Und damit sind wir zum Kernpunkt des Prozesses gelangt, zu der Ursache, die ihn auslöste und seinen Verlauf sowie sein Urteil bestimmte. Der Prozeß ist ein Gefecht in dem großen Ideenkampf, der zwischen dem jungen Nationalsozialismus und dem gealterten Liberalismus ausgetragen wird, jenem Liberalismus, der als Idee der französischen Revolution von 1789 vor kurzem noch ganz Europa beherrschte und nun seine letzten Machtstellungen verteidigt, jenem Liberalismus, dessen Wirtschaftsprogramm die Herrschaft des Geldes und dessen Alterserscheinung die Korruption ist. Seine Wiege und sein heute noch im Wesentlichen unerschütterter Hort ist Frankreich, das nicht nur militärisch, sondern auch wirtschaftlich durch sein Gold und seine Anleihen und damit auch schließlich politisch Europa beherrscht, Frankreich, das vor dem Deutschen Reiche trotz dessen Entwaffnung bangt, es durch Bündnisse mit slavischen Staaten eingekreist hat und - nicht genug daran durch das Abkommen von Lausanne Österreich unter seine Fuchtel bekommen hat, das sich in Wien einen Stützpunkt für seine europäische Südpolitik schuf, das nun daran geht, dem polnisch-russischen Pakte einen solchen Frankreichs mit Rußland und unter seinem Drucke auch Rumäniens mit Rußland folgen zu lassen, das sich gegen die Rüstungsgleichheit des Deutschen Reiches mit allen Mitteln wehrt und bestrebt ist, diesem geheime Rüstungen anzudichten. Die Bemerkung des Brünner Staatsanwalts, daß die S. A. der reichsdeutschen Nationalsozialisten eine Hilfsgliederung der Reichswehr darstelle, ist politisch gesehen, angesichts der Gegnerschaft Hitlers gegen die Regierung Papen-Schleicher ein Unding. (Výkøiky posl. Hadka.) Sie werden von mir vergeblich auf Erwiderung warten. Aber diese Bemerkung lüftet den Schleier. Man wird unschwer erraten, daß sie eines der Ergebnisse der Aussprache des Staatsanwalts mit den militärischen Sachverständigen darstellt, und der Staatsanwalt hat ja diese Aussprache mit den militärischen Sachverständigen offen zugegeben. Das ist die außenpolitische Note des Brünner Prozesses. Man hat bekanntlich darüber gestritten, ob der Minister des Äußern zugunsten der Angeklagten eingeschritten sei oder nicht. Wäre er eingeschritten, dann natürlich nicht zugunsten der Angeklagten. Die èechische Presse kann vollständig beruhigt sein.
Der Prozeß hat natürlich auch innerpolitische Ursachen, die teils der schwierigen Wirtschaftslage, teils den Schwierigkeiten entspringen, die innerhalb der Regierungskoalition zutage traten und schließlich zum Rücktritt der Regierung Udržal führten. Im alten Rom bot man den Massen Brot und Spiele. In Prag bietet man ihnen Spiele statt des Brotes, das man ihnen nicht geben kann, Verfolgungen der verhaßten Hakenkreuzler. Diese erfreuen das ganze èechische Volk und auch Teile des deutschen Volkes. Die weitgehenden Auswirkungen des Prozesses mögen allerdings nicht ganz erwünscht gewesen sein. Aber das wichtigste Ziel war wohl, die sudetendeutsche Autonomiebewegung tödlich zu treffen, Jugend wie Alter abzuschrecken und dem System gefügig zu machen. Diese Wirkung hat er insbesondere auf die Jugend vollkommen verfehlt, wie verschiedene Wahlergebnisse zeigten, und mußte sie verfehlen, denn von ihr gilt in weit höherem Maße das, was der jungèechische Abgeordnete Dr. Herold im österreichischen Reichsrat vor 40 Jahren über die èechische Jugend sagte: "Warum treiben Sie gerade unseren Nachwuchs in diesen Pessimismus, in die Verzweiflung hinein, so daß er annehmen muß, es werde unserem Volke niemals in diesem Staate gut gehen? Der nationale Gedanke ist doch dasjenige, womit wir und Sie alle und der Staat den Nachwuchs noch beherrschen können. Nehmen Sie ihm nicht die große Idee und die Hoffnung, führen Sie ihn nicht auf Irrwege, die gefährlich sind! Bedenken Sie immer, daß der Pessimismus des Nachwuchses gefährlich ist." Ich füge hinzu, daß Anstellungen besser wären als Prozesse. Anstellungen aber gibt es für unseren Nachwuchs nicht. Und hat einer noch eine solche gehabt, so wird er wie Ing. Haider noch vor beendetem Verfahren unter dem Freudengeheul aller Gegner ausgerechnet von einem sozialdemokratischen Minister hinausgeworfen. Nehmen Sie der Jugend das nationale Ideal, das sie nun einmal im Nationalsozialismus verkörpert sieht, bedrücken, verfolgen Sie sie und Sie züchten den Bolschewismus.
Mein abschließendes Urteil über diesen Prozeß und alle ähnlichen deckt sich mit den Worten, die Dr. Eduard Koerner, derzeit Präsident des Obersten Rechnungshofes, seinerzeit als Verteidiger im Prozeß gegen Dr. Kramáø in seinem Schlußwort sagte: "Wenn einmal dieser merkwürdige Prozeß seinen Pitaval findet, wird dieser ihn als ein Schulbeispiel eines Indizienbeweises anführen und die Anklage als ein verwerfliches Beispiel der deduktiven Methode, wo der Ankläger von einer vorgefaßten Meinung ausgeht, um die Schuld zu konstruieren, während doch gerade in einem Kriminalprozeß mehr als anderswo induktiv von der Feststellung unzweifelhafter Tatsachen zu logischen Urteilen geschritten werden muß. Und wenn einmal in ruhigen Zeiten ein Strafrechtslehrer in den Archiven dieses Prozesses studieren und seinen Hörern das Beispiel eines politischen Prozesses und den Begriff des Indizienbeweises demonstrieren wird, so wird er die Adepten der Rechtskunde warnen, wenn sie Richter werden sollten, eine solche deduktive Methode anzuwenden, die von dem Vorurteil der Schuld und dem Glauben an dieselbe, also von einer Überzeugung ausgehend, nur nach Mitteln sucht, um eine Rechtfertigung eines vorgefaßten Urteils durch Scheinbeweise zu finden."
Ich aber füge hinzu, daß man eine
Weltanschauung, die aus der Tiefe der geknechteten und gedemütigten
deutschen Seele kommt, durch Prozesse und Verfolgungen nicht auszurotten
vermag. Eines Tages steht sie, die Verfolgte, als Siegerin da.
Und alle ihre Widersacher mögen die ewige Wahrheit des Dichterwortes
erkennen: "Die Weltgeschichte ist das Weltgericht!"
(Potlesk.)
Meine Damen und Herren! Es ist bedauernswert und gleichzeitig lächerlich, daß 14 Jahre nach Beendigung des Weltkrieges die èechoslovakische Regierung vor das èechoslovakische Parlament abermals mit einer Verlängerung des schon bereits überlebten und total überflüssigen Mieterschutzprovisoriums treten muß. Die Protokolle über die Sitzungen des sozialpolitischen Ausschusses, die stenographischen Protokolle über die Plenarsitzungen beider Kammern enthalten eine so reiche Fülle von Anregungen und Begründungen für eine aus der Praxis und aus der Erfahrung sich notwendig ergebende Abänderung des Mieterschutzgesetzes, daß diese Sachen nochmals hier zu wiederholen, sich als vollständig überflüssig erweist. Alle diese Bemühungen waren aber bis zum heutigen Tage vollständig ergebnislos. Sachliche Argumentation hat in diesem Hause überhaupt keinen Wert, ja nicht einmal der Hinweis eines èechoslovakischen Gerichtes, daß es ein ungerechtes Urteil fällen muß, weil das Mieterschutzgesetz fehlerhaft verfaßt ist, kann den Minister für soziale Fürsorge bewegen, auch nur eine sehr begründete Abänderung anläßlich der Verlängerung des Mieterschutzgesetzes auf 5 Monate vornehmen zu lassen.
Was für Ungeheuerlichkeiten unter Berufung auf das Mieterschutzgesetz in diesem Staate möglich sind, will ich an einem einzigen Beispiel zeigen, an einem Beispiele, dessen Gerichtsakten mir zur Verfügung stehen. An der Peripherie der Stadt Teplitz-Schönau besitzt ein pensionierter Oberlehrer ein kleines Haus, das zweimal zwei Zimmer und Küche, also zwei Wohnungen, aus je zwei Zimmern und Küche bestehend, enthält. Die ebenerdige Wohnung bewohnt der Hauseigentümer mit seiner Frau und einer geisteskranken Tochter, die außerdem noch bettlägerig ist. Im ersten Stock in der Zweizimmerwohnung wohnt ein aktiv dienender Bahninspektor, der nach der Urteilsbegründung des Bezirksgerichtes Teplitz selbst ein monatliches Einkommen von 2550 Kronen hat, wovon ihm nach Abzügen monatlich 2427 Kè rein verbleiben. Der Hauseigentümer hat noch eine zweite Tochter, die an einen Rentmeister der Domäne Taschlowitz verheiratet war. Sie wurde Witwe, bekommt eine monatliche Pension von 464 Kronen und hat natürlich die Naturalwohnung nach ihrem verstorbenen Mann verloren. Es ist selbstverständlich, daß der Hauseigentümer sich gezwungen sieht, die verwitwete und schuldlos in Not geratene Tochter mit ihrem Haushalt in sein Haus aufzunehmen, zumal er durch eine Kündigung den Mieter des ersten Stockwerks in wirtschaftlicher Beziehung nicht schädigt. Selbstverständlich wird gegen die Kündigung der Wohnung beim Bezirksgericht in Teplitz Beschwerde erhoben. Das Bezirksgericht in Teplitz anerkennt in seiner Begründung zum Urteil NC VI 240/15 ai 1931, daß die Kündigung vollständig begründet ist, anerkennt, daß der Hausbesitzer die Kündigung nicht aussprach, um einen höheren Mietzins zu erreichen, weil er diese Wohnung im ersten Stock seiner Tochter, die nur 464 Kronen monatlich bekommt, vollständig umsonst hergeben muß. Aber das Bezirksgericht in Teplitz und das Berufungsgericht Leitmeritz in der Begründung seines Urteils Zl. RN 843/18/32 erklären vollkommen konform - ich zitiere wörtlich aus der Begründung des Urteils - : "So wären denn alle Voraussetzungen des Kündigungsgrundes gegeben und es wäre der Kündigung stattzugeben, wenn die Tochter des Antragstellers verheiratet wäre. Das Mieterschutzgesetz als Ausnahmsgesetz kann nicht ausdehnend interpretiert werden, und wenn es im § 1, Abs. 20 von verheirateten Kindern spricht, müssen darunter solche verstanden werden, die in gültiger Ehe leben, so daß seine Anwendung auf verwitwete Kinder nach Ansicht des Gerichtes nicht ausgedehnt werden kann. Aus diesem Grunde konnte dem Antrag nicht stattgegeben werden."
Meine Verehrten! Wenn schon die berechtigten Wünsche der Bevölkerung nach einer Änderung des Mieterschutzgesetzes - nicht hinsichtlich der Erhöhung des Zinses, nicht hinsichtlich der Ausscheidung ganzer Kategorien von Bewohnern aus dem Mieterschutzgesetz, sondern nur hinsichtlich einer vernünftigen Novellierung gewisser gesetzlicher Bestimmungen - nicht berücksichtigt werden, so müßte man doch annehmen, daß wenigstens das Urteil eines èechoslovakischen Gerichtes, das den Gesetzgeber auf Mängel des Gesetzes aufmerksam macht, schwer genug wiegen wird, um eine Novellierung des Gesetzes vorzunehmen. Das geschieht nicht. Meine Herren! Hier wird jede Abänderung a limine, ohne daß sie geprüft wird, zurückgewiesen. Jeder Versuch, sachliche Arbeit bei der Novellierung oder Verlängerung des Gesetzes hier in diesem Hause zu leisten, ist vollständig vergeblich.
Der Bevölkerung aber muß man endlich
die Wahrheit sagen, wie in diesem Parlament wichtige Fragen und
Probleme der Volkswirtschaft, wie es das Mieterschutz- und Wohnungsgesetz
ist, überhaupt behandelt werden. Jedes Wort, das vom Herrn Berichterstatter
oder von den Vertretern der Regierung, von den Mandataren der
Regierungsmehrheit, hier über das Mieterschutzgesetz und Wohnungsproblem
gesprochen wird, ist nur dazu geeignet, die Öffentlichkeit zu
täuschen und zu hintergehen. Weder der agrarische, noch der sozialistische
Teil der Regierung werden sich das Mietschutzgesetz als ein Schlagwort
für die kommenden Wahlen entgehen lassen, denn so lange dieses
Mieterschutzgesetz mit all seinen Härten und Ungerechtigkeiten
besteht, so lange wird die agrarische Partei, die auf dessen Beseitigung
scheinbar so forsch hinarbeitet, hoffen, bei den nächsten Wahlen
Stimmen aus den Reihen der Hausbesitzer zu bekommen. Auf der anderen
Seite werden die sozialistischen Parteien darauf hinweisen können,
daß es nur ihnen zu verdanken ist, daß der Mieterschutz bis zum
heutigen Tage erhalten bleibt, und daß daher alle, die aus dem
Mieterschutzgesetz einen unredlichen Profit haben, verpflichtet
sind, ihre Stimme dem sozialistischen Block zu geben. Diese rein
parteiegoistischen Motive, die nicht nur die Arbeit im Ministerrat,
sondern auch die Arbeit der Regierungsmehrheit beherrschen, werden
die Ursache sein, daß der Antrag Druck No. 1805 bezüglich eines
definitiven Wohnungsgesetzes im Ministerrat und bei der Regierungsmehrheit
derart schleppend behandelt wird, daß das Parlament, so lange
es noch vor den Neuwahlen beisammen ist, sich nur fallweise mit
der Verlängerung eines untauglichen Provisoriums zu beschäftigen
haben wird. Eine Regierung und ein Parlament, dessen Regierungsmehrheit
sich derart vor der ganzen gesitteten Welt heruntersetzt, kann
nicht erwarten, daß auch nur ein Bürger dieses Staates zu dies
em System Vertrauen hat, und das ist das richtigste, aber traurigste
Bild, das man sich über das gegenwärtige parlamentarische System
und über die hiesige Demokratie machen kann. (Potlesk.)