Die Worte des Herrn Landesverteidigungsministers wirkten in der weiten Öffentlichkeit wie eine Bombe, als er ankündigte, daß er eine Erhöhung des Rekrutenkontingentes ansprechen müsse. Klingt es nicht wie Hohn, in der Zeit der Abrüstungsfragen die Erhöhung des Aktivstandes der Armee zu verlangen? Dieser Umstand zeigt wohl von wenig Lust am Sparen, denn wieder wird zu unerträglichen Lasten eine neue Bürde dem Steuerträger auferlegt, und das in einer Zeit des Wirtschaftsniederbruches. Müssen wir denn immer noch den Aufträgen von Paris so treu Folge leisten, ohne zu erkennen, daß uns in unserer Not kein Franzose etwas schenken wird? Wozu dieses Soldatenspielen, wenn wir ehrlich an den Frieden denken? Wer bedroht uns denn? Äußere Feinde kaum. Also etwa die inneren nach Art der Brünner Putschisten? Ihrer aber gedenkt man erst seit wenigen Tagen, seit sie anmaßend genug wurden und am Bestande der Republik offenkundig rüttelten. Und wer waren denn die Verteidiger des Staates in den kritischen Stunden? Eine Reihe deutscher Soldaten, die ihren Fahneneid hielten. Es bedurfte allerdings erst der blutigen Opfer, um auch einen Deutschen zum Unteroffizier befördern zu wollen. Im allgemeinen bleibt dem intelligentesten Manne diese Anerkennung versagt, eben wenn er Deutscher ist. Glauben Sie mir, die Volksseele registriert diese Verhältnisse genau. Nicht genug daran, daß im allgemeinen die deutschen Mannschaften in die ferne Slovakei oder nach Karpathorußland eingereiht werden, sie bleiben ohne Anerkennung ihrer Soldatentreue auch bei besten Leistungen und ohne Chargengrade und mancher junge Mann gelangte erst durch diese Zurücksetzung zu der peinlichen Frage: "Warum?"
Gerade das Militärressort wäre imstande, eine Milliarde alljährlich zu ersparen, desgleichen aber auch das Schulministerium, wenn man alle überflüssigen Schulen auflassen würde. Wenn aber im Umkreise von 3 km vier èechische Minderheitspaläste erstehen müssen, wie dies unmittelbar bei Znaim der Fall ist, und wenn da für kaum zwei Dutzend Kinder Trutzschulen für mehrere Millionen erbaut werden, da müssen wir doch am Ernste der Finanzverwalter des Staates zweifeln. Dagegen aber stehen wir seit Jahren mit unserer Forderung allein, die dahingeht, auch der deutschen Kultur ihr Augenmerk zuzuwenden. Notwendigste deutsche Schulen, mit 30 und mehr Kindern, werden trotz mehrfacher Zusagen nicht eröffnet.
Die Verbitterung der deutschen Bevölkerung kann ja doch dann nicht als grundlos hingestellt werden, wenn der Staat mehrerenorts für ein einziges èechisches Kind zwei Lehrer, für 30 deutsche Kinder aber keinen Lehrer zu bestellen gewillt ist. Und wie im Kleinen, so im Großen! Unsere einzige landwirtschaftliche Hochschule entbehrt seit Jahren eines Professors für Betriebslehre, des wichtigsten Faches für den Landwirt überhaupt.
Unsere deutschen Mittelschulen dagegen entbehren der nötigen Zuschüsse für Lehrund Lernmittel, was angesichts der Überreichlichkeit bei den èechischen Mittelschulen als bitter empfunden wird, und unsere alte Forderung auf Abschaffung der vierten Ortszulagenklasse wird seit Jahren überhört.
Man muß feststellen, daß das flache Land und seine Lehrer leider für die meisten Parteien unseres Parlamentes nur die Nebensächlichkeit ist, denn gerade dem Landlehrerstand widmet man keine Aufmerksamkeit. Lebt der Landlehrer oder ländliche Angestellte nicht unter vielfach höheren Erhaltungskosten als der Städter? Muß er nicht mit Reise- und Verpflegskosten für studierende Kinder rechnen, die dem Städter unbekannt sind? Die Frage bleibt akut, weil sie einen Aufschub nicht verträgt, weil die Minderbesoldung der ländlichen Lehrer und Beamten ein schreiendes Unrecht ist und weil im allgemeinen gerade diese, außer ihrer Berufsarbeit, im höchsten Maße Volksbildungsarbeit leisten. Da ist Sparsamkeit des Staates eine Sünde.
Und nun "drucken" oder "drücken"? Drücken ist das Motto unserer Finanzverwaltung. Es wirkte wie ein Blitzschlag, als von den Finanzdirektionen im Jahre des Preisverfalles eine Erhöhung des Pauschalschlüssels der Einkommensteuer für den Landwirt angeordnet wurde. Gegen diese nur als höhnende Herausforderung zu wertende Maßnahme wird hoffentlich die ganze Landwirtschaft entschlossen auftreten. Desgleichen die Weinbauernschaft gegen eine Erhöhung der Weinsteuer, wobei jedoch bemerkt wird, daß gegen eine Steigerung der Preise für die alkoholisierten Weine, wie Malaga, Vermuth, Sherry, Portweine niemand etwas einzuwenden hat. Denn wer sich an Sherry zu gewöhnen vermochte, dem dürfte auch eine Preisverdoppelung dieses Getränkes nicht schmerzvoll erscheinen. In diesem Sinne fordern wir sogar eine Belastung dieser Produkte, damit das Volk vielleicht doch den Rückweg findet zum naturgegebenen Rebenweine.
Eine Erhöhung der Versicherungsbeiträge bei Krankenkassen und jeglichen Versicherungen führt in der Zeit des Zusammenbruches in der Landwirtschaft zur allgemeinen Empörung und erscheint angesichts der allgemeinen Erhöhung der Lebenshaltung durch Neubelastungen untragbar. Sinkende Einnahmen, hohe Ausgaben und eine Schuldenlast über 60 Milliarden lassen die Landwirtschaft nicht mehr gesunden. Sie scheidet durch die Krisenverhältnisse als Konsument der Inlandsindustrie aus und zieht dadurch alle anderen Berufsstände in den Wirtschaftsverfall. Alle Operationen dagegen blieben unwirksam, weil leider nur Halbheiten. Noch immer ist das Viehsyndikat nicht zustandegebracht, noch immer setzen Kartelle schrankenlos die Preise fest. Wo wird diese Verfallswirtschaft ein Ende finden? Wäre da nicht etwa an eine Entschuldungsaktion großen Stils zu denken?
Was kann die Schuldzinsensenkung von 1 1/2% schon nützen? Vorerst muß eine Beschränkung des Rechtes der Schuldeintreibung für die Krisenzeit erwirkt werden, da ansonsten viele Existenzen verschwinden werden, die redlich für ihren Schuldzinsendienst jahrelang geschuftet haben und nun ihrem Schicksal überlassen werden. Wer trägt denn die Schuld an dem so ungeahnten Verfall der landwirtschaftlichen Werte? Doch der Staat selbst! Er ließ den einseitigen Preisverfall beim Landwirte zu und tut nichts zur Aufwertung der Preise, da das Gros der Parteien die Not des Landvolkes nicht begreifen will. Mit reiner Währungspolitik kann man keine Wirtschaft ankurbeln, vielleicht wird nun endlich jener Weg beschritten werden, der eine Preisaufwertung auch der landwirtschaftlichen Besitztümer und Erzeugnisse bringen kann. Wir fordern diese Maßnahmen, weil bei rückflutenden Preisen 70 % der verschuldeten Landwirte als verloren gelten. Und wenn auch dieses Ziel nur mit dem "drucken" erreicht werden kann, heute kann es immer heißen, jedes Mittel ist gut, das den Erfolg bringt! Hilfe ist dringend nötig, da die Verzweiflungsstimmung einen Grad erreicht hat, der kaum überboten werden kann und schnelle Hilfe ist doppelte Hilfe. Mit hochnotierten Kronen kann man nicht renommieren, wenn man sie nicht besitzt und nicht erwerben kann. Darum wäre zu wünschen, daß endlich alle diese Währungsstützungsaktionen ein Ende fänden und man mehr an die Wirtschaft dächte als bisher. Die jüngsten Sparmaßnahmen stellen wohl kein Meisterstück dar, aber man hat wenigstens versucht, das Übel zu erkennen, vielleicht wird man daher mit sicherem Ziele die Arbeit fortsetzen.
In dieser Hoffnung werden wir
dem Voranschlag unsere Stimme nicht versagen. (Potlesk.)
Hohes Haus! Ich habe im Auftrage meines Klubs Stellung zu nehmen zum Kapitel Schule, Gesundheitswesen, soziale Fürsorge und unsere diesbezüglichen Forderungen zur Sprache zu bringen.
Vorerst zur Schule: Wer ein Volk regenerieren will, muß bei den Kindern beginnen. Die Saat einer besseren Zukunft muß in Kinderherzen gestreut werden. Deshalb ist es meiner Partei nicht gleichgültig, in welchem Geiste unser Schulwesen gestaltet wird und in welcher Absicht Reformen geplant werden. Koll. Hackenberg von der deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei hat im Budgetausschuß eine Schule gefordert, frei von jedem kirchlichen und konfessionellen Einfluß, in welcher überhaupt kein Religionsunterricht erteilt wird. Er hat das Kind reklamiert für den Staat, vollständige Trennung von Kirche und Schule verlangt. Die religionslose, weltliche Staatsschule entspricht dem sozialdemokratischen Programme.
Diese Offenheit gefällt mir besser wie das heuchlerische Sprüchlein "Religion sei Privatsache", das man immer als Wandschirm benützt hat, um ungestörter an der Zerstörung religiöser Werte zu arbeiten und materialistische Weltanschauung den Arbeitermassen einzuimpfen. Ich glaube schon im tages von Halle den Satz gelesen zu haben: "Die gute (das ist religionslose) Schule ist das beste Mittel gegen die Religion. Die Schule muß gegen die Kirche mobilisiert werden, der Schulmeister gegen den Pfaffen. Das ist die richtige Erziehung, das beseitigt die Religion." Es sind also recht unfromme Wünsche, die der Sozialismus hegt.
Mit derselben Offenheit proklamieren nun auch wir Katholiken unsere Schulforderungen. Parteiprogramme haben nicht nur wie Sterne am Himmel zu glänzen, sondern wollen verwirklicht werden. Auch wir Katholiken wollen in einem freien Staate keine Heloten sein und uns in unseren Rechten nicht verkürzen lassen. Die Seele aller Volksrechte ist das Recht auf die Schule. Unsere Kampfforderung wird und muß lauten: Für katholische Kinder die katholische Bekenntnisschule mit katholischen Lehrern und katholischen Lehrbüchern. Das Kind einfach als Staatseigentum reklamieren, halten wir für eine Tyrannei gegenüber den Eltern. Die Familie war früher als der Staat. Eine Konfiskation der Elternrechte werden wir nie zulassen; in der Verteidigung unserer Schulrechte, zumal auch der katholischen Privatschulen, da werden die Herren Schulreformer bei uns auf Granit beißen und alle katholischen Abgeordneten, welcher Sprache immer, in einer einzigen Verteidigungsfront vorfinden.
Das Schulmonopol des Staates wäre ein Hohn auf alle demokratischen Prinzipien, Kinder einfach in religionslose Staatsschulen zu zwingen, ein brutaler Eingriff in die unveräußerlichen Elternrechte. Wenn der Staat Schulzwang einführt, dann muß er auch eine Schulform wählen, die dem Gewissen der Eltern entspricht, muß als wahrhaft neutraler Staat den einzelnen Konfessionen Freiheit gewähren und sie nach ihrer Zahl aus seinen Mitteln unterstützen. So haben es die fo rtschrittlichsten Länder, Belgien, Holland, England, Amerika getan.
Freiheit zu nationaler und konfessioneller Kindererziehung fordert unser christlichsoziales Parteiprogramm. Eine Schuldiktatur lassen wir uns nicht aufzwingen. Eine religionslose Staatszwangschule lehnen wir als ärgste Gewissenstyrannei ganz entschieden ab. Wenn konfessionslose Eltern eine religionslose Erziehung ihres Kindes verlangen, gut, sie sollen sie haben, verantworten und dafür einmal büßen. Daß aber wegen ein paar religionsloser Kinder einfach alle Konfessionen aus der Schule hinausgeworfen werden sollen, scheint mir ein sehr kurioser und raffinierter Grundsatz zu sein.
Wenn wir programmatisch sittlich-religiöse Erziehung in allen Klassen fordern, dann ist uns Religion nicht ein Fach neben dem andern, eine Kajüte neben der anderen, sondern der Steuermann, die Triebkraft des ganzen Schiffes, die Seele der Erziehung. Wir scheuen uns durchaus nicht, für eine sittlich-religiöse Schulerziehung einzutreten. Der Vorwurf, seine Schüler religionslos erzogen zu haben, brachte sogar einen Sokrates auf die Anklagebank - und damals waren die Athener schon ein dekadentes Volk; das aber wußten sie, daß Zeiten religiösen Verfalles auch den Niedergang der Volkskraft bedeuten, 114 Berliner Hochschulprofessoren haben in einem Memorandum den Religionsunterricht das Herzstück der deutschen Jugenderziehung genannt. Ihn nur als bloßen Nebengegenstand betrachten, bedeute einen vollständigen Bruch mit der mehr als tausendjährigen Gesamtgeschichte des deutschen Jugendbildewesens.
Mit der kraftvollen Erhaltung der Glaubensgesittung - heißt es im Memorandum steht und fällt das deutsche Volk. Er muß Mittelpunkt aller Schulerziehung bleiben, wenn nicht der Mutterboden der Wissenschaft, Kunst- und Volksbildung gänzlich verdorren soll. Der vom Freidenkerapostel Ernst Häckl selbstgewünschte Nachfolger an der Universität in Jena, Dr. Ludwig Plate gesteht: Die Einwände der Atheisten gegen die Grundanschauungen des Christentums finden in den Ergebnissen der Wissenschaft keine Stütze. Eine bloße Moralerziehung genügt nicht. Ein religionsloses Volk geht über kurz oder lang an innerer Fäulnis zugrunde. Und jüngst hat auch der Prorektor der èechischen Karlsuniversität, Prof. Dr. Mareš, ein Gelehrter guten Rufes, sich als bedingungsloser Verfechter des Gedankens eines obligaten Religionsunterrichtes an allen Schulen erklärt. Die Bildung, die auf einer rein wissenschaftlichen Grundlage beruht, ist ungenügend, sagt er, und führt zur völligen Materialisierung der jungen Generation. Er nennt den neuen Schulreformentwurf ganz offen das Erzeugnis einer verhängnisvollen Parteipolitik.
Über dem Eingang der mohammedanischen Hochschule in Kairo stehen die Worte: "Chemie ist wichtig, Gott ist wichtiger." Das Versagen des ganzen modernen Zivilisationsapparates ist die Signatur der Zeit. Mit dem Glauben an Gott ist auch das Vertrauen der Menschen geschwunden. Auch die Wirtschaftskrise ist im tiefsten Grunde eine Vertrauenskrise, eine Kreditkrise, denn an Gütern und Kapital ist kein Mangel. Ich pflichte den Worten des Ministers van Comvelärts bei: moralische und intellektuelle Heranbildung müsse geeint bleiben. Die religiöse Erziehung ist die notwendige Grundlage für die sittliche Erziehung. Wir achten die Freiheit der anderen, verlangen aber auch für uns Freiheit. Die Achtung der Gewissensfreiheit erfordert die Schulfreiheit.
Als einen schnöden Undank gegenüber der Kirche, die doch bei allen Völkern, auch den èechischen und deutschen, die Mutter der Schule ist, muß ich es bezeichnen, daß man den konfessionellen Vertretern in den Schulkörperschaften Sitz und Stimme verweigern will.
Es ist durchaus keine Gnade, wenn der Staat auch den Religionslehrer bezahlt, er bezahlt jeden andern ihm geleisteten Dienst ebenso. Die Kongrua erachten wir als eine Restitutionspflicht des Staates für das ungerecht und gewaltsam säkularisierte kirchliche Eigentum. Die staatliche Einkommenergänzung des Klerus (73.6 Millionen) kommt nicht einmal dem Werte der ordnungsgemäßen Verzinsung der Kirchengüter gleich, die sich in staatlicher Verwaltung befinden. Durch die Vakanz so vieler Seelsorgerposten erspart der Staat ganz beträchtliche Summen. Was die katholische Kirche bekommt, darauf hat sie ein gesetzliches Recht - hat Minister Dérer selber erklärt. Es mag ja einzelne moderne freisinnige Raubritter geben, die unter Trennung der Kirche vom Staat deren gänzliche Ausplünderung verstehen und da im Boden amt nichts mehr zu holen ist, auf das Kirchengut spitzen - aber nicht stehlen soll auch ein Grundsatz der Demokratie sein.
Die Kirche leistet staatserhaltende Arbeit. Die Priester arbeiten segensreich auf eine Erhöhung des geistigen Niveaus der breitesten Schichten des Volkes. Dieses Urteil des Dr. Mareš wiegt wohl mehr als diverse Schmähartikel von Freidenkern.
Wenn die Autorität des Staates im Gewissen der Bürger verankert ist, ruht sie sicherer als auf den Bajonetten der Gendarmen. Das öffentliche Leben muß wieder vom Geiste der Ehrlichkeit und Gewissenhaftigkeit getragen werden, sonst ersticken wir im Sumpfe diverser Korruptionsaffairen. Wo der Geist der religiösen Gleichgültigkeit - und der muß künstlich an unseren Schulen geradezu gezüchtet werden - der Geist der Verneinung die Oberhand gewinnt, da krankt das Volksleben in seinem innersten Kerne, da wird es noch mehr Putsche auf Kasernen geben. Wer die Religion untergräbt, der wird auch zum Totengräber der sozialen Gerechtigkeit und des Arbeiterrechtes. Man gibt dem Volke nicht Brot, wenn man ihm den Herrgott nimmt und mit Religionsspott und Priesterknochen füttert man auch einen hungernden Proletariermagen nicht satt.
Es ist mir schier unbegreiflich, daß man es noch einmal jetzt in bitterer Notzeit so eilig hat mit Schulreformen. Soll vielleicht hiedurch das Manko der Sozialpolitik verschleiert und die durch Gehaltsabbau verbitterte freisinnige Lehrerschaft wieder geködert werden? Ein französischer sozialistischer Deputierter Syveton hat erneut den Ausspruch getan: "Ihr werft dem darbenden Volke immer den Kulturkampfknochen vor, wenn Ihr hinter dessen Rücken den Fleischerladen ausgeräumt habt."
Es ist mehr als gewissenlos, in einer Zeit, wo - so las ich wörtlich in einem èechischen Blatte - wir finanziell so elend stehen und kämpfen, um uns nur über Wasser zu halten, wo unsere Industrie stillsteht, fast eine Million Arbeitslose sind, die unrühmlichen Prozesse in Iglau, Preßburg und Prag stattfanden, ein großes Minus in der Außenpolitik sich zeigt, noch einen inneren Kulturkampf vom Zaune zu brechen. Wir fürchten ihn nicht, aber wir warnen davor. Der Herr Minister hat ja auch bereits beschwichtigt. Für die Lösung von Schulfragen darf es nur einen Weg geben, den Weg friedlicher Verständigung, bei der alle berechtigten Faktoren berücksichtigt werden und das historisch gewonnene auch gerechtes Verständnis findet. Losgelöst von allen Parteischlagworten muß die Schulfrage in ihrer ganzen Bedeutung für das Volkswohl gewertet und vertreten werden.
Wir lassen uns auch nicht täuschen durch die paar Brocken nationaler Schulautonomie, die uns in Aussicht gestellt werden. Im Berner Manifest vom 7. Feber 1919 haben uns die sozialistischen Parteien volle und gleiche Staatsbürgerschaft, politische und sprachliche Entwicklungsfreiheit zugesichert. Jede Nationalität soll ihre Angelegenheiten selbst entscheiden. Also wirklich einmal Ernst machen mit den Versprechungen! Der Präsident hat es in seiner Botschaft als Aufgabe der Mehrheit bezeichnet, die Minderheit für den Staat zu gewinnen. Die Liebe zum eigenen Volke solle nicht ungerecht machen zum andern. Gerade auf dem Gebiete des Schulwesens könnte ein glänzender Beweis hiefür erbracht werden.
Solange teuere Luxusbauten für èechische Minderheitsschulen im deutschen Gebiet aufgeführt und Seelenfang deutscher Kinder systematisch weiter betrieben wird, glauben wir nicht den schönen Versprechungen. Nur ist und bleibt es mir unverständlich, wie diese Riesensummen für Minderheitsschulen zur eigenen Entnationalisierung bewilligt werden können. Zu beklagen ist es, daß die Beiträge des Schulministeriums für Volksbildungsarbeit und Büchereien von 5 Millionen auf 2 Millionen herabgesetzt wurden, also um 60 %, was ein schreiendes Mißverhältnis bedeutet und geeignet ist, die ganze Volksbildungsarbeit trotz der schönen Gesetze lahm zu legen.
Es wäre den Schulinspektoren zweifellos lieber gewesen, wenn man sie mit dem Gehaltsabbau verschont und sie materiell wenigstens so gestellt hätte, daß sie nicht aus ihrer Tasche noch auf die Inspektionsspesen daraufzahlen müssen. Vorsitzender im Bezirksschulausschusse wird bei der bekannten Dienstabhängigkeit kein Vergnügen und auch kein Vorteil für das Volk sein.
Es ist für uns Katholiken auf die Dauer unerträglich, daß durch die berüchtigten Haberman erlässe der Religionsunterricht noch immer als Aschenbrödel in den Schulen behandelt wird und die Kinder in ihren religiösen Übungen behindert werden.
Dazu will noch der Staat die Ehe, die Keimzelle der Menschheit durch seine Gesetze, zumal durch die beabsichtigte Zwangsziviltrauung zerstören. Als ein Hohn auf alle moderne Fürsorge, eine Bankrotterklärung aller Regierungskunst muß es gelten, wenn man der sozialen Not dadurch abhelfen will, daß man den Mord an den Neugeborenen gesetzlich erlauben will. Das menschliche Leben ist geheiligt von der Empfängnis bis zum natürlichen Tode. Das Bibelwort: "Du sollst nicht töten", ist für uns Grundsatz, hat jüngst Dr. Procházka im Sozialinstitute erklärt. Es fehlte nur noch als Krönung aller Fürsorge, daß man alle Altersschwachen, Siechen und Kranken durch Euthanasie, durch schmerzloses Umbringen "staatlich" versorgt und wir könnten uns ein russisches Patent auf das moderne staatliche Heidentum geben lassen.
Zum Kapitel Gesundheitswesen bemerke ich:
Zu beklagen ist, daß der Posten für Jugendfürsorge um 347.000 Kè, für körperliche Ertüchtigung um 1,420.000 Kè herabgesetzt wurde. Da werden wohl manche Turnvereine aus Mangel an Unterstützung ihre Tätigkeit einschränken müssen. Der Staat wird bei Krankenhäusern daraufzahlen, was er an Sicherung der Volksgesundheit erspart hat.
Den Geburtsassistentinnen hat man zwar gesetzlich den höheren, fremdländisch klingenden Titel verliehen, bisher aber die nötigen Mittel versagt, um ihre materielle Existenz zu sichern. Ich möchte auch die endliche Novellierung des Zahntechnikergesetzes urgieren. Es ist höchste Zeit, dem heftigen Streite zwischen Zahnarzt und Techniker ein Ende zu setzen und Tausenden zu ihrem Rechte und Verdienste zu verhelfen. Die Errungenschaften des Zeitfortschrittes konzentrieren sich meist in den Städten. Dort sind die Mittelpunkte der Gesundheitsfürsorge und Krankenpflege. Dort sind die öffentlichen Krankenhäuser, Spezialärzte und ambulante Krankenpflegestationen. Armselig ist die Krankenpflege am Lande; die Landbevölkerung ist da wirklich oft ratlos und hilflos. Durch die Landkrankenpflegerinnen, welche der Reichscharitasverband ausbilden läßt, wird dem Staate ein großer Dienst erwiesen. Der Verband verdient deshalb mit Recht eine Subventionierung durchs Ministerium.
Desgleichen leisten die ambulanten Krankenpflegestationen der geistlichen Ordensschwestern in den kleinen Landstädten und Landgemeinden Außerordentliches. Auch die Caritas socialis leistet durch ihre Familienpflege namentlich in kinderreichen Familien sowie ihre Wöchnerinnenpflege und durch die Tagesheimstätten für Kinder ganz hervorragendes. Ich empfehle sie wärmstens der Unterstützung seitens des Ministeriums.
Beim Kapitel Soziale Fürsorge finde ich für Kriegsinvalide 20 Millionen, für Jugendfürsorge 3,867.000 Kè weniger eingesetzt zum großen Schaden der betroffenen Kreise.
Wir haben als christliche soziale Reformp rtei mitzuarbeiten an der Entproletarisierung des Arbeiters und an der völligen Eingliederung des neuen Arbeiterstandes in die Volksgemeinschaft.
An die Stelle der gegenwärtigen ausbeuterischen Gewinnwirtschaft, wo die Menschen bei vollen Scheuern hungern und frieren, bei vollgepfropften Warenhäusern nackt und bloß gehen, ist eine planmäßige geregelte Bedarfswirtschaft, eine Wirtschaftsordnung der sozialen Gerechtigkeit und Liebe zu setzen.
Der Arbeiter muß aus der Not mechanisierter, entseelter und entsittlichter Arbeit herausgehoben werden: während der tote Stoff veredelt die Stätten der Arbeit verläßt, sagte die Papstenzyklika, werden die Menschen dort an Leib und Seele verdorben. Er muß zum verantwortlichen Träger und Glied im Produktionsprozesse gemacht werden, muß hineinwachsen in Mitbesitz und Mitverwaltung der Wirtschaft. Erst das gibt ihm Bindung an Heimat und Volk, das persönliche Wertbewußtsein, das verantwortungsfreudig auch das völkische Gemeinschaftsleben bejaht und ihm dient.
Der moderne Kapitalismus hat Raubbau an der Gesundheit und Arbeitskraft des Arbeiters getrieben durch übermäßige Anspannung bei unzureichender Entlohnungund Erholung. Rasch war der Arbeiter verbraucht und wurde der Allgemeinheit zur Versorgung übergeben.
Das war Diebstahl am wichtigsten Volksgute: die Gewinne der Unternehmer gingen auf Kosten der Gesamtheit. Die endlich geschaffene Sozialversicherung ist nichts anderes, als eine staatliche Lohnregulierung, ein Zwang zur Abschreibung auf Menschenleben. Auch der Mensch ist ein Wirtschaftsgut, das sich verbraucht und dessen Lebenskosten aus dem Ertrag seiner Leistung getilgt werden müssen. Die Sozialversicherung ist eine Zwangssparkasse, in welche der Versicherte einen Teil seines Lohnes legen muß, um ihn in Form der Rente zurückzuerhalten, wenn seine Arbeitsfähigkeit vorübergehend oder dauernd aussetzt und er ohne Existenzmittel wäre. Sie ist keine neue Belastung der Wirtschaft, sondern eine Überwälzung von Kosten, die bisher Gemeinde, Wohlfahrtsvereine getragen haben, auf den Arbeitsvertrag des Versicherten, ein Zwang zur Selbstversorgung, um nicht der Armenpflege anheimzufallen. Wir begrüßen deshalb jeden sozialen Gesetzesantrag, der dieser unserer Auffassung entspricht. Wir begrüßen die angekündigte Novelle über Kollektivverträge, die wir nach reichsdeutschem Muster noch durch Einführung von Lohnschiedsgericht und Einigungsämtern erweitert wünschen würden. In Zeiten solch brutaler Not, wie wir sie gegenwärtig haben, darf der Lohn des Arbeiters als einzige Quelle seiner Lebensexistenz nicht dem freien Spiel der Kräfte überlassen bleiben, sondern muß von staatswegen geschützt werden. Gehaltskürzungen und Lohnsenkungen sind kein Mittel zur Ankurbelung der Wirtschaft, sie werden die Industrie nicht retten, nur die Not der Arbeiterschaft bis zur Verzweiflung steigern und deren Kaufkraft ganz erschlagen. Jeder Besitz und jedes Unternehmen ist mit einer sozialen Hypothek belastet; die Arbeiter haben ein moralisches Recht, von den in den Unternehmungen angesammelten Gütern und Werten in der Not mitzuzehren.
Statt der projektierten Arbeiterkammern würden wir lieber eine paritätische Umgestaltung der bestehenden Handels- und Gewerbekammern und der Landeskulturräte vorschlagen.
Wir begrüßen den Gesetzesantrag des Verbotes der Nachtarbeit für Jugendliche bis 18 Jahren, des Schutzes der Frau vor der Geburt und im Wochenbette: wir sehen darin einen kleinen Anlauf zum Abbau der Frauenerwerbsarbeit überhaupt. Dringend würden wir einen Entlassungsschutz für alte Arbeitnehmer, eine Einschränkung der Überstundenbewilligungen brauchen. Vielleicht ließe sich die Grenze des obligaten Rentenbezugs bei der Sozialversicherung vom 65. Lebensjahre auf das 60. herabsetzen. Der Arbeitsmarkt könnte dadurch um 100.000 entlastet werden.
Die Änderung des § 82 der Gewerbeordnung, Lit. f, h, und i, die vom Senate längst beschlossen ist, wird immer nur durch Fristverlängerung der Beschlußfassung weitergeschoben.
Auch die Novelle über das Heimarbeitsgesetz, die Apothekerhilfskasse, die Betriebsausschüsse, die Krankenversicherung der Privatangestellten in höheren Diensten, die Unfallversicherung, die Versicherung der selbständig Erwerbenden stehen schon seit Jahren auf dem Programme. Außer den Arbeitsgerichten und Berufskrankheiten sind wir in sozialer Beziehung nicht weiter gekommen. Bei diesem langsamen Tempo wird es wohl lange dauern, bis der Himalaya erreicht sein wird. Inzwischen werden wohl vielleicht die Mönche von St. Bernhard auch dort ihre Herberge fertiggebaut haben.
Das Arbeitslosenproblem erheischt dringend eine Lösung, es wird zur Existenzfrage für den Staat. Ein Staat, der die soziale Frage nicht oder nur ungenügend löst, zieht sich selbst Revolutionäre. Nur darf Sozialpolitik nicht ein Kampf um Futterkrippen werden, auch darf man nicht glauben, mit nationalen Phrasen das soziale Gespenst bannen zu können. Dem Arbeiter ist blutwenig damit geholfen, wenn Angehörige seiner Partei auf Ministersesseln sitzen und im Staatsauto fahren, ihren Söhnen und Verwandten Restgüter verschaffen, und schöne Beschwichtigungsreden halten. Der Arbeiter will Brot und Arbeit haben.
Mit der Konstatierung, daß die Technik arbeitslos macht, ist noch nichts erreicht. Die Summe von 813 Millionen Kronen für Arbeitslosenunterstützung pro Jahr wird aus der Staatskasse wohl nicht lange gezahlt werden können, auch die Lebensmittel- und Milchkarten genügen auf die Dauer nicht. Geradezu trostlos schaut es in unseren deutschen Industriegebieten aus: Da grinst einem das Hungergespenst entgegen. 450.000 Arbeitslose entfallen auf unser sudetendeutsches Gebiet. Während die Stadt Brünn im Dezember 11.272, Mähr.-Ostrau 11.756 Arbeitslose zählte, hatte Neu-Titschein 10.072, Mähr.-Schönberg 9.173, Jägerndorf 7.378, Gablonz 15.937, Tetschen 14.251, Brüx 11.237, Teplitz-Schönau 12.330. Deutsche Betriebe wurden durch Bankenmaßnahmen stillgelegt und durch die harten Devisenbestimmungen ganz ruiniert, staatliche Lieferungen gab es für sie keine, selbst bei Vergebung öffentlicher Arbeiten wurden Fremde bevorzugt. Unser deutsches Gebiet ist buchstäblich ein Industriefriedhof geworden. Und doch bedeutet sterbende Industrie sterbendes Deutschtum. Wer das Problem des sudetendeutschen Arbeiters löst, der rettet unser Volk, das ja in seiner Mehrzahl aus Lohnund Gehaltsempfängern besteht.
Da werden wohl viel radikalere Mittel müssen angewendet werden. Ich erwähne eine Revision des handelspolitischen Kurses, welche wieder die Zollmauern niederreißt und durch vernünftige Handelsverträge uns wieder den Absatzmarkt in unseren Nachbarländern, die immer unsere besten Kunden waren, sichert.
Streichung der internationalen Schulden, allgemeine Abrüstung, Wiederherstellung des Vertrauens unter den Staaten, um den internationalen Güteraustausch wieder in geregelte Bahnen zu leiten. Lieber weniger Kanonen und Manöver, weniger Luxuspalais und Auslandsfahrten, dafür mehr Geld für produktive Arbeitslosenfürsorge, bessere Verteilung der Lasten und dergleichen mehr. Wir würden auch als Oppositionspartei unsere Mitarbeit nicht versagen, wenn ernstliche Schritte zur Beseitigung der Wirtschaftskrise seitens der Regierung unternommen werden.
Zum Schlusse möchte ich mich noch zum Dolmetsch der Forderungen der Tabakarbeiter machen.
Sie sollen als eifrige Bienen dem Staate einen Reingewinn von 1.528,827.000 Kè erarbeiten. Dabei wurde ihnen der Lohn um 14,750.000 Kè, jener der Saisonarbeiter um 1,500.000 Kè gekürzt. Die Tabakarbeiterschaft hat von jeher immer eine Weihnachtszulage erhalten: es wäre recht und billig, wenn man dieselbe durch eine Wirtschaftszulage ersetzen würde, wie es sogar im armen Österreich der Fall ist, natürlich ohne erhöhte Arbeitsleistung, die ohnehin schon die äußerste Grenze erreicht hat und ohne Verschlechterung der sonstigen Lohn- und Arbeitsbedingungen. Wir haben einen diesbezüglichen Antrag eingebracht.
Der § 7 der Lohnordnung, welcher trotz zweimaliger Verbesserung noch immer den Arbeiter im Urlaub und in der Vorrückung schädigt, sollte ganz beseitigt werden. Die Doppelfeiertage, die wohl laut Erlaß gehalten werden, sollten gesetzlich als Ruhetage erklärt werden. Die vom Minister Dr. Czech geforderte 40-Stundenwoche könnte im Betrieb der Tabakregie eingeführt und erprobt werden.
Das Begräbnisgeld für jene Pensionisten, welche vor dem 1. September 1919 in Pension gegangen sind, und das mit Kè 300 festgesetzt ist, sollte dem der übrigen Pensionisten gleichgestellt werden. Es ist von der Tabakregie wenig nobel und sozial gehandelt, zugebilligte Gnadenpensionen einfach wieder abzubauen. Den großen Dieben in der Republik wird die Beute gelassen, an dem Kleinen nimmt man furchtbare Rache. Bei Pensionierung wirklich arbeitsunfähiger Arbeiter sollten nicht solche Schwierigkeiten bereitet werden, wie aus Neu-Titschein geklagt wird. Der Amtsschimmel sollte bei Erledigung von Gesuchen auch etwas zu größerer Eile angetrieben werden, damit arme Gesuchssteller nicht jahrelang auf Erledigung warten müssen. Ich habe hiefür einige Belege in Händen.
Ich wünsche nur, daß die Staatskasse
den erhofften Reingewinn wirklich erhält und wenigstens einige
Brosamen hievon auch der Arbeiterschaft zuwendet. (Potlesk.)