen jetzt gar so oft spricht, damit es noch Leute gibt, die vielleicht nicht merken, daß sie schon längst verschwunden ist. (Souhlas.) Und doch ist, glaube ich, keines der Gesetze, die jetzt lawinenartig über das Parlament stü rzen, von jener einschneidenden Bedeutung, wie gerade die Verschärfung des Suspensionsgesetzes der bürgerlichen Freiheiten, das jetzt zur Verhandlung steht. Das, was der Ausschuß bringt und was fast, wie gesagt, bis auf eine einzige Änderung nur die Kopie des Regierungsantrags ist, ist wohl keine Reklame für die Demokratie oder für die Garantie der Freiheiten der Republik. Im Gegenteil, ein sichtbarer Abbau aller jener Errungenschaften, die durch ein Jahrhundert in der europäischen Welt erzielt worden sind.

Das alte Österreich ist hier in diesem Hause immer verschrien worden als äuß erst reaktionär. Ich muß feststellen, daß selbst die schärfsten Bestimmungen des Suspensionsgesetzes aus dem Jahr 1869, welches das letztgiltige Gesetz in dieser Beziehung in Österreich war, viel liberaler und milder parlamentarische und freiheitliche Grundrechte gewährleistet, als der jetzt uns vorgelegte verschärfte Entwurf in der demokratischen Republik. Sogar im Jahre 1849, als der erste Entwurf über eine Konstitution in den Gebieten, die auch wir bewohnnen, zur Debatte stand und damals der sogenannte Kremsierer Entwurf, der Vorläufer der späteren Konstitution, verhandelt werden sollte, waren über die Suspension der konstitutionellen Rechte weniger einschneidende Bestimmungen vorgeschlagen worden, als es jetzt der Fall ist. Damals hat man sich sehr strenge daran gehalten, nur eine teilweise Suspension der konstitutionellen Rechte, und zwar nur in Fällen des Krieges oder des Aufruhrs, zuzulassen. Der ganze Weg der weiteren Entwicklung der Konstitution in den späteren Jahrzehnten ging auch darauf hin, möglichst vorsichtig mit der Suspensionsmöglichkeit konstitutioneller Rechte zu verfahren und möglichst wenig von der Gewährleistung der staatsgrundgesetzlich festgelegten Freiheiten abzulassen. Es scheint sich das in der demokratischen Republik geändert zu haben, denn sonst hätte es meiner Ansicht nach nicht möglich sein können, die Freiheit der Person, das Hausrecht, das Briefgeheimnis, die Pressefreiheit und die Vereins- und Versammlungsfreiheit, um die es sich da handelt, durch die Exekutive, und zwar bis zu den untergeordndneten Ämtern hinunter, jetzt derart kürzen zu lassen. Ich glaube, daß das alte Österreich für die Garantie der staatsbürgerlichen Grundrechte mehr eingetreten ist und die Rechte der Staatsbürger in diesen wichtigen Freiheiten mehr gewahrt hat als die demokratische Republik. Wenn immer gesagt wird, es solle entösterreichert werden, weil eben die Verhältnisse früher gegen die Demokratie und Freiheit waren, so ist es dieser Entwurf, der diesem Gedanken einen Faustschlag versetzt. Es ist auch leider gar kein Ehrgeiz zu bemerken, es besser zu machen. Im Gegenteil; der Herr Berichterstatter sagt, daß einfach die außerordentlichen Maßnahmen durch die außerordentlichen wirtschaftlichen Verhältnisse notwendig sind und sich im Rahmen der modernen Verfassungen bewegen, wobei "modern" schon "modernst" sein soll. Auf diesem Wege geschieht der systematische Abbau der Verfassung. Die Suspension der staatsbürgerlichen Freiheiten ist eine Einschränkung und damit eine Abänderung der Verfassung, u. zw. in peius der Staatsbevölkerung.

Die Errungenschaften werden abgebaut, die Rechte eingeschränkt und nicht einmal mehr der formelle Weg über die Abänderung der Verfassung eingehalten. Denn sonst hätte bei diesem Gesetz zum Ausdrucke kommen müssen, daß durch die Einschränkung der staatsbürgerlichen Freiheiten die Verfassung betroffen ist und das jetzt hier nach dem Ausschußantrag zu bebeschließende Gesetz ein Verfassungsgesetz ist (Sehr richtig!), das der qualifizierten Mehrheit eines Verfassungsgesetzes bedarf. Es genügt nicht die Berufung auf § 113 der Verfassung, wo gesagt wird, daß gewisse Verfügungen zur Einschränkung dann berechtigt sind, wenn die öffentliche Ordnung und Sicherheit in erheblichem Maße gefährdet erscheint. Es genügt das sicherlich deshalb nicht, weil dieses Gesetz in einem Punkte unbedingt gegen die Verfassung verstößt, nämlich in dem Punkte betreffs der Vorzensur, weil diese nach dem Wor laut der Verfassung grundsätzlich unzulässig ist. (Sehr richtig!) Wenn sie eingeführt werden soll, dann muß dies eben durch ein Verfassungsgesetz geschehen, das diesen Satz der alten Verfassung abändert. Aber über diese akademischen Erwägungen will man immer hinweggehen. (Výkøiky.) Was da an Verschärfung des Unrechtszustandes - so muß ich schon sagen - hierzulande geschehen kann, das wird erst die Zukunft erweisen. Aber sicherlich sind unsere Bedenken sehr begründedet, wenn wir die Tendenz des jetzigen Systems ins Auge fassen, das systematisch darauf ausgeht, immer mehr die Mängel eines Planes und Programmes zur Lösung der Wirtschaftskrise zu bemänteln mit drakonischen Gesetzen der Polizeiaufsicht und Polizeistrafen, darauf ausgeht, den Mangel der Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse damit verdecken will, daß jede Kritik und jede Verbitterung über die Not der Zeit mit dem Polizeiknüppel erschlagen werden soll. Ich glaube nicht, daß das eine Politik ist, welche einer wirklich ehrlich gemeinten Demokratie entsprechen kann. Es ist geradezu ein besonderes Raffinement, das sich jetzt immer mehr zeigt, die bürgerlichen Freiheiten zu unterdrücken, ein Raffinement, das einer besseren Sache würdig wäre. Das ist gleichzeitig nach meiner Ansi cht der Bankrott der Demokratie. (Hluk. - Posl. dr Petersilka: Ich bitte, es ist noch ein zweites Parlament da rückwärts!) Es macht ja aichts, ich kann ja warten. Das ist eben der Vorteil der Präsenzpflicht, die jetzt neu statuiert worden ist. (Veselost.)

Ich halte das, wie gesagt, für einen inneren Bankrott der Demokratie, wenn sie die geschilderten Wege geht und ich halte es auch aus allgemeinen politischen Erwägungen für hierzulande absolut nicht notwendig. Erst vor 14 Tagen hat der Herr Minister des Äußern in Genf in einer Rundfunkrede erklärt: "Wir sind uns unserer Kraft bewußt." Meine Herren! Dieser Gesetzentwurf ist der Beweis des Gegenteils. Vermutlichkontrastiert er auch so, daß man diesen Ausspruch jetzt gern vergessen machen möchte. Es ist ein aufgelegter Widersspruch, sich seiner Kraft bewußt zu sein und doch in einer solchen Angstpsychose ununterbrochen neue Polizeivorschriften gesetzlich festzulegen, die eine Einschränkung der staatsgrundgesetzlich gewährten Freiheiten sind und damit den Grundlagen dieses Staates widersprechen.

Ich glaube selbst, daß es nicht notwendig ist, mit diesen Maßnahmen zu kommen. Ich sehe nicht die äußere Gefahr, die da vorgeschützt wird. Gerade wir Vertreter der nationalen Minderheiten wissen es nur zu gut, daß das Regime noch sehr starke Stützen hat, daß auch die Art der Anwendung der Machtmittel darart ist, daß ich eine äußere Gefahr, die die Grundlage eines solchen Gesetzentwurfes ist, einfach ninicht anerkennen kann. Äußere Gefahrren sind nicht vorhanden, folglich sind diese Maßnahmen nicht notwendig. Aber es sich innere Gefahren vorhanden und dazu sind diese Maßnahmen wieder ganz untauglich, nämlich die innere Gefahr der fortschreitenden Zersetzung und der Demoralisierung auf wirtschaftlichem und politischem Gebiet. Das ist der FFeind der demokratischen Republik (Souhlas. - Rùzné výkøiky. - Pøedseda zvoní) und nichts anderes, auf diesem Gebiete, insb esondere in wirtschaftlicher Hinsicht! Ist doch noch nach wie vor die Wirtschaft leider ein Ausbeutungsobjekt der Politik, manchmal sogar der politischen Machthaber. Während auf der einen Seite die Massen immer brotloser werden, werden auf der anderen Seite einzelne immer reicher. Nur verwenden sie den Reichtum nicht dazu, das eigene Land zu stützen (Souhlas.), sondern nach der Steuerentziehung verduften sie unter Kapitalsentziehung; und die Kapitalsflucht ist sicher der schwerste Feind gerade für die Ruhe und Sicherheit in diesem Staate. Denn er steigert die Verarmung und damit die Arbeitslosigkeit und die wirtschaftliche und soziale Verzweiflung der Bevölkerung.

Es ist interess ant - ich möchte heute nicht unterlassen, das zu betonen - daß heute zum erstenmal die Spar- und Kontrollkommission, die vor einem halben Jahr gesetzlich geschaffen wurde, im Plenum zusammengetreten ist und das, wie ich höre, nur um einzelñe Reden anzuören, deren Erwiderung durch die berufenen Faktoren erst in einem späteren Zeitpunkt erfolgen soll. Ich weiß aber, daß schon Monate lang unter Ausschluß der Opposition die Spar- und Kontrollkommision Tage und Tage beisammen war und geradezu in einer verdächtigen Geheimniskrämerei ihre Agenden betreut hat. Ich glaube, das hat sehr wohl seinen Gru nd. Denn wenn man ein bißchen schürfe, käme man auf Dinge, die das Licht der Öffentlichkeit sicher zu scheuen haben und daß man dann auch nicht jene großen Patrioten schonen dürfte, die unter der Maske des Patriotiismus den Staat sehr gründlich ausgebeutet haben. (Souhlas.) ch weiß nur nicht, ob die Herren, die das auch einsehen, die Macht oder den Willen zur Macht haben, um mit diesen Unsitten und Grundübeln hierzulande gründl ch aufzuräumen.

Das ist das Unglück auf der einen Seite und auf der anderen Seite die systematische Nationalpolitik, die nicht als eine Entwicklung eines Volkes gepflegt wird, sondern als Bereicherung auf Kosten anderer. Da muß ich leider hier in diesem Hause dafür ein kleines Beispiel bringen. In Hohenstadt hat vor wenigen Wochen die Hauptversammlung des Nordgadg ues der Národní jednota getagt, welcher 6 Bezirksverbände umfaßt, nämlich Mähr. Schönberg, Hohenstadt, Müglitz, Schildberg, Littau und Sternberg. Dort wurde in Anwesenheit der offiziellsten Staatsfaktoren für das Verständnis und Wohlwollen gedankt, das den Bestrebungen der Jednota mit dem Erfolge entgegengebracht wurde, daß mehr als 12.000 Èechen im Bereiche dieses Vereines auf Kosten der Deutschen wirtschaftlich gesicherten Stellungen erhalten konnten. Meine Damen und Herren! Das ist ein Brotlosmachen, das ist eine ebenso undemokratische wie antisoziale Gefährdung der öffentlichen Ruhe und Sicherheit, viel mehr als alles andere, als alle möglichen Worte, und mögen sie in noch so voll besetzten Versammlungen, mit noch so tönenden Phrasen vorgetragen werden. Da ist die Gefahr. Dadurch wird den Deutschen, die das hören und lesen, zum Bewußtsein gebracht, wie es um ihre Existenz steht. Dadurch verfallen sie in jene Verzweiflung, die die beste Brutstätte für alle Extreme und Radikalismen ist. Das ist das Gift, auf dem nicht nur unser heimatlicher Boden verdorrt, sondern auf dem auch jene Pflanzen gedeihen, die zu Gefahren werden können, nicht durch Worte von uns, sondern durch die Taten jener, die von sich immer behaupten, die Stützen dieses Staates zu sein. (Souhlas.)

Auf politischem Gebiete gibt es derart schwere Provokationen genügend, die die Bevölkerung in weiten Gebieten zur Verzweiflung treiben. Da möchte ich au ch einige Beispiele bringen, die ja gerade bei Behandlung eines solchen Gesetzes sicherlich nicht außer Betracht bleiben können. Auf politischem Gebiete ist es vor allem ein Nährboden für das Spitzelwesen und Denunziantentum, je schärfer die Polizeibestimmungen sind, die gegen die Freiheit der Bürger des Staates geschaffen werden. Jede Willkür zieht das Denunziantentum groß, es baut ja förmlich seine Macht darauf auf, daß ein mögli chst gut ausgebautes Spitzelsystem vorhanden ist. Wir dürfen solche Einrichtungen wo anders nicht so scharf verurteilen, wenn sie hier selbst großgezogen werden. Der kleine Polizeiagent fühlt sich als großer Mann, wenn er hört, daß er durch seine Berichte die staatsbürgerlichen Freiheiten ganzer Gebiete einzuschränken vermag, daß seine Beri chte schon von der erstbesten Polizeidirektion zum Anlaß genommen werden können, um Verfügungen zu treffen, die weitertragend sind als alle anderen gleichartigen Möglichkeiten früher gewesen sind. Es ist ein geradezu bedauerliches Unverständnis, daß man darauf bei der Verschärfung des Ausnahmsgesetzes vom Jahre 1920 gar nicht Rücksicht nimmt. Haben wir nicht schon genug von charakteristischen Fällen, wo derartige Angebereien zu direkten Blamagen für die Ämter und damit für die Autorität des Staates geworden sind? Ich weiß selbst punkto meiner Person, daß vor einigen Jahren in einem Gebiete meines Wahlkreises ganze Stöße von Anzeigen amtlich gesammelt wurden, daß ich in Gemeinden des Bezirkes - es war vor den Gemeindewahlen die Bevölkerung systematisch gegen den Staat aufhetze. Das waren bestellte Anzeigen und ein ganzer Stoß kam zusammen. Als ich davon erfuhr, konnte ich zum Chef hingehen und nachweis n, daß ich während der ganzen Zeit nicht ein einziges Mal auch nur in einer Gemeinde dieses Bezirkes gewesen bin. Das ist so nach der eigenen Erfahrung charakteristisch. Ich glaube, seither haben sich die Dinge nicht gebessert, im Gegenteil, eher verschlechtert. So etwas wird durch Ausnahmsverfügungen groß gezogen, besonders wenn sie eine solche Erweitérung erfahren können, daß auch - und das ist wohl das Schwerstwiegende an dem ganzen Gesetzentwurfe ohne direkten Verdacht einer strafbaren Handlung die Konfinierung - zu deutsch heißt es Schutzhaft - verfügt werden kann. Da hört es sich auf mit der Freiheit, da kann jedes Angebertum Triumphe feiern, da kann der Mann, der Familienvater, der im Berufe oder in der Arbeit steht, über Nacht seiner Freiheit beraubt werden und nicht nur selbst in die größte Gefahr gebracht werden, sondern auch die Existenz seiner Familie kann gefährdet werden. Das sind Ungeheuerlichkeiten, die in einer Demokratie nicht notwendig sind, meiner Ansicht nach besonders dann nicht, wenn es so unendlich viele Schutzbestimmungen ohnedies schon gibt. Wer darüber im Zweifel sein könnte, braucht nur den letzten Paragraphen des Gesetzentwurfes durchzulesen, der heute hier zur Verhandlung steht. Da ist auf nicht weeniger - ich habe sie gezählt - als 150 Strafparagraphe Bezug genommen, die Straftatbestände feststellen, die auf dieses Gesetz Anwendung gefunden haben. Da gibt es das Schutzgesetz, Strafgesetze, Wehrgesetz, alle möglichen Bestimmungen. Es ist kaum mehr eine Schlinge frei, von der einer nicht gefaßt werden könnte.

Trotzdem muß noch eine Verschärfung einsetzen, nur deshalb, um die Faust zu zeigen. Es wäre viel praktischer, den Leuten Brot zu zeigen als die Faust. (Výkøiky.) Diese moralischen Bedenken müßten meiner Ansicht nach von allen geteilt werden, wenn wirklich eine Aussprache über so ein Gesetz Platz greifen würde. Es ist jetzt verboten, Reden herunter zu lesen. Ich bin sehr froh darüber. Es war höchst langweilig, im Parlamente zu sein und einen vorbereiteten Zeitungsartikel herunterratschen zu hören. Aber ich glaubte, daß es auch das eine Gute haben werde, daß Debatten sich ergeben werden, die beeinflussend wirken würden. Keine Spur! Nach wie vor ist niemand da, der zuhört und die Bagatellisierung der Debatte ist nicht nur im Ausschuß sondern auch im Plenum geblieben. Das ist ein Umstand, der geeignet ist, das Ansehen des Parlamentes und damit der Demokratie, die miteinander innig verbunden sind, zu schmälern. Heute habe ich noch das Gefühl, daß das Ressort des Ministerium des Innern in den Händen eines Mannes ist, der seine Sache versteht. Aber wer garantiert, daß nicht eines Tages ein chauvinistischer Streber daran kommt, der sich die Sporen auf Grund dieses Gesetzes verdienen wird wollen, der rücksichtslos vorgeht, um die Gloriole eines besonderen Nationalheros zu erhalten? In der Hand eines solchen Mannes wird das erst eine Gefahr sein, und wenn da nicht das Parlament Schranken setzt, kann das wirklich zu einer schrankenlosen Polizeiherschaft führen. Das ist die Gefahr, eine Gefahr, die meiner Ansicht nach viel schwererwiegender ist als ein paar Störungen der öffentlichen Ruhe und Ordnung, welche ja durch die Machtmittel des Staates nach wie vor spielend erledigt werden können, spielend nicht in der Form von Leichtfertigkeit gemeint, sondern mit Leichtigkeit, weil diese Störungen ja gar keinen Umfang haben und niemals einen Charakter angenommen haben, der tatsächlich irgendwie als staatsgefährlich bezeichnet werden könnte.

Das ist die eine Seite der Schäden, der Gefahren, der Feinde, die wir hier vor uns haben. Die andere Seite - und die ist nicht minder bedeutsam - liegt auf dem Gebiete der politischen Moral. Ich sagte schon: das Spitzelwesen gedeiht oder kann gedeihen, das Denunziantentum. Es kann aber noch mehr gedeihen, wenn es der Willkür jedes einzelnen Funktionärs anheimgestellt wird, Entscheidungen zu treffen, es kann das Spitzeltum da verhängnisvolle Blüten treiben und wir sind auf dem besten Wege dazu (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Špatný.) Ich kann da aus Erfahrungen der letzten Zeit aus dem Hultschiner Bezirk ein charakteristisches Beispiel anführen, wie beispielsweise schon die Bezirksbehörden vorgehen, und das zeigt, welchen Gefahren wir entgegengehen. Am 1. und 2. Juli d. J. findet in Sternberg ein deutscher Katholikentag statt. Im ganzen Gebiete von Nordmähren und Schlesien wurde dieser deutsche Katholikentag als Veranstaltung der deutschen Katholiken natürlich deutsch plakatiert. Im Bezirk Hultschin aber wurde die Plakatierung an öffentlichen Plätzen mit der Begründung verboten, daß in diesem Bezirke die deutsche Bewohnerschaft nicht 20 % erreiche. Also ein Verbot ohne gesetzliche Handhabe. Denn die Sprachenverordnung wie das Sprachengesetz gelten bekanntlich für ganze Gerichtsbezirke und nicht für einzelne politische Bezzirke, so daß eine solche unmittelbare Anwendung schon ein Sprung über den gesetzlichen Rahmen ist. Abgesehen davon aber ist es ganz ungeheuerlich, das Sprachenrecht im Amtsverkehr gleichzuhalten mit kulturellen Freiheiten, welche doch garantiert sind. (Posl. dr Bacher: Es steht doch im Minderheitenvertrag!) Ganz richtig, der Gebrauch der eigenen Sprache ist nicht nur ein selbstverständliches Recht, sondern ist auch im internationalen Minderheitenvertrag absolut gewährleistet und gesichert. Trotzdem erklärt der Bezirkshauptmann, er lasse es nicht zu, denn er kann die deutsche Sprache in diesem Bezirke überhaupt nicht vertragen. Das allerschönste ist: er begründet auch noch weiter das Verbot der aufschiebenden Wirkung des allfälligen Rekurses mit dem öffentlichen Interesse. (Výkøiky.) Das ist doch eine unerhörte Provokation der katholischen Bevölkerung, daß ein Katholikentag gegen das öffentliche Interesse sei. Ein solcher Bezirkshauptmann, der so provoziert, sollte verschwinden, weil er nicht hingehört. Er ist nicht geeignet, in einer so kritischen Zeit, noch dazu nicht in einem Grenzbezirk, Verwaltungsbeamter zu sein. Es kommt da ein neuer Kurs zum Vorschein, der den Katholiken an den Leib rücken will. (Výkøiky posl. dr Petersilky a dr Mareše. - Místopøedseda Špatný zvoní.) Der Katholikentag wird abgehalten werden, soll aber durch Einschränkung der Plakatierungsfreiheit geschmälert werden. Dafür gibt es keine rechtliche Begründung, das ist nichts als reine Gewalt. Aber es gibt ja auch noch andere Beispiele ze sehen, wie die offizielle Einstellung gegenüber den Katholiken hierzulande beschaffen ist. Bei der Fronleichnamsprozession in Troppau am letzen Donnerstag hat sich die Bevölkerung beim Spalier sehr korrekt benommen. Es wird ja niemand gezwungen, bei der Frohnleichnamsprozession anwesend zu sein, weder im Zuge noch im Spalier. Aber wer hingeht, von dem kann man erwarten, daß er die religiösen Gefühle der Prozessionsteilnehmer voll achtet und sich entsprechend benimmt. Dazu gehört eigentlich, daß man beim Vorbeigehen des Priesters, der die Monstranz trägt, vor dem Allerheiligsten den Hut zieht, wenn man schon nicht niederkniet. Der Soldat salutiert. Es war das auch überall der Fall, nur einer hat in keiner Weise irgendwie seine Achtung vor dem Allerheiligsten gezeigt; und wissen Sie, wer es war? Ein Gendarmeriemajor. (Výkøiky.) Solchen Gendarmen sind wir ausgeliefert. Man braucht sich dann auch nicht mehr zu wundern, daß ein Katholikentag gegen das öffentliche Interesse angesehen wird.

Meine Damen und Herren! Das sind nur ganz vereinzelte Hinweise, wie eine Besserung der Verhältnisse erzielt werden könnte, ohne diese drakonischen Maßnahmen. Wie trotz der schweren Wirtschaftsnot eine Sanierung und Beruhigung der öffentlichen Ruhe und Ordnung gesichert werden könnte, ohne ein Gesetz, wie es das vorliegende ist, anzuwenden. Aber was ich hier vorbringe, ist ja leider in den Wind gesprochen, denn die herrschende Tendenz geht anscheinend nicht auf Entspannung aus, im Gegenteil es kommt einem fast vor, als ob man so seine Kraft beweisen wollte, daß man die Minderheiten drangsaliert und zur Verzweiflung trei bt, damit man so ihnen die Macht noch deutlicher zeigen kann. Die angeblichen Retter der Demokratie sind in Wirklichkeit die Totengräber der Demokratie.

Místopøedseda Špatný (zvoní): Upozoròuji pana øeèníka, že pøekroèil svou lhùtu.

Posl. dr Luschka (pokraèuje): Ich bin am Ende meiner Ausführungen. Ich glaube, die Sanierung der politischen Verhältnisse wäre damit herbeizuführen, daß man Brot und Arbeit gibt. Insbesondere auch bei Verteilung der Erträgnisse der Arbeitsanleihe könnte das praktiziert werden, man müßte nur gerecht vorgehen gegen alle Bewohner und Gegenden des Staates und dort, wo die Arbeitslosigkeit am allergrößten ist, zu allererst Hilfe leisten.

Zweitens ist aber notwendig die Wiederherstellung des Vertrauens - ich sage es als überzeugter Demokrat - zur Demokratie und - das ist identisch - zu den Grundlagen der Verfassung, zur Sicherheit der gewährleisteten Freiheiten und Rechte der Bevölkerung. Nur auf diesem Wege könnte erreicht werden, was dieses Gesetz meiner Ansicht nach nicht erreichen kann und nie wird erreichen können.

Wir Christlichsozialen sind für die Autorität. Wir sind der festen Überzeugung, daß man auf dem Wege der Arbeitsbeschaffung und der Wiederherstellung des Vertrauens zur Sicherheit der gewährleisteten Rechte viel mehr für die Erhaltung von Staat und Gesellschaft auch hierzulande tun kann, als durch Maßnahmen, die letzten Endes nur das Gegenteil dessen erreichen, was sie bezwecken. Wir sind für die Autorität, lehnen aber die Methoden der Gewala t, die bestenfalls nur Heuchelei erzwingen kann, ab, weil wir als Katholiken gegen Gewaltmethoden sind, welche insbesondere unser Volk hier auf das schwerste bedrohen, und wir müssen selbstverständlich auch diesen Gesetzentwurf a limine ablehnen. (Potlesk.)

2. Øeè posl. dr Peterse (viz str. 8 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Wer seine Zeit mitlebt, nicht auf den Wogen irgendwelcher - konjunkturaler oder modischer - Bewegungen, sondern die geschichtliche Entwicklung betrachtet als das Auf und Ab der menschlichen Schicksale, der wird wohl feststellen können, daß er in einer Zeit lebt, die viel ernster, viel unklarer, viel unsittlicher und unmoralischer ist als jene Zeit, in die er hineingeboren wurde. Und wenn er sich fragt: Warum?, muß er wohl der Anschauung sein, daß es deshalb ist, weil im Jahre 1914 die Menschheit die Nerven verloren und sich in ein Weltabenteuer eingelassen hat, das auch heute noch seine schweren Schatten auf die geistige und moralische Entwicklung der Menschheit wirft.

Wenn ich nun die gegenwärtigen Dinge betrachte, u. zw. nicht nur in den Bereichen des Landes und der Nachbarschaft, sondern auch Europas und der Welt, dann meine ich feststellen zu müssen, daß die Menschheit aus jener Zeit nichts gelernt hat, in der sie den sogenannten Großen Krieg vorbereitet hat; denn, meine verehrten Herren, wie wird jetzt die ganze öffentliche Meinung wieder zu Austragungen mit Gewalt mobilisiert! Und da ich nicht gar so viele große Männer in der heutigen politischen Verantwortung sehe, gehen wir Gefahren entgegen, die nicht eine Besserung der Verhältnisse, eine Klärung der Weltpolitik bringen können, sondern einen neuen Wirrwarr, und ein neues Unglück über die Menschheit.

Wir stehen in den Zeiten großer internationaler Konferenzen. Die eine ist schon zusammengebrochen - die Konferenz, die die Abrüstung vollenden sollte; und von der anderen, die in London tagt, hören wir schon, daß die Menschheit und auch die sie führenden Staatsm nner nicht die Kraft und den Mut haben, den Dingen ein anderes Gesicht zu geben. Die Welt und ihre Führer sind wieder übernervös, sie haben den Blick für das Gemeinsame, für das Gestaltende, für das sittlich Hohe in der menschlichen Entwicklung verloren! Das sind die Gründe, warum es international nicht vorwärts geht und warum sich in den einzelnen Ländern die Mittel der Macht und der Gewalt steigern, denn man glaubt, die Verhältnisse mit einer Steigerung der Gewaltmittel bessern zu können.

In der ganz gleichen Entwicklung befinden sich auch die politischen Verhältnisse in der Èechoslovakei: Auch Sie, meine Herren von der èechischen Seite, leben in der Täuschung, daß Sie die politische Entwicklung mit Mitteln, die bisher in der ganzen weltgeschichtlichen Entwicklung zusammengebrochen sind, weil sie nicht aufgebaut waren auf Recht, sondern auf Gewalt, meistern können. Sie lasssen sich jetzt Gesetze dazu von diesem Hause genehmigen. Dieses Haus wird Ihnen jedes Gesetz bewilligen - so sieht es heutzutage mit der aus dem Volke wachsenden Kraft der Gestaltung aus - und Sie werden von diesem Hause jedes Gesetz erlangen, weil dieses Haus seinen politischen Gestaltungswillen bereits vollständig preisgegeben hat. Sie haben sich eine Oligarchie geschaffen, die in dem Sechzehnmännerkollegium des Ministeriums wirkt, und - unterstützt dabei von einer nicht gerade sehr weitblickenden Bürokratie - gehen Sie den Weg, den die Geschichte schon so oft als falsch bezeichnet hat; Sie finden keinen andern, weil Sie glauben, daß vielleicht diesmal die schon so oft nicht bewährten Mittel ihre Bewährung finden werden.


Související odkazy



Pøihlásit/registrovat se do ISP